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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


28. Oktober 2010

„Ort des bestimmungsgemäßen Abrufs einer Email“ – neuer/alter „Gravenreuth Award“-Favorit

Die mäßig prickelnden Taschenspielertricks eines Berliner Kollegen, der offenbar dem legendären Münchner Prozesstaktiker Günther Freiherr von Gravenreuth, geb. Dörr, nacheifert, hatten mich Anfang des Jahres zum Vorschlag eines Gravenreuth Award inspiriert. Zwischenzeitlich waren dem Berliner Kollegen andere dreiste ZPO-Künstler gefährlich nahe gekommen, doch mit seinem jüngsten Winkelzug hat sich der ursprüngliche Favorit wieder an die Spitze des Führungsfeldes geschlagen.

Der mehrfach für seine Verzögerungstaktiken aufgefallene Favorit versucht nämlich gegenwärtig auf dummdreiste Art, den für ihn wohl ungünstigen Gerichtsort eines Falles zu torpedieren. Vorliegend ging es um eine Email, die an ein Unternehmen gesendet worden war, in welcher der Beklagte einen freien Mitarbeiter auf fragwürdige Weise in Misskredit bringen wollte. Das Unternehmen mit Hauptsitz in X leitete die Email an die für den Kläger zuständige Abteilung, die sich in einer 600 km entfernten Stadt Y befindet. Dort – Erfolgsort des Äußerungsdelikts gemäß § 32 ZPO – machte der Betroffene seine Klage auf Unterlassung dieser Anschwärzung anhängig.

Nun versucht der Berliner Kollege auf originelle Weise, den Gerichtsort Y, an dem er in ähnlicher Sache neulich keinen allzu guten Eindruck hinterlassen hatte, zu wechseln. So tischte der in IT-Kreisen umtriebige Kollege dem Gericht auf, Erfolgsort der Kenntnisnahme der Äußerung könne nur X sein, weil dort das Unternehmen ansässig sei und berief sich auf ein Urteil, in dem angeblich etwas von einem Ort des „bestimmungsgmäßen Abrufs“ einer Email drinstehe.

Natürlich steht in dem Urteil nichts dergleichen. Eine Email, deren Empfangsort nicht lokal definiert ist, ist einer fernmündlichen Äußerung vergleichbar, die auf einem Mobilfunktelefon zugegangen ist. Bei fernmündlichen Äußerungen ist Verletzungsort auch der Ort, wo die Äußerung vernommen wird (Zö/Vollkommer Rn 17; Musielak/Heinrich Rn 16; vgl auch München NJW-RR 94, 190). Der Inhalt einer Email wird da zur Kenntnis genommen, wo er zur Kenntnis genommen wird. Oder darf der clevere Berliner Anwalt etwa seine Emails nur an in Berlin installierten Rechnern lesen und sich nur in Berlin darüber aufregen? Was für ein Mumpitz …

In dem Urteil findet sich auch nirgendwo das Wörtchen „bestimmungsgemäß“, denn den Ort des bestimmungsgemäßen Abruf gibt es nur im Zusammenhang mit Internetseiten. Beeindruckend. Auch reduzierte das Urteil die Wahl der Gerichtsorte nicht, sondern bestätigte im Gegenteil den fliegenden Gerichtsstand auch für Emails, erweiterte dem Kläger also die Auswahl an Gerichtsorten. Kleine Frage an den Kollegen: Wo, bitteschön, wäre denn seiner Ansicht nach Gerichtsort, wenn einer Email-Adresse kein „bestimmungsgemäßer“ geographischer Ort zugeordnet werden könnte? Na? Eben!

Das Beste: Dieses Urteil, auf das sich der Berliner Advokat „berief“, wurde anscheinend von Günni von Gravenreuth himself erstritten. Besser hätte sich der Kollege für seine Favoritenrolle für den Gravenreuth Award nicht qualifizieren können. Chapeau!

Ob dem Berliner Kollegen der Sieg noch zu nehmen ist? Am 22.02.2011 werden wir es erfahren!

15. Oktober 2010

Linkhaftung: BGH hebt linkfeindliches Urteil gegen Heise auf

Das Herz der IT-Community schlägt bei Heise.de. 2oo5 war dem Verlag verboten worden, im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung über Kopierschutzsoftware einen Link auf die Webpräsenz des Unternehmens Slysoft zu setzen. Land- und Oberlandesgericht München hatten „Landgericht Hamburg“ gespielt und so getan, als verstünden sie nicht, wie das Internet funktioniert.

In Karlsruhe allerdings, wo Hamburg bekanntlich aufhört, findet auch der Hamburger Vorort München seine Grenzen. So hatte denn der BGH ein Einsehen und hob das linkfeindliche Urteil auf. Glückwunsch, Heise! Und gut, dass ihr es durchgezogen habt.

25. März 2010

OLG München: Harte Zeiten für Abmahnanwälte mit quasi „Erfolgshonorar“

Das Landgericht München I hatte einer gewissen Anwältin offenbar zu Recht auf die Finger geklopft.

Via Telepolis.

15. September 2009

Sehenswertes Video zu Internetsperren

So isses.

13. Juli 2009

Hängt ihn höher!

Klinsi am Kreuz

Wie berichtet, hatte sich Jürgen Klinsmann gegen eine satirische Fotomontage der TAZ gewendet, die seine religiösen Gefühle beeinträchtigt hätte. Wie nicht anders zu erwarten hatte das Landgericht München das humorlose Ansinnen des empfindlichen Fußballers zurückgewiesen.

Erstaunlicherweise hat die absehbare Blamage dem Balltreter nicht ausgereicht. Nunmehr hat auch das Oberlandesgericht München die Entscheidung zugunsten der Meinungs- und Pressefreiheit bestätigt.

Bildzitat: TAZ.

UPDATE:

Klinsis Anwalt spricht von „verkrusteter Justiz“.

2. Juli 2009

Fliegender Gerichtsstand: Auch OLG München fordert Ortsbezug

Und wieder mal der „fliegende Gerichtsstand„, dem Dauerbrenner dieses Blogs und eines meiner Lieblingsthemen:

Niemand Geringeres als das Oberlandesgericht München folgt in einem Beschluss der Rechtsansicht des Landgerichts Krefeld, das häufig als abwegig diskreditiert wird:

„In der neueren Rechtsprechung ist ohnehin eine Tendenz zu beobachten, den „fliegenden Gerichtsstand der bestimmungsgemäßen Verbreitung“, der als zu ausufernd empfunden wird, einzuschränken und zusätzlich einen gewissen Ortsbezug bzw. die bestimmungsgemäße Auswirkung des Verstoßes im betreffenden Gerichtsbezirk zu fordern […]. Bei dieser Sachlage konnte das Amtsgerichts München seine Zuständigkeit durchaus verneinen.”

Lesenswert ist die Kommentierung bei Telemedicus.de.

1. Mai 2009

Seewölfe

Letztes Jahr fetzten sich die Produzenten zweier parallel produzierter Neuverfilmungen von Jack Londons Klassiker „Der Seewolf“. Sowohl der Produzent des ZDF-Films, als auch der des Pro7-Films wollten nämlich den Werktitel des Buches auch für ihre Neuverfilmung verwenden. Nach Ablauf der Urheberrechte ist der Titel „gemeinfrei“, das heißt, jeder kann ihn verwenden, ohne eine Erlaubnis einzuholen oder Tantiemen zu bezahlen.

Die Firma der ZDF-Produktion beanspruchte die ausschließlichen Titelrechte für sich, weil man bereits vor 39 Jahren eine (höchst erfolgreiche) Verfilmung unter diesem Titel herausgebracht habe, sodass es sich gewissermaßen um dessen Remake handele. Damit bekamen die Mainzelmänner in einer einstweiligen sogar vorläufig Recht.

Doch im Hauptsacheverfahren wollten weder das Landgericht München, noch das Oberlandesgericht München der Argumentation folgen. Gemeinfrei ist gemeinfrei und bleibt es auch dann, wenn jemand als erstes das frei gewordene Werk nutzt.

8. April 2009

Petra Reskis „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ wird zensiert

Das Oberlandesgericht München hat eine Berufung der Mafia-kritischen Autorin Petra Reski und der Verlagsgruppe Droemer Knaur gegen die vom Landgericht München am 13. November 2008 erlassene einstweilige Verfügung zurückgewiesen. Die Verhandlung wegen unliebsamer Äußerungen in ihrem Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ musste unter Polizeischutz durchgeführt werden.

Der Autorin bleibt nun eine Passage aus dem Buch verboten, an denen sich ein Gastronom störte. Der Verlag spricht von einem „schwarzen Tag für die Pressefreiheit.“ Das Buch ist mit Schwärzungen allerdings noch weiterhin erhältlich.

Bei einer anderen Verhandlung, diesmal am Landgericht Duisburg, kommentierte DIE ZEIT:

[Der Antragsteller], der aus San Luca stammt, machte bei der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Duisburg jedoch einen überraschenden Vorschlag: Gegen eine Zahlung von 10000 bis 15000 Euro dürfe das Buch unverändert im Umlauf bleiben. »Vermutlich geht es darum, hier schnelles Geld zu machen und weniger darum, Persönlichkeitsrechte zu wahren«, erklärt Reskis Verlag Droemer Knaur.

Heute läuft in dieser Sache am OLG Düsseldorf die Berufungsverhandlung.

Petra Reski hat übrigens ein eigenes Weblog, in dem über die laufenden Rechtsstreite berichtet wird: Reskis Republik.

Update:

Auch das OLG Düsseldorf bestätigte ein Schwärzungsverlangen. Es sei unter Rückgriff auf 10 Jahre alte, jedoch ergebnislose Akten und Hinweis auf ein Verwandtschaftsverhältnis ein ehrverletzender Verdacht geäußert worden.

Im Presserecht ist es nun mal so, dass bei einem Verdacht grundsätzlich der Äußernde die Beweislast trägt. Faktisch heißt dies, dass man einen Verdacht praktisch nur dann äußern kann, wenn er bewiesen ist – also kein Verdacht mehr ist. Nur in extremen Ausnahmefällen darf man unter Beachtung der sogenannten „journalistischen Sorgfaltspflichten“ wie gründlicher Recherche, ausgewogener Berichterstattung und Anhörung des Verdächtigten berichten.

Dass die Presse ihrer Aufgabe als Wächter und Mahner unter solchen Voraussetzungen nicht effizient nachkommen kann, liegt auf der Hand. Das Ergebnis ist eine lückenhafte und damit illusionäre Darstellung der Realität zugunsten von lichtscheuen Gestalten. Während Boulevardmedien Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte aus Portokasse zahlen, werden seriöse Autoren durch diese Rechtsprechung hart getroffen.

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