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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


4. März 2012

Der Aufmarsch

Bis letzte Woche wusste ich gar nicht, dass das öde Wohnviertel, das an mein geliebtes Kreuzviertel anschließt, überhaupt einen Namen hatte. „Rumphorst-Viertel“ heißt die unbedeutende Gegend ohne Wiedererkennungswert. Gestern gab der Staat ca. 500.000,- Euro dafür aus, dass Personen dort ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen konnten, obwohl diese Leute nicht wirklich etwas zu sagen hatten. Zumindest hatte die Aktion den Sinn, dass über die Herrschaften hoffentlich Bildmaterial zu erkennungsdienstlichen Zwecken gesammelt werden konnte …

Gefilmt hat die Polizei eifrig jedenfalls die Gegendemonstranten und Anwohner bereits im Vorfeld. Die Anwohner hatten sich etliche Gäste eingeladen, die von Privatgrundstücken aus von ihrem eigenen Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nahmen. Offenbar waren es gerade einmal 167 rechte Demonstranten, während die Anzahl der Gegendemonstranten inzwischen mit über 7.000 als sicher gilt. Zu den charmantesten Aktionen der Anwohner gehörte es, braune Hundehäufchen mit einen Fähnchen zu platzieren.

Rechtlich ist bemerkenswert, dass eine Bundestagsabgeordnete beim Schlichtungsversuch festgenommen wurde und sich auf der Polizeiwache ausziehen musste. Ähnliches war Alios 2009 in Berlin passiert. Auch scheint die Polizei das Demonstrationsrecht der Gegendemonstranten nicht durchgehend respektiert zu haben. Unklar ist der Fall eines von der Polizei Schwerverletzten Gegendemonstranten. (Man darf gespannt sein, ob die Polizei darüber Filmdokumente hat und rausrückt.) Gäste der Anwohner durften nicht die Gärten wechseln.

UPDATE: WN-Bericht mit weiteren Infos und einem Video.

 

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (15)

Mein eifriger Blogleser Dr. Nikolaus Klehr hatte mir letztes Jahr durch die Hamburger Pressekammer unter dem damaligen Vorsitzenden das Einbinden eines auf Youtube gehosteten Beitrags auf WISO verbieten lassen, der ihm nicht gefallen hat. Das letzte Wort in der Sache ist indes noch lange nicht gesprochen. Um meine medizinisch interessierten Leser nicht darben zu lassen, mache ich solange Ersatzprogramm …

3. März 2012

Münster im Ausnahmezustand

Ca. 60 bis 200 freundliche Herren möchten am heutigen Samstag, den 03.03.2012, der an Femdenverkehr gewöhnten Stadt Münster einen Besuch abstatten und ihr grundgesetzlich geschütztes Demonstrationsrecht wahrnehmen, indem sie einen Aufmarsch veranstalten. Doch leider, leider, mussten die Herrschaften beim Anmelden ihrer Demo feststellen, dass an diesem Tage bereits etliche andere Demonstranten alle möglichen Routen in der Innenstadt für Demonstrationen in Beschlag genommen hatten, so dass nur noch das entlegene Rumphorst-Viertel zur Verfügung stand. Schade aber auch …

Westfalen sind bekanntermaßen ein stures Völkchen. So werden denn auch 130 Gruppierungen, darunter auch die lokale Piratenpartei, den Demonstranten unter dem Motto „Keinen Meter den Nazis“ Gesellschaft leisten. Die geplante Route soll zum Sperrgebiet erklärt werden, so dass in der fraglichen Zeit nur Anwohner und deren Gäste rein dürfen. Erstaunlicherweise werden an diesem Samstag wohl mehr „Parties“ mit Gästebeteiligung im Rumphorst-Viertel veranstaltet als am Altweiber-Donnerstag in ganz Münster, auch haben etliche ihren Glauben wieder entdeckt. Und gastfreundlich sind die Anwohner …! ;)

Die Stadt nimmt den Termin außerordentlich ernst. In städtischen Bussen etwa wurde diese Woche in Durchsagen auf mögliche Engpässe und Umleitungen hingewiesen. Der Kollege Hoffmann informiert über das Demonstrationsrecht. Zwischen allen Stühlen sitzt Münsters Polizeipräsident Hubert Wimber, der erste grüne Polizeipräsident Deutschlands überhaupt, der nun einmal dem geltenden Recht verpflichtet ist.

-> Live-Tweets

1. März 2012

Herr Kachelmann, Herr Schälike und die Chemtrailer

Die Verwirklichung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit setzt voraus, dass man auch die Freiheit hat, gelegentlich mal Unsinn zu reden. Ohne Freiheit zu Thesen, Modellvorstellungen, Irrtum und das Prinzip wissenschaftlichen Zweifels würde der wissenschaftliche Diskurs gefährdet. Gewisse Dinge muss man in einer Demokratie halt aushalten.

Am Landgericht Berlin fanden sich am 17.02.2012 drei Leute ein, die sowohl Spaß an Physik, Wetter als auch an Presserecht haben:

  • Der eine ist ein bekannter Meteorologe und war lediglich anwaltlich vertreten,
  • der andere ist nicht bekannt, befasst sich aber mit dem angeblichen Phänomen der Chemtrails,
  • der dritte ist ein Kernphysiker, der das Presserecht mit naturwissenschaftlicher Herangehensweise erforscht und Anwälte, Richter und Unterlassungskläger generell für bekloppt hält.

Herr Kachelmann fand es hilfreich, Vertreter zur Chemtrail-These, deren Auffassungen er nicht teilt, als „verrückt“ oder „Nazis“ zu diskreditieren. Das hatten sich die Chemtrailer nicht bieten lassen und erwirkten gegen den presserechtsgestählten Meteorologen eine einstweilige Verfügung.

Die lustige Widerspruchsverhandlung verlief leider ergebnislos, denn der Promi-Anwalt des Widerspruchsführers hatte keine Vollmachtsurkunde dabei … Dann gibt es wohl bald ein Nachtreffen!

Von den Äußerungen der Personen insbesondere im verlinkten Video sowie denen im verlinkten Bericht distanziere ich mich mal besser … ;)

Wilde Kerle: BVerfG hebt mal wieder Hamburg auf …

Die Kindlein eines bekannten Schauspielers, die selbst in einem Film mitwirkten und im TV präsent waren, ließen es 2008 krachen.

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2008, der in Bayern sogenannten „Freinacht“, waren die Kläger mit ca. acht weiteren Freunden in der Innenstadt von München unterwegs. Die Gruppe wurde dabei beobachtet, wie sie Fahrräder traktierte, Blumen aus einem Blumenbeet herausriss sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abriss. Herr O. soll für den abgerissenen Telefonhörer verantwortlich sein, Herr O. für das Herausreißen einiger Tulpen aus einem Beet. Herr O. wurde von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder O. begleitete. Beide wurden nach Feststellung der Personalien entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber online, etliche Medien griffen die Posse auf, so auch die Sächsische Zeitung. Familienvater Buske zeigte Verständnis für das Persönlichkeitsrecht der beiden jungen Racker und verbot:

  • Polizei schnappt O.-Söhne,
  • er und sein Bruder haben Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten
  • er hat den Hörer aus der Telefonzelle gerissen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten.

Die Pressekammer meinte,

das Gewicht des Informationsinteresses verringere sich dadurch, dass Gegenstand der Berichterstattung durchaus keine spektakulären Straftaten gewesen seien, die im Gegensatz zu Kapitalverbrechen nicht als solche von überwiegendem Allgemeininteresse seien. Die Berichterstattung über eine begangene Straftat unter Namensnennung des Täters stelle für diesen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar, weil die Bekanntmachung seines Fehlverhaltens zu einer negativen Bewertung des Betroffenen in der Öffentlichkeit führe (BVerfGE 35, 202). In diesem Zusammenhang gewinne besondere Bedeutung, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Veröffentlichung erst 18 bzw. 16 Jahre alt gewesen seien, also junge Menschen bzw. Jugendliche, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei, und die ihren sozialen und beruflichen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hätten. Ihr öffentliches Auftreten als Nachwuchskünstler schränke ihren Anonymitätsschutz gegen die beanstandete Berichterstattung aus einem von ihrer beruflichen Tätigkeit zu unterscheidenden persönlichen Lebensbereich nicht ein.

(Das Argument der Schwere oder Leichtigkeit eines Vorwurfs streitet allerdings nicht nur für ein Recht auf Anonymität, sondern relativiert in gleichem Maße den Eingriff bzw. steigert das öffentliche Berichtsinteresse. Darüber wurde in der Hamburger Pressekammer erst vorletzte Woche wieder eifrig diskutiert.)

Das Bundesverfassungsgericht kam – wie bei Beschwerden gegen Hamburger Presseurteile fast immer – zu anderen Ergebnissen und sprach von „Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes“: (more…)

Geheimes Rechtsgutachten zu ACTA

Gestern habe ich einen EU-Experten ausgequetscht, der erfolglos einen Antrag auf Freigabe eines Rechtsgutachtens zu ACTA gestellt hat. Aus irgendeinem Grund meint das Europaparlament, eine Freigabe könne die Staaten, die ACTA noch nicht ratifiziert hätten, irritieren. Weiter auf TELEPOLIS.

UPDATE: Das geheime ACTA-Dokument SJ-0501/11 wurde inzwischen geleakt und findet sich im Anhang von dieses Dokuments.

Indes hat sich auch Prof. Thomas Hoeren zum aktuell diskutierten „Warnhinweismodell“ geäußert, das die CDU-Internetausdrucker sich ausgekaspert hatten. Wenig überraschend hat er „Bedenken“.

27. Februar 2012

WikiLeaks: Der Geheimdienst des Volkes sendet wieder!

Mehr als ein Jahr beschränkte sich Julian Assange in der Öffentlichkeit praktisch auf die Rolle einer Drama-Queen; nun hat er in der Nacht, in welcher die USA sich selbst bei den Oscars feiern, einen sorgfältig orchestrierten Coup gelandet:

Assange waren etliche E-Mails des privaten Geheimdienstes STRATFOR zugespielt worden. Ebenso, wie große Teile des US-Militärs privatisiert wurden und obskure Firmen wie Blackwater groß machten, wurden unter Bush beträchtliche Teile der Geheimdienste outgesourced. Insbesondere aus der CIA wurden etliche Leute abgeworben, die ihr Wissen nun zum vielfachen Preis den Diensten von Außen her anbieten. Eine solche Firma ist STRATFOR, die ein weltweites Netz an konspirativ bezahlten Agenten unterhält.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Private Geheimdienste können sich der parlamentarischen Überwachung leichter entziehen, als staatliche.
  • Die Bosse dieser Einrichtungen sind mit Spitzenpolitikern eng verbandelt, die Wege kurz.
  • Die Elite kann sich die steuerfinanzierten Geheimdienstetats direkt in die Taschen schaufeln. Die USA geben für ihre Geheimdienste mehr Geld aus als Deutschland für die gesamte Bundeswehr

Zu den Aufgaben von Stratfor gehört auch klassische CIA-Drecksarbeit wie Schmutzkampagnen, so etwa gegen die Yes Men, welche das zynische US-Untzernehmen Union Carbide vorführten. Die Yes Men hatten gegenüber der Presse einen Sprecher der übernehmenden Firma inszeniert, der die Entschädigung der Opfer der Katastrophe in Bophal versprach, siehe obiges Video.

So verwundert es auch nicht, dass der Name des „Staatsfeindes Nr. 1“ Assange häufig in den E-Mails auftaucht. Zweifellos wurden die Sachverhalte, wegen denen Assange in Schweden beschuldigt wird, politisch benutzt. (Die Ursache von Assange juristischen Problemen hat allerdings mit Sicherheit kein Geheimdienst gesetzt.)

Stratfor wurde offenbar von Anonymous gehackt, wie bereits im Dezember bekannt wurde. WikiLeaks hat diesmal etliche Medien ins Boot geholt, darunter offenbar auch den NDR. Wenig überraschend fehlt als Kooperationspartner DER SPIEGEL. Als 2010 das Geschacher um die Cabels unappetitliche Ausmaße annahm, hatten die Hamburger bewiesen, dass sie beim falschen Spiel mindestens ebenbürtig waren. Als Cablegate dann schließlich anrollte, hatte man fast den Eindruck, DER SPIEGEL sei um Schadensbegrenzung bemüht, denn in den Fokus rückte vor allem Boulevard-Zeugs, während die wirklich wichtigen Dinge so klein gehalten wurden, dass sie publizistisch versenkt wurden. Unter den Umständen hätte DER SPIEGEL dem Pentagon schwerlich gefälliger sein können.

UPDATE: Meine Kurzfassung der Pressekonferenz auf TELEPOLIS.

20. Februar 2012

Die Kunst der Beleidigung

Heute am Rosenmontag müssen sich die Politiker mal wieder dem volkstümlichen Spott der Karnevalisten stellen. Frau Merkel hat das ja perfekt getimet, denn den Gauck werden die kaum noch auf die Wagen gehievt bekommen. Wulff hatte bereits letzte Woche den Kappen reingegrätscht und das Thema beerdigt. Nun kann also die tendenziell konservative Veranstaltung „Karneval“ ihren geordneten Gang nehmen.

Kenner freuen sich indes besonders auf den als ausgesprochen politisch geltenden Umzug in Düsseldorf, wo seit Jahren Jaques Tilly bewährt die Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit austestet.

Ein schönes Feature über die Kulturtechnik der Beleidigung gibt es gerade beim WDR. Die geschätzte Frankfurter Kollegin Gaby Rittig kommt auch zu Wort, die bekanntlich die Titanic vertritt, die am meisten verbotenen deutschen Zeitung. ;)

14. Februar 2012

Mediation in der Wikipedia

2009 hatte ich mal den Vorschlag gemacht, die Wikipedianer von der Administration zu entlasten, in dem man das Beilegen digital ausgetragener Gefechte nicht den – typischerweise befangenen – Mitgliedern der Community überlässt, sondern professionelle Mediatoren etc. anheuert:

Man könnte den strukturellen Interessenkonflikt der häufig befangenen Admins vermeiden, in dem man die Administration bei spannungsgeladenen Konfliktfeldern wie Personalangelegenheiten an von der Wikipedia-Community unabhängige Personen abgibt, die professionell als Mediatoren, Pädagogen oder Juristen in der sachlichen Beurteilung und Behandlungen von Konflikten trainiert sind. Wäre ein solcher Vorschlag sinnvoll und realistisch?

Christian Pentzold:

Sinnvoll vielleicht, realistisch nein, schon weil fraglich ist, wie ein bislang im Großen und Ganzen non-kommerzielles Projekt diese Dienstleitungen finanzieren sollte. Zwar verfügen der Wikimedia Verein Deutschland und sein US-amerikanische Pendant, die Wikimedia Foundation, über finanzielle Mittel und haben eine wachsende Zahl von bezahlten Mitarbeitern, doch bin ich skeptisch, ob diese Mittel für den hier zu erwartenden Aufwand ausreichend wären.

Nunmehr hat Wikimedia e.V. beschlossen, ein entsprechendes Projekt in Angriff zu nehmen.

12. Februar 2012

Humor ist eine ernste Sache …

Gegenwärtig diskutiert das Heise-Forum gerade meinen Humor …

Konkret geht es dieses Wochenende um meine literarische Verarbeitung der jüngsten Kardinal-Meisner-Realsatire sowie mein etwas spezielles Interview mit dem finnischen Regisseur der Reichsflugscheiben-Komödie „Iron Sky„. Es sieht allerdings nicht danach aus, dass ich einsichtig werde … ;)