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Rechtsanwalt Markus Kompa
Blog zum Medienrecht


12. Oktober 2010

Der Schweinchen-Prozess (Promi-Anwälte ./. Schälike)


Richter-Schreck und Anwalts-Nemesis Rolf Schälike hatte es sich vor ein paar Jahren mit einem Berliner Promi-Anwalt verscherzt, der wegen der Berichterstattung insbesondere über von diesem verlorene Prozesse alles andere als erbaut war. Also startete der Berliner Anwalt eine Serie von Abmahnungen, einstweiligen Verfügungen usw., die den renitenten Blogger von seiner Mission abbringen sollten. Was der schlaue Anwalt offenbar nicht wusste, war die Tatsache, dass Schälike seinerzeit Bergsteiger war und die erste Nordpol-Expedition der DDR vorbereitet hatte: Dünne Luft ist für den Mann Alltag, Aufgeben keine Option.

Es entwickelte -sich ein jahrelanger, mit harten Bandagen ausgetragener Kleinkrieg s wissenschaftliches Experiment, der auch über Vasallen geführt wurde. So hatte sich ein beim Promi-Anwalt beschäftigter Anwalt selbstständig gemacht und war ebenfalls in die Schusslinie des Pressebloggers geraten. Also beauftragten sich die beiden Berliner Anwälte jeweils gegenseitig, was für den Gegner gewisse Kosteneffekte hatte. Von seinen Gefechten mit Presse-Anwälten zählt Schälike inzwischen 63 als gewonnen.

Dieser andere Berliner Anwalt hatte das Unglück, dass er bei Berichterstattung über seine Arbeiten stets Karikaturen von Schweinchen auf der Homepage sah, was er auf sich bezog und offenbar für eine Sauerei hielt. Der kultverdächtige Schweinchen-Prozess wurde letzten Freitag vom Berliner Kammergericht in einer aufschlussreichen Verhandlung beendet.

Die beißende Ironie an der ganzen Sache ist, dass es den Anwälten um die Vermeidung peinlicher Prozessberichterstattung auf der Website ging. Doch das genaue Gegenteil haben sie erreicht!

11. Oktober 2010

Neues Buch von Petra Reski

Die Journalistin Petra Reski gehört noch zu den Autorinnen, die etwas mehr drauf haben, also zu googeln. Ihr Thema ist die Mafia, deren Präsenz hierzulande medial nur wahrgenommen wird, wenn es knallt. „Soziale Unsichtbarkeit“, wie das in der Kriminologie-Vorlesung hieß.

Auf der Buchmesse hat Reski ihr neues Buch vorgestellt. An einem ihrer früheren Werke habe irgendwelche ehrenwerten Herrschaften Stellen gefunden, die der Ehre hätten abträglich sein können, was ehrenwerte Juristen zu verhindern wussten.

Bei einem Vortrag machte sie auf die harmonische Beziehung zwischen der Mafia und einer anderen straffen Organisation aufmerksam, die sich historisch mit Zensur besser auskennen als jeder andere.

7. Oktober 2010

ALDI-Pesiflage geSPIEGELT

Die derzeitig bedrohte ALDI-Persiflage wurde von der ALDI-Kundin Frau Steisand zu SPIEGEL online getragen, wo sie nun prominent zu sehen ist. ;-)

6. Oktober 2010

Medienrechtler Prof. Weberling checkt die Wikipedia

Der bekannte Presseanwalt Prof. Weberling, der unter anderem etliche Verlage vertritt, startet an der Viadrina-Universität Frankfurt an der Oder das Projekt Wiki-Watch.de. Dort wird die Wikipedia als „die wichtigste Wissensressource weltweit“ bezeichnet.

Auch Telemedicus machte sich jüngst Gedanken über die Regelstrukturen, die schon aus verfahrensrechtlicher Sicht zu wünschen lassen.

Tatsächlich hat sich dort in innerhalb eines Jahrzehnts eine Oligarchie von Leuten gebildet, die sich persönlich von Wikipedia-Stammtischen und ähnlichen Veranstaltungen kennen und die Idee des Mitmach-Lexikons schlicht und ergreifend verraten. Statt Regeln gibt es dort Willkür, Konspiration und Herschaftswissen, was auf einem erstaunlich niedrigen Niveau praktiziert wird. Seit Jahren ist Wikipedia eine Wagenburg mit einem scheinbar akademischen Antlitz.

Morgen dazu mehr.

Astroturfing bei Stuttgart 21

Weil jemandem in Stuttgart langsam gedämmert sein muss, dass erblindete Rentner und arrogante Politiker keine sonderlich zielführende PR für verbuddelte Bahnhöfe sind, scheinen die jetzt Spin Doctors engagiert zu haben, um die Kritiker in Misskredit zu bringen. Was man früher „schwarze PR“ nannte, schimpft sich heute „Astroturfing“.

Solche Desinformationskampagnen hatte auch das Ministerium für Staatssicherheit unternommen, in dem die „Abteilung X“ gefälschte Dokumente u.a. an Zeitungen im Westen lancierte usw. Dies kann man heute gut nachhalten, denn zwei letztes Jahr verstorbene Offiziere der Abteilung X, die ihrem Dienstherren zunehmend kritisch gegenüberstanden, hatten 1993 in ihrem Buch „Auftrag Irreführung“ über ihre Desinformations-Operationen berichtet. Während man früher kunstvoll fälschen musste, erledigt man so etwas heute per Internet. Ein Problem ist jedoch nach wie vor das gleiche: Man fällt mit solchen Nummern leicht auf, oft genug geht der Schuss nach hinten los.

Lesenswerter Beitrag in der Süddeutschen.

5. Oktober 2010

DIE ZEIT erfindet Rad neu

DIE ZEIT hatte offenbar Zeit zu viel und nahm eine Internetpublikation ins Visier, welche eine Rubrik mit „Stimmt’s?“ betitelte – erfolgreich, wie der Kollege Graf berichtet, was möglicherweise mit der sachdienlichen Wahl des Gerichtsorts zusammenhängen könnte.

Es dürfte eine Frage der ZEIT sein, bis die PRAWDA mal bei der TAZ anklopft, weil es da eine (ziemlich abgefahrene) Seite „DIE WAHRHEIT“ gibt. Sowohl „Stimmt’s?“ als auch „die Wahrheit“ befassen sich ja mit dem journalistischen Selbstanspruch, authentisch zu berichten, so dass meinetwegen die PRAWDA ruhig auch gegen die Rubrik der ZEIT vorgehen kann.

EGMR zur Verdachtsberichterstattung

Der Kollege Lehofer aus Österreich weist auf eine interessante Entscheidung des EGMR hin, bei der es um den reklamierten Schutz des Privatlebens vor Verdachtsberichterstattung wegen einer behaupteten Schwarzgeldsache ging.

Der Artikel in El Mundo betraf eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses und nach Ansicht der Mehrheit des Gerichts wurde auch die erforderliche journalistische Sorgfalt eingehalten: auch das Dementi des betroffenen Unternehmens wurde wiedergegeben und die anonym zugespielten Daten waren durch ein Gespräch mit dem (allerdings entlassenen) Buchhalter des Unternehmens gegengeprüft worden. Damit hatte der Journalist nach Ansicht des EGMR alle effektiven Möglichkeiten ausgeschöpft, die Information zu verifizieren.

Der einzig abweichende Richter berief sich auf die Caroline-Entscheidung des EGMR. Damals hatten zwei Herschaften, die auf Kosten von Generationen von Menschen (Untertanen) unverdient zu exorbitantem Reichtum und Status gelangt sind, sich das Recht erstritten, nicht nur in ihren Privatschlössern und Ländereien ihre Privatsphäre ungestört ausleben zu dürfen (was Sie und ich heute nicht einmal mehr am heimischen Computer dürfen), sondern auch in der Öffentlichkeit bei öffentlichen Veranstaltungen etc. unsichtbar zu werden. Wenn die Frau C. ein Reittournier ihres hochwohlgeborenen Töchterleins besucht, darf Mami nicht abgebildet werden, weil das ja etwas sehr schreckliches wäre, wozu Durchlaucht den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bemühen geruhen.

3. Oktober 2010

200.000 Straftaten gegen die Ehre – Zensur?

Der Kollege Andreas Fischer weist in seinem Blog darauf hin, dass 2009

„laut Statistik des Bundeskriminalamts die statistisch wichtige Zahl 200.000 der wegen angeblicher “Straftaten gegen die Ehre” in Deutschland strafrechtlich verfolgten Personen klar überschritten“

wurde. Er stellt infrage, dass das Korrektiv “Wahrnehmung berechtigter Interessen” (§ 193 StGB) wirkungsvoll sei. In einem anderen Posting hält er die Beleidigungsgesetze für Zensur.

Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich die Gesetze sind, oder ob die Probleme nicht eher auf der Ebene der Rechtsanwendung liegen. Ich mache allerdings ganz überwiegend nur Zivilrecht, auch bei Beleidigungen, so dass ich seine Sicht auf den strafrechtlichen Ehrenschutz nicht beurteilen kann. Mein Eindruck ist der, dass bei strafrechtlichen Beleidigungen die Messlatte bedeutend höher liegt, so dass ich eher die Privatrechtsstreite (und die hiermit generierte Selbstzensur) als Zensur ansehe. Immerhin kann man ja Staatsanwälte, die nur ihren Job tun, ungestraft als „durchgeknallt“ bezeichnen.

2. Oktober 2010

Wikimedia e.V. hat ein neues Problem (1)

Heute erschien ein Audio-Mitschnitt der Podiumsdiskussion über den Konflikt zwischen Wikipedianern und Akademikern, die letzten Samstag in Leipzig den Höhepunkt der Konferenz „Wikipedia – Ein kritischer Standpunkt“. So richtig spannend und prägnant ist es nicht geworden, bietet aber einen gewissen Einstieg in die Problematik. Bemerkenswert offen äußerte ein Wikipedianer seine Einstellung, dass er gar nicht den Anspruch hat, andere mitmachen zu lassen. Diese Leute betrachten die von ihnen eroberten Bereiche der Wikipedia schamlos als ihr „Revier“, was das Konzept des Wikis konterkariert.

Die Alltagsbedeutung der Wikipedia ist unverkennbar, die Sammlung von enzyklopädiertem Wissen, das im Prinzip von jedermann evaluiert und bereichert werden könnte, ist einer der Erfolgsgeschichten in der vernetzten Kommunikation. Das Problem ist, dass sich nicht etwa die Besten der Besten an dem Projekt beteiligen, sondern dass sich die „Community“ zu einem Closed Shop entwickelt hat, der neue Autoren durch Schnelllöschung und rauen Arbeitston wegeekelt und selbst darüber befindet, was denn „die Wahrheit“ oder überhaupt relevant ist.

Ich habe mir in den letzten Jahren diese Community und ihre Protagonisten genauer angesehen. Ich bin jedes Mal aufs Neue entsetzt, dass ein auf den ersten Blick so zivil und akademisch wirkendes Projekt von Leuten dominiert wird, deren Sozialverhalten und Niveau man nur schwer charakterisieren kann, ohne als beleidigend empfunden zu werden. Wer sich ein Bild über vordemokratischen Zustände dieser Leute machen möchte, muss nur mal die Vereins-Mailingliste der letzten Tage durchlesen, wo man gerade irgendwelche Formalitäten an den Haaren herbeizieht, um ein 10%-Quorum zu behindern, das eine außerordentliche Hauptversammlung herbeiführen könnte.

Es gehört zum guten journalistischen Stil, dass ein Journalist eigene Angelegenheiten nicht thematisiert. Bei mir gab es zwei Interessenkonflikte:

Interessenkonflikt 1: Autorenerfahrung

Zwischen 2005 und 2007 hatte ich in der Wikipedia editiert, bis ich mal überraschend gesperrt wurde, obwohl es keinen nachvollziehbaren Grund hierfür gab. Als ich dann heraus fand, dass meine Kontrahenten inklusive sperrende Admins allesamt Stammtischbrüder des Wikipedia-Stammtisches Hamburg waren, habe ich aus Protest eine Satire darüber verfasst und mich demonstrativ selbst sperren lassen.

Aus diversen Gründen bin ich dann doch wieder zum Projekt zurückgekehrt, wo es nicht das geringste Problem gab, bis ich Mitte 2009 einen Wikipedianer kritisiert hatte, dessen Verhalten mir hochneurotisch vorkam, und der mir durch seine Intriganz die Sperren von 2007 beschert hatte. Weil ich im Gegensatz zu meinen Kontrahenten keine Kraftausdrücke verwenden wollte (und in der Wikipedia bis heute nicht getan habe), hatte ich meinen neurotisch handelnden Gegner als „Neurotiker“ bezeichnet, was überwiegend sachlich gemeint war. Obwohl in der Wikipedia ein bemerkenswert rauer Arbeitston herrscht, wurde mir das als so schreckliche Beleidigung ausgelegt, dass ich „infinit gesperrt“ wurde. Diese Klüngelei fand ich so widerlich, dass ich den Kindergarten umgehend verließ. Ich verzichtete bewusst auf eine Sperrprüfung, beantragte Accountnamensänderung und dann die größtmögliche Stilllegung meines Accounts, weil ich mit der Wikipedia nichts mehr zu schaffen haben wollte.

Da ich in der Wikipedia nicht mehr aktiv werden wollte und durch meine Erfahrungen eine gewisse Kompetenz zum Thema habe, empfand ich diese frühere Autorentätigkeit nicht als Interessenkonflikt, der mich an einer journalistischen Berichterstattung gehindert hätte. Das hat die Redaktion auch so gesehen. Ich darf mit einem gewissem Stolz bemerken, dass sich nur wenige andere deutsche Journalisten ähnlich häufig und fundiert mit der Wikipedia auseinander gesetzt haben:

Interessenkonflikt 2: juristische Auseinandersetzung mit Verleumdungen

In der kommenden Folge werde ich schildern, wie sich ein Konflikt mit Wikimedia e.V. entwickelt und hochgeschaukelt hat, der sehr wohl einen Interessenkonflikt auslöste. Aufgrund sehr befremdlicher Verleumdungen und einer soziologisch hochspannenden Kultur des Wikimedia e.V. und dem Gebaren seines unglücklich agierenden Geschäftsführers sah ich mich gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, was ich in den kommenden Folgen dieser Serie näher ausführen werde.

Zwar kann es eigentlich nicht richtig sein, dass ein ursprünglich unparteiischer Journalist durch Angriffe zur Verteidigung provoziert und auf diese Weise zur Partei gemacht wird. Aber im Ergebnis lässt es sich nicht abstreiten, dass ich aufgrund der wirklich unterirdischen Erfahrungen, die ich in den letzten 11 Monaten mit Wikimedia e.V. gemacht habe, meine Distanz zum Thema verloren habe. Trotz Bemühens um Neutralität KANN ein Journalist, der sich mit seinem Berichtsobjekt Gerichtsprozesse liefert, per Definition nicht den professionellen Abstand leisten, der guten Journalismus auszeichnet. „Einen guten Journalisten erkennt man daran,  dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache“ formulierte einst Hanns Joachim Friedrichs.

Mein jüngster Beitrag über die ominösen Umstände der hinter dem Rücken der Vereinsöffentlichkeit eingestielten „gemeinnützigen Wikimedia Fördergesellschaft mit beschränkter Haftung“, die offensichtlich den gut im Speck des neureichen Vereins sitzenden Pöstcheninhabern ihre Einkommen sichern helfen soll, war zumindest in dieser Wertung bewusst scharf und hat vielen die Augen geöffnet. Inhaltliche Schwächen sind mir bis jetzt nicht bekannt (außer, dass ich den Anteil der sinnvollen Investionen in die Technik noch bei weitem zu hoch angegeben hatte, da sich die Zahlen auf 2008 bezogen). Die mir inzwischen per Mail und öffentlich gestellte Frage, warum Telepolis diesen Beitrag „aus redaktionellen Gründen“ gelöscht hat, kann ich daher nicht beantworten. Im Gegenteil war der Beitrag sogar noch viel zu harmlos.

Ich schätze den Heise-Verlag und speziell Telepolis sehr. Es ist aufgrund meiner gewachsenen Rolle als Kritiker und Prozessgegner dem Verlag nicht zuzumuten, dass er in Mitleidenschaft meines schwelenden Konflikts mit Wikimedia e.V. gezogen wird. Ich werde daher die Berichterstattung in dieser Angelegenheit nicht mehr in anderen Medien persönlich fortsetzen, sondern mich als Privatmann hier in meinem Blog äußern und die bereits interessierten Medien mit Informationen versorgen. Was mir in den 11 Monaten alles über Wikimedia e.V. und dessen Vereinsgeschichte zugetragen wurde, könnte locker ein ganzes Buch füllen. Arbeitstitel wäre: „Geld verdirbt den Charakter“.

Da ich künftig gegenüber Wikimedia e.V. insoweit nicht mehr den Verlag repräsentiere und mir daher auch keine Interessenkonflikte mehr nachsagen lassen muss, kann ich mir hier im Blog nunmehr gewisse Freiheiten erlauben, die ich mir vorher verkniffen hatte. Außerdem kann ich anwaltliche Mandate gegen Wikimedia e.V. ohne journalistische Interessenkonflikte annehmen. Deutlicher möchte ich heute nicht werden, verweise aber auf die Überschrift des Blogposts.

Boies Preview auf den Film über Mark Zuckerberg

Wie ich neulich schon schrieb, warte ich auf den Filmstart von „500 Millionen Freunde“ („The Social Network“). Heute erschien ein interessanter Kommentar von Johannes Boie in der SZ-Schaltzentrale, der auf die zu den Deutschen bemerkenswert unterschiedliche Mentalität der Nordamerikaner zu Datenschutz eingeht. Außerdem weist Boie darauf hin, dass der Film gegen das Einverständnis der lebenden Personen gedreht wurde, was aufgrund des grundlegend anderen Verständnisses von Meinungsfreiheit in den USA möglich ist – auch gegen einen Milliardär.