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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Oberbürgermeisterin darf wieder nackt gezeigt werden

Das OLG Dresden hat entschieden, dass die Oberbürgermeisterin auch künftig wieder im Schambereich nackt und ansonsten in Strapsen gemalt werden darf. Das LG Dresden hatte zuvor eine einstweilige Unterlassungsverfügung bestätigt, da es das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Politikerin höher gewichtete als die Kunstfreiheit.

Da sowohl Persönlichkeitsrechte als auch die Kunstfreiheit Grundrechte ohne definiertes Rangverhältnis sind, muss bei Kollision beider Rechtsgüter in jedem Einzelfall eine Abwägung gemacht werden. Es handelt sich in jedem Einzelfall um eine Wertung, die man so oder so sehen kann. Grundsätzlich müssen sich Gerichte allerdings an vorbestehender Rechtsprechung orientieren, die bislang nahezu eindeutig war.

Auch, wenn ich die ausufernde Ausdehnung des Persönlichkeitsrechts oft und laut kritisiere und mich grundsätzlich Künstlern näher als Berufspolitikern fühle, habe ich persönlich Zweifel, ob das sein muss. Eine Frau vorgerückten Alters als nackt zu darzustellen und im Stile einer Prostituierten zu portraitieren, sogar noch mit geöffneten Schamlippen, ist nach meinem Geschmack ein sehr billiger Einfall, etwa auf dem Niveau, Polikern Hitler-Bärtchen zu malen. Gegen Lügen könnte man sich mit der Wahrheit wehren, aber dagegen, dass ein Gegner jemanden obszön durch ein Kunstwerk beleidigt – und die Pose ist nun wahrlich kein Kompliment – das empfinde ich rein persönlich als unfair.

Bislang galt in der Rechtsprechung, dass der nackte Unterleib zur Intimsphäre zählt und nicht gegen den Willen der betroffenen Person thematisiert werden darf. Wenn die aktuelle Dresdner Entscheidung das Dogma des Tabubereichs aufweicht und endlich das Ungleichgewicht der Abwägung Persönlichkeitsrechte zu Meinungsfreiheit aufweicht, dann begrüße ich die Entscheidung.

Für mein Verständnis für die ursprüngliche Entscheidung des Dresdner Landgerichts habe ich übrigens einiges an persönlicher Anfeindung bezogen – erstaunlicherweise von Leuten, die für die Meinungsfreiheit eintreten. Dass auch ich eine eigene Meinung haben und äußern darf, scheint manche in ihrer sendungsbewussten Toleranz zu überfordern. Toleranz ist halt immer die des anderen … Den seltsamen Vorwurf aber, ich persönlich sei prüde, sollten meine Leser als inzwischen entkräftet ansehen dürfen: Mein Beitrag Feuchtgebiete 2.0 führte fünf Tage lang die Liste der „most wanted“-Artikel bei Telepolis.de. ;-)

UPDATE:

Die SZ weiß etwas mehr: Ausschlaggebend für das OLG Dresden war die Satirefreiheit. Mit dieser Begründung war es ein guter Tag für die Meinungsfreiheit. Es wird langsam einsam rund um Hamburg … :P

UPDATE:

Hier ist die Entscheidung. (via Kollege Stadler)

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Ein Kommentar

  1. Anonymous

    […] […]

    #1 Pingback vom 16. April 2010 um 22:28

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