22. November 2013
Die Süddeutsche Zeitung schreibt heute:
Von Kennedy initiierte Aktionen kosteten etliche Kubaner das Leben, außerdem den vietnamesischen Präsidenten Ngô Đình Diệm. Auch Fidel Castro sollte sterben. „Kennedy war ein Mordopfer – und war selbst ein Mörder gewesen“, sagt Politologe Krippendorff. Mit Kennedy habe sich die US-Außenpolitik im Grunde endgültig entmoralisiert. „Die heutige Fortsetzung sind die Liquidierungen durch Drohnenangriffe“.
Vielleicht hat die Süddeutsche Zeitung bessere Quellen als ich. Nach meinem Informationsstand reagierte Kennedy auf die Erschießung von Ngô Đình Diệm mit Entsetzen. „Vorwerfen“ könnte man ihm, dass er dem skrupellosen Massenmörder die von seinen Vorgängern eingeleitete Unterstützung versagte und ihn fallen ließ.
Auch eine etwa vom späteren CIA-Chef Helms behauptete Verwicklung von John F. Kennedy in die Mord-Komplotte gegen Castro wurde nie bewiesen – bewiesen wurde aber, dass Helms vor dem Kongress zu lügen pflegte und es steht außer Frage, dass Helms selbst am meisten Dreck am Stecken hatte. Das Church-Komitee kam 1976 zu dem Schluss, das keiner dieser Pläne von Kennedy beauftragt oder abgesegnet worden war, ebenso wenig war Bruder Robert tatsächlich verantwortlich. Im Gegenteil hatte Kennedy längst über private Kanäle Kontakt zu Castro aufgenommen. Castro selbst glaubt nicht daran, dass Kennedy die Mordanschläge gegen ihn gebilligt hat, und der Mann gilt insoweit als gut informiert.
Die CIA und ihre Methoden, liebe Süddeutsche, sind keine Erfindung von Kennedy, sondern von Allen Dulles & Co.. Weder Kennedy noch seine Vorgänger Truman und Eisenhower hatten die CIA jemals im Griff. Mag Kennedy sie anfangs geschätzt haben, so hatte sich das spätestens in seinem letzten Amtsjahr erledigt. Den für die gegen Kubaner gerichtete Operation Mongoose verantwortlichen CIA-Mann William King Harvey schickte Kennedy in die Wüste. Als Kennedy hörte, dass die CIA eine Schiffsladung kubanischen Zucker mit Gift versetzt hatte, wies er die CIA an, die Ladung zu stehlen.
Man kann viel an Kennedy kritisieren, insbesondere in seinen Anfangsjahren. Aber diese nahezu faktenfreie Kolportage der Süddeutsche ist schon ziemlich daneben. Dann ausgerechnet Kennedy mit den Drohnenmorden zu assoziieren strapaziert dann doch ein bisschen den guten Geschmack.
20. November 2013
Am 22.05.1986 klinkte sich der Bayrische Rundfunk aus dem Programm der ARD aus und zensierte für die unmündigen Bayern den Scheibenwischer mit Dieter Hildebrandt. Anlass war Hildebrandts Abneigung gegen Kernenergie. Wenige Wochen zuvor war in Tschernobyl ein Atomkraftwerk hochgegangen.
Videoaufzeichnungen wurden nach Bayern „eingeschmuggelt“ und etwa bei den Münchner Kammerspielen gezeigt.
18. November 2013
Zur Stunde demonstrieren vor dem Reichstag, wo heute zur NSA-Affäre debattiert wird, Rechtsanwälte gegen die Totalüberwachung. Sie tun dies aus plakativen Gründen in ihren Roben, was ich mir bei der Witterung etwas frisch vorstelle. Ich demonstriere hiermit online mit, aber drinnen und ohne Robe. ;)
17. November 2013
https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=-mk0fOavKxw
Vor fünf Jahren hatte ich auf TELEPOLIS hierzulande praktisch als erster die sowjetische Kriegsangst von 1983 dargestellt. Deutsche Historiker hatten das Thema bis dahin ausgelassen, obwohl die BBC bereits 2007 eine Doku gesendet hatte. Erfreulicherweise bot 2011 das ZDF eine aufwändig gemachte Darstellung „1983 – Welt am Abgrund“.
Doch ausgerechnet Cowboy Ronald Reagan, dessen unfassbare Verantwortungslosigkeit damals die Menschheit ohne jede Not an den Rand eines ggf. wegen Fehlalarms ausgelösten Atomkriegs geführt hätte, wurde in der ZDF-Doku zum Helden des Dramas gemacht. Die CIA habe vor der Kriegsangst der Russen gewarnt und Reagan von der NATO-Übung ABLE ARCHER abgezogen, die man im Kreml für die Vorbereitung eines Überraschungsangriffs gehalten habe. Um die Russen zu beruhigen habe man ihn auf seine Ranch gebracht und idyllische TV-Bilder gesendet. So einer, der macht doch jetzt keinen Krieg …
Dieses doch etwas dick aufgetragene Heldengemälde des politisch als konservativ geltenden ZDF lässt sich allerdings nicht mit der dieses Jahr nochmals angewachsenen Aktenlage in Einklang bringen. Meine Fragen an das ZDF, auf welche Quellenlage sich diese Darstellung stützt, wollte man dort nicht beantworten. Zutreffend ist wohl einzig die aus dem Tagebuch stammende Information, dass Reagan nach der Vorführung von „The Day After“ erstmals ein Licht aufgegangen ist, dass ein Atomkrieg auch für den „Sieger“ vielleicht nicht so toll wäre.
Den 30. Jahrestag von ABLE ARCHER haben nur wenige Medien gewürdigt. Daher habe ich heute auf TELEPOLIS den Stand der Forschung zusammengefasst. Für uns Deutsche ist interessant, dass London und Washington ihre NATO-Partner hereingelegt haben. Gegner war mehr oder weniger die Deutsche Friedensbewegung.
Entgegen der ZDF-Darstellung wurde Stanislaw Petrow übrigens nicht bestraft.
Programmhinweis:
Für die Freunde des Kalten Kriegs lese ich kommenden Sonntag, den 24.11.2013, 16.00 Uhr, aus meinem eBook COLD WAR LEAKS im café arte, Königsstr. 43, Münster.
Bei den vielen Geheimdiensten in den USA kann man schon mal den Überblick verlieren. Die Süddeutsche stellt u.a. anhand der Snowden-Dokumente den Stand der Forschung im Wesentlichen zutreffend dar. Für mich neu war die Information, dass die gute alte CIA mit 14,7 Milliarden $ ein höheres Budget als die NSA hat, obwohl letztere dramatisch ertragreicher sein dürfte. Wenn man sich die vergleichsweise niedrigen Tarife für Bestechung ansieht, fragt man sich, was die mit dem Geld eigentlich machen. Ein Großteil wird für das Drohnenmordprogramm draufgehen, das bei der CIA organisiert ist, denn die Liquidierung von Personen außerhalb von Kriegen ist deren Aufgabe.
Bemerkenswert finde ich, dass nach der Geheimdienstreform die Kosten um über 50% gestiegen sind. Da der Kalte Krieg gegen den einzig wirklich schlagkräftigen Gegner schon seit zwei Jahrzehnten Geschichte ist, dürfte das Geld kaum sinnvoll angelegt sein. Gegen echte Terroristen, die Bomben basteln oder als Sniper Schrecken verbreiten, sind Geheimdienste nahezu machtlos.
Nachdem ja schon im Sommer bekannt wurde, dass das britische GCHQ für Diplomaten extra ein Internetcafé inszeniert hatte, kam nun raus, dass auch ein Abhörprogramm für Diplomatenhotels existierte. Das sollte allerdings – abgesehen von der Zahl von 350 Objekten – niemanden ernsthaft überraschen. Schon die Nazis pflegten Etablissements zu verwanzen, Fritz Lang inspirierte das zu seinem Film „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“. Das MfS hatte in einigen Hotels sogar eine eigene Etage für ihr Abhörpersonal, die Kenner aufgrund der fehlenden Fenster sogar von außen erkennen. Heute wird dort offenbar der Müll gelagert.
15. November 2013
Jeremy Hammond, der Anonymous-Hacktivist Millionen an E-Mails des privaten US-Geheimdienstes Strategic Forecasting (Stratfor) an WikiLeaks geliefert hatte, wurde zu einer Haftstrafe von 10 Jahren verurteilt.
Die eigentliche Widerwärtigkeit der Sache besteht darin, dass Hammond von einem Lockspitzel des FBI geführt wurde, der ihn ans Messer lieferte. Ein anderer bekannter Hacktivist, Aaron Swartz, hatte in ähnlicher Situation im Januar Suizid verübt.
Solange nicht die Verbrecher ins Gefängnis müssen, sondern diejenigen, die Verbrechen aufdecken, läuft irgendwas gewaltig schief.
Zum Stratfor Leak:
7. November 2013
Der WDR meldet heute den skurrilen Fall eines jungen Mannes, der sich ausgerechnet auf der Polizeiwache über die mangelhafte Qualität einer Droge beschwerte. Statt des erhofften Verbraucherschutzes handelte er sich ein BTM-Verfahren ein.
So lustig das sein mag, aber tatsächlich wäre Qualitätssicherung auch im Drogenbereich sinnvoll, denn kein Konsument weiß, welche Qualität er bekommt und wie oft der Stoff schon gestreckt wurde. Wer letzteres gewohnt ist, riskiert eine unfreiwillige Überdosis. Viele der sogenannten „harten“ Drogen wären medizinisch betrachtet kaum gefährdend, wäre sie rein. Schon aus diesem Grund wäre es sinnvoll, Drogen aus der Apotheke zu beziehen.
Ein Mensch, der süchtig ist, ist nicht frei. Allerdings zeigt ein Jahrhundert an Erfahrung mit Prohibition, dass diese nicht nur nicht funktioniert, sondern im Gegenteil den Marktpreis stützt. In Portugal hatte man mit der Freigabe von Drogen sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Beschaffungskriminalität wurde über den ungleich geringeren Preis ausgetrocknet, die Zahl der Drogentoten sank. Auch das „Anfixen“ macht keinen Sinn, wenn man kein Geschäft damit machen kann. Der tatsächliche Herstellungspreis für Drogen liegt unter einem Prozent des derzeitigen Marktpreises.
6. November 2013
Elmar Theveßen, Geheimdienstexperte und stellvertretender Chefredaktuer des ZDF, hatte mich dieses Jahr eigentlich positiv beeindruckt. So war er diesen Sommer für seine sehenswerte Doku „World Wide War“ über Prism & Co eigens zu uns zur OHM in die Niederlande gereist. In Talkshows machte er zur NSA eine kompetente Figur.
Doch seit heute Abend hat Theveßen mit einer provokanten Aufforderung an Snowden Kritik auf sich gezogen. So erkennt er ihm Nobelpreis ab, verweigert ihm Asyl und verlangt vor allem, Snowden möge nicht mehr scheibchenweise leaken, sondern alle Dokumente ins Netz stellen und fertig.
Die Forderung Theveßens, alles auf einmal ins Internet zu stellen, erinnert jedoch genau an den Fehler, den WikiLeaks seinerzeit gemacht hatte. Das undosierte Leaken hatte zwei fatale Effekte:
1. Etliche wichtige Geschichten wurden im Windschatten „beerdigt“. Die Medien berichteten ausgiebig über die Boulevardstorys, wie sich die US-Diplomaten über die internationalen Politiker lustig machten.
2. Weil alle Medien plötzlich alle Daten hatte, machte es für Medien keinen Sinn, in eine vertiefte Recherche zu einzelnen Themen zu investieren. Denn wenn man es nicht exklusiv hat, muss man damit rechnen, dass ein Mitbewerber mit der Story einen Tag vorher rauskommt, also Zeit und Geld in den Sand setzt.
Hätte Snowden die Dokumente im Juni alles auf einmal platzen lassen, wäre das Thema nach einem Monat durch gewesen, und wir würden uns heute über andere Tagespolitik unterhalten. So ähnlich hatten es sich ja auch Pofalla & Co. vorgestellt, die ja schon den Skandal für beendet erklärt hatten.
Es gäbe übrigens noch jemanden, der alles auf den Tisch legen könnte: Die NSA. Daher wäre es doch ungleich cooler, die Aufforderung nicht an den mutigen Whistleblower, sondern an die NSA zu richten.
Was aber übel aufstößt, ist der negative Spin, den Theveßen gegen die Person von Snowden dreht. Das Timing ist insoweit erstaunlich, als dass sich diese Woche auch die BILD-Zeitung für die NSA positionierte und auf der Klaviatur des Terrorismus spielte. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Journalisten keine angemessene Gesellschaft.
By the way: Auf den unfassbar platten BILD-Artikel hatte ich mit dieser sarkastischen Parodie geantwortet.
admin •
21:26 •
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5. November 2013
Offener Brief der NRW-Piraten an die Bundestagsabgeordneten:
„An die Abgeordneten des deutschen Bundestages!
Die letzte Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel hat sich in der Überwachungsaffäre als unfähig erwiesen, mit der Situation adäquat umzugehen.
Der Bürger wurde aufgefordert, seine Daten mit technischen Hilfsmitteln und Verschlüsselungsmethoden selber zu schützen; eine Initiative die umfassende Überwachung durch Aus- und Inländische Geheimdienste auch ohne Anfangsverdacht zu unterbinden, blieb jedoch aus. Dies jedoch wäre die Aufgabe der Bundesregierung und der deutschen Spionageabwehr gewesen.
Entweder entspricht es den Tatsachen, dass die Regierung Merkel nichts von der Überwachung Millionen deutscher Bürger wusste, oder es war ihr bekannt und es wurde mutwillig nicht gehandelt.
In beiden möglichen Fällen hat sich die Bundesregierung als vollständig unfähig erwiesen.
Als Mandatsträger sind Sie einzig und allein Ihrem Gewissen verpflichtet.
Deshalb fordern wir Sie auf, Ihrem Gewissen zu folgen, Angela Merkel Ihre Stimme zu verweigern und sie nicht zur nächsten deutschen Bundeskanzlerin zu wählen.
Untätigkeit und Unfähigkeit darf sich nicht länger durchsetzen.
Hochachtungsvoll
Patrick Schiffer,
Vorsitzender des Landesverbandes NRW der Piratenpartei Deutschland
Jens Ballerstädt-Koch
Politischer Geschäftsführer des Landesverbandes NRW der Piratenpartei Deutschland“
Hintergrund: Im gesamten britischen Raum gilt der 5. November als Tag des zivilen Ungehorsams.
Ich bin im Krieg aufgewachsen.
Glücklicherweise blieb dieser Krieg kalt. Von meinem Zimmerfenster aus hatte ich Blick auf die US-Flugzeuge, die sich im Minutentakt im Landeanflug auf den wichtigsten NATO-Stützpunkt Ramstein Airbase befanden. Der „Sound of Freedom“, wie es die Propaganda nannte, war für mich so vertraut wie Vogelzwitschern. Wenn es regnete und damit das Bodenradar beeinträchtigt war, stiegen immer Jäger auf. Als Ronald Reagan nach seinem unseligen Besuch in Bitburg wieder zu seiner Air Force One zurückkehrte, überflog er mit dem Marine One-Helikopter unser Haus. Samstagvormittags gab es immer Sirenentests – völliger Unsinn, denn ein Dritter Weltkrieg wäre nach allen realistischen Szenarien nuklear geführt worden. Heute etwa jährt sich ein insoweit kritisches Ereignis zum 30. Mal.
Weil ich nun einmal eine Faszination für Geheimnisvolles habe, befasse ich mich seit einem Jahrzehnt mit Themen aus dem Kalten Krieg, vor allem im Geheimdienstbereich. Vieles, was in den 1980er Jahren noch ein Staatsgeheimnis war oder unter „Verschwörungstheorie“ lief, ist heute etwa aufgrund des Freedom of Informations Acts freigegeben. Ich habe Gespräche mit Zeitzeugen geführt, darunter Stanislaw Petrow, NATO-Spion Rainer Rupp und Bärbel Bohley, die es dem MfS gleich zweimal zeigte. Manche dieser Geschichten sind für eine Veröffentlichung im Internet einfach zu lang, etwa die General Lemnitzer-Biographie, die ich als meine wichtigste Arbeit betrachte. Als eBook allerdings kann man solche Texte bequem auf entsprechenden Readern lesen.
Heute nun erscheint im Heise-Verlag die Sammlung COLD WAR LEAKS als eBook mit 350 Seiten für den eher symbolischen Preis von 4,99 €. Beim Kauf bei Heise DRM-frei. Ich bedanke mich für die Realisierung bei der TELEPOLIS-Redaktion und insbesondere bei Michael Schuberthan vom Heise-Verlag, der in den letzten Wochen große Geduld mit mir bewies. Den Lesern wünsche ich spannende Stunden!
Heise Zeitschriften Verlag
4,99 Euro
ISBN 978-3-944099-57-6