15. Februar 2017
In der Post lag heute ein unerwartetes Päckchen eines mir unbekannten Absenders aus Luxemburg. Auf dem Umschlag stand die Botschaft
… für Sie …
weil Sie am 13.04.2016 schönen Artikel auf HEISE publiziert haben.
Da ich über Luxemburg hauptsächlich zur geheimnisvollen Bombenleger-Affäre aus den 1980ern geschrieben hatte, die Kenner dem tiefen Staat des Großherzogtums zuschreiben, überlegte ich kurz, ob ich das Päckchen vor dem Öffnen vielleicht besser mit ins Gericht nehme, um es da am Eingang fachmännisch durchleuchten zu lassen … Mein Beitrag In Luxemourg gehen die Uhren anders betraf den vormaligen Geheimagenten André Kemmer, der die Uhren-Affäre ins Rollen gebracht und damit eine Regierungskrise herbeigeführt hatte.
Die Neugier siegte und ich öffnete vorsichtig das Päckchen. Dieser enthielt einen Roman, der offenbar im November in Luxemburg ein Bestseller ist. Autor: André Kemmer. „Der Geheimdienst-Insider“ ist offenbar inzwischen der zweite Schlüsselroman des einst schillernden Geheimagenten, der am Finanzplatz Luxemburg offenbar sehr delikate Aufgaben hatte. Wie man heute weiß, brauchten sich die Luxemburger Geheimagenten in Sachen Dienstwagen nicht hinter dem Idol aus London zu verstecken, da sie betuchte Zielpersonen schlecht mit schäbigen Mörchen beschatten konten.
Vielleicht revanchiere ich mich ja mal und schicke Kemmer eine Ausgabe meines Geheimdienstromans „Das Netzwerk“ …
14. Februar 2017
Die größte Fake News dieser Tage ist die, Falschmeldungen, Propaganda und Spindoctoring seien ewas Neues. Allerdings scheint die Dreistigkeit, mit der inzwischen gelogen wird, immer primitiver zu werden.
Nun wollen uns im Bundestagswahlkampf diverse Faktchecker vor der Unwahrheit bewahren. So will ewa künftig das ZDF mit Wahrheit anfangen …
Auch die EU hat nun ein quasi militärisches Wahrheitsministerium eingerichtet, meldet die Nachrichtenagentur fefe.
Facebook hat eine Wahrheits-Kooperation mit dem angeblich unabhängigen Recherche-Kollektiv „Correctiv“ begonnen – die allerdings seltsam finanziert und mehrfach mit erstaunlich tendenziösem „Journalismus“ aufgefallen sind (Facebook-„Wahrheitsprüfer“ Correctiv verstrickt sich in Widersprüche). Wenn David Schraven demnächst Journalisten ausbilden will, muss ich an diese eigenartige Schraven-Story erinnern.
Ich bin ja mal gespannt, wer der nächste Wahrheitsanbieter wird. Wirklich gute Infos bekommt man derzeit am ehesten bei Satire-Sendungen.
10. Februar 2017
Das Landgericht Hamburg hat heute meinen Ehrenfelder Mitbürger Herrn B. zur Unterlassung der Rezitation von Teilen des Gedichts „Schmähkritik“ verurteilt.
Die Verurteilung hinsichtlich der sexuellen beleidigenden Stellen war zu erwarten und folgt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Strauß-Karrikaturen: Machtkritik ja, aber nicht unter der Gürtellinie) sowie der Tradition der Hamburger, bei der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Meinungsfreiheit im Zweifel zu verbieten. Da wird auch die Berufung zum OLG Hamburg, dessen Pressesenat aus vormaligen Richtern der Pressekammer des Landgerichts Hamburg besteht, nichts ändern.
Das Gericht hat sein Urteil juristisch und nicht politisch gefällt, was im Sinne eines Rechtsstaats zu begrüßen ist. Die Hamburger Richter scherten sich nicht um die öffentliche Meinung und scheuten auch ein unpopuläres Urteil nicht. Kritik an ihrer Urteilspraxis hat die Hamburger Pressekammer meines Erachtens noch nie irritiert – im Giuten wie im Schlechten.
Eine andere Frage ist es, wie Karlsruhe mit dem Fall umgehen wird. Im Urteil ZEIT-Prozesshanseln ./. Die Anstalt (ZDF) hatte der BGH klargestellt, dass man Äußerungen von Satirikern nicht wörtlich, sondern im Kontext interpretieren und die tatsächliche Intention beurteilen muss. Mit einem ähnlichen Kunstgriff hatte sich die Generalstaatsanwaltschaft Mainz aus der Affäre gezogen, wo man keinen Beleidigungsvorsatz feststellen konnte, der im Strafrecht nun einmal erforderlich ist – anders als beim zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch.
Beim Heranziehen des Kontextes wird es allerdings eine Rolle spielen, dass das Schmähgedicht selbst türkisch untertitelt war, nicht allerdings die satirische Einkleidung. Die dementsprechend in der Türkei angekommene Message, dass in Deutschland rassistisch-sexistische Beleidigungen im TV salonfähig sind, war vermutlich auch kein Beitrag zur Völkerverständigung.
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30. Januar 2017
Als Mitglieder der AfD Schleswig-Holstein letztes Jahr anfragten, ob ich sie in einem parteienrechtlichen Verfahren vertreten würde, glaubte ich erst an einen Irrtum, da ich normalerweise Mandanten aus dem anderen Teil des politischen Sprektrums vertrete. Tatsächlich aber suchte der Gründer des Landesverbands einen mit solchen Verfahren erfahrenen Rechtsanwalt, bei dem keine innerparteilichen Interessenkonflikte zu erwarten waren. Denn mit der Parteigerichtsbarkeit der AfD hatte er Erstaunliches erlebt.
In der AfD Schleswig-Holstein rumorte es schon länger. AfD-Mitglieder aus dem Landesverband Hamburg, die dort bei der Bürgerschaftswahl nichts geworden waren, entdeckten plötzlich, dass sie eigentlich Schleswig-Holsteiner seien – wo man demnächst wohl Landagsmandate zu verteilen hat. Der von der einstigen „Professorenpartei“ stetig weiter nach rechts gerückte Bundesvorstand übte (ähnlich wie übrigens in NRW) in fragwürdiger Weise Einfluss aus. Und so passierte es, dass ausgerechnet Mitglieder aus dem einen Lager keine rechtzeitige Einladung erhielten – ein unheilbarer Anfechtungsgrund.
Einen aussichtsreichen Eilantrag zum Parteischiedsgericht, die Einladung für ungültig zu erklären, sabotierte einer der Richter aus politischen Motivem durch Rücktritt, was die Arbeitsunfähigkeit des satzungsgemäß mit drei Richtern zu besetzenden Schiedsgerichts bewirkte. Hier ein Bericht vom 16.04.2016.
Als der Mandant Anfechtungsklage beim Parteischiedsgericht erhob und Verweisungsantrag stellte, ließ es das Bundesschiedsgericht der AfD erstaunlich lachs angehen. Man informierte uns nebenbei, dass man zwischenzeitlich das Parteischiedsgericht Hamburg für zuständig erklärt hätte, aber man ernenne jetzt einen Ersatzrichter für Schleswig-Holstein. Das in deutscher Rechtskultur immanente Justizgrundrecht des gesetzlichen Richters (der nicht willkürlich entzogen werden kann) hat offenbar bei der AfD keine Gültigkeit.
Auch sonst war man sich bei der AfD für keinen schmutzigen Trick zu schade. Nach einem Monat „Kafkas Schloss“ wurde es dem Mandanten zu bunt und er erhob am 13.06.2016 Klage am Landgericht Kiel. Eine solche Klage vor den Zivilgerichten ist möglich, wenn man den Parteienrechtsweg ausgeschöpft hat oder ein solches unzumutbar ist, BGHZ 106, 67, 69:
(…) Die Unzumutbarkeit folgt daraus, daß bei Wahlanfechtungen ein Verfahren gewährleistet sein muß, das binnen einer dem Wesen von Wahlen angepaßten kurz zu bemessenden Frist zu einer von den ordentlichen Gerichten nachprüfbaren Entscheidung der zuständigen Verbandsorgane über die Gültigkeit der angefochtenen Wahl führt. Wird der danach dem Verband zuzubilligende Zeitraum für eine verbandsinterne Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl überschritten, so kann diese – ungeachtet der den politischen Parteien durch § 14 ParteiG zur Pflicht gemachten Unterhaltung einer eigenen, zunächst zur Streitentscheidung berufenen Schiedsgerichtsbarkeit – vor den ordentlichen Gerichten zur Nachprüfung gestellt werden. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Wahl sind ihrer Natur nach eilbedürftig. Verzögerungen in der Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens können zur Folge haben, daß nicht gültig oder in nichtiger Wahl gewählte Personen (vgl. Sen. Urt. v. 17. Dezember 1973 – II ZR 47/71, NJW 1974, 183, 185) ein ihnen nicht zustehendes Mandat während eines großen Teils – im äußersten Fall sogar während der gesamten Wahlperiode – jedenfalls tatsächlich ausüben, während der wirklich Gewählte oder derjenige, der bei Einhaltung eines ordnungsgemäßen Wahlverfahrens gewählt worden wäre, von der Ausübung seines Mandats ferngehalten wird. Ebensowenig erträglich wäre es, niemand als gewählt anzusehen, weil dadurch das Recht der Mitglieder auf Repräsentanz gewählter Mandatsträger verletzt würde. Mit einstweiligen Maßnahmen ist diesen mit Wahlanfechtungen verbundenen Problemen nicht beizukommen. Unumgänglich ist vielmehr eine alsbaldige und nicht nur vorläufige Entscheidung, durch die der Gewählte endgültig festgestellt oder eine Neuwahl angeordnet wird.
Bislang ist jedoch kein Urteil bekannt, in dem konkrete Kriterien für einen solchen Fall erkannt wurden. Doch der Mandant, ein passionierer Segler, war wagemutig genug, um in unbekannte Gewässer zu fahren. Obwohl sich beim Landesschiedsgericht auch im weiteren halben Jahr nichts bewegte, äußerte das Landgericht Kiel in der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2017 Zweifel daran, dass bereits ein Fall der Unzumutbarkeit des Parteienrechts wegs anzunehmen wäre.
Tage später wollte nun das Landesschiedsgericht den Fall endlich entscheiden – und zwar vermutlich im Sinne des Klägers. Denn überraschend hatte das Landesschiedsgericht in einer anderen Sache gegen den Vorstand Herrn Schnurrbusch entschieden, der seinen Wohnsitz offenbar in Hamburg hatte.
Das nun vom Kläger erwartete Urteil jedoch torpedierte der Bundesvorstand der AfD und erklärte, einer der drei verbliebenen Richter des Landesschiedsgerichts sei „ausgelistet“ worden, weil er einst einen Formfehler in seinem Mitgliedsantrag gemacht hätte. (Für die Feststellung, ob jemand kein Mitglied mehr ist, wären allerdings die Schiedsgerichte zuständig.) Nach Lesart der Gegenseite wurde das Landesschiedsgericht wieder arbeitsunfähig gemacht. Zehn Monate nach seinem ursprünglichen Eilantrag bietet die AfD dem Kläger also noch immer kein Gericht.
Heute nun hat das Landgericht Kiel die Klage „als derzeit unzulässig“ abgewiesen, da das Ausschöpfen des Parteienrechtswegs zumutbar sei. Nun ja … Die jüngste Manipulation der AfD gegen die Besetzung des Schiedsgerichts hat das Landgericht nicht in das Urteil einfließen lassen.
Dieser Fall bot mir einige Déjàs-vues:
In meinem 2015 geschriebenen Politthriller Das Netzwerk hatte ich auch das Parteienrecht der fiktiven rechtspopulistischen „Anti-Euro-Partei“ gestreift, die zur Bundestagswahl antritt. Einen Cameo-Auftritt hatte Prof. Dr. Sophie Schönberger, die 2001 als Jurastudentin versuchte, die nach rechts gedriftete Berliner FDP mit dem AStA zu kapern – eine Inspiration für meine Romanheldin, die ambivalente Präsidentin des Bundesamts für Verfassungsschutz. Außerdem hatte ich mir für die Anti-Euro-Partei eine blonde, vollbusige Gräfin ausgedacht.
Beim echten Parteienrechtsprozess am Landgericht Kiel nun war Prof. Schönberger in Form ihres noch unter ihrem Mädchennamen „Lenski“ verfassten Kommentars zum Parteienrecht im Raum. Und auch meine frei erfundene Gräfin inkarnierte in Form von Rechtsanwältin Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein, welche die Gegenseite vor dem Parteiengericht vertritt. Mit ihrem hochadeligen Namen verbinde ich gewisse Parteispendenaffären der CDU, die ebenfalls in meinem Roman mitschwingen.
24. Januar 2017
Bei einer Veranstaltung an der Uni Magdeburg, bei der auch ein Redner der AfD sprechen sollte, kam es zu Reibereien mit Kritikern. Darüber berichtete auch jemand auf Facebook und verbreitete, AfD-Mitglied John Hoewer habe Quarzhandschuhe getragen. Hoewer bestreitet diese Darstellung. Quarzhandschuhe bergen bei Rangeleien eine erhöhte Verletzungsgefahr und sind etwa Polizisten in entsprechenden Einsätzen verboten.
Jedoch ging Hoewer nicht nur gegen den Facebooker anwaltlich vor, sondern auch gegen eine Mandantin aus NRW, welche wie viele andere einen Tweet retweetete, der einen Link auf das umstrittene Facebook-Posting enthielt. Die Mandantin hatte den Tweet weder kommentiert noch geliked. Nun fordert Hoewer durch den Kölner Rechtsanwalt Matthias Brauer (KOMNING Rechtsanwälte) die Mandantin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen Behauptung und Verbreitung der im Tweet enthaltenen Äußerung auf – nebst Kostennote, versteht sich.
Wirklich überzeugend ist die Abmahnung nicht. Auch die in der Abmahnung aufgeführten Entscheidungen beeindrucken mich nicht wirklich. Wer eine ähnliche Abmahnung erhalten hat, sollte jedenfalls nicht das beigefügte Formular unterzeichnen.
10. Januar 2017
Der Bundesgerichtshof hat die Urteile des OLG Hamburg aufgehoben, mit denen die oberpeinlichen ZEIT-Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner dem ZDF angeblich getätigte Äußerungen in der Satire-Sendung „Die Anstalt“ verbieten ließen. Hier die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Ermittlung des Aussagegehalts von Äußerungen in einer Satiresendung
Urteile vom 10. Januar 2017- VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15
Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend. Die Beklagte strahlte am 29. April 2014 das Satireformat „Die Anstalt“ aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt. Die vom Senat zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt, weil das Berufungsgericht den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen hat. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden können. Zur Erfassung des Aussagegehalts muss eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage ist zutreffend.
Vorinstanzen:
LG Hamburg – Entscheidungen vom 21. November 2014 – 324 O 443/14 und 324 O 448/14
Hanseatisches OLG – Entscheidungen vom 8. September 2015 – 7 U 121/14 und 7 U 120/14
Karlsruhe, den 10. Januar 2017
Mit dem Einzug in die Hall of Shame des BGH schließen Joffe und Bittner zu Prozesshansel Melmut Markwort auf. Dieser galt bislang als einziger prominenter Journalist, der sich nicht dafür zu schade war, Kollegen oder Kabarettisten zu verklagen. Zwischen den Zeilen hat der BGH übrigens auch signalisiert, wie er in Sachen Böhmermann entscheiden wird.
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20. Dezember 2016
Dieses brillante Video des WDR von wohl 2008 kann man gar nicht oft genug empfehlen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Terroranschlag kommt, und man kann ihn auch nicht verhindern. Verhindern kann man nur, ob man sich hierdurch manipulieren lässt. In Norwegen hatte man vorgemacht, wie eine zivilisierte Gesellschaft souverän mit dem Schrecken umgeht und sich nicht in die Terrorspirale hineinziehen lässt.
Ich jedenfalls werde heute spontan den Weihnachtsmarkt besuchen, weil ich mir nichts von Terroristen oder Wahnsinnigen diktieren lasse, und erst recht nichts von Hetzern.
In meinem Roman 2015 geschriebenen Roman „Das Netzwerk“ hatte ich den Plot thematisiert, dass Wahlkampfstrategen einer neuen rechtspopulistischen Partei auf ein islamistisches Attentat hoffen, um damit im Bundestagswahlkampf 2013 Stimmung zu machen. Nicht allerdings reichte meine Fantasie zu der Vorstellung aus, dass Politiker einer vorgeblich bürgerlichen Partei wie der AfD so abgrundtief primitiv seien, dass sie mit dem Missbrauch der Terroropfer noch zu gleicher Stunde beginnen.
9. Dezember 2016
Sie suchen noch ein geeignetes Weihnachtsgeschenk für Hacker, Netzaktivisten, Geheimdienst-Nerds oder Medienkritiker? Einen ungewöhnlichen Politthriller, wie ihn in Deutschland noch keiner geschrieben hat? Dann möchte ich unbescheiden meinen modernen Spionageroman Das Netzwerk empfehlen!
Auch, wenn die fiktive Handlung im Snowden-Sommer und Bundestagswahlkampf 2013 spielt, lässt sie an Aktualität nicht zu wünschen übrig: So geht es unter anderem um Beinflussung von Wahlen in Social Media, Leaks über wahlkämpfende Politiker und Geheimdienste, die ebenfalls im internet aktiv mitmischen. Letzteres hatte sich übrigens durch den Leak bestätigt, der zur Netzpolitik.org-Affäre führte. Im jüngsten BND-Leak finden sich Hinweise, dass der BND das GCHQ-Troll-Programm verwendet, das ausgerechnet angry pirate(!) genannt wurde.
In meinem Roman gibt es auch eine natürlich rein fiktive „Anti-Euro-Partei“, mit der eine gut finanzierte Clique rechtskonservativer Strippenzieher das politische Klima ändern wollen, sowie eine linke Enthüllungsplattform des DEANON-Netzwerks. Auch den Netzfeministinnen habe ich ein literarisches Denkmal gesetzt, das Häkelschwein bekommt sogar einen Cameo-Auftritt!
Bislang wurde das Buch praktisch nur in einer dpa-Meldung besprochen, aber auch noch immer nicht verrisen. Etliche Leser, darunter ehemalige Geheimdienstler, waren sehr angetan. Viele persönliche Bekannte waren positiv überrascht, zwei Medienleute meinten unabhängig voneinander, dass sich der Stoff gut für eine Verfilmung eignen würde. :) Für angedachte PR-Veranstaltungen hatte ich leider bislang keine Zeit, aber vielleicht schaffe ich das ja nächstes Jahr.
Mein Selbstanspruch an das Werk war übrigens nicht, komerziell eine bestimmte Nachfrage zu befriedigen, sondern den IT-Roman zu schreiben, den ich selber gerne lesen würde. Also ich hatte Spaß … ;)
6. Dezember 2016
Da ich im Gegensatz zur digitalen Berliner Bohème ein hart arbeitender Mittelständler mit einem vollen Schreibtisch bin, konnte ich mir gestern zeitlich nur eines von zwei möglichen Events leisten. Ich hatte die Wahl zwischen einer politischen Live-Veranstaltung und einem satirisch-grotesken Event via Stream.
Ich entschied mich für die politische Veranstaltung und wohnte hier in Köln-Ehrenfeld der in einem Kino abgehaltenen Präsentation der neuen Somuncu-DVD sowie der Kürung von Serdar Somuncu als Kanzlerkandidat der PARTEI durch Martin Sonneborn himself bei. Somuncu demonstriert mit seinem genialen Programm auf wundervolle Weise, wie man man souverän mit Meinungsfreiheit und Hatespeech umgeht. Der Mann versteht es sogar, mit Fäkalhumor eine Katharsis auszulösen. Sowohl Sonneborn wie auch Somuncu sind erklärte Streiter für Meinungsfreiheit.
Nur indirekt auf Twitter folgte ich der Comedy, die sich in Berlin und Brüssel(?) abspielte. Da sollte im Auftrag der ZEIT-Stiftung der Spezialdemokrat und wohl Kanzlerkandidat Martin Schulz mit Internet-Kompetenz gesegnet werden. Dazu trommelte die finanziell potente ZEIT-Stiftung mehr oder weniger prominente Namensinhaber zusammen, die angeblich 14 Monate lang feierten, bis sie dann eine seltsame digitale Charta ausschieden, die Oettinger wahrscheinlich auch nicht schwächer hingekriegt hätte.
Angeblich sei um jedes Wort gerungen worden. Inzwischen hatte sich jedoch herumgesprochen, dass der Kaiser nackt ist. Ich verweise mal auf die Analyse von Dr. Malte Engeler: Unstable – Digital-Charta fehlt ihr Datenschutz-Fundament. Nachdem Politiker seit zwanzig Jahren mit den diversesten Vorwänden das Internet zensieren wollen, soll es diesmal Hatespeech sein, um eine „Verhinderung“ unerwünschter Inhalte zu liefern. Wie in der Türkei, China, Ungarn, Putin-Russland, teilweise Obama-USA. Sehr schön!
Normalerweise würden jetzt die üblichen Verdächtigen Alarm schlagen. Die hatte die reiche ZEIT-Stiftung aber geschickt nahezu alle zur Party eingeladen. Und so präsentierte man uns „27 Prominente“, die ein Grundgesetz für die digitale Welt entwickelt haben. Man habe nicht auf Expertise, sondern auf Diversität gesetzt.
Wenn ich ein neues Flugzeug entwickle, Gehirnchirugie revolutionieren will oder EU-Verfassungsrecht, denn werde ich künftig auch 27 Prominente engagieren. Am besten noch solche, die Gender-Sternchen für einen Ausweis an Urteilsvermögen halten. So wird’s gemacht! Expertentum ist überbewertet!
Die PR-Strategie scheint aufzugehen: Kritik gab es fast nur aus dem Internet. Also Trolle. Verschwörungstehoretiker. Neidischer Plebs. Die Edelfedern der Medien werden der ZEIT nicht reingrätschen. Und so astroturfte man und frau dem lieben Herrn Schulz Internetkompetenz. Alles töfte.
Nach einem Wochenende Shitstorm wurde nun die Charta der EU als „Beta-Version“ überreicht. Halb so wild: Ähnliche Vorstöße gibt es zweimal im Jahr. Hal Faber etwa rief die Online Magna Charta von 1997 in Erinnerung. Der Zensur-Quatsch würde so oder so am Bundesverfassungsgericht scheitern. Wahlkampfgeschwätz halt.
Mir egal. Ich mache nur noch für die PARTEI Wahlkampf. Mit unserem Kanzlerkandidat bin ich zufrieden. Ihr könnt ruhig dem Schulz die Schuhe blank putzen. Wird sowieso Merkel.
2. Dezember 2016
Diese Woche hat eine neu formierte Pressure Group eine Digitale Charta postuliert und dabei um staatliche Zensur gebeten. Das deutsche Internet soll also ein Orwellraum werden. Als Hebel gilt diesmal „Hatespeech“. Obwohl Internetsperren und -Filter das zentralste Kernthema der Piraten sind, serviert auch noch von der ZEIT (Urheberrechtsdebatte …), schweigen die Piratenkapitäne in Schönheit.
OK. Kenntnis genommen. Mit Auslaufen meines nunmehr siebten Jahres in der Piratenpartei mustere ich nun ab.
Zumindest meine politischen Primärziele wie die Verhinderung von Netzsperren, ACTA und TTIP sowie Schrumpfung der GEMA sind fürs erste erreicht. Das Internet ist mit einiger Verspätung im Bundestag angekommen. Dafür und für manch anderes hat es sich gelohnt, ich werde große Momente und tolle Menschen in Erinnerung behalten.
Der 2009 durchgestartete Hack des politischen Systems ist jedoch schon lange vorbei. Die nicht mehr für wichtige Wahlen gesetzten Piraten bieten keinen politischen Hebel mehr für Themen wie Überwachung und Urheberrecht. Für andere Piratenthemen wie Transparenzbigotterie, messianische BGE-Romantik und weltfremde Basisdemokratie fehlt mir ohnehin die ideologische Begabung. Auch die 5%-Hürde zur Vermeidung von Extremisten jeglicher Couleur im Parlament habe ich entgegen der Parteilinie stets für sinnvoll gehalten.
Es war für mich stets eine Frage der Loyalität, die Piratenfahne, die seit 2012 nicht mehr so recht flattert, auch in schlechten Zeiten hochzuhalten. Ein Selbstzweck sollte eine Partei jedoch nicht sein. Viele Chancen wurden verspielt. Von der Piratenfraktion im NRW-Landtag, die den Parlamentsbetrieb des Establishments hätte trollen sollen, ist spätestens seit der gedeckten Düngel-Peinlichkeit nicht mehr viel zu erwarten. Die Chance auf Rückbesinnung auf die Kernthemen, die sich 2014 in Halle auftat, wurde vertan. Mangels eigenem Profil ließen sich die Piraten bei der Berlinwahl sogar von Satireparteien überholen.
Die befremdliche Rangelei um die Listenplätze für die aussichtslosen Wahlen in 2017 und die von mir im Parteischiedsgericht bezeugte anhaltende Selbstbeschäftigung mit hausgemachten Machtspielchen nehme ich schulterzuckend zur Kenntnis. Unerträglich ist es für mich allerdings, wie der damalige NRW-Landesvorsitzende und nun Bundesvorsitzende letztes Jahr das fundamentale Kernthema Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit missachtete und sich von den „Antideutschen“ zur Hexenjagd einspannen ließ, so dass sogar die Junge Union grundrechtliche Nachhilfe zur Freiheit der Wissenschaft erteilen musste.
Während die Piratenparteimedien praktisch gar keine Reichweite mehr haben, ist es Privatleuten mit vergleichsweise geringem Aufwand gelungen, im Internet alternative Medienkanäle zu etablieren. Diese erreichen politisch interessierte Menschen, von denen viele früher den Piraten zugeneigt waren, ohne den Umweg konventioneller Medien – denen die Piraten in unrealistischer Hoffnung auf alte Zeiten hinterherhecheln. Die Serie an verpassten Chancen und Unprofessionalität ließe sich beliebig fortsetzen. Aber „Piraten“, die nicht gegen Zensur kämpfen, kann ich beim besten Willen nicht mehr unterstützen. Nichts für ungut.
Die parlamentarische Konkurrenz war 2009 und 2012 unser Weg, um den internetfernen Parteien unsere Inhalte zu induzieren. Das haben wir zum Teil erreicht. Wer in der Politik etwas bewegen will, möge den Ball nun dort weiterspielen. Der politische Hack ist vorbei.
Piraten! Es war mir eine Ehre, mit euch für Bürgerrechte zu kämpfen!