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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


25. November 2009

Delegierender Enthüllungsjournalismus dank Wikileaks

Inzwischen ist Wikileaks dazu übergegangen, spektakuläre Leaks in konventionellen Medien anzukündigen. Morgen wird der geheimnisvolle Toll-Collect-Vertrag größtenteils veröffentlicht.

Indem Medien auf die international agierenden, praktisch unzensierbaren Wikileaker verweisen, können sie sich dezent aus der Schusslinie halten. Harte Zeiten für gewisse Industrie-Anwälte, deren Job es faktisch ist, die Öffentlichkeit dumm zu halten.

Süddeutsche lobpreist den fliegenden Gerichtsstand

Ausgerechnet eine renommierte Zeitung wie die Süddeutsche redet dem fliegenden Gerichtsstand das Wort. Klasse!

Aufgrund der gegenwärtigen Auslegung des § 32 ZPO kann man sich bei überregionaler Verbreitung angeblicher Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht den Gerichtsstand aussuchen und wählt daher zweckmäßig unter den 18 Landgerichten dasjenige aus, das für die schärfsten Urteile bekannt ist – meistens spricht es hanseatisch. Das nennt sich fliegender Gerichtsstand.

Die Süddeutsche bemüht krasse Fälle wie Robert Enke, der sich angeblich wegen Angst vor schlechter Presse nicht stationär behandeln lassen wollte.

Warum Prominente keine Angst haben müssen, mit ihren Krankheiten in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden.

EINSPRUCH, Herr Kollege.

Professionelle Redaktionen WISSEN, dass Berichte über den Gesundheitszustand, der nicht öffentlich sichtbar ist oder freiwillig bekannt gemacht wurde, nicht ohne weiteres zulässig sind. Entweder, die Redaktionen respektieren das, oder sie übertreten sehenden Auges das Verbot und kassieren eine einstweilige Verfügung – die sie dann aus der Portokasse zahlen.

DAFÜR brauchen wir keinen fliegenden Gerichtsstand, solche Evidenzfälle kriegen auch die anderen Landgerichte hin.

IM GEGENTEIL: Dadurch, dass eine einstweilige Verfügung erst Wirksamkeit entfaltet, wenn sie zugegangen ist, macht es in Eiligstfällen wenig Sinn, diese am Landgericht Hamburg zu beantragen, wenn sie in Köln zugestellt werden muss.

Unter dem fliegenden Gerichtsstand leiden insbesondere kleine Blogger, die alle nach Hamburg bemüht werden können, wenn jemand eine einstweilige Verfügung erschleicht. Vor allem aber widerspricht das Konzept des Forumshoppings dem Prinzip des gesetzlichen Richters, nach dem sich niemand seinen Richter aussuchen können soll. Aufgrund des fliegenden Gerichtsstandes bekommen Hamburger Richter, die unverblümt in offenem Widerspruch zu den Vorgaben von BGH und BVerfG urteilen, eine unverhältnismäßige Macht. Davon aber steht im Artikel der Süddeutschen nichts.

Besonders weh tut es aber, wenn der Autor Rechtsanwalt Gernot Lehr von „erfahrenen Pressekammern“ schwärmt und dazu ausdrücklich die des Landgerichts Köln zählt. Erfahrungen habe ich in Köln vor Jahren gesammelt, allerdings definitiv keine guten …

Gipfeltreffen der TAZ/BILD-Blogger

Kurz, bevor Junior-Blogger Kai Diekmanns selbstverliebtes Blog endgültig in die Ödnis abzurutschen drohte, kam es doch noch zu einem sehenswerten Ereignis: Diekmann besuchte als Video-Blogger unangemeldet das umstrittene Denkmal vor Ort und traf dort zufällig auf TAZ-Blogwart Mathias Bröckers, der übrigens auch selbst seit etlichen Jahren ein Blog betreibt. Beide Herren zogen das spontane Treffen sehr zivilisiert und aufschlussreich durch. Bröckers war wie immer sehr eloquent, schlagfertig und präzise, Diekmann gewohnt freundlich, jedoch nur BILD-typisch oberflächlich informiert.

Urheberrechtlich weitaus interessanter ist jedoch die inzwischen aufgeworfene Frage, inwieweit sich der Künstler Lenk gegen den von der TAZ-Leitung befürworteten Abbau der „Lenk-Waffe“ im Januar durchsetzen kann. Heute gibt es bei TAZens einen entsprechenden Showdown.

Auch bei der TAZ ergriff man die Gelegenheit zur Video-Safari und interviewte zurück. Dort findet man auch ein Foto mit dem mutmaßlichen Model vor der Plastik.

Update:

Diekmann gesteht „überraschende“ Urheberschaft des TAZ-Fakes in der FAZ.

24. November 2009

ESRA kriegt kein Geld

Der Autor Maxim Biller hatte es Woody Allen gleichgetan und private Beziehungen literarisch verwertet. Doof halt nur, dass er gegen jeglichen Anstand verstieß und auch mit Intimitäten hausieren ging. In einer in Sachen Kunstfreiheit problematischen, aber überzeugenden Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht dem peinlichen FAZ-Schreiberling den Respekt vor dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gelehrt: Der Kavalier genießt und schweigt gefälligst.

Nun hat die Geschmähte gedacht, sie könne sich den Ärger versilbern lassen. Das Landgericht München hatte es mitgemacht, das Oberlandesgericht schon nicht mehr, und nun haben die Leute vom 6.Senat des BGH mal wieder Vernunft walten lassen und den Geldhahn „Persönlichketsrecht“ abgedreht.

Der für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die besondere Bedeutung der Kunstfreiheit betont. Deren hoher Rang und schrankenlose Gewährleistung gebieten bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung wegen Verletzung von Persönlichkeits-rechten durch Kunstwerke besondere Zurückhaltung. Obwohl die Veröffentlichung die Klägerin in ihren Persönlichkeitsrechten schwerwiegend betraf, bestand im Streitfall kein Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung einer Geldentschädigung. Dabei waren im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung insbesondere die äußerst schwierige Bestimmung der Grenzen der Kunstfreiheit und die Tatsache zu berücksichtigen, dass das von der Klägerin erwirkte Verbot des Romans bereits erheblich in die Kunstfreiheit eingreift.

Pressemitteilung des BGH.

Schutzschriften schützen nicht vor Landgericht Hamburg

Wie der Kollege Feil vom Abmahnung-Blog hinweist, ist in Hamburg auch die Wirkung von Schutzschriften eine eher relative.

Vorliegend geht es um das ätzende Thema Massenabmahnung in Fliesharing-Sachen, mit denen gerade alle medienrechtlichen Kollegen genervt werden.

23. November 2009

Schleichwerber verdient nichts mit Persönlichkeitsrecht

Ne, sowas möchte ich nicht kommentieren. Ich lasse es einfach mal stehen:

Ex-SR-Fernsehspiel-Chef scheitert mit Entschädigungsklage gegen ARD (epd)

Vendetta Kai ./. Kollege E.

Auf die Gefahr hin, die Leser dieses Blogs zu langweilen, tue ich dennoch die Chronistenpflicht und weise darauf hin, dass die Herren mal wieder Gerichtspost ausgetauscht haben. Ist aber langsam irgendwie öde.

Beneiden tue ich den Herrn Diekmann allerdings um die Aufmerksamkeit von Kollege E.’s Socia Kollegin S., die E. normalerweise vertritt. Vielleicht war es ja ihr Antlitz, das die 16 m hohe Freudenkundgabe auslöste …

Oups, jetzt schreibe ich ja schon auf BILD-Niveau. Schnell Feierabend machen!

22. November 2009

Kennedy-Attentat jährt sich zum 46.Mal

Aus Interesse an Medienkritik, Manipulation und Kollektivillusionen habe ich mich mehrfach mit dem Kennedy-Attentat befasst. Erstmals habe ich hierzu 2007 etwas in meiner Biographie zu Ex-CIA-Chef Allen Dulles geschrieben, der die Warren-Kommission dominierte und wesentlich die Alleintäter-Theorie vorantrieb.

Als 2008 angeblich neue Beweise auftauchten, nahm ich dies zum Anlass, den Stand der Forschung zum Attentat selbst in meinem Beitrag „Das Kennedy-Puzzle“ zusammenzufassen. Dabei war mir der Autor Lothar Buchholz freundlicherweise sehr behilflich. Buchholz sammelt praktisch alle Berichte über das Attentat, unterlässt jedoch eigene Schlussfolgerungen und Theorien, sondern weist allenfalls auf Widersprüche hin. Sein Buch „Labyrinth der Wahrheiten“ ist insoweit Pflichtlektüre.

Dieses Jahr verließ ich die Perspektive des Grashügels und bestieg den Feldherrenhügel, von dem aus man einen Blick auf das größere Ganze hat. Im Rahmen meiner Biographie über den ultrarechten Chairman des Vereinigten Generalstabs der US-Militärs zu Anfang der 60er Jahre, General Lyman Louis Lemnitzer, der die Kennedys abgrundtief hasste. Besonders aufschlussreich sind die beiden Kapitel mit dem Vorspiel und dem Nachspiel zum Attentat. Wer mein Zeugs nicht lesen will, dem möchte ich wärmstens „Brothers. The Hidden History of the Kennedys“ von David Talbot ans Herz legen.

Absolut vergessen kann man den seltsamen Beitrag in der deutschen Wikipedia, dem die Wikipedanten erstaunlicherweise das Prädikat „lesenswerter Artikel“ verliehen haben. Der Artikelbesitzer, mein lieber Freund Phi, hält Autoren, welche die Alleintäter-Theorie bezweifeln, für randständig und versucht nach Kräften, deren Erwähnung in der Wikipedia zu unterbinden. Zum Drama siehe meine Phi-Soap.

Es gibt aber auch das andere Extrem: So hatte in der englischen Wikipedia über Monate unbeanstandet beim Kennedy-Attentat der Jux gestanden, ein bestimmter Journalist sei diesbezüglich verdächtigt worden …

Schlagwörter:
21. November 2009

Gerichtsreportage unter Gerichtsbeschuss

Indymedia meldet:

„Am 16.11.2009 erhielt Edith Bartelmus-Scholich, Herausgeberin der nicht kommerziellen Internet-Zeitung „scharf-links“, von der Staatsanwaltschaft Krefeld einen Strafbefehl über 12.000 Euro, ferner eine Verleumdungsklage des OLG-Präsidenten Düsseldorf.“

Corpus Delicti:

„Der Rote-Hilfe-Text, den „scharf-links“ veröffentlichte, enthält einen Satz, der nach Auffassung des OLG den Schluss zulässt, ein Richter habe die Sommerpause des Gerichts dazu genutzt, den Angeklagten länger in Beugehaft zu halten. Hierin sehen die Juristen des OLG Düsseldorf und der Staatsanwalt eine Verleumdung.

Nach Aussage von Bartelmus-Scholich wurde der Artikel der Roten Hilfe nach bestem Wissen geprüft, die vom OLG Düsseldorf als falsch bezeichnete Tatsachenbehauptung sei als solche nicht zu erkennen gewesen. Auch hätte sie Beiträgen der Roten Hilfe nicht misstrauen müssen, da deren Berichterstattungen bisher zuverlässig und korrekt gewesen seien. Seitens des OLG habe es keinen Versuch gegeben, auf die falsche Tatsachenbehauptung aufmerksam zu machen oder eine Korrektur zu erwirken. Weder eine Gegendarstellung noch eine einstweilige Verfügung seien eingegangen. Daher war Bartelmus-Scholich davon ausgegangen, der Artikel sei sachlich korrekt. Zwischenzeitlich hat die Redaktion „scharf-links“ den beanstandeten Artikel bis zu einer Klärung vom Netz genommen.“

Über den Fall liegt mir außer dieser Meldung noch nichts vor. Das Vorgehen gegen Äußerungen mit Strafbefehlen ist bei bloßen Missverständlichkeiten eher ungewöhnlich. Normalerweise gibt es bei so etwas eine zivilrechtliche Abmahnung, wobei ein in PR erfahrener Betroffener erst einmal ein klärendes Gespräch sucht und dem Irrenden die Möglichkeit zur Korrektur lässt. Wenn aber eine Behörde wie die Staatsanwaltschaft selbst zu den Waffen greift, dann bekommen solche Fälle sehr schnell ein Geschmäckle.

Für eine Bewertung ist es angesichts der unklaren Informationslage noch zu früh, aber seltsam erscheint das Ganze schon jetzt.

Update:

Kommentar von Peter Novak im „Freitag“

Kollege E. ./. Blogger Kai

Der Kollege E. hat dem Nachwuchs-Blogger Kai Diekmann mal wieder gezeigt, wer Chef im juristischen Ring ist. Ob das ein Gewinn für die Presse- und Satirefreiheit ist, darf bezweifelt werden, weshalb die Entscheidung, gegen die Abwehr-Polemik vorzugehen, natürlich zu Abzügen in der B-Note führt. Sie entspricht jedoch der Policy von Kollege E., sich nichts bieten zu lassen, war also absehbar. Und da der Kollege E. das Presserechtshandwerk wie kaum ein zweiter beherrscht, war er auch erfolgreich.