Wie mir unser Mann in Hamburg gerade berichtet, sind seine Eminenz Bischof Müller der Diözese Regensburg gestern gegen die Axel Springer AG mit ihrem Zensurbegehren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg gescheitert. Seine Scheinheiligkeit wollten die Vorwürfe „Vertuschung“ und „Schweigegeld“ vertuschen und beschweigen zu lassen. Beim Landgericht des protestantisch geprägten Hamburg hatte der sensible Kirchenfürst noch entsprechenden Seegen bekommen.
Kommenden Dienstag stehen beim OLG Hamburg die Berufungen
Wie DER SPIEGEL meldet, möchte der Finanzmensch, der Google das Googlen verbieten wollte (und beim Landgericht Hamburg auch konnte) gegen das Berufungsurteil Revision einlegen. Besonders stört er sich an dem Textbaustein, das Urteil habe keine „grundsätzliche Bedeutung“, wobei ich jedoch ganz schwer hoffen will, dass dem so ist.
Also: Der unglaublich solide Kläger, gegen den wegen Immobiliengeschäften etc. während des Verfahrens mindestens 15 Zivilverfahren liefen und ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen Betruges in 13 Fällen gegen Zahlung einer Geldauflage von 300.000 EURO eingestellt wurde, will von Google nicht mit den Suchbegriffen „Schrottimmobilien“ und „Betrug“ gefunden werden. Nun ja, …
In dem Urteil 3 U 67/11 des Hanseatischen Oberlandesgerichts steht wörtlich:
„So würde über den Umweg der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers eine „Zensur“ von Informationen stattfinden, die im Interesse eines freien Meinungsaustauschs, der durch den Einsatz der Suchmaschinen als Verzeichnis der im Netz stehenden Beiträge gewährleistet wird, nicht hinzunehmen ist.“
Schöner hätte ich das auch nicht sagen können. Für die Revision sehe ich schwarz, denn die Leute vom VI. Senat des BGH, die voraussichtlich zuständig sein werden, halten vom Grundrecht der Meinungsfreiheit erfahrungsgemäß eher viel. Und wenn schon das OLG Hamburg ein Einsehen hat …
Am 02.09. werden wir sehen, ob auch der Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer in einem ähnlichen Verfahren das richtungsweisende Urteil vom Sievekingplatz 2 anerkennt oder als „Einzelfallentscheidung“ bewertet. In Hamburg weiß man nie …
Nach eineinhalb Jahren Stellungskrieg an den Hamburger Gerichten und etlichen Klagen und Verfügungen muss nun ein weiterer Gegner die Waffen strecken: Der eigenartige Sozialpädagoge, der einen offenbar „anthroposophischen“ Doktortitel führt und von der Evangelischen Hochschule Dresden aus dubiosen Gründen zum Honorarprofessor gemacht wurde, hat die längste Zeit eine Einrichtung für ehemalige Drogenkranke geleitet. Zwar hatte der gute Mann u.a. vor Gericht beteuert, alles sei 100% wissenschaftlich abgesichert, er arbeite nur nach anerkannten Therapien. Aber solch esoterische Methoden wie die „Energiefeldtherapie“ sind nun einmal definitiv keine vom wissenschaftlichen Rat nach § 11 PsychThG anerkannten Verfahren. Und der Rest, den er da veranstaltet hatte, entspricht wohl eher auch nicht dem Stand der Kunst, sondern erinnert an überkommene Konzepte aus den 70ern – und an Schwachsinn vom Feinsten.
Darüber, wie dieser unglaublich dreiste Hochstapler in die Position eines „Leiters eines Fachkrankenhauses“ gelangen und als vermeintlicher Halbgott in Weiß die Zivilkammer 25 des Landgerichts Hamburg und den 7. Senat des Hanseatischen Oberlandesgerichts so blenden konnte, dass sie meinten, Beweise gar nicht erst erheben zu müssen, könnte man getrost einen Schelmenroman schreiben. Der Mann hatte jedenfalls das Gesundheitssystem und den Umgang mit den Behörden perfekt verstanden. Nun aber musste der Professor das Energiefeld räumen.
Erstaunlich ist, dass
die sächsische Oberkirchenrätin Almut Klabunde sowie der Rektor der evangelischen Hochschule Dresden, Prof. Ralf Evers, kein Problem damit hatten, als Tendenzbetrieb einem Anthroposophen den Professorentitel zu gewähren, der sich zum Karma-Gedanken bekennt, diesen für Wissenschaft hält und eine mystische Verbindung der Sippe propagiert;
u.a. die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen trotz unserer Eingaben keinen Anlass sah, dem wunderlichen Treiben des Quacksalbers, der offenbar keine Erlaubnis für Heilberufe hat, Einhalt zu gebieten;
im Ergebnis auch die evangelischen Sektenbeauftragten sowie die „Experten“ einer gewissen Rentenversicherung versagten.
Nun macht den Job dann hoffentlich wohl (endlich) der Staatsanwalt.
Zur Ehrenrettung des Landgerichts Hamburg sei gesagt, dass der seltsame Professor bei der inzwischen wieder für solche Fälle ausschließlich zuständigen Zivilkammer 24 dieses Jahr keinen Blumentopf mehr gewann. In einer Klageerwiderung, in der es um das geheimnisvolle Energiefeld ging, welches der Professor zu beschwören versprach, benannte ich spöttisch als sachverständige Zeugen die Herren Catweazle, Uri Geller und Mr. Spock. Eine Beweisaufnahme war jedoch entbehrlich.
Das Karma des Sozialpädagogen dürfte durch die mit unapetittlichen Methoden geführten Klagen nunmehr verunreinigt sein.
Anträge auf Abdruck einer Gegendarstellung gehen in der Praxis häufig schief. Schwer nachvollziehbar ist jedoch, dass selbst Berliner Anwälte prominenter Anspruchsteller immer wieder an Formalitäten scheitern. Ist es denn wirklich so schwer, einen Antrag auf Gegendarstellung vom Anspruchssteller persönlich unterzeichnet unverzüglich zuzusenden? Jüngst scheiterte eine Hamburger Fernsehmoderatorin und Buchautorin daran, dass ihr Antrag zwar vorab gefaxt wurde, das Original jedoch erst zwei Wochen später eintrudelte. Zu spät, meint das OLG Hamburg.
Der neben § 32 ZPO, den man zur Allzuständigkeitsnorm des Landgerichts Hamburg für Internetdelikte pervertierte, wohl größte Schandfleck in der gegenwärtigen Zivilprozessordnung ist ohne Zweifel der vor einem Jahrzehnt eingeführte § 522 Abs. 2 ZPO. Hat man sich eine Willkürentscheidung in der ersten Instanz eingefangen und die Kosten und Mühen der Berufung auf sich genommen, haben es derzeit die Richter der Instanz in der Hand, ohne Angabe von Urteilsgründen die Berufung zu verwerfen. Diese Aushöhlung des Rechtswegs ist dann besonders fatal, wenn man aufgrund des fliegenden Gerichtsstands im Netz des Zensurkartells am Hamburger Sievekingplatz gefangen ist. Eine Zensur findet statt, nicht aber eine Berufung – sollte es nicht umgekehrt sein?
Obwohl die Probleme mit § 522 Abs. 2 ZPO eigentlich absehbar waren, hat es erst Schmerzen bedurft, bis dieser Missstand endlich mit der erforderlichen Lautstärke in die Diskussion geraten ist. Die Bundesanwaltschaft hat nun ein aktuelles Statement (PDF) nebst zwei Referaten von Prof. Greger und RA beim BGH Dr. Schultz vorgelegt, denen wenig hinzuzufügen ist. Den bereits woanders geäußerten Eindruck, dass sich in Wirklichkeit nicht drei Richter mit der Akte befassen, sondern lediglich der Berichterstatter, und daher nicht wirklich eine „einstimmige“ Entscheidung ergeht, schließe ich mich ausdrücklich an – was gefährlich ist, denn Hamburger Gerichte mögen „Eindrücke“ und Zu-Eigen-Machen derselben überhaupt nicht.
Viele Jurablogger hatten sich Buskeismus-Blogger Rolf Schälike in ihren Blogforen eingefangen, wo der Edel-Troll kenntnisreich die Diskutanten aufzumischen pflegte. Ich habe mich heute in Hamburg persönlich davon überzeugt, dass Schälike ordnungsgemäß seine Ordnungshaft im „Holstenglacis“ antritt. Für fünf Tage ist jetzt Ruhe!
Damit sich allerdings die Hamburger Richterschaft nicht unbeobachtet fühlt, habe ich die restlichen Verhandlungen bei Herrn Buske für Schälike mitgeschrieben. Und das hat sich sogar gelohnt, denn ich wurde auf diese Weise Zeuge einer Rechtsprechungsänderung bzgl. des Kommentierens von Bildnissen. Da hatte es neulich vom OLG ein interessantes Urteil zugunsten der Meinungsfreiheit gegeben, das die Hamburger nun anzuwenden hatte. Ich werde das kommende Woche mal genauer analysieren.
Außerdem habe ich gelernt, dass nicht nur der private Bereich, sondern auch der häusliche Bereich auf Reisen gehen kann, nämlich beim Umzug. Da darf man nun auch nicht mehr knipsen. Ob das auch für den Umzug in den Knast gilt …?
Über den unverschämten Versuch des unglücklichen Herrn Mosley, via Straßburg die Presse zu einer Quasi-Selbstanzeige vor dem Abdruck fragwürdiger Inhalte zu nötigen, hatte ich bereits berichtet. Die Presse freut sich heute einen Ast, dass der Mann, der „deutsche Assistentinnen“ zu schätzen weiß, mit seinem Zensur-Ansinnen gescheitert ist und eine Gelegenheit bietet, die skurrile Story noch einmal aufzutragen. Nicht zu Unrecht weist jedoch Lawblogger Udo Vetter darauf hin, dass pressefeindliche Gerichte aus der Entscheidung durchaus Honig saugen können.
In anderer Sache wird ein Mandant von mir Mosley wohl nach Straßburg folgen – allerdings nicht als Verbieter, sondern als unbequemer Journalist. Derzeit zeichnet sich nämlich in Hamburg eine wirklich skandalträchtige Fehlentscheidung ab, die es Journalisten bald sehr schwer machen dürfte, über ernsthafte Missstände zu berichten. So soll die Berichterstattung über eine einstweilen untersagte Äußerung über ein streitiges Ereignis praktisch deshalb als beweisbedürftiger „Eindruck“ verboten werden, weil der Berichterstatter auf die Existenz von Zeugen hinwies, welche die Äußerung bestätigen. Damit entstehe ein „zwingender Eindruck“, der zu beweisen sei. Leider haben die Hamburger Gerichte keinen Beweis erhoben …
Wie der Kollege Dr. Bahr berichtet, können es die Hamburger Pressegerichte einfach nicht lassen: Die Namen verurteilter Mörder sollen entgegen dem Votum des BGH nun doch in Online-Archiven gelöscht werden – und zwar dann, wenn die ursprüngliche Nennung unzulässig gewesen sein soll. Die Meldung von 2006 soll deshalb unzulässig gewesen sein, weil die Haftentlassung auf Bewährung damals kurz bevorgestanden habe und damals die Resozialisierung gefährdet gewesen sei.
Liebe Mörder, liebe Hamburger Richter!
JEDER weiß oder kann binnen kürzester Zeit recherchieren, wie die Herrschaften heißen. Das kommt davon, wenn man der Boulevardpresse im Knast Interviews gibt. In den älteren Online-Nachrichten darf der Name laut BGH ganz legal verbreitet werden. Man darf die älteren Artikel mit den Namen wohl auch verlinken. Es ist komplett witzlos, was ihr da macht.
Wenn ich wegen des Mordes an Walter Sedlmayr verurteilt und wieder draußen wäre, ich würde mir erst einmal einen neuen Namen zu legen, da der alte nun einmal Schaden genommen hat. Da habt ihr ein Recht drauf. Falls mir keiner der Namen einfallen würde, könnte ich mich ja an denen der Richter orientieren …
In Sachen Äußerungsrecht gibt es nur einen Ort, der noch bizarrer ist als Hamburg: London. Die Süddeutsche berichtet vom früheren Boss der Royal Bank of Scotland (nicht zu verwechseln mit der Halifax Royal Bank of Scotland, über die ich viel erzählen könnte), dem es offenbar peinlich ist, zum Stande der Banker zu gehören bzw. dieses zu haben. Und so ließ er entsprechendes verbieten – sowie verbieten, dass man über das Verbot berichtet.
Wer jetzt meint, solche „Super Gag Orders“ gäbe es nur in London gibt, irrt. Ich betreue gerade in Hamburg einen im Ergebnis sehr ähnlichen Fall, in dem der Bericht über ein Verbot verboten wurde, weil dieser angeblich ebenfalls den Eindruck erwecke, der mit dem ursprünglichen Verbot erweckt worden sein soll – obwohl die berichteten Informationen unstreitig wahr sind.
In seiner SPON-Kolumne spricht sich Sascha Lobo für eine vernünftige Beleidigungskultur aus. Ich weiß von einem weisen Münchner Richter, der absichtlich das Internet auslässt, weil ihn nicht heiß macht, was er nicht weiß. Auch sonst imponieren mir etliche Leute des öffentlichen Lebens, die mitr gesagt haben, dass sie den Blödsinn, der über sie geschrieben wird, einfach ignorieren. (Ich selbst bin noch von dieser Weisheitsstufe entfernt …)
Wie Sascha Lobo diesen kulturellen Fortschritt realisieren will, etwa durch Kodifizierung der Beleidigungskultuer, hat er nicht verraten. Das Recht der Beleidigungen ist vorwiegend Richterrecht. Was die Rechtsprechung zu Schmähkritik betrifft, die inflationär das Unternehmenspersönlichkeitsrecht reklamieren, so wären mit einer Abspaltung des Stadtstaats Hamburg vom Bundesgebiet 98% des Problems erledigt.
Aus meiner Sicht ist das größere Problem aber nicht die Schmähkritik, sondern die seit der „Stolpe-Rechtsprechung“ unmöglich gewordene Benutzung der deutschen Sprache, wenn man es mit betuchten Klägern zu tun hat. Es wäre ein historisches Verdienst – für Lobo oder für einen anderen Journalisten – mal einer breiten Öffentlichkeit darzustellen, welcher Wahnsinn sich unter dem Label „Stolpe-Rechtsprechung“ in deutschen Gerichtssälen abspielt.