Vor einem Jahr trat der Medienstaatsvertrag inkraft, der in §§ 19, 109 MStV den Landesmedienanstalten und damit dem Staat erstmals seit 1945 das Recht verleiht, unerwünschte Nachrichten politisch zu verbieten:
Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen.
Die eigentliche Entscheidung, was genau nicht den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen soll, treffen aber nicht etwa die einzelnen Landesmedienanstalten, sondern die aus deren 16 Direktorinnen und Direktoren gebildete Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK).
Bislang hat die ZAK bundesweit genau einem einzigen Blogger eine Unterlassung aufgegeben und Verwaltungskosten diesbezüglich aufgebrummt, weil dieser einen Sachverhalt so zugespitzt hatte, dass er einen falschen Eindruck erweckt haben soll. Daher hätte er gegen die Sorgfaltspflichten der Presse verstoßen. Das ist schon deshalb aberwitzig, weil die konventionelle Presse das ständig tut, aber Pressefreiheit genießt.
Der Gängelung durch die ZAK können sich etwa Online-Medien nur entziehen, wenn sie sich dem privaten Lobby-Verein Deutscher Presserat unterwerfen und an diesen Jahresgebühren bezahlen. Die Ausübung von Grundrechten wie Meinungs- und Pressefreiheit kostet also inzwischen Geld.
Allerdings ist der Presserat wählerisch bei der Akzeptanz seiner Vertragspartner und würde derzeit Blogger nicht ohne weiteres akzeptieren. (Diese Praxis ist nicht zuletzt deshalb fragwürdig, weil ohne Akzeptanz des Presserats im Online-Bereich keine Sonderrechte für Journalisten iSd DSGVO gelten.) Der hier betroffene Blogger hätte auch an einer Zusammenarbeit mit dem Presserat kein Interesse, da er mit dessen Kompetenz zu Fake News schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Der von § 19 MStV benutzte Begriff „journalistischer Sorgfaltspflichten“ stammt eigentlich aus dem Zivilrecht und spielt bei Verdachtsberichterstattung eine Rolle, die nur dann zulässig ist, wenn sauber recherchiert und nicht einseitig dargestellt wird. Gegen eine unzulässige Verdachtsberichterstattung können sich Betroffene ggf. zur Wehr setzen, zivilrechtlich und ggf. sogar strafrechtlich. Aber das war bislang Sache der Betroffenen, nicht des Staates.
Nun machen die Länder Anstalten, selbst darüber zu befinden, was wahr ist und geschrieben werden darf. Dabei verweisen Sie auf den streitbaren Pressekodex des Privatvereins Deutscher Presserat und definieren auf der ZAK-Homepage die anerkannten journalistischen Sorgfaltspflichten wie folgt:
Die ZAK vertritt also allen Ernstes die Rechtsauffassung, dem Presserat angeschlossene Medienhäuser und andere dürften „nicht einseitig berichten“.
Derartiger Unsinn steht nicht einmal im Pressekodex. Ein solches Postulat wäre auch mit der von Grundgesetz und Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Presse- und Meinungsfreiheit fundamental unvereinbar, die nun einmal den Medien und Meinenden eben genau die Freiheit garantiert, einen Sachverhalt so zu sehen und zu berichten, wie sie ihn sehen oder es ins erwünschte Narrativ passt. Würde man von Redaktionen verlangen, dass sie ausgewogen berichten und falsche Eindrücke vermieden, wäre der Kiosk ab morgen leer.
Wenn aber die Häuptlinge der Landesmedienanstalten, die anderen Fake News verbieten wollen, hier selbst Fake News in die Welt setzen, stellt sich die klassische Frage: Wer bewacht die Wächter?
Da die Berichterstattung über Julian Assange erfahrungsgemäß unzuverlässig und politisch gefärbt ist, bin ich zum Berufungsverfahren der USA gegen die Ablehnung des Auslieferungsgesuchs persönlich nach London gefahren, um mir ein eigens Bild zu machen.
Dem Angeklagten, den die USA für sein restliches Leben wegsperren oder dieses beenden wollen, wurde die Teilnahme am Prozess offenbar gegen seinen Willen verwehrt. Auf einem Video, das uns kurz gezeigt wurde, konnte man ihn im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sehen.
Den Prozessbeobachtern wird überwiegend auch nur ein Stream etwa im Nebenraum gewährt. Die Qualität unterschreitet den Standard, den deutsche Gerichte bei Online-Verhandlungen einhalten. So sieht man nur zwei Kameras aus der Totalen von hinten, und kann allenfalls erahnen, wer gerade spricht.
Das Absurde ist, dass Assange jahrelang von Schweden eine Online-Befragung zu den damaligen Vorwürfen verwehrt wurde. Video sei zur Vernehmung nicht gut genug. (Tatsächlich wird derartiges bei grenzüberschreitenden Vernehmungen offenbar schon lange gemacht.)
Das Auslieferungsbegehren der USA war einzig aus humanitären Gründen abgelehnt worden, das Suizidgefahr zu befürchten sei. Bei der gestrigen Verhandlung wurde darüber gefeilscht, wie suizidgefährdet und psychisch krank Assange wirklich sei. So könne er nach Meinung des US-Vertreters nicht autistisch sein, da er ja Beziehungen eingegangen sei und Kinder gezeugt habe. Wer autistische Freunde hat, kommt vermutlich zu anderen Ergebnissen.
Kommende Woche wird in London die Berufung der USA gegen Julian Assange verhandelt.
Die schwache und zum Teil erstaunlich tendenziöse Berichterstattung hat auch in der deutschen Öffentlichkeit massive Vorurteile geschürt. Ausgerechnet die BILD-Zeitung, deren eigene Chefetage sich wegen hauseigenen Sex-Skandalen zu lichten pflegt, berichtete ausgiebig über die inzwischen obsoleten Vorwürfe angeblicher Sexualdelikte.
Ähnlich pikant ist die unterberichtete Tatsache, dass ausgerechnet der Hauptbelastungszeuge des FBI, Sigurdur Thordarson, ein tatsächlich überführter Sexualstraftäter ist, der eine Vielzahl an Kindern missbrauchte und im Austausch für Straffreiheit Lügen gegen Assange fabrizierte.
Für die deutschen Medien, die einst von WikiLeaks profitierten, ist der infame Prozess gegen Assange eher ein Randthema. Auch die inzwischen vom Ex-CIA-Chef mehr oder weniger eingeräumten Pläne, Assange aus der Londoner Botschaft zu entführen, lösten hierzulande keinen sonderlich großen Aufschrei aus.
Ungleich nobler scheint für die Qualitätsmedien der Rechtsextremist Nawalny zu sein, dessen Inszenierung das gewünschte Feindbild bedient. Auch vier Jahre Trump haben der transatlantischen Ausrichtung der angeblich so unabhängigen deutschen Presse nicht geschadet.
Es bedurfte erst der Expertise des UN-Experten für Folter Prof. Dr. Nils Melzer, um der schreibenden Zunft aufzuzeigen, dass der Prozess und die Haftumstände eher nicht dem Standard entsprechen, den man in einer Zivilgesellschaft erwarten möchte.
Praktisch der einzige qualifizierte deutsche Beobachter vor Ort ist der Büroleiter des Satirikers Martin Sonneborn.
Für den Jahreskongress des Chaos Computer Clubs habe ich einen Talk mit dem investigativen Journalisten Peter F. Müller organisiert, der vor knapp einem Jahr die Cryptoleaks-Affäre ins Rollen brachte. Der freiberufliche Journalist war auf das strengst geheime Minerva-Dokument gestoßen und organisierte daraufhin mit Kollegen und Fachleuten einen Rechercheverbund. Die CIA war über die Enthüllungen not amused, in der Schweiz wurde die Sache zum Politikum.
Ebenfalls im Talk dabei waren Paul Reuvers und Marcus Simons vom Cryptomuseum.com. Weiterführende Links:
Leider wurde der Live-Stream durch eine DDOS-Attacke sabotiert, sodass der Frage- und Antwort-Teil etwas kurz ausfiel und der Talk bislang noch nicht online war. Vielen Dank an alle CCC-Leute, die trotz der COVID-Situation und dem DDOS den Talk möglich gemacht haben!
2013 war ich Veranstalter einer Demonstration in Münster gegen die damals dann doch beschlossene Bestandsdatenauskunft. Als über die Bestandsdatenauskunft abgestimmt wurde, stellte sich heraus, dass Spitzenpolitiker gar nicht wussten, was das ist. Für die Medien war das auch kein Thema.
Nunmehr haben u.a. die damalige Münsteraner Piratin Katharina Nocun und der Pirat Parick Breyer die Bestandsdatenauskunft vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht. Die Entscheidung war vorhersehbar. Unser politisches Personal ist entweder inkompetent oder ignorant.
Das Wochenende habe ich 50 Jahre in der Vergangenheit verbracht. Inzwischen wurde nämlich ein streng geheimer Plan aus der Nixon-Ära freigegeben, mit dem ultrarechte Einflüsterer im Weißen Haus Oppositionelle wie etwa die Schwarzen-Bewegung unter Kontrolle bringen wollten. Federführend war ein rechter Polititaktivist Tom Huston, der den Geheimdiensten verfassungswidrige Methoden unterjubeln wollte, welche sie teils allerdings so ähnlich ohnehin schon praktizierten. Hier kann man ihn bei der Anhörung zur
Die ultrarechten Strategen in Washington glaubten damals an ausländische Einflüsse aus dem Ausland, die das politische Klima in der 1970ern anheizten, obwohl es wohl eher der US-Rassismus und der Vietnamkrieg waren, welche die Leute auf die Straße brachten. Auch heute noch erzählt man uns ganz gerne, das für hausgemachte Probleme ausländische Desinformationskapmpagnen schuld seien.
Ebenfalls heute tagte für drei Stunden das parlamentarische Kontrollgremium öffentlich. Unsere drei Geheimdienstchefs machen einen ungleich besseren Eindruck als die Kollegen in der Nixon-Ära. Einen breiten Raum nahmen darin die Zustände auch im Kommando Spezialkräfte ein. Die sind auch ein Thema in meinem neuen Roman, und bei vielem, was ich vorhin heute, sehe ich mich in meiner Einschätzung bestätigt. „Innere Unsicherheit“ erscheint am 06. Juli, hier gibt es eine Leseprobe.
Heute hat der BGH ein wichtiges Urteil zur Störerhaftung verkündet. Den Betreiber einer Suchmaschine treffen erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat.
-> Pressemitteilung zu BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16
Im vom BGH entschiedenen Fall bestand kein Haftungsfall, da die Voraussetzungen nicht vorlagen. Einen solchen Unterlassunganspruch habe ich jedoch neulich am OLG Köln durchgesetzt, wo die Suchmaschine über Jahre hinweg über meinen Mandanten ein wirklich furchtbares Suchergebnis zynisch weiter verbreitete, das ihn sozial und wirtschaftlich erledigte. Google hat selbst während des Prozesses keinen Anlass gesehen, das widerwärtige Ergebnis zu löschen.
Das OLG Köln hat nicht nur das unter Google.de ausgeworfene Suchergebnis untersagt, sondern auch einen entsprechenden Redirect von Google.com. Der Fall wird vorraussichtich ebenfalls vor dem BGH landen, auch deshalb, weil das OLG Köln eine neue Fallgruppe eröffnet hat:
Im Fall meines Mandanten war nämlich nicht die verlinkte Seite rechtswidrig, sondern der von Google aus Suchergebnis-Zeile und Snippet zusammengepuzzlete Eindruck. So wurde mein Mandant mit einer Straftat in Verbindung gebracht, nur weil dessen Name in anderem Zusammenhang im 56. Leserkommentar eines Blogbeitrags auftauchte.
Nachdem Strafanzeige von Digitalcourage gegen Real und Post AG wegen der heimlichen Gesichtsscans (Der Monitor guckt zurück) bekannt wurde, versuchte Real zunächst, die Peinlichkeit bei der Echion AG abzuladen. Man hätte die Werbefläche in den Supermärkten an Echion vermietet, das sei doch deren Sache.
Im Wahlkampf 2013 hatte ich die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gefordert, der sich mit den Geheimdienstaktivitäten von USA und Großbritannien befassen sollte, die Snowden damals öffentlich gemacht hat. Tatsächlich wurde ein solcher Ausschuss eingerichtet und machte sich drei Jahre lang ein eigenes Bild vom Treiben des digitalen Spitzelns. Dabei lud man etliche Geheimdienstchefs etc. in den Zeugenstand.
Nunmehr liegt auch der 1822 Seiten-starke Abschlussbericht vor – überraschenderweise nahezu unzensiert. Letzteres verdanken wir einem unfreiwilligen Leak der Generation „Internetausdrucker“: So waren Patrick Sensburg oder dessen Mitarbeiter offenbar damit überfordert, in PDFs geheime Stellen so zuverlässig zu schwärzen, dass der Prozess nicht rückgängig gemacht werden kann.
Genau das taten die Kollegen von netzpolitik.org. Kommentiert habe ich diese hochnotpeinliche Farce bei Telepolis.
1984 gab Kabarettist Jürgen von Manger alias Tegtmeier in seiner Orwell-Sendung den Rat, vor Bildschirmen immer zu lächeln. Denn ebenso, wie jeder Lautsprecher technisch auch als Mikrofon genutzt werden kann, vermutete er, dass auch der Fernseher heimlich umgepolt werden könne und in Wirklichkeit den Zuschauer beobachte. Besonders paranoid wäre die Befürchtung, ein Werbemonitor im Kassenbereich Ihres Supermarkts oder Ihrer Postfiliale würde Sie heimlich bespitzeln.
Tut er aber.
Eine mehr oder weniger versteckte Kamera bei Real oder in der Postfiliale filmt Sie heimlich und prüft, ob Sie Männlein oder Weiblein sind, welches Alter Sie wohl haben, und welchen Werbeeinblendungen Sie wie lange folgen. Und entsprechend Ihrem Profil filtert das System die Angebote, die Sie angezeigt bekommen.
Wenn es nach der Werbeindustrie ginge, wäre Ihr Kauf im Einzelhandel so transparent wie im Internet, wo Sie bei jedem Interesse in Online-Kaufhäusern eine Datenspur hinterlassen und auf anderen Websites noch Wochen Ihr damaliges Interesse durch Einblendungen unter die Nase gerieben bekommen. Am liebsten würde man alle Kunden tracken, wie dies mit Payback- und RFID-Systemen geschieht. Diese neugierigen Monitore sind erst der Anfang. Künftig wird man wohl auch die Kleidung scannen, um hieraus auf Kaufkraft zu schließen.
Ich sehe keinen seriösen Grund, warum entsprechende Händler Ihren Kunden die Big-Brother-Überwachung nicht offenlegen. Genau wie im Internet hätte man dann nämlich eine Wahl, ob man Cookies und ähnliches zulässt oder eben nicht.