31. Januar 2015
Am Freitag habe ich der Verleihung des Surveillance Studies Preis 2015 beigewohnt. Ausgezeichnet wurde das Autorenpaar Katja und Clemens Riha für die TV-Doku „Land unter Kontrolle“. Als der Film vor einem Jahr Premiere hatte, musste ich sehr schmunzeln, da etliche meiner Themen und Helden von 2013 in der Doku auftauchten.
Wer beurteilen möchte, ob uns die Bundesregierung in Sachen Überwachung und Kooperation mit der NSA reinen Wein einschenkt, braucht sich nur den Ausschnitt anzusehen, an dem Bundeskanzler Willy Brandt im Bundestag die Öffentlichkeit über die damals streng geheimen Privilegien der Aliierten einfach belog. Wie wenig der BND auf Gesetze gibt, wurde jüngst wieder im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestsags deutlich: Der BND speichert 220 Millionen Telefondaten täglich und teilt einen Großteil seines Schatz in Echtzeit blind mit der NSA. Den G10-Ausschuss hat man mit solchen Kleinigkeiten nicht belästigt …
19. Januar 2015
Im letzten Jahrhundert haben wir in Deutschland eine Auswahl an totalitären Systemen durchgemacht, in denen Meinungs- und Demonstratinsfreiheit keinen allzu hohen Stellenwert genoss. Der Wert der Demonstrationsfreiheit ist kaum zu überschätzen, waren es doch friedliche Demonstrationen, die 1989 sogar den Kalten Krieg beendeten.
Ich halte es daher für sehr wichtig, dass der Staat das Demonstrationsrecht aus Artikel 8 Grundgesetz garantiert. Meinungsfreiheit ist allerdings nur dann gewährleistet, wenn ich Meinungskundgaben toleriere, die ich eigentlich nicht hören will. Daher sollte sich der Staat auch gegenüber unpopulären Meinungen so neutral wie möglich verhalten. Gerade unsympathischen Zeitgenossen sollte man ruhig ein Podium lassen, auf dem sie sich blamieren.
Während ich es gut finde, wenn Privatleute und Unternehmen in der Ablehnung von widerwärtigen Meinungen ein Zeichen setzen, indem sie etwa die Außenbeleuchtung abschalten, habe ich Bauchschmerzen, wenn öffentliche oder von der öffentlichen Hand kontrollierte Einrichtungen darüber befinden, welche Demonstration im Licht stattfinden dürfen und welche in den Schatten gestellt werden.
2009 etwa war es unpopulär und vom Staat unerwünscht, für die Internetfreiheit zu demonstrieren. Wer sich gegen das Zugangserschwerungsgesetz aussprach, wurde von der Regierungspropaganda als Befürworter von Kinderpornographie denunziert. Wer gegen den Überwachungsstaat eintritt, wird vermutlich bald zum „Terroristenversteher“ ausgerufen. Soll der Staat jetzt darüber bestimmen, wer erwünschter Demonstrant ist und wer stört?
Nunmehr wurde eine (verständlicherweise) unerwünschte Demonstration wegen einer Anschlagsdrohung verhindert. Anders als bei Licht- und Schattenspielereien geht es hier um eine Gefahrprävention für die Allgemeinheit, von der nicht nur die Provozierer, sondern auch Passanten, provozierte Gegendemonstranten und dienstverpflichtet Polizeibeamte betroffen sind. Ob die Gefahr wirklich konkret ist, wissen nur die Beteiligten. Ich würde auf ein bellende Hunde wetten, die bekanntlich nicht beißen.
Ab sofort also kann man Demonstrationen mit einer angeblichen Bedrohung abschalten. In Zeiten des Linksterrorismus wollte sich die „wehrafte Demokratie“ nicht von Terroristen erpressen und kalkulierbar machen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese harte Linie der Politik in der Schleyer-Entscheidung ausdrücklich gebilligt. Die Terrorhysterie vor Islamisten hingegen scheint nicht ungelegen zu kommen.
Der Abbau von Bürgerrechten geschieht schleichend, aber effizient. In Spanien etwa müssen Demonstranten mit Bußgeldern von bis zu 600.000,- € und hierzu eingeschleusten Agents Provocateurs rechnen.

admin •

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15. Januar 2015
Im letzten James Bond-Film hatte der britische Auslandsgeheimdienst eine Liste mit den Namen von allen wichtigen Agenten verloren. Das war insoweit ein bisschen unglaubhaft, als dass kein Geheimdienst, der halbwegs bei Trost ist, eine solche Liste überhaupt anlegen würde. „Datensparsamkeit“ nennt man diese Strategie unter Datenschützern.
Die Realität ist weitaus großzügiger. So wurde bekannt, dass ein 31-jähriger BND-Mann eine Liste von nicht weniger als 3.500 Agenten aus dem BND herausgetragen und an die CIA verhökert hat. Überraschend ist, dass der BND überhaupt so viele Agenten hat. Aber warum BND-Präsident Schindler das Risiko einging, einem vermutlich unterrangigen BND-Mann einen so umfassenden Zugriff auf denkbar sensible Daten zu gewähren, ist schon mehr als erklärungsbedürftig.
Einer solchen Behörde, die nicht einmal auf die eigenen Agentendaten aufpassen kann, möchte ich nur sehr ungern Zugriff auf meine Daten gewähren. Dass Frau F., die Datenschutzbeauftragte des BND, von der Führung des Hauses nicht so recht ernst genommen wurde, zeigte sich neulich im NSA-Ausschuss, als es um das Abschnorcheln von Satelliten von deutschem Boden aus ging. Im Weltall gilt nach BND-Meinung kein Recht für deutsche Daten. Der nächste BND-UNtersuchungsausschuss zeichnet sich wohl ab.
7. Januar 2015

Ich möchte heute dem norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg und seinem Justizminister Knut Storberget nochmals meine Hochachtung für ihren souveränen Umgang mit dem grausamen Anschlag von 2011 aussprechen.
„Ihr werdet unsere Demokratie und unser Engagement für eine bessere Welt nicht zerstören. [Niemand kann Norwegen] zum Schweigen schießen“
„Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“
Politiker aus Ländern mit weitaus weniger Kultur hätten damals die bestialischen Morde zum Anlass für martialische Reden und militärische Aktionen genommen und damit die Gewaltspirale weiter gedreht, religiöse Menschen auseinander dividiert und dem Überwachungsstaat Vorschub geleistet.
Auch heute, an einem für die Presse- und Meinungsfreiheit denkbar dunklen Tag nicht nur in Paris, sondern in der gesamten zivilisierten Welt, kann die Antwort nicht Hass und Wut lauten. Gefragt sind weitsichtige Politiker wie die von Norwegen. Hoffen wir, dass die Grande Nation souverän genug ist, aus dem furchtbaren Anschlag auf die Satiriker von Charlie Hebdo nicht die falschen Schlüsse zu ziehen.
Anschläge wie der heutige sind in einer offenen Gesellschaft nicht zu verhindern, auch nicnt mit totaler Überwachung. Man muss den Mördern zeigen, dass sie nichts erreichen und vor Augen führen, dass sie das eigene Lager diskreditieren. Als Charlie Hebdo wegen der islamkritischen Karrikaturen erstmals das Opfer von Anschlägen wurde, zeigten etliche Zeitungen eine großartige Reaktion: Sie druckten die Karriakturen auf der Titelseite ab.
Ideas are bulletproof.
22. Dezember 2014
Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, hat 9 Thesen zum rechtspolitischen Handlungsbedarf angesichts des NSA-Skandals aufgestellt:
These 1: Ohne Whistleblower sind wir den Datenangriffen der NSA und anderer Dienste weithin schutzlos ausgeliefert, weil wir nicht einmal davon erfahren.
These 2: Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts, also von tatsächlichen Anhaltspunkten für die Möglichkeit eines Verstoßes von Nachrichtendiensten gegen Strafrechtsnormen zum Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses und persönlicher Daten muss entsprechend dem Legalitätsprinzip unverzüglich von den Strafverfolgungsbehörden ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wirksam betrieben werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn es um das Abhören des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin geht.
Gegen jeden Amtswalter, der sich weigert, wirksame Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten und durchzusetzen, muss ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt durch die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft eingeleitet werden.
These 3: Art. 10 Grundgesetz (GG) und das G-10-Gesetz müssen reformiert werden.
These 4: Die parlamentarischen Kontrollrechte gegenüber den deutschen Nachrichtendiensten sind unzureichend und müssen gestärkt werden. Dabei geht es auch um deren Zusammenwirken mit ausländischen Diensten.
These 5: Angesichts der globalen Betätigungsfelder der Nachrichtendienste reicht einzelstaatlicher Grundrechtsschutz nicht aus. Wir benötigen zusätzlich baldmöglichst eine EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO), die die Grundrechte im EU-Raum wirksam schützt.
These 6: Die EU sollte mit den USA ein Abkommen über den Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts sowie der Integrität der IT-Systeme aushandeln und völkerrechtlich wirksam abschließen („EU-US-Datenschutzabkommen“).
These 7: Das NATO-Truppenstatut (NTS) und das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS), in dem eine Vielzahl früherer besatzungsrechtlicher Regelungen Niederschlag gefunden hat, bedürfen einer grundlegenden Revision; die 1993 erreichten Änderungen reichen nicht aus.
These 8: Der mit den USA (sowie dem U.K. und Frankreich) abgeschlossene Aufenthaltsvertrag muss neu verhandelt werden.
These 9: Die Altlasten des sog. General- oder Deutschland-Vertrages vom 24.10.1954 (DV) müssen beseitigt werden. Alle während seiner Geltung von Deutschland abgeschlossenen geheimen Verträge, Abkommen pp. müssen ausnahmslos gegenüber dem Parlament offengelegt und publiziert werden.
Eine ausführliche Begründung gibt er auf TELEPOLIS.
19. Dezember 2014

In der Bevölkerung wurde vor allem im Bezug auf die Berichterstattung zur Ukraine-Krise ein breites Unbehagen gegenüber den konventionellen Medien immer stärker spürbar. Gerade hat die Legal Tribune Online gemeldet, dass mein Beitrag zum unsäglichen Propaganda-Cover des SPIEGEL („Stoppt Putin jetzt!“) der am meisten geklickte dieses Jahres war.
Bei TELEPOLIS, einem vergleichsweise unabhängigen Medium, haben verschiedene Autoren unabhängig voneinander die berechtigte Skepsis gegenüber den Schreibtisch-Kriegsberichterstattern thematisiert. Nunmehr ist eine Sammlung Medien im Krieg – Zwischen Leitmedien und ihren Rezipienten erschienen. Meine Polemik Deutsche Elite-Journalisten setzen den Stahlhelm auf hat es leider nicht hineingeschafft, wurde dafür aber mehr oder weniger ja sogar verfilmt.
ZAPP hat nun eine Studie zur Glaubwürdigkeitskrise veröffentlicht. Die Medien sind sich kaum einer Schuld bewusst, und selbst Stefan Niggemeier, der zwischenzeitlich zu Hochform auflief, irritiert durch eine bestenfalls naive Einschätzung zum Interessenkonflikt atlantischer Klüngelei bei Alpha-Journalisten.
Mit dem NSA-Skandal und dem CIA-Folter-Skandal wurden etliche zuvor als „antiamerikanistische Verschwörungstheoretiker“ gebrandmarkte Mahner bestätigt. Doch ein Obama kann es sich leisten, seine Freunde abzuhören, mit fliegenden Killerrobotern Tausende Menschen (darunter Hunderte Kinder) auf Verdacht abzuknallen und Europa von seinem riesigen Nachbarn zu isolieren. Wegen Menschenrechtsverletzung tritt doch niemand aus der Atlantik-Brücke aus! Auch auf die erste Doku zur Atlantik-Brücke oder dem German Marshall Fund wird man wohl noch etwas warten müssen. Eine solche würde eher von RT Deutsch als vom NDR zu erwarten sein, der bei weitem nicht so unabhängig ist, wie er von Verfassungs wegen sein sollte.
2003 jubelte DER SPIEGEL über das „Geständnis“ zu 9/11. Bereits damals wiesen etliche Mahner darauf hin, dass ein durch Folter erpresstes Geständnis nichts wert ist. Dies unterstrich kürzlich der vormalige CIA-Chef-Ermittler im Nahen Osten Robert Baer, der in seinen lesenswerten Büchern zwischen den Zeilen einräumt, dass er selbst bei der Wahl seiner Methoden „nicht schüchtern“ war. TELEPOLIS-Autor Paul Schreyer hat den SPIEGEL zum Umgang mit der damaligen journalistischen Fehlleistung befragt: Der Spiegel, die Folter und 9/11. Anlass zur Distanzierung von den einstigen Propaganda-Meldungen der Bush-Ära sieht man dort nicht wirklich.
Mit Selbstkritik tat man sich im Hause SPIEGEL schon immer schwer. Als ich 2011 (bei weitem nicht als erster) auf den Einfluss von SS-Leuten in den ersten Jahrzehnten des SPIEGEL hinwies, wollte man mir bei der Recherche nicht so recht Auskunft geben, sondern zog es bis zum 50. Jahrestag der SPIEGEL-Affäre vor, das Thema zu tabuisieren. Auch die Verstrickung des einstigen SPIEGEL-Mannes Becker mit dem BND waren dem SPIEGEL kürzlich im Nachruf auf Becker keine Zeile wert.
27. Oktober 2014
Am 6. November läuft in Deutschland „Citizenfour“ an, die Dokumentation über Edwards Snowdens couragiertes Eintreten für eine freie Gesellschaft. Das Finale der Doku spielt in Ramstein Airbase, von wo aus die Drohnen-Morde koordiniert werden. Wie kürzlich bekannt wurde, ist sich die angeblich so allwissende NSA gerade einmal bei 5% aller getöteten Zielpersonen sicher, dass diese wirklich etwas mit Terrororganisationen zu tun haben. Warum diese unfassbare Verachtung vor menschlichem Leben auf deutschem Boden noch immer kein Thema für die Politik ist, begreife ich einfach nicht.
Gestern war ich in Köln unterwegs. Mittags war am Breslauer Platz alles friedlich, insbesondere waren keine polizeilichen Vorbereitung für eine Demonstrationsbegleitung zu erkennen. Ich erfuhr erst durch Gespräche in der U-Bahn, dass man die Innenstadt wegen einer Demo „Dumm gegen Saudumm“ oder so ähnlich meiden sollte. Meinen Rückweg zum Hauptbahnhof begann ich deshalb via S-Bahn, die mich direkt im Bahnhof absetzte. In der S-Bahn befand sich eine Menge „symphatischer“ junger Männer, die unter anderem eine Sitzschalen herausrissen. Auch an Bord war keine Polizeipräsenz zu erkennen. Meines Erachtens lagen die Fehler auf der Planungsebene.
Wenn man in den Medien von einer größeren Demo wusste, warum hat dann die Polizei die Situation so kolossal falsch eingeschätzt? Wenn hier in Münster die NPD mit meist nur einer Handvoll Leuten demonstriert (besser: zu demonstrieren versucht), ist hier jedes Mal alles voller Polizisten in Riot Gear inklusive Spezialfahrzeugen. Das kann doch in Köln, gegen das Münster polizeilich gesehen Disneyland ist, nicht ernsthaft anders sein.
Seltsam finde ich auch, dass der (in Köln ansässige!) Inlandsgeheimdienst eine solche Zusammenrottung nicht mitbekommen haben will. Für religiöse und rechte Extremisten sind die nun einmal zuständig. Wenn wir uns so gigantische Sicherheitsapparate leisten, warum ist dann der Output so bescheiden? Das Observieren von Facebook zur Einschätzung einer Gefahr des Landfriedensbruchs werden vermutlich nicht einmal Datenschützer kritisieren.
Interessant ist übrigens die Erkenntnis auf dem obigen Video. Eingekesselte Gegendemonstranten hätten den Platz nur verlassen dürfen, wenn sie ein Parkticket hätten vorweisen können. Spannend … Passt aber zu dem alten Kalauer, dass sich die Deutschen vor der Revolution erst noch eine Bahnsteigkarte kaufen müssen …
21. Oktober 2014
Eigentlich wäre die Verfassungsbeschwerde gegen die Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes eine spannende Sache gewesen. Der Berliner Kollege, der die Verfassungsbeschwerde in eigener Sache führte, sah sich nun aufgrund eines formalen Fehlers veranlasst, die Verfassungsbeschwerde zurückzunehmen.
Wäre er bei gewöhnlichen Gerichten gewesen, hätte er alles richtig gemacht. So hatte er die Verfassungsbeschwerde fristwahrend vorab per Fax eingelegt und das Original nebst Abschriften und Anlagen nachgesandt. Normalerweise reicht es zur Fristwahrung aus, wenn man den Schriftsatz faxt. Es würde sogar reichen, wenn man die Seite mit den Anträgen und dann die letzte Seite mit der Unterschrift faxt. Wer etwa am letzten Tag der Frist um 23.58 Uhr ein 100-Seiten-Fax abschicken will, hätte andernfalls ein Problem.
Nun fragt man sich als Anwalt, ob man denn auch den Karton mit den 300 Anlagen faxen soll, auf die man Bezug nimmt. Derartige Inanspruchnahme fremden Papiers ist nicht nur uverschämt, sondern blockiert auch das Gerichtsfax, was den anderen „Fristwahrern“ den Nerv raubt. Zur Fristwahrung sind die Anlagen nicht notwendig (im einstweiligen Rechtsschutz ist das aber schon sinnvoll). Die Gerichte stehen nicht auf Fax-Spammer und legen gerne mal Merkblätter in den Korrespondenz, dass man bitte nur unbedingt fristwahrende Schriftsätze faxen soll. Während mir mein Hamburger Lieblingsrichter solche Ermahnungen nur bei Veranlassung einpackte, wird man am Landgericht München präventiv zur Enthaltsamkeit gemahnt, verbunden mit der Drohung, dass man den Papierverbrauch dem Anwalt in Rechnung stelle.
Andere Behörden, etwa das Patent- und Markenamt, sind hingegen so technikaffin, dass man bei der Markenanmeldung nur die Telekommunikation benutzen und sich die Briefpost gleich ganz sparen soll.
Bei Verfassungsbeschwerden ist das aber anders. So hatten die Karlsruher Verfassungshüter 2000 eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil in der fristwahrend vorab gefaxten Version ebenfalls die Anlagen fehlten, darunter auch das angegriffene Urteil selbst. Damit war die Verfassungsbeschwerde nicht schlüssig innerhalb der Frist erhoben worden:
(…) Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und ihre Annahme daher mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer den Darlegungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert begründet (vgl. BVerfGE 5, 1 <1>; 18, 85 <89>; 88, 40 <45>). Die fristgemäße Begründung erfordert insbesondere, dass die angegriffene Entscheidung selbst vorgelegt oder doch wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt oder sich mit diesem Inhalt auseinandergesetzt wird (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Nur so wird der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang vollständig in einer der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar dargelegt (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>). Nimmt die Verfassungsbeschwerde auf Ausführungen in anderweitigen Schriftsätzen oder Dokumenten Bezug, ist dem Formerfordernis im Übrigen nur genügt, wenn diese beigefügt werden (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>), bzw. die Begründungsfrist nur dann eingehalten, wenn die Schriftsätze dem Bundesverfassungsgericht innerhalb der Frist vorliegen. Daran fehlt es hier. (…)
BVerfG, 2 BvR 1469/00 vom 21.2.2001
Der Berliner Kollege wird sich für einen Moment gefragt haben, ob man den Missgriff irgendwie heilen könnte. Er beriet sich jedoch weise, das zu lassen. Denn 2011 waren die Verfassungsrichter wegen einer pampigen Turnbeutelvergesserin so brastig, dass sie der Beschwerdeführerin eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.000,- € aufdrückten (BVerfG, 2 BvR 751/11 vom 25.10.2011).
5. Oktober 2014
CIA-Gründer Allen Dulles fürchtete nichts mehr als parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Seine dunklen Geheimnisse hielt der kalte Krieger in erster Linie vor dem eigenen Volk geheim. Der erfahrene Diplomat und Gesellschaftslöwe Dulles verstand es seinerzeit, die Parlamentarier mit seinem Charme einzuwickeln und zu belügen. Sicherheitshalber ließ er Parlamentarier im eigenen Land überwachen. Als die CIA schließlich Mitte der 1970er Jahre von Senator Frank Church gründlich auseinander genommen wurde, hatte der selbsternannte Meisterspion bereits das Zeitliche gesegnet.
Nunmehr erheben sich also die Leichen aus dem Keller des vormaligen deutschen Geheimdienstkoordinators Frank-Walter Steinmeier. So hatte der Stratege zwischen 2004 und 2008 heimlich einen Großteil der Telekommunikation bereitwillig an die NSA geliefert.
Als ich Steinmeier letztes Jahr noch persönlich fragte, ob er der NSA erlaubt habe, mein Handy abzuhören, hatte er das noch abgestritten – im Spionagehandwerk sozialübliches Verhalten. Der G10-Kommission hatte er auch nichts gesagt und damit deren Autorität untergraben. Einmal mehr hat sich das Konzept der Kontrolle von Geheimdiensten als Scharade zur Beruhigung von Kritikern herausgestellt.
Ich würde mir wünschen, dass von uns gewählte Politiker in erster Linie uns gegenüber loyal sind – vor allem in einer Zeit, in der uns die USA in einen neuen Kalten Krieg hineinziehen und mit TTIP knebeln wollen.
-> Doppelagent Steinmeier enttarnt