Aufgrund meiner Kontakte zu Zauberern, Mentalisten und Artverwandtem habe ich immer wieder skurrile Fälle aus diesem Bereich auf dem Tisch:
Ein Bauchredner, dem man den Mund verbieten wollte, ein Osterhasendarsteller, der sich mit einem Flohzirkusdirektor in die Haare kriegte, ein Show-Mentalist, den RTL zum betrügerischen Hellseher stilisierte, einen Marionettenspieler, den man vertraglich an die kurze Leine nehmen wollte, ein Quickchanger, der einen Freizeitpark abmahnen ließ, ein Großillusionist, dem ein sich „Das Phantom“ nennender Mitbewerber die Fotos klaute, ich habe sogar einen Mandanten, der sich für Uri Geller hält …
Nun aber hat ein Show-Hypnotiseur (den ich nicht vertrete) so richtig Mist gebaut : Bei einer Casting-Show, in welcher der „Superbayer“ gesucht wurde, hypnotisierte er einen Zuschauer, der aus seiner Trance nicht mehr erwachen wollte. Die Veranstaltung musste abgebrochen werden.
Der eigentlich durchaus nicht witzige Vorfall erinnert an eine ähnliche Szene in Woody Allens liebevoller Komödie „Broadway Danny Rose“ (im Video ab 7.30), in welcher er einen Künstleragenten mit drittklassigen Entertainern spielt. Themen wie Hypnose und Zauberkunst hat Woody Allen in ca. 20 seiner Filme und einem seiner Theaterstücke thematisiert. Nicht von ungefähr, denn als Teenager setzte er alles daran, um Berufszauberer zu werden und verfolgt das Genre noch heute.
Der Kollege Stadler weist in seinem stets lesenswerten Blog auf die aktuelle Diskussion zum Hackerparagraphen hin. Auf dem 26C3 hatte der Kollege Dominik Böcker vom AK Vorrat im Dezember einen Vortrag zu diesem Thema gehalten, siehe Video. Dort gab es auch ein Panel, bei dem Hacken mit Kunst verglichen und eine entsprechende Freiheit gefordert wurde.
Gemeinsam mit Böcker hatte ich 2008 den Frontberichterstatter in Pressesachen vor dem Landgericht Köln gegen einen bekannten Medienanwalt vertreten, der sich durch den Gerichtsblogger verfolgt sieht. Nach etlichen Grabenkämpfen zwischen den Berliner Anwälten und dem Blogger steht morgen eine Entscheidungsschlacht am Landgericht Berlin zu der Frage an, ob man gegen Blogger das Gewaltschutzsgesetz fruchtbar machen kann. Der Anwalt hatte sich gestalkt gefühlt und daher einen 50 m Mindestabstand durchgesetzt. Das erinnert ein bisschen an den Milliardär, der einmal Michael Moore eine ähnliche Abstandsverfügung aufgebrummt hatte.
Der gestrige Tatort thematisierte in Anspielung auf das Flugschauunglück in Eisenach 2008 die Vertuschung eines Flugzeugunfalls. „Klarer Pilotenfehler“ hieß es, doch tatsächlich wurde mit Genehmigungen und Fluglizenzen gepfuscht und gemauschelt.
Der Tatort war näher an der Realität, als man es wahr haben möchte. So werden für Flugzeuge offenbar Musterzulassungen erteilt, ohne etwa Sicherheitssysteme überhaupt getestet zu haben. Seit ich seit letztem Herbst zu dem Thema recherchiere, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und immer, wenn ein einer vom Himmel fällt, heißt es „Pilotenfehler“. Insbesondere den Sportpiloten wird eine Sicherheit der Maschinen eingeredet, die tatsächlich jedoch tödliche Lücken aufweist. Letztes Jahr etwa ist ein Ultraleichtflugzeug in der Luft einfach auseinandergefallen. Motoren fallen mal eben aus. Rettungssysteme wie in Ultraleichtflieger eingebaute Fallschirme decken offenbar nur einen Teil der versprochenen Krisensituationen ab. Piloten mit gefälschten Lizenzen fliegen 13 Jahre lang Passagiermaschienen … Hier geht man im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen, was leider die Behörden mit einschließt.
Nachdem ich die Schlagkraft des Web 2.0 an der Finanzindustrie getestet hatte (finanzparasiten.de, handelsvertreter-blog.de), ist mein neuestes Projekt im Bereich Gegeninformation das derzeit im Testbetrieb befindliche absturzblog.de. Es gibt viel zu tun.
In Zauberkünstlerkreisen erzählt man sich die meines Wissens nicht verifizierte Anekdote, wie Anfang der 90er Jahre der Star-Illusionist Jonathan Pendragon auf die Absichtserklärung seines Kollegen David Copperfield reagiert haben soll, eine Idee zu übernehmen. Copperfield war begeistert von Pendragons effektvollem Wegziehen eines Tuches bei der durch Houdini bekannt gemachten „Metamorphose-Illusion“. Der Trick bzw. Kniff ließ sich nicht rechtlich schützen. Der Legende nach soll Pendragon seinem Mitbewerber eine gescheuert haben. Fakt ist, dass Copperfield in Fachzeitschriften jedem Magier gegenüber kundtat, dass er Pendragons schöpferische Leistung respektiere und sich freue, von diesem nun die Genehmigung für seine Version der Metamorphosis erhalten zu haben, die bislang unerreicht ist. In Zauber-Business ist es aus verschiedenen Gründen schwierig, Geschäftsgeheimnisse oder ähnliche Kreationen schützen zu lassen. Pendragon beklagte sich häufig etwa in Fachzeitschriften über Ideenklau. An die Qualität seiner Vorführungen kamen außer Lance Burton und Copperfield jedoch keine Mitbewerber wirklich heran. Als vor einem Jahrzehnt ein „Maskierter Magier“ im amerikanischen TV damit anfing mit anderer Leute Trickgeheimnisse zu hausieren, wurde die Angelegenheit auf amerikanisch bereinigt: In Mexiko wurde der als „Valentino“ identifizierte Künstler hopsgenommen und krankenhausreif geschlagen.
Auch besagter Pendragon neigt zu Gewalt: Ein Gericht verurteilte ihn gerade zu einem Jahr Haft, weil er auf seine Frau geschossen hatte (dürfte aber „nur“ ein Warnschuss gewesen sein, denn er ging in den Boden). Im Perforieren hat Pendragon eine gewisse Erfahrung, denn der Magier erlitt vor einiger Zeit einen „Haushaltsunfall“, bei dem er in einen Pfeil stürzte und lebensgefährlich durchbohrt wurde. Normalerweise ist es das Schicksal der Partnerin, von Degen und Pfeilen durchbohrt zu werden. Als wäre das alles nicht schon seltsam genug, so zeigte Pendragon eine als „Interlude“ bekannte Illusion, bei der es um die unmögliche Durchdringung durch Charlotte Pendragon handelte. Die Interlude-Version des Mitbewerbers Copperfield ist besser. Dessen Anwälte übrigens wohl auch … ;-)
Pendragon jedenfalls wird künftig im Knast Zeit haben, sich mit Entfesslungskunst zu befassen …
Das Bundesverfassungsgericht hat am 04.02.2010 ein wichtige Entscheidung zur Beurteilung mehrdeutiger Äußerungen (BVerfG, 1 BvR 369/04 vom 4.2.2010) verkündet, in der es um ausländerfeindliche Pöbelei dreier Deutschtümler ging, die in drei Instanzen als Volksverhetzung beurteilt wurde.
Das Gericht hat die Verurteilung aufgehoben und zurück ans Eingangsgericht verwiesen. In der Begründung heißt es unter anderem:
Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen ist zum einen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Die Deutung des objektiven Sinngehalts einer Meinungsäußerung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln (vgl. BVerfGE 93, 266 <295>; 114, 339 <348>). Hierbei dürfen die Gerichte der Meinungsäußerung keine Bedeutung beilegen, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit nicht von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgehen, ehe sie andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen haben.
Zwar lag dem Fall eine strafrechtliche Beurteilung zugrunde und die Beschwerdeführer sind alles andere als sympathisch. Doch wenn das Bundesverfassungsgericht von der „Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen“ spricht, dann stellt sich die überfällige Frage, ob damit die Hamburger Bräuche der „Stolpe-Rechtsprechung“ zu vereinbaren sind.
Bei zivilrechtlichen Unterlassungsbegehren wird einer mehrdeutigen Äußerung seit „Stolpe“ grundsätzlich die Interpretation zugrundegelegt, die das Persönlichkeitsrecht eines Klägers (theoretisch) verletzt, selbst wenn sie definitiv nicht gemeint war.
Das Bundesverfassungsgericht sagt aber im Bezug auf die Abwägung der Menschwenwürde (Art.1 GG) zur Meinungsfreihet (Art. 5 GG) noch etwas anders Hochinteressantes:
Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>; 107, 275 <284>). Die Gerichte haben diesen die Belange der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekt bei der Normauslegung insbesondere von Straftatbeständen zu beachten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. März 2008 – 1 BvR 1753/03 -, NJW 2008, S. 2907 <2909>).
Kern der aktuellen Entscheidung ist allerdings, dass das Gericht in der von den Fachgerichten geleisteten Auslegung der Äußerungen noch keinen Nachweis sieht, dass eine Verletzung der Menschenwürde vorliege:
Ausgehend von dem Erfordernis einer besonders sorgfältigen Prüfung für die Annahme einer Menschenwürdeverletzung darf aus der Pauschalität einer verbalen Attacke nicht ohne weiteres auf ein Verächtlichmachen geschlossen werden, das den Betreffenden ihre Anerkennung als Person abspricht.
Sowie:
Die Strafgerichte müssen jedoch im Interesse des materiellen Grundrechtsschutzes durch Offenlegung der für den Ausgang der Abwägung maßgebenden Gründe in einer der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise erkennen lassen, dass in die Abwägung die dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind oder warum hierfür im Einzelfall etwa wegen einer Antastung der Menschenwürde kein Raum mehr war (vgl. zuletzt: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. März 2008 – 1 BvR 1753/03 -, NJW 2008, S. 2907 <2909>; vgl. auch die einschlägige fachgerichtliche Rechtsprechung zur Subsumtion der Parole „Ausländer raus“ unter § 130 StGB – Nachweise oben III 3 a bb a.E.). Den Anforderungen an eine besonders sorgfältige Prüfung der Menschenwürdeverletzung, wie sie verfassungsrechtlich geboten ist, genügt dies nicht.
Summ summarum: Die fragliche Pöbelei KANN menschenrechtsfeindlich interpretiert werden, sie MUSS es aber NICHT.
Der Kollege Stadler hat auf ein erschreckendes Videodokument parlamentarischen Totalversagens hingewiesen (das ich weder einbetten kann,noch möchte). Da basht ein CDU-Hinterbänkler – völlig zu Recht – das Versagen der SPD während ihrer Regierungszeit zum Internetzensurgesetz. Aber dann redet sich der Provinzpolitiker aus Korschbroich so in Zensursula-Rage, dass man bei der Piratenpartei für solch billige Feindbilder gar nicht dankbar genug sein kann … Heveling, wir können doch bei der NRW-Wahl auf dich zählen, oder? ;)
Hat eigentlich inzwischen jemand Herrn Köhler darauf hingewiesen, dass das Gesetz schon aus formellen Gründen evident verfassungswidrig ist und schon daher schon nicht hätte unterschrieben werden dürfen …? Das hatte Prof. Matthias Bäcker auf dem Chaos Computer Congress eingehend erläutert. Während dieser Veranstaltung lernte ich auch kurz Franziska Heine kennen, die zum Thema weitaus Intelligenteres als unsere Berufspolitiker zu sagen hat, siehe obiges Video.
UPDATE:
In Hevelings Revier, nämlich in Korschenbroich, findet übrigens ab Morgen der Landesparteitag der NRW-Piraten statt. Vielleicht kann der Mann da noch was lernen …?