6. Mai 2015
Die tendenziöse Berichterstattung zum Bahnstreikt stößt etlichen Beobachtern auf. Ausgeblendet wird vor allem, dass die Streiks der Bahn im europäischen Vergleich sogar sensationell niedrig sind. Gerade heute fällt wieder das ehemalige Nachrichtenmagazin mit Problemen beim Einhalten der Sachebene auf. Als die Bahn vor einem halben Jahr streikte, schien die Qualitätsjournaille ebenfalls begierig zu sein, Gewerkschafter in die Spinnerecke zu stellen.
Damals erschien über eine Mandantin von mir ein unfassbar schwach recherchierter Artikel, dessen Autorin sich im Wesentlichen auf die Darstellung der einen Seite verließ und unschlüssige Anschuldigungen ungeprüft übernahm. Die Verdrehungen in dem Artikel waren wirklich abenteuerlich. So wurde jemand wegen einem privaten, zinsfreien Darlehen als böse dargestellt, weil er das altruistisch vorgetreckte Geld nach Jahren nun einmal wieder zurück haben wollte. Schon die evident falschen juristischen Begrifflichkeiten, die eine Gewinnerzielungsabsicht suggerierten, hätten den Qualitätsjournalisten auffallen müssen.
Das ehemalige Nachrichtenmagazin war außergerichtlich nicht bereit, den Beitrag bis auf eine unwesentliche Falschinformation zu korrigieren, obwohl der Zeuge, auf den sich das Blatt verließ, nun einmal mindestens schillernd war und eigene Motive hatte. Wäre ich Chefredakteur gewesen, hätte ich die Journalistin nach dieser unfassbar peinlichen Fehlleistung noch am selben Tag freigestellt und wäre mit einem Blumenstrauß zu der Gerwerkschafterin gefahren, um mich für den Rufmord zu entschuldigen.
So aber bedurfte es einer einstweiligen Verfügung, die man in Hamburg zähneknirschend akzeptierte. Das mutmaßliche Ziel, Stimmung gegen Gewerkschafter zu machen, war ja inzwischen erreicht.
3. Mai 2015
Endlich fühlen sich die deutschen Supersicherheitsgrundrechtsfanatiker bestätigt. Nachdem sich der abgesagte Braunschweiger Karneval als Klamauk erwies, präsentiert man nun „Sauerlandbomber Reloaded“. Der Plot hat erstaunliche Ähnlichkeiten mit der rabenschwarzen Satire Four Lions, die man sich hier komplett ansehen kann. Der Film dürfte aufschlussreicher sein als der Kommentar der FAZ, über deren unkritische Sicherheitsbehördengläubigkeit man nur noch staunen kann.
2. Mai 2015
Heute-Show vom 01.11.2013 zum NSA-Skandal.
Eineinhalb Jahre später:
Und heute jetzt das: Ausspähen unter Freunden geht doch!
26. April 2015
Neuer Leak:
Absender: Bundeskanzleramt
Empfänger: BND
Ihre Mission, sollten Sie sie akzeptieren, ist das Eindringen in den innerdeutschen Telekommunikationsverkehr und das Durchleiten der Signale an die NSA. Wie immer gilt: Sollten Sie oder ein Mitglied ihres Teams auffallen, wird die Bundeskanzlerin jedes Wissen von Ihrer Mission abstreiten.
Viel Erfolg bei Ihrer Mission.
Diese Nachricht zerstört sich in fünf Sekunden.
Quelle: FAZ
31. März 2015
Beim jährlichen Hacker-Kongress des Chaos Computer Clubs zwischen den Jahren ist die Fnord-News-Show Kult. Darin spotten die beiden Nerds Frank Rieger und Felix „Fefe“ von Leitner über Fails in Politik, Wirtschaft, IT-Welt und Gesellschaft. Als eine Art öffentlichen Notizblock setzte Fefe am 31.03.2005 ein Blog auf, in dem er Skurrilitäten und Pannen aufspießt.
Daraus entwickelte sich ungeplant das wohl mächtigste Blog der deutschen IT-Szene. Verlinkungen von Fefe sind so effektiv, dass entsprechender Traffic von Providern häufig als DDoS-Angriffe interpretiert werden und oft sogar Websites runterfahren. Fefes Meinung kleidet er in kompromissfreien Klartext und etablierte das Emiticon m( für „facepalm“. Wenn Fefe über jemandem den Stick bricht, kann der sich gleich löschen.
Fefe war der Programmierer des Google News-Vorläufers Paperboy, der deutsche IT-Rechtsgeschichte geschrieben hat. Seither hasst er Abmahnanwälte. Umso größer war die Irritation in der Szene, als er mich vor einem Jahr mit einer speziellen Abmahnung beauftragte … ;) Eine Geburtstagsrede hält Peter Mühlbauer.
30. März 2015
Das OLG Karlsruhe hat der Berufung meiner Mandantin gegen eine Ordnungsmittelfestsetzung des Landgerichts Mannheim stattgegeben. Seine Heiligkeit, der berühmt-berüchtigte Lama Ole Nydahl, hatte meiner Mandantin den Verstoß gegen einen Prozessvergleich vorgeworfen, der bestimmte Äußerungen untersagte. Ein Unbekannter hatte vor Abschluss des Vergleichs über eine seiner Meinung nach unberechtigte einstweilige Verfügung kritisch berichtet und dabei den Unterlassungstenor wiedergegeben.
Das Landgericht verhängte eine Ordnungsstrafe, welche die unvermögende Mandantin hätte absitzen müssen. Das OLG Karlsruhe sah die Veröffentlichung jedoch als zulässige Auseinandersetzung mit dem Verbot an. Diese habe einen anderen Kontext und eine andere Stoßrichtung als der referierte Originalartikel. Jedenfalls im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens wird seine Heiligkeit damit wohl leben müssen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 23.03.2015, 36 W 99/14.
Auch andere Lamas beschäftigen mich gerade beruflich …
admin •
13:59 •
Abmahnung,
Allgemein,
einstweilige Verfügung,
fliegender Gerichtsstand,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Meinungsfreiheit,
PR,
Pressefreiheit,
Verdachtsberichterstattung,
Zensur,
Zeugen •
Comments (1)
Zur Berichterstattung über die Katastrophe ist eigentlich genug geschrieben worden. Ich habe mich unter anderem deshalb zurückgehalten, weil ich einen Bezug zu Haltern am See habe, das von Münster eine halbe Autostunde entfernt liegt. Zwei Anmerkungen möchte ich noch loswerden:
Bei der Aufklärung von Flugzeugabstürzen sollte man die Nachrichtenlage mit äußerster Vorsicht beurteilen. Vor fünf Jahren habe ich mich intensiv mit Abstürzen befasst, insbesondere im Ultraleichtflugbereich. Dabei habe ich mir insbesondere eine Meinung über die Arbeit der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BfU) gebildet, in die ich kein Vertrauen habe. Anders als Justiz und Staatsanwaltschaft ist die BFU nicht im Justiz- oder Innenministerium organisiert, sondern untersteht dem Bundesverkehrsministerium. Dort ist aber auch das Luftfahrtbundesamt aufgehängt, was die Unabhängigkeit der BfU mindestens relativiert. Beide Behörden sitzen in Braunschweig in der gleichen Straße, man speist in der gleichen Kantine. Auch sonst gibt es bei der BfU und in der überschaubaren Fliegerszene abenteuerliche Interessenkonflikte. Über die Arbeitsweise dieser Behörde hat mir ein ehemaliger BfU-Mitarbeiter einiges erzählt, und auch dieser Insider erwies sich als inkompetent und charakterlos. Da einflussreiche Firmen, Verbände und Flugvereine ein fundamentales Interesse daran haben, dass Abstürze möglichst „Pilotenfehlern“ zugeschrieben werden, kann man sich einen Reim darauf machen, mit welchem Befund sich die BfU wohl den geringsten Ärger einhandelt.
Zur Frage, ob die Presse den Namen des verdächtigen Co-Piloten nennen darf: Presserechtlich ist dies angesichts der substantiierten Verdachtslage und dem hohen Berichtsinteresse der Öffentlichkeit an diesem zeitgeschichtlich hochrelevanten Ereignis zulässig. Die Pressefreiheit entbindet allerdings nicht von der Selbstverantwortung etwa gegenüber den unbeteiligten Angehörigen oder Personen, die zufällig den gleichen Namen haben. So gibt es zufällig sogar einen Journalist, der genauso wie der tote Co-Pilot heißt. Welchen Mehrwert die Namensnennung haben soll, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar. Das allerdings ist keine juristische Frage.
22. März 2015
Leipzig – „Unter Druck! Medien und Politik“ von VV_LeipzigFernsehen
Dieses Wochenende fand in Leipzig die Konferenz von Netzwerk Recherche e.V. zum Presserecht statt. Dabei war ich Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, in der es um die Nutzung von Inhalten aus sozialen Netzwerken ging. Aufhänger war natürlich das SPIEGEL-Cover „Stoppt Putin jetzt!“, bei dem die SPIEGEL-Zeitung die Bilder der Getöteten verwandte, um ihnen eine politische Aussage unterzujubeln und damit Hass in eine Richtung zu kanalisieren. Während die SPIEGEL-Leute kniffen, war BILD.de-Chef Jens Reichelt so sportlich, sich der Dikussion zu stellen und auch das SPIEGEL-Cover gleich mit zu verteidigen.
Ich bewerte dieses Cover nicht als Berichterstattung (im Beitrag ging es gar nicht um die Opfer), sondern als Kriegspropaganda. In jedem Krieg und erst recht im Bürgerkrieg kommt es zu ungeplanten Situationen, etwa Eigenmächtigkeiten von lokalen Kommandeuren, dem, was Zyniker als „friendly fire“ und „collateral damage“ bezeichnen oder schlichtweg Zufall, etwa ein Flugzeug aus Malaysia über ukrainischem Kriegsgebiet. Betrachtet man etwa die Kubakrise aus historischer Perspektive, war es pures Glück, dass am Schwarzen Donnerstag keines der aus Moskau und Washington unkontrollierbaren Ereignisse einen Nuklearkrieg auslöste. Ein solches Ereignis in einer Spannungslage willkürlich herauszugreifen und einer Partei die Schuld zu geben, ist kein Journalismus, sondern Agenda.
Reichelt hielt den Fall MH17 für aufgeklärt und verurteilte Putin dafür, die eine Seite mit einer BUK ausgerüstet zu haben. Daher dürfe man die Bilder der Opfer auch zeigen und ihm die Sache zurechnen. Da das eigentliche Thema nicht der Ukraine-Konflikt war, sondern Recherche in Social Media, habe ich nicht weiter dagegen gehalten, zumal ich dafür bin, sogar noch sehr viel mehr Opfer zu zeigen, damit Krieg nicht verharmlost wird. Insoweit sei jedoch nachgetragen:
Ich kann nicht die Waffenlieferung der einen Seite als Verbrechen geißeln, wenn ich der Waffenlieferungen der anderen Seite und ihrem Zündeln („Fuck the EU“) applaudiere. Ich kann auch nicht die Bilder der Opfer der einen Seite zeigen, wenn die Opfer der anderen Seite bestenfalls Zahlen bekommen. Hat BILD die Bilder der Gewerkschafter gezeigt, die in Odessa lebendig in einem Haus vom ukraninisch-nationalistischen Mob verbrannt wurden? Und wann zeigt der SPIEGEL auf dem Cover die Gesichter der über 4.000 Drohnenopfer, die nicht etwa ungeplant, sondern absichtlich von Herrn Obama (der jeden Abschussbefehl persönlich unterschreibt) liquidiert wurden?
Reichelt führte auch seine Kompetenz als Kriegsberichterstatter an. Unter uns: Beeindruckt mich als Leser von Phillip Knightleys brillantem Sachbuch „The First Casualty: The War Correspondent as Hero and Myth-Maker From the Crimea to Kosovo“ so gut wie gar nicht. Die Gründe, warum Kriege geführt werden, findet man selten an der Front, sondern eher im Wirtschaftsteil des Handelsblatts. Stattdessen machen sich einseitige Frontberichterstatter mitschuldig am größten Verbrechen überhaupt: Krieg.
Der kriegsgestählte Reichelt geriet in dem Talk vor allem durch den Kollegen Dr. Schertz unter Beschuss, der das Geschäftsmodell des Boulevardsjournalismus nicht gutiert. Reichelt muss man den Respekt zollen, dass er sich dem Treffen der eher für Qualitätsmedien arbeitenden Journalisten gestellt hat und nicht als Sieger vom Platz gehen konnte, während die SPIEGEL-Leute noch an ihrem neuesten Cover herumschraubten, das ich lieber nicht kommentiere.
Außerdem hatte ich noch auf einem Panel Gelegenheit, gegen den fliegenden Gerichtsstand zu wettern. Der ist inzwischen bei Verbreitung im Internet von der Rechtsprechung im Persönlichkeitsrecht weitgehend zurückgefahren worden, nicht allerdings im Printbereich, wo nach wie vor bayrische Fälle in Hamburg verhandelt werden. Auch im Urheberrecht wird er außer in den Fällen des § 97a UrhG noch geflogen.
Die Konferenz war auch ansonsten sehr spannend und hochkarätig besetzt. Mich beeindruckten vor allem die beiden Journalisten, die den Sachsensupf trockenlegten und dabei unter skandalösen Umständen strafrechtlich angeklagt und publizistisch angegangen wurden. Die beiden sind schließlich freigesprochen worden, wurden aber für den Ärger, denen ihnen die Gerichte und Staatsanwaltschaften machten, nie entschädigt.
Außerdem gab es eine abendliche Sonderführung durch die wirklich hervorragende Ausstellung „Unter Druck. Medien und Politik“. Im Museum kann man u.a. die berühmte Mailbox-Nachricht von Wulff beim BILD-Chef abhören, die einen von den Medien getriebenen Menschen das höchste Staatsamt kostete.
admin •
13:55 •
Allgemein,
Beweise,
Bildnis,
Die lieben Kollegen,
fliegender Gerichtsstand,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Politik,
PR,
Verdachtsberichterstattung,
Zensur •
Comments (0)
19. März 2015
Dieses Wochenende findet eine Fachkonferenz zum Presse- und Medienrecht in Leipzig statt. Ich habe das Gefühl, dass es einen zusätzlichen Programmpunkt geben wird … ;)
admin •
10:21 •
Allgemein,
Beweise,
Internet,
Medienmanipulation,
Medienrecht,
Persönlichkeitsrecht,
Politik,
PR,
Pressefreiheit,
Recht am eigenen Bild,
Verdachtsberichterstattung,
Zeugen •
Comments (0)
6. März 2015
Letzten Samstag hatte ich in Berlin etwas Zeit totzuschlagen, und so setzte ich mich vor die Spionverwahranstalt, die seit fast einem Jahrzehnt in Berlin gebaut wird. Immerhin handelt es sich um das teuerste Bauprojekt des Bundes aller Zeiten, da will man als Steuerzahler auch ein bisschen genießen.
Das machte alles einen sehr friedlichen Eindruck, niemand lupfte seinen Schlapphut. Zwischendurch kam ein schwarzer Pudel an, der an meinen Schuhen herumschnüffelte. Das erinnerte natürlich an den Buchtitel „Schnüffler ohne Nase“, das erste große Enthüllungsbuch über den BND. Das hatte damals die Inlands-Observation des Fachautors Erich Schmidt-Eenboom ausgelöst.
Bei meinem Besuch bin ich zwangsläufig in das Visier der Überwachungskameras geraten, so dass ich nun Teil eines Staatsgeheimnisses bin. Seit diese Woche gemeldet wurde, dass Unbekannte am Dienstag in das perfekt bewachten Gebäude eingedrungen sind, um die Wasserhähne zu demontieren, werden die Videos wohl etwas genauer ausgewertet werden. Ich auch gespannt, wann hier jemand mal auftaucht und unter einem Vorwand meine Wasserhähne sehen möchte … ;)
Der Wasserschaden wird in die Millionen gehen. Der Etat fehlt dann natürlich für die Öffentlichkeitsarbeit des BND. Die hatten 1967 mal verdeckt einen Spielfilm Mister Dynamit. Morgen küsst euch der Tod über einen BND-Agenten protegiert, der der CIA unter die Arme griff. Hauptdarsteller Lex Barker benötigte damals einen Anwalt, um an seine Gage zu kommen. Der Film war so peinlich, dass er kollektiv in Vergessenheit geriet. Selten hatte der BND derart effizient etwas vertuscht …