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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


18. Juli 2017

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (3)

Was bisher geschah:

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1) – Sachverhalt

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2) – einstweilige Verfügung

Bevor wir zur journalistischen Fehlleistung von stern.de im Syrienkrieg und zu dessen unsouveräner Reaktion auf die Kritik des Bloggers Blauer Bote kommen, soll hier zunächst ein Nebenkriegsschauplatz beleuchtet werden, der Aufschluss über die Arbeitsweise der Hamburger Pressegerichte erlaubt.

Der Blaue Bote hatte in seinem Blog sein fehlerhaftes Impressum verwendet. Juristisch ist das ein Verstoß gegen Mediengesetze. Zuständig für deren Einhaltung ist grundsätzlich der Staat. Steht jemand allerdings zu jemand anderem in einem wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnis, kann der andere auch privatrechtlich Unterlassung verlangen und diesen Anspruch auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb stützen (§ 8 UWG, § 3a UWG).

Stern.de und sein Autor beantragten am Landgericht Hamburg in ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügungen neben den Unterlassungen auch eine Verfügung, dass der Blaue Bote sein Impressum in Ordnung bringen müsse. Das Landgericht Hamburg gab diesem Antrag mal eben statt, dem Oberlandesgericht Hamburg fiel wenigstens auf, dass der stern-Autor selbst offensichtlich nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu Dritten steht, so dass der Autor den Antrag zurücknehmen musste. Stern.de bekam die Verfügung.

Allerdings lag auch zwischen der stern.de GmbH und dem rein privaten Blogger evident kein Wettbewerbsverhältnis vor. Zudem setzt § 3a UWG das Erfordernis einer Spürbarkeit der Beeinträchtigung für sonstigen Marktteilnehmer oder Mitbewerbern voraus, die vorliegend schwerlich zu erkennen ist. Jedenfalls aber nimmt der private Blogger an keinem „Markt“ teil. Zweifelhaft ist auch eine Dringlichkeit, die Voraussetzung für eine Eilentscheidung gewesen wäre.

Trotz Vorhalt in der Widerrufsbegründung blieb stern.de bei der im Hinblick auf Art. 5 GG abenteuerlichen Rechtsauffassung, der publizistische Wettbewerb reiche für ein Wettbewerbsverhältnis aus.

Spannend ist vorliegend die Tatsache, dass die Richter des Oberlandesgerichts Hamburg ihren Verzicht auf eine Anhörung im Eilrechtsschutz damit rechtfertigen, dass die Gegner ja vorher abgemahnt worden seien und da Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten („kleines rechtliches Gehör“ nennen die das). Was immer man davon halten mag, so war der Blogger vorliegend jedenfalls nur wegen den Unterlassungsforderungen abgemahnt worden, nicht aber wegen dem Impressumsverstoß.

Alles in allem also eine erstaunlich inkompetente Entscheidung, denn von derart hochgestellten Richtern hätte man Kenntnis etwa vom zuletzt am 24.02.2016 geänderten § 3a UWG erwarten dürfen. Das evident fehlende Wettbewerbsverhältnis hätte von professionellen Juristen nicht übersehen werden dürfen. Wäre das eine Klausur, wäre sie mit „nicht bestanden“ zu bewerten.

Noch erstaunlicher aber ist, dass diese Problematik dem Landgericht Hamburg in der Widerspruchsverhandlung völlig neu war. Denn ich hatte hierzu in der Widerspruchsbegründung breite und in einem aktuellen Schriftsatz kurze Ausführungen hierzu gemacht. Die Unkenntnis des Gerichts lässt nur einen Schluss zu: Das Gericht hat unsere Schriftsätze gar nicht gelesen. Man hat sich damit begnügt, dass das unfehlbare Oberlandesgericht ex Cathedra gesprochen hat. Was der Betroffene und sein Anwalt zu sagen haben, interessiert nicht.

Man muss sich das mal vorstellen: Man bekommt einen Monat lang in Abwesenheit den Prozess gemacht, ohne dass einem das Prozessgrundrecht des rechtlichen Gehörs gewährt wird. Dann erfährt man vom Ergebnis, das dann aus Prinzip verteidigt wird, und das Landgericht Hamburg liest keine weiteren Schriftsätze mehr.

Deratiges habe ich in 15 Jahren Anwaltspraxis nicht erlebt.

Bemerkenswert war noch, dass das dann von mir in der mündlichen Verhandlung verunsicherte Gericht dann den Blogger (!) befragte, ob sein Blog kommerziell sei. Denn Vortrag und Glaubhaftmachen der Voraussetzungen eines Wettbewerbsverhältnisses wäre Sache des Antragstellers gewesen.

Der stern, der bereits am Oberlandesgericht die Hälfte seiner mit 100.000,- € bewerteten Anträge zurücknehmen musste, nahm nun auf dringendes Anraten des Gerichts seinen Impressumsantrag notgedrungen zurück. Der Streitwert dieses zu Unrecht ursprünglich zuerkannten Impressumsantrags war mit 10.000,- € bewertet worden.

Fortsetzung folgt.

17. Juli 2017

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2)

Was bisher geschah: Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1)

Autor Marc Drewello und die stern.de GmbH mahnten den Blogger Blauer Bote wegen seinen Äußerungen über die vom stern unkritisch berichtete Bana-Propaganda kostenpflichtig auf Unterlassung ab. Da sich der Blogger jedoch nicht fügte, machten die Sterndeuter einen auf Erdoğan und beantragten am 21.12.2016 beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit den Anträgen:

Der Antragsgegner hat es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

wörtlich oder sinngemäß sinngemäß die folgenden Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

  • Bezeichnung des Antragsstellers zu 1. als „Nachrichtenfälscher“, (+)
  • Behauptung, der Antragsteller zu 1. produziere Falschmeldungen zu Propagandazwecken, (+)
  • Bezeichnung des Antragsstellers zu 1. als „Fake News-Produzent“, (+)
  • Behauptung, der Antragsteller zu 1. verbreite eine „offenkundige Lügengeschichte“, (+)
  • Behauptung, die Antragsteller seien „privatisierte Propagandadienstleister“, (-)
  • Behauptung, die Antragsteller verbreiten Lügen und Propaganda, (-)
  • Behauptung, die Antragsteller handelten „wie bei den Nazis oder in der DDR, nur eben outgesourct“, (-)
  • [Im Verhältnis zu beiden Antragstellern] die Äußerung, die Antragsteller verbreiteten „Lügen“, zu verbreiten und(oder verbreiten zu lassen. (+)

Außerdem verlangten beide Antragsteller, dass der Antragsgegner im Impressum seine aktuelle Adresse veröffentlichen müsse, gestützt auf einen vermeintlichen Anspruch aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg ist dafür bekannt, dass sie bei Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung den Gegner nicht anhört. (Die Markenkammer des Landgerichts Hamburg hingegen achtet den Anspruch auf rechtliches Gehör und führt bei Verfügungsanträgen vor Erlass eine mündliche Verhandlung durch.) So erfuhr auch vorliegend der Blaue Bote nicht davon, was nun hanseatische Pressejuristen über ihn verhandelten.

Das Landgericht Hamburg lehnte sämtliche Unterlassungsanträge ab, da es sich nach Rechtsauffassung der Pressekammer um zulässige Meinungsäußerungen handelte. Allerdings erließ die Kammer eine Verfügung wegen des Impressumsverstoßes. Den Streitwert bewertete das Landgericht insgesamt mit 56.000,- €.

Solche Eilverfügungen werden nicht vom Gericht zugestellt, vielmehr haben es die Antragsteller in der Hand, diese dem Gegner zur Kenntnis zu geben und zustellen zu lassen – oder heimlich Beschwerde einzulegen.

Die Antragsteller legten Beschwerde beim Hanseatischen Oberlandesgericht ein. Etliche Mitglieder des dortigen Pressesenats hatten vor ihrer Beförderung in der Pressekammer des benachbarten Landgerichts gewirkt und deren Interpretation von Meinungs- und Pressefreiheit geprägt. Das hanseatische Verständnis von Meinungs- und Pressefreiheit erfährt beim Bundesgerichtshof sowie beim Bundesverfassungsgericht seit Jahrzehnten deutliche Kritik.

Das Oberlandesgericht gab einigen der Unterlassungsanträgen statt, die ich oben mit einem (+) markiert habe. Diese seien Tatsachenbehauptungen, die der Blaue Bote letztlich nicht beweisen könne. Der Blogger bringe zum Ausdruck, dass er den Antragstellern vorsätzliche Lügen unterstellt, was er strukturell nicht beweisen könne. Die Last für Darlegung, Glaubhaftmachung und Beweis liegt bei Tatsachenbehauptung beim Äußernden, und der Blogger könne schließlich nicht in den Kopf von Herrn Drewello sehen.

Wenigstens erkannte jemand beim Oberlandesgericht die triviale Tatsache, dass dem stern-Autor keine Ansprüche aus dem UWG zustehen können, da sich dieser nicht in einem wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnis befindet, das könne nur stern.de. Allerdings war auch das Oberlandesgericht mit der Erkenntnis überfordert,

  • dass der Blaue Bote ebenfalls Privatmann und damit UWG unanwendbar ist,
  • dass selbst bei Anwendbarkeit eine wirtschaftliche Spürbarkeit eines solchen Impressumsverstoßes fehlt,
  • keine Dringlichkeit für eine einstweilige Verfügung besteht, zumal der Impressumsverstoß nicht einmal abgemahnt worden war.

Da es aber auch das Oberlandesgericht nicht für geboten hielt, mal den Blauen Boten nach seiner Meinung zu fragen, erließ es am 17.01.2017 seinen schon wegen der Anwendung von UWG evident inkompetenten Beschluss. Außerdem korrigierte das Oberlandesgericht den Streitwert auf stolze 100.000,- € rauf.

Die Hamburger Pressekammer pflegt – übrigens unverhohlen – die fragwürdige Tradition, dass sie eine einmal getroffene Verfügungsentscheidung aus Prinzip nach Möglichkeit hält, ofenbar um ihre Autorität zu wahren. Das ist schon deshalb unbefriedigend, weil regelmäßig der Antragsgegner erst nach Erlass der Verfügung von Anträgen erfährt und sich erst ab diesem Zeitpunkt rechtliches Gehör verschaffen kann – wie es die Prozessgrundrechte vorsehen.

Der Blaue Bote ließ sich nicht einschüchtern und erhob Widerspruch. In der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2017 sah sich der stern zur Rücknahme des unqualifizierten UWG-Antrags veranlasst. Die Vorsitzende Richterin ließ allerdings hinsichtlich der Unterlassungsverfügungen keinen Zweifel daran, dass sie dem Oberlandesgericht folgen wird – obwohl sie zuvor umgekehrter Ansicht war. Die für den 17.07.2017 angekündigte Verkündung ist daher nur Formsache.

Fortsetzung folgt.

16. Juli 2017

Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (1)

Der Rechtsstreit zwischen dem Verlag des Stern und dessen Mitarbeiter Marc Drewello gegen den Blogger Blauer Bote ist auf mehreren Ebenen interessant. Um das ganze Ausmaß dieser materiellrechtlich, prozessual und politisch absurden Farce zu verstehen, bedarf es mehrerer Beiträge. Heute beschränke ich mich auf eine Kurzfassung des Sachverhalts, den ich in weiteren Postings kommentieren werde.

Ende letzten Jahres begann angeblich im syrischen Aleppo die Dschihadistin Fatemah, Propaganda in Social Media zu lancieren. Das machen Tausende andere auch, wobei man wissen sollte, dass auf Facebook & Co. seit Anbeginn auch die Geheimdienste und PR-Agenturen mitmischen, insbesondere auch der IS. Daher müsste eigentlich jede professionelle Redaktion solche „Nachrichten“ mit äußerster Vorsicht genießen.

Da die Worte aus dem Mund einer Dschihadistin, die sogar mit einem Sharia-Rechtsgelehrten verheiratet ist, im Westen nicht ganz so gut ankommen, verwandte Fetemah für ihre Propaganda den uralten Trick, den jeder PR-Experte anwendet: Die Botschaft wird nicht vom Begünstigten, sondern von einem scheinbar unabhängigen Dritten gesendet.

Fatemah legte einen Account für ihre damals siebenjährie Tochter „Bana“ an und twitterte scheinbar als diese (obwohl Twitter nur Nutzer ab 13 Jahren akzeptiert).  Später bezeichnete sie selbst sogar Bana als „Waffe“. Von Anfang an twitterte scheinbar das Mädchen politische Botschaften, bat die Welt um Frieden, kündigte seinen bevorstehenden Tod beim anstehenden Bombenhagel an, war zwischendurch auch mal tot, usw..

Schon etwas auffällig war, dass die siebenjährige Syrerin, die im Bürgerkrieg kaum eine nennenswerte Schuldbildung erfahren haben dürfte, englisch wie ein native speaker beherrschte und mit für ihr Alter ungewöhnlichen Begriffen wie „Holocaust“ hantierte. Fatemah fand offenbar nichts dabei, während eines Bürgerkriegs eifrig Fotos von Bana zu twittern und damit ihre Tochter in Lebensgefahr zu bringen.

Während Krisenreporter in Aleppo über schlechtes Internet klagten, hatte Bana solche Probleme nicht. Es verdichten sich sogar die Indizien, dass der Account in Großbrittanien angelegt wurde und von dort betrieben wird. Genau dort erfuhr Bana auch erstmals Aufmerksamkeit und wurde von Harry Potter-Autorin Joanne K. Rowling auf Twitter gehypt. Bana war so englisch, dass sie sogar „Manchester United“ anfeuerte. Später kam wenig überraschend heraus, dass Bana englisch nicht einmal versteht und Mutti selbst bei TV-Interviews souffliert und Regie führt.

Wenn man sich einmal mit JTRIG, den White Helmets und der langen Geschichte von Propaganda insbesondere zu Kriegszeiten befasst, wird man das Rührstück vom tapferen Twitter-Mädchen nicht ansatzweise ernst nehmen können. Mädchen im Krieg sehen in Wirklichkeit so aus – sind aber transatlantisch eingenordeten Redaktionen wie beim stern keine Zeile Wert. Gute Bomben, schlechte Bomben.

„Ich brauche Frieden“: Worte aus dem Mund einer Siebenjährigen.

jubelte am 04.10.2016 die stern-Redakteurin Stephanie Beisch. Beim stern ist man also entweder der Ansicht, dass man in Aleppo mit dem Mund (statt mit den Fingern) twittert, oder dass Bana diese Worte gesprochen, jedenfalls aber ersonnen hätte. Beides ist eine subjektive (und sehr unwahrscheinliche) Interpretation, also Fantasie. Nach der Lebenserfahrung zu urteilen, ist es wohl eher unwahr, dass es sich um eigene Worte einer Siebenjährigen handelt. Eines ist es jedenfalls nicht: Journalismus.

Ganz so friedlich, wie sie der stern selektiv präsentierte, waren Banas Botschaften dann wohl doch nicht, denn sie befürwortete nichts weniger als einen Dritten Weltkrieg.

Die banale Bana-Berichterstattung des mit Fake News seit den gefälschten Hitler-Tagebüchern erfahrenen stern und seines unqualifizierten Autors Marc Drewello kommentierte der private Blogger Blauer Bote. Statt in Scham zu versinken und das unfähige Personal diskret zu entlassen, hatte der zum Bertelsmann-Konzern gehörende stern nichts Besseres zu tun, als gegen den Blogger die juristische Keule auszupacken.

Was dann passierte, ist ohne Zweifel der bisher absurdeste Presseprozess des Jahres, der sogar noch die vom BGH kassierten hochnotpeinlichen Hamburger Urteile zu Markwort und Joffe in den Schatten stellt.

https://youtu.be/IUaagR1SDp8

Der Blaue Bote hat inzwischen eine ausführliche Analyse der Bana-Story vorgelegt. Das wäre eigentlich die Aufgabe eines seriösen politischen Magazins gewesen. Obwohl bereits seit spätestens Dezember die Story Bana als entlarvt gelten müsste, hält der stern trotzig an seiner Version fest.

Fortsetzung folgt.

-> Stern und Marc Drewello ./. Blauer Bote (2)

26. Juni 2017

Abschlussbericht des NSA-Untersuchungsausschuss versehentlich geleakt

Im Wahlkampf 2013 hatte ich die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gefordert, der sich mit den Geheimdienstaktivitäten von USA und Großbritannien befassen sollte, die Snowden damals öffentlich gemacht hat. Tatsächlich wurde ein solcher Ausschuss eingerichtet und machte sich drei Jahre lang ein eigenes Bild vom Treiben des digitalen Spitzelns. Dabei lud man etliche Geheimdienstchefs etc. in den Zeugenstand.

Nunmehr liegt auch der 1822 Seiten-starke Abschlussbericht vor – überraschenderweise nahezu unzensiert. Letzteres verdanken wir einem unfreiwilligen Leak der Generation „Internetausdrucker“: So waren Patrick Sensburg oder dessen Mitarbeiter offenbar damit überfordert, in PDFs geheime Stellen so zuverlässig zu schwärzen, dass der Prozess nicht rückgängig gemacht werden kann.

Genau das taten die Kollegen von netzpolitik.org. Kommentiert habe ich diese hochnotpeinliche Farce bei Telepolis.

17. Juni 2017

Helmut Kohl und das Presserecht

Die BILD-Zeitung verkündete gestern als erste den Tod Helmut Kohls. Dies mag Kai Diekmanns Verdienst sein, der schon als Schülerzeitungsredakteur den Draht zu Kohl aufgebaut und bis zuletzt eifrig gepflegt hatte.

Zu vielen anderen Journalisten galt sein Verhältnis als angespannt, insbesondere zu einem politischen Magazin aus Hamburg. Obwohl keinen Mangel an Feinden und Falschmeldungen hatte, war er mit juristischen Aktionen bemerkenswert zurückhaltend. Vor Gericht ging er allerdings dann, wenn es gegen seine Frau Hannelore ging.

Die Karikaturisten, Parodisten und Satiriker ertrug der routinierte Politiker mit stoischer Gelassenheit, Journalisten strafte er mit Beschimpfung und Ausgrenzung ab. Kohl dürfte einst die peinliche Klage seines zwielichtigen Förderers Fritz Ries gegen den Enthüllungsjournalisten Bernt Engelmann verfolgt haben, die Ries in 40 von 42 Punkten krachend verlor. Kohl taxierte die Anzahl seiner Feinde in der Größenordnung des Berliner Telefonbuchs und entschied sich früh, dass solcherlei Streit nur selten produktiv sei.

Als Bundeskanzler jedenfalls verwendete Kohl seine Zeit auf wichtigeres als sein Nachfolger, der schon wegen einer unterstellten Haarfärbung vor Gericht zog. Spaß am Presserecht bekam Kohl erst in seinem letzten Lebensabschnitt. So ging der Historiker gegen seinen Biographen vor, der sich aus dem Rohmaterial eigenmächtiger als gedacht bediente.

Kohl erwirkte gegen den Verlag von Herinbert Schwan ein Verbot und setzte eine Rekordsumme für Schadensersatz von einer Million € durch (nicht rechtskräftig).

11. Juni 2017

Jörg Kachelmann im Visier der Meute

Jörg Kachelmann hat auf der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche e.V. ein Interview zu seinen Erlebnissen mit ideologischer Berichterstattung und Rudeljournalismus gegeben.

Am meisten fasziniert mich die Sache mit dem angeblich brüllenden, auf den Tisch schlagenden Verteidiger. Den hatte es nämlich nur in einem Boulevardblatt gegeben, dennoch schrieben den Quatsch etliche Gerichtsberichterstatter ab, obwohl sie die Verhandlung verfolgt hatten.

10. Juni 2017

Anwälte wollen nicht für Trump arbeiten

Anwälte gelten nicht als sonderlich wählerisch, was ihre Klientel betrifft. Dennoch hat ein gewisser Donald T. offenbar bei renommierten Kanzleien gewisse Akzeptanzprobleme. So gilt er offenbar als beratungsresistent und zahlungsscheu. Wer hätte das gedacht …?

1. Juni 2017

BGH schickt Kraftwerk und Afghanistan Papers zum EuGH

Der BGH hat heute zwei urheberrechtliche Rechtsstreite zum Europäischen Gerichtshof geschickt:

So lösten die BGH-Richter Moses Pelham ein Ticket im Trans-Europa Express, um zu erfahren, ob man Tonfetzen tatsächlich ohne Einwilligung samplen darf, wie das Bundesverfassungsgericht meint.

-> Kraftwerk ./. Machwerk – Trans-Europa Express fährt zum Europäischen Gerichtshof

Auch die Frage, ob die Enthüllung der Afghanistan Papers im Wege des Leakens presserechtlich zulässig war, oder ob stattdessen das Urheberrecht der uniformierten Urheber überwiegt, wie die deutschen Gerichten es bislang meinen, wird nun europarechtlich geklärt.

-> Künstler-Kompanie marschiert nach Europa – Rechtsstreit um Afghanistan-Papiere beschäftigt Europäischen Gerichtshof

8. Mai 2017

Der „stern“ wehrt sich gegen Fälschungsvorwürfe

Am Oberlandesgericht Hamburg erwirkten der Verlag des stern sowie ein stern-Autor eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen einen Blogger, weil dieser dem Blatt u.a. das Verbreiten einer offenkundigen Lügengeschichte vorwirft.

Challenge accepted.

4. Mai 2017

Parteienrecht: AfD Schleswig-Holstein ist kopflos

https://youtu.be/vvxMORpTw0Y

Eine Woche vor der Landtagswahl hat die AfD Schleswig-Holstein ihren gesamten Landesvorstand verloren. Nach über einem Jahr endlich stellte das Landesschiedsgericht der AfD endlich die Ungültigkeit der Vorstandswahlen vom April letzten Jahres fest.

Der Blick auf das Verfahren lohnt sich, denn das Verhalten von Parteifunktionären gegenüber Parteimitgliedern und der Parteisatzung ist ein bewährtes Indiz für die Einschätzung, wie sich solche Politiker wohl verhalten werden, wenn sie wirklich Macht bekommen.

Im April letzten Jahres wurde zu einem außerordentlichen Parteitag eingeladen, bei welcher der rechte Parteiflügel der ohnehin schon sehr rechten Partei aus geheimnisvollen Gründen solche Mitglieder gar nicht erst einlud, die wohl nicht erwünscht waren. Auch die satzungsgemäß erforderliche Bekanntgabe unerwünschte Anträge wurde mal eben vergessen. Am Vorabend dolchstoßte dann auch noch Bundesvorsitzende Frauke Petry mit einem eher nicht neutralen Rundbrief.

Beim Versuch, den an einem unheilbaren Einladungsmangel leidenden Parteitag zu verhindern, war ein Richter des Landesschiedsgerichts der AfD zurückgetreten, mit dem erklärten Ziel, die Arbeitsunfänghigkeit des Gerichts herbeizuführen und damit den Eilantrag zu sabotieren.

Die dann erfolgte Anfechtung wurde trotz der naturgemäßen Eilbedürftigkeit einen Monat lang nicht ernsthaft bearbeitet, ein willkürlich für zuständig erklärtes andere Gericht wurde gleichermaßen willkürlich wieder entzogen. Die juristische Herausforderung der ansich evidenten Sache war verfahrensrechtlicher Natur. Nach diesem Rumeinern zog der Mandant vor die ordentliche Gerichtsbarkeit.

Das Landgericht Kiel entschied im Januar, dass die nahezu Untätigkeit von über einem halben Jahr noch im Rahmen des Zumutbaren läge. Daraufhin ließ sich das Landesschiedsgericht nochmal vier Monate Zeit.

Zwischenzeitlich versuchte der Bundesvorstand der AfD, erneut eine Arbeitsunfähigkeit des Landesschiedsgerichts herbeizuführen, indem man parteirechtswidrig einem Richter die Parteizugehörigkeit absprach. Diese billige Nummer rief nicht nur meine Empörung, sondern auch die der führenden Parteienrechtler Morlock und Ipsen auf den Plan.

Nunmehr also ist die AfD Schleswig-Holstein kopflos. Das macht wenige Wochen vor der Wahl an der Waterkant, wo die AfD mit 5% wenig Wasser unter dem Kiel hat, nicht den besten Eindruck.

Des sinnlosen Streitens nicht genug, hat nunmehr der kommisarisch im Amt verbliebene Vorstand trotzig Berufung eingelegt. Urteilsvermögen sieht anders aus.