Zum Inhalt springen


Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Nochmal zur Kunstfreiheit

Eine Bloggerin vertritt zur grundgesetzlich Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz garantierten Kunstfreiheit eine extremere Auffassung. Daher möchte ich kurz nachlegen.

Grundsätzlich besteht bereits das philosophische Problem, was man als Kunst bewertet, vor allem die verfassungsrechtlich hochproblematische Frage, einem Werk den Status Kunst sogar abzusprechen. Aber darum geht es gar nicht, schon gar nicht um Bilderverbrennung oder ähnliches.

Der Komponist Stockhausen hat in seinen letzten Jahren alles Mögliche als Musik interpretiert. So hat er sogar die Anschläge vom 11. September zu einem Kunstwerk erklärt. Nun sind wir uns hoffentlich einig, dass die Kunstfreiheit nicht soweit gehen kann, dass sie das Töten oder auch nur die Verletzung von Menschen rechtfertigt. Auch Kunstfreiheit kann also nicht schrankenlos gewährleistet sein, sondern findet ihre Grenzen dann, wenn erhebliche Rechte anderer betroffen sind.

Bilder etc. werden nur ganz, ganz selten verboten, praktisch nur dann, wenn das Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild in einer erheblichen Weise betroffen ist. Etwa die kopulierenden Schweine mit dem Gesicht von Franz-Joseph Strauß (dem man diese Kritik m.E. durchaus hätte zumuten können). Einem Künstler, der Claudia Schiffer in lasziven Posen Pin Up-mäßig malte, um damit gut zu verdienen, wurde das auch untersagt. Soweit ich die Rechtsprechung überblicke, werden künstlerische Bilder nur im absoluten Ausnahmefall wegen des Verstoßes gegen Persönlichkeitsrechte verboten. Vorsichtiger wäre ich da schon bei markenrechtlich oder urheberrechtlich geschützten Inhalten, wenn diese kommerziell verwertet werden. Siehe etwa auch den Beitrag „50 Jahre Asterix. Eine kleine Rechtsgeschichte“.

Man kann sich über Entscheidungen wie „Der blaue Engel“ trefflich streiten, aber im Grundsatz würde man den deutschen Gerichten Unrecht tun, wenn man ihnen nachsagte, sie gängen mit der Kunstfreiheit leichtfertig um. In entsprechenden Prozessen werden ggf. auch Kunstsachverständige gehört.

Die bloße Idee alleine, eine Person nackt darzustellen, ist trivial. Die Qualität der technisch-graphischen Umsetzung, den ggf. bewusst reduzierten Malstil usw. vermag ich nicht zu beurteilen, wobei nicht jeder Kunsthandwerker auch als Künstler gilt, denn Kunst kommt von Können und Künden. Eine künstlerische Aussage darf und soll sogar der Beobachter interpretieren und bewerten. Dafür benötigt man auch nur im Ausnahmefall Kunstsachverstand.

Die bloße Idee, eine ansonsten nackte Politikerin in Strapsen lächerlich zu machen ist eine künstlerische Aussage auf sehr rudimentärem Niveau. Jeder solch sich mal fragen, ob er oder sie es wirklich witzig fände, wenn die eigene Mutter im vorgerückten Alter öffentlich so bloßgestellt würde. Es gibt gewisse Tabu-Bereiche, über die sich eine Kultur definiert. So gibt es etwa sehr nachvollziehbare Gründe, heranwachsende Kinder nicht nackt abzubilden und Pornographie in der Öffentlichkeit zu regulieren. Jeder Erwachsene darf selber entscheiden, ob er sich öffentlich nackt darstellen will oder eben nicht.

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird zwar von so manchen Anwälten und Gerichten zur politischen oder geschäftlichen Waffe pervertiert und führt tatsächlich oftmals zu Zuständen, die faktisch nichts anderes als Zensur darstellen. Doch grundsätzlich ist das aus der Menschenwürde hergeleitete Persönlichkeitsrecht ein kultureller wie ethischer Fortschritt, der auf gleicher Stufe wie die Kunstfreiheit steht.

Es mag sein, dass bei gewissen Politikern die Nacktheit ein künstlerisch veranlasstes Stilmittel wäre. Aber eine Politikerin, die mit Fragen wie dem Bau einer umstrittenen Brücke befasst ist, zu entblößen, ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in den grundsätzlichen Anspruch auf ein Minimum an Respekt. Und der beginnt spätestens an der Gürtellinie. Da muss die Politikerin sich schon ein bisschen mehr zu Schulden kommen lassen, als dass man so weit gehen dürfte, ihr und ihren Familienangehörigen eine solche Obszönität zuzumuten. Auch Politiker sind kein Freiwild.

Da die Rechtsprechung bei sexistischer Nacktheit ohne inhaltlich wirklich kritischen Bezug insoweit einheitlich ist, bewerte ich die gerichtliche Gegenwehr der Künstlerin lediglich als Publicity-Gag. Davon, dass ausgerechnet in einer kunstsinnigen Stadt wie Dresden die Kunstfreiheit nicht gewährleistet sei, sind wir weit entfernt. Wohl jedes deutsche Gericht hätte den Fall ganz genauso entschieden. Das Bild wurde auch nicht als solches verboten, sondern darf lediglich vorerst nicht mehr öffentlich gezeigt werden. Nicht einmal der Verkauf war untersagt oder gar eine Vernichtung beantragt worden.

Und schließlich: Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob sich eine Privatperson gegen die Ausbeutung ihrer Persönlichkeit wehrt, oder ob der Staat Bilder verbrennt.

« Schramm über Koch und Kellner – Zugang einer verschwundenen Abmahnungs-Email »

2 Comments »

  1. wolf-dieter.busch@gmx.de

    Zum Gerichtsurteil gegen das Gemälde kann ich ohne Urteilsbegründung wenig sagen. — Zum generellen Thema Qualität des Gemäldes und Profanität der Idee, einen Menschen nackt darzustellen — über Google-Bildersuche habe ich als neugieriges Tierchen das Gemälde schnellstens gefunden; hier mein fachlicher Kommentar (bin von Ausbildung her Designer und privat cartoonbegeistert):

    Das Gemälde zeigt eine Person aus dem politischen Leben. Sie ist nackt bis auf Stöckelschuhe, Strapse, Hals-Zierat und einen Tanzschleier. Ins Auge fällt der Kontrast zwischen kaum verhüllten unbekleideten Weibskörper (eher positiv belegt) und eher sauertöpfischem Gesichtsausdruck.

    Im Hintergrund zu sehen ein Viadukt, vermutlich die strittige Elbüberbrückung.

    Kontext ist wohl die Aberkennung des Prädikats „Weltkulturerbe“ aufgrund einer strittigen Verkehrs-Baumaßnahme.

    In Zusammenschau belegen diese Stilelemente einen Sachbezug zwischen Bild und politischer Wirklichkeit, wie sie von der klassischen politischen Karikatur bekannt ist, die bekanntlich auf zeitaufwändigen Feinschliff verzichtet zugunsten pünktlicher Tagesaktualität. Wenn ich das abgeurteilte Bildwerk als Karikatur auffasse, lautet mein Urteil: diskussionswürdig, aber nicht konkret schlecht; insbesondere nicht profan.

    Ich wiederhole, mangels Kenntnis der Urteilsbegründung kann ich wenig zum Urteil sagen, aber mangelnde künstlerische Qualität taugt hier auf keinen Fall zur Beurteilung.

    #1 Kommentar vom 04. Dezember 2009 um 18:09

  2. Miss Loreley von der Elbe « Urs1798’s Weblog

    […] Kunstfreiheit verboten, wie wäre es mit Narrenfreiheit? […]

    #2 Pingback vom 05. Dezember 2009 um 00:53

Kommentar-RSS: RSS feed for comments on this post.

Leave a comment

You must be logged in to post a comment.