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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Wikipedia offline – nicht geheime Briefwahl ist doof

Etwa einmal im Jahr entsteigen die Wikipedia-Krieger ihrer digitalen Matrix und materialisieren sich in der realen Welt, um sich bei der Hauptversammlung des Vereins „Wikimedia Deutschland e.V.“ in Berlin gegenseitig zu zerfleischen.

Während es die Wiki-Mächtigen im Vorfeld der MV gegenüber kritischen Anträgen mit Förmlichkeiten und angeblichem Datenschutz sehr genau nahmen, ließ man es umgekehrt eher lax angehen. So kam es nicht nur bei der Versendung von Wahlunterlagen zu eigenartigen Pannen, sondern auch bei der Wahl selber: Der mit 17 bezahlten Angestellten ausgestattete Verein, der in neureicher Manie etliche seiner Schritte seit Jahren mit einer großen Berliner Anwaltskanzlei eng abstimmt, war nicht in der Lage, eine brauchbare Briefwahl durchzuführen.

Wahlen unterliegen aus gutem Grund strengen Formvorschriften: Durch die Formstrenge soll die Autorität einer authentischen Wahl garantiert werden. Zudem kommen Manipulationen bei Wahlen häufiger vor, als man in zivilisierten Gefilden annehmen sollte. Daher gibt es Wahlrechtsgrundsätze. Im Zweifel ist eine formwidrige Stimme als ungültig anzusehen.

Die Wahlordnung von Wikimedia sieht zwei antagonistische Wahlformen vor: offene und geheime Abstimmungen. Da die Wahl offensichtlich nicht offen war, sollte sie logischerweise geheim sein. Aus dem Wahlgeheimnis folgt, dass dieses auch kein Wähler eigenmächtig unterlaufen darf, damit kein psychischer Druck entsteht, sich zur Wahl bekennen zu müssen.

Wie man eine Briefwahl zünftig gebacken kriegt, hätte Wikimedia locker in der Wikipedia nachlesen können. Oder in § 75 Bundeswahlordnung, wo erklärt wird, dass

  • sowohl der Wahlbrief (äußerer, postalischer Umschlag)
  • als auch der Stimmzettelumschlag (innerer Umschlag mit Stimmzettel)

von den entsprechenden Wahlvorständen geöffnet werden – und von niemandem sonst.

Die Authentizität (Unmittelbarkeitsgrundsatz) einer Briefwahl ist nur dann gewährleistet, wenn ersichtlich der Umschlag des Wählers mit dem Stimmzettel seinen Weg in die Wahlurne findet. Das Wahlgeheimnis ist nur dann gewährleistet, wenn die Wahl hierdurch anonymisiert wird. Daraus folgt, dass der Wahlbrief, der den Wahlschein und den Stimmzettelumschlag enthält, nur vom Wahlvorstand geöffnet werden darf. Briefwahlen sind übrigens auch durch das Postgeheimnis geschützt.

Bei der Schicksalswahl der Wiki-Warriors, in der es um u.a. ein Misstrauensvotum sowie das Generieren von lukrativen Pöstchen (hauptamtlicher Vorstand mit bis zu 5 Jahren Amtsdauer!) ging, wurden die Wahlumschläge seltsamerweise vor der Hauptversammlung durch die Geschäftsstelle geöffnet.

Mir wurden die Briefwahlunterlagen von Pavel Richter übergeben. Ich habe die verschlossene Stimmzettel erhalten, und ein Ordner mit den geprüften Wahlscheine.

WiseWoman

  1. Damit ist es der Mitgliederversammlung unmöglich geworden, zu beurteilen, ob der beigefügte Stimmzettelumschlag tatsächlich vom Absender stammte.
  2. Sofern der Stimmzettelumschlag nicht zugeklebt war, wäre eine Kenntnisnahme möglich und daher das Wahlgeheimnis verletzt worden.

Ob eine Manipulation oder Kenntnisnahme tatsächlich erfolgte, ist irrelevant, denn der Formfehler schließt eine nachprüfbare Authentizität der Wahl sowie das zu garantierende Wahlgeheimnis aus.

Sofern die Behauptung zutreffen sollte, man habe es in den Vorjahren genauso gemacht, dann macht es das nicht besser.

Doch haben wir noch einige schöne Einzelfälle:

Martin Zeise, der wie WiseWoman auszählte als ein Versammlungsleiter fungierte, schreibt:

Da gab es einerseits einen vor Ort vorhandenen Briefumschlag, der drei Stimmumschläge enthielt und (weil äußerlich nicht als Briefwahl erkennbar) bereits geöffnet war.

Das hört sich aber verdammt nach drei ungültigen Stimmen an …

Weiterhin gab es fünf Briefe, die keinen Wahlschein enthielten..

Na sowas …?! Es wäre interessant, zu erfahren, ob das Umschläge von den 66 Kritikern waren, welche die außerordentliche MV erzwungen hatten.

Bei zwei Briefen war durch die Angabe eines Absenders eine solche Zuordnung möglich (die eingelegten Stimmumschläge waren verschlossen)

Damit waren die Stimmzettel nicht mehr anonymisiert, da diese nach dem Urnengang dem Absender zugeordnet werden konnten. Sie wurden trotzdem als gültig bewertet.

Der „Wahlexpertin“ WiseWoman“ aber sollte irgendjemand mal den Unterschied zwischen Rechtsanwalt und Notar erklären.

Für den Misstrauensantrag fanden nur 58 als gültig bewertete Stimmen ihren Weg in die Wahlurne. Erstaunlich, denn immerhin hatten sich vorher 66 Mitglieder namentlich dazu bekannt, indem sie die außerordentliche Hauptversammlung erzwangen. Die seltsamen Vorfälle werden im offiziellen Wikimediablog in einer Rhetorik marginalisiert, die erstaunlich an die gute, alte DDR erinnert. Besonders gut gefällt mir die Stelle:

Der Rechtsanwalt war die ganze Zeit anwesend, es war ja eine offene Auszählung. Er wurde vor allem gebraucht, als nachgerechnet werden musste, ob der zweite Antrag – die von Sebastian Moleski eingebrachte Satzungsänderung – nun erfolgreich war oder nicht, weil ganz genau in der Wahlordnung nachgeschaut werden musste, wie Enthaltungen zu zählen sind.

Das steht doch in der Wikipedia … ;-)

Die Abstimmung leidet an einem schwerwiegenden Formfehler. Irrelevant ist die Frage, ob über die Möglichkeit der Manipulation hinaus ein entsprechender Verdacht besteht. Führt man sich die Tendenz des Wikimedia-Vorstands vor Augen, hinter dem Rücken der Vereinsöffentlichkeit zu konspirieren und bezahlte Vorstandspöstchen zu backen, so wäre es manchem wohl lieber, wenn die Wahlbriefe künftig von einem Notar verwaltet würden.

(Der Autor ist Mitglied im Schiedsgericht eines großen deutschen Vereins.)

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« Wie schmierige Millionäre Rechtsanwälte mit Selbstachtung akquirieren – OLG Köln: Nümann unterliegt gegen Heise »

Autor:
admin
Datum:
25. Januar 2011 um 18:36
Category:
Allgemein,Beweise,Internet,Politik,PR,Überwachung,Zensur
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