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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


27. Juli 2014

Im Westen nichts Neues …

 

Bekanntlich befasse ich mit der Geschichte des Kalten Kriegs. Diese ist insoweit meine eigene, weil ich in den 1980er Jahren das, was ich im TV sah, für die Realität hielt. Nach Abgleich der historisch gesicherten Fakten war die westliche Darstellung des Kalten Kriegs etwas …, ähm …, nun ja …, „einseitig“.

Seit ich mich mit Medienmanipulationen und politischer PR („Propaganda“) befasse, hat sich mein Blick ein wenig geschärft. Dass es aber ausgerechnet in Zeiten von Internet, in dem die Bedeutung des Medienkartells eigentlich gebrochen sein sollte, noch möglich wäre, dass sich unsere Redaktionen so plump und durchschaubar gebärden, ernüchtert.

Obwohl es für Moskau nicht das geringste schlüssige Interesse geben kann, zivile Passagiermaschinen vom Himmel zu holen oder Verbündete bei derartigem Terrorismus zu unterstützen, titeln unsere deutschen „Qualitätsmedien“ unisono gegen Putin. Nun bin ich gewiss kein Freund totalitärer Staatsformen, und gegen den Ex-Geheimagent und Ex-General Putin persönlich gibt es gewiss viel zu sagen. Aber was wir da gerade an „Expertise“ geboten bekommen, ist kaum geeignet, dass nachhaltig angeschlagene Vertrauen hierzulande in die „unabhängigen“ Medien zu stärken.

Umso dankbarer bin ich, dass etwa der Heise-Verlag mit TELEPOLIS besonneneren Stimmen Raum gibt. So hat gestern der ehemalige verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU und Ex-Vizepräsidenten der OSZE zur westlichen Propaganda im Ukraine-Konflikt deutliche Worte gefunden.

Noch feister hetzen die US-Medien. Putin scheint es gelassen hinzunehmen. In der Pressekammer des Landgerichts Hamburg habe ich noch keine Putin-Anwälte gesehen (aber die von Westerwelle, Schröder, Gabriel, Wulff …).

Spannend finde ich übrigens die „Hellsichtigkeit“ Hollywoods, wo man das Böse aus Moskau schon vor ein paar Jahren erkannt hat. So spielen die Fortsetzungen von „Mission Impossible“ (Teil 4, 2011), „Stirb Langsam“ (Teil 5, 2013) und „Jack Ryan“ (Teil 5, 2014) in Moskau, wobei jeweils CIA-Leute zu edelsten wie unkaputtbaren Helden stilisiert werden. In den beiden letztgenannten Streifen werden die Russen als abgrundtief böse dargestellt und dürfen wie wilde Tiere hemmungslos abgeballert werden. Für das deutsche Publikum spricht, dass diese beiden im Vergleich zu den Vorgängern ausgesprochen langweiligen Filme nach wenigen Wochen wieder aus den Kinos verschwunden waren.

24. Juli 2014

Fotografieren bei Polizeieinsatz

Der Kollege Udo Vetter weist auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Recht am eigenen Bild von Polizisten hin.

So untersagen Polizisten oft das Anfertigen von Fotos unter Hinweis auf ihre Persönlichkeitsrechte. Es kam sogar vor, dass Polizisten das Löschen von Bildern forderten oder Herausgabe von Kameras oder Fotohandys durchsetzten und dann selbst löschten. Grundsätzlich ist Fotografieren aber erlaubt, nach § 22 KunstUrhG kann lediglich das Veröffentlichen entsprechender Fotos rechtswidrig sein.

Es gab durchaus Entscheidungen, die den Polizisten in solchen Fällen Recht gaben, da man in Zeiten von Internet, in denen eine Verbreitung von Bildern ohne zeitliche oder tatsächliche Hindernisse erfolgen kann, derartiges ungern abwarten möchte. Solche richterliche Rechtsfortbildung ohne gesetzliche Grundlage dürfte nach dem nun genannten Urteil passé sein.

Vorliegend hatte der Einsatzleiter eines Sondereinsatzkommandos unter „Erwähnung“ von Beschlagnahme das Fotografieren untersagt und damit eine Journalistin an Bildberichterstattung über einen bewachten Arztgang eines Untersuchungshäftlings gehindert. Das SEK führte an, dass bei Bekanntheit der Gesichter die Einsatzfähigkeit etwa bei verdeckten Maßnahmen beeinträchtigt sei. Zudem sei man wegen Repressalien in Sorge. Insofern habe man zur Gefahrenabwehr gehandelt. Außerdem habe man vermeiden wollen, dass die Polizisten durch Fotografen abgelenkt würden.

Der Verlag ließ sich das nicht bieten und klagte vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf Feststellung der Rechtswidrigkeit. Dort unterlag er zunächst, hatte dann jedoch am OVG und am BVerwG Erfolg.

Das BVerwG befand, dass man der Gefahr einer Anblenkung auch mit einem Platzverweis hätte begegnen können. Grund(gesetz)sätzlich besteht jedenfalls ein in Art 5 GG und im Speziellen in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG verfassungsrechtlich verbürgtes Interesse der Öffentlichkeit, zeitgeschichtlich relevante Ereignisse fotografisch zu dokumentieren. Daher hätte man die Presse erst einmal gewähren lassen müssen, anstatt ein Verbot auszusprechen und dabei die Beschlagnahme anzudrohen.

Das Gericht urteilte allerdings, eine ohne vorheriges Verbot erfolgte vorübergehende Beschlagnahme eines Speichermediums greife weniger in die Pressefreiheit ein als die Verhinderung einer Fotoaufnahme und somit deren Speicherung auf dem Medium. Damit scheint ein solcher Eingriff noch im Spektrum der Möglichkeiten zu liegen. Vorzugswürder soll es aber wohl sein, auf die Einsicht von professionellen Journalisten zu setzen und die Interessen der Beamten kommunikativ zu wahren. Auf entsprechenden Bildern können diese etwa Gesichter verpixeln, was üblicherweise auch geschieht.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. März 2012, Aktenzeichen 6 C 12.11

Sonderfall: Demo

Von Privatleuten kann man allerdings nicht ohne weiteres erwarten, dass diese pixeln werden. Ob eine Anonymisierung tatsächlich erforderlich ist, hängt im Einzelfall von der schwierig einzuschätzenden Frage ab, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis nach § 23 Abs. 1 Nr.1 KunstUrhG vorliegt. Da könnte man etwa beim Eskortieren eines Untersuchungshäftlings bei einem Arztbesuch geteilter Meinung sein.

Im wohl häufigsten Fall allerdings, nämlich beim Filmen von Polizisten bei Demonstrationen etwa mit Kamerahandys, stellt sich das Problem nicht, denn rechtlich gesehen sind Polizisten – ob sie wollen oder nicht – Teilnehmer einer nun einmal in der Öffentlichkeit platzierten Demonstration, die nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG grundsätzlich gefilmt werden darf. Keine Regel ohne Ausnahme: Wird bei einer Demo auf einzelne Polizisten gezoomt oder werden solche entsprechend ausgeschnitten, kann das Privileg aus § 23 Abs. 1 Nr.1 KunstUrhG wieder entfallen.

 

20. Juli 2014

SPIEGEL online verliert weitere Flugzeuge

 

Wie man in 30 Jahren über das in der Ukraine abgestürzte Flugzeug berichten wird, kann man sich anhand der aktuellen „historischen“ Berichterstattung über den Abschuss von KAL- 007 von 1983 ausmalen. So „informiert“ das Hamburger Infotainmentmagazin SPIEGEL online über KAL 007, wobei der Spin natürlich klar gegen Russland geht. In dem „Bericht“ vergisst SPON allerdings ein ganzes Flugzeug, nämlich ein US-Spionageflugzeug RC-135, das aus ungeklärten Gründen den Radarschatten passierte. Außerdem scheint SPON nicht bekannt zu sein, dass damals Luftraumverletzungen durch die USA zum Zwecke der Provokation und Spionage zum Alltag gehörten. Vor ein paar Jahren habe ich den Fall mal bei TELEPOLIS in meiner Rupp-Bio nachgezeichnet.

Die Propaganda der USA wegen des Abschusses hörte es auf, als die USA versehentlich Iran-Air-Flug 655 abschossen. Die USA haben sich dafür nach Art des Hauses bis heute nicht entschuldigt, sondern die Schuldigen befördert. Spannend finde ich, dass der SPIEGEL-Autor zwar noch in der Geschichte weiter geht und den versehentlichen Abschuss der Sibir 1812 durch die Ukraine erwöhnt, aber besagten Flug 655 „vergisst“. Nicht wenige in meinem Bekanntenkreis nennen den SPIEGEL nur noch „das ehemalige Nachrichtenmagazin“.

 

 

Dem SPIEGEL ist es durchaus erlaubt, kritisch über die USA zu berichten, um Glaubwürdigkeit zu erwerben. Aber wenn es um Kriegspropaganda geht, hat der SPIEGEL gefälligst stramm zu stehen. Damals wie heute sind „die Russen“ die Bösen. Man muss Wulff nicht mögen, wegen seiner Freundschaft zu Maschmeyer kann man ihn sogar verachten, aber mit seinen aktuellen Anschuldigungen zu den deutschen Leitmedien hat er nun einmal nicht unrecht.

16. Juli 2014

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (20) – Klehr verliert gegen das ZDF

 

Dr. Nikolaus Klehr und sein tapferer Hamburger Rechtsanwalt Dr. Sven Krüger haben am Hanseatischen Oberlandesgericht gegen das ZDF verloren. Klehr hatte 18.01.2011 am Landgericht Hamburg gegen das ZDF eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen eines angeblich rechtswidrigen Beitrags in WISO über die fragwürdige Praxis des selbsternannten Krebsbehandlers erwirkt. So wehrte sich Klehr gegen angeblich aufgestellte Behauptungen und die (gesichtsverpixelte) Aufnahmen aus seiner Praxis.

Das ZDF ließ sich nicht lumpen und wehrte sich zunächst erfolglos am Landgericht Hamburg. Weil es den Beitrag auch auf YouTube zu sehen gab, nahm Klehr auch Google (YouTube) und einen Blogger in Anspruch, der das Video über einen Link embedded hatte.

Nach über drei Jahren ertrotzter Unterlassungsverfügung hob im Mai 2014 das Oberlandesgericht Hamburg das Verbot gegen das ZDF auf. In der Zwischenzeit nämlich war der Bundesgerichtshof Ende 2012 mal wieder mit den Hamburgern hart ins Gericht gegangen und hatte den Hanseaten in einem anderen Fall, bei dem ebenfalls Klehr-Anwalt Dr. Krüger die Presse gegängelt hatte, mit sehr deutlichen Worten den ><((((*> gezeigt:

„Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint.“

BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10.

Das hat offensichtlich gesessen. Der Hamburger Pressesenat, dem inzwischen der mir so ans Herz gewachsene Richter Buske vorsitzt, bezog sich ausdrücklich auf dieses BGH-Urteil. Die Karlsruher Kritik an den Hanseaten hat eine lange Tradition.

Das OLG Hamburg befand nun, dass das ZDF inzwischen für seine Behauptung über eine in Deutschland rechtswidrige Arbeitsweise Klehrs genug Glaubhaftmachung aufgeboten hat. So hatte Klehr zunächst das ZDF der Lüge geziehen und mit eidesstattlichen Versicherungen seiner „Klehriker“ in Beweisnöte gebracht. Da aber die Version des ZDF von so vielen unabhängigen Zeugen plausibel gestützt wird, sieht auch der Senat „keine durchgreifenden Zweifel“ mehr:

„Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Überzeugungsbildung, nach denen eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht gefordert werden darf, sondern sich das Gericht mit einem für das praktische Leben  brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss (BGH, Urt. v. 11. 12. 2012, NJW 2013, S. 790 ff., 791), sind die von der Antragsgegnerin vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel daher auch unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller vorgelegten Glaubhaftmachungs- und Beweismittel ausreichend, um ihren Vortrag als glaubhaft gemacht anzusehen.“

OLG Hamburg, Az.: 7 U 47/12, Urteil vom 06.05.2014, Rechtskraft nicht bekannt.

War das jetzt wirklich so schwer?

Auch die mit versteckter Kamera hergestellten Aufnahmen in der Azrtpraxis waren zulässig, weil diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der nunmehr als wohl doch nicht so falschen Behauptung stehen und der gute Herr Dr. Klehr durch deren Verbreitung demgegenüber nicht schwerwiegend in seinen Rechten verletzt wird, da die Praxisräume ohnehin einem größeren Personenkreis einsehbar sind und er nur in seiner Berufssphäre betroffen ist. Auch dazu hatte der BGH schon 2006 etwas gesagt, was längst herrschende Meinung ist – außerhalb des Landgerichts Hamburg, das immer wieder eine Nachhilfe aus Karlsruhe benötigt.

Damit darf das ZDF den Beitrag wieder zeigen. Gewonnen hat aber vor allem das Team Dr. Klehr/Dr. Krüger, denn über drei Jahre lang konnte das ZDF Krebspatienten im Endstadium nicht vor Klehrs möglicherweise doch nicht so hilfreicher, dafür aber schweineteuren Behandlung warnen. Auch die Hamburger Pressekammer darf stolz auf sich sein. Die Prozesskosten bezahlt Klehr, der von todkranken Krebspatienten für seine Künste exorbitante Honorare nimmt, aus der Portokasse.

Vermutlich wird auch YouTube/Google in gleicher Sache obsiegen. Und vielleicht darf irgendwann dann auch der Blogger wieder das Klehr-Video verlinken. Hätte der finanziell nicht so gut wie das ZDF und Google aufgestellte Blogger aus Kostengründen die Notbremse gezogen und auf die Berufung verzichtet, so wäre das Verbot längst rechtskräftig. Seit über zwei Jahren wartet der Blogger auf den Termin zur Berufungsverhandlung. Der Prozess mit einer schlussendlich drohenden Kostenlast von 20.000,- € wurde durch die „Klehranlage“ finanziert. Weit über 1.000 Menschen haben den Hamburger Landrichtern gezeigt, was sie von dem weltfremdem Umgang mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit halten.

Ach so: Der Blogger bin ich. Danke an euch Klehranleger! Venceremos! :)

11. Juli 2014

NSA: Die Medien gutieren Staatstheater

 

Die „Berichterstattung“ über die Reaktion der Bundesregierung auf den jüngsten Spionageskandal zeigt einmal mehr, wie unbrauchbar unsere eingetaktete politische Journaille arbeitet. Von mir aus könnte man die meisten Hauptstadtjournalisten gleich mitausweisen.

Da wird gejubelt, dass endlich mal – erstmals seit 70 Jahren Kolonialismus – ein CIA-Resident faktisch des Landes verwiesen wird. Angeblich sei man in Washington peinlich berührt. Es wird kritiklos berichtet, dass Deutschland die Zusammenarbeit mit der NSA erst einmal auf Eis lege.

B*******!

  • Ob der örtliche CIA-Aufseher bleibt oder ausgetauscht wird, spielt nicht die geringste Rolle. Das ist nichts weiter als psychologisches Symboltheater.
  • Solange im Dagger Complex über 1.000 SIGINT-Spione weiterhin ihre Arbeit verrichten und in Wiesbaden mit deutschen Steuergeldern(!) ein neues NSA-Abhörzentrum errichtet wird, ändert sich an der Überwachungspraxis genau gar nichts.
  • Angesichts der „Abhängigkeit“ deutscher Behörden vom Schatz der NSA und der im NATO-Statut verbrieften „Sicherheitsinteressen“ der in Deutschland stationierten US-Truppen ist eine Abkehr von einer Zusammenarbeit mit US-Diensten faktisch ausgeschlossen.
  • Die Behauptung eines Geheimdienstes, er würde dies und jenes nicht machen, ist ohne Überprüfbarkeit nichts wert.
  • Gestern wurden wieder von einer Drohne aus sechs Menschen getötet, vermutlich vom Operationszentrum in Ramstein Airbase aus. Das ist nach wie vor eine (nicht rechtlich, aber der Rechtspraxis nach faktisch) „exterritoriale“ Kolonie der USA. Die sechs Toten haben es allerdings nicht prominent in die Nachrichten geschafft.
  • In den USA interessiert sich für die deutschen Befindlichkeiten kein Mensch. Das US-TV berichtet über das Ausland nur, wenn dort irgendein Krieg ist.

Hinter den Kulissen geht die Arbeit weiter wie eh und je. Der CIA-Ami wird in seiner Community als Held empfangen werden, der patriotisch den Kopf hingehalten hat. Vielleicht bekommt er einen „Oliver North Orden“ oder so.

 

8. Juli 2014

William Binney über die NSA

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=lq_Df0VMtfg

 

Letzte Woche war ich bei der 4. Netzpolitischen Soirée der GRÜNEN in Berlin, wo es um den NSA-Untersuchungsausschuss ging. Angekündigt waren u.a. der Präsident des Inlandsgeheimdienstes, der sich unseren Fragen auf einem Podium stellen sollte. Allerdings mussten er sowie Konstantin von Notz wegen einer überraschenden Sitzung im Parlamanetarischen Kontrollgremium kurzfristig absagen – am Folgetag erfuhren wir, worum es wohl gegangen sein dürfte, nämlich den CIA-Maulwurf, der ebenfalls Interesse am NSA-Ausschuss hatte.

Die Programmänderung hatte jedoch den Vorteil, dass Whistleblower William Binney nun die ungeteilte Aufmerksamkeit erfuhr. Binney ist nichts weniger als einer der Architekten der heutigen NSA. Er gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und hatte 6.000 NSA-Techniker unter sich. Binney schätzt den aktuellen SIGINT-Etat auf etwa 100 Milliarden – und hält die NSA zur Terrorbekämpfung nahezu für sinnlos, allerdings für totalitär. Es dürfte schwierig sein, einen solch hochkarätigen Zeugen als „antiamerikanisch“ oder als „Verschwörungstheoretiker“ abzutun.

Unmittelbar vor der Veranstaltung sagte Binney im NSA-Ausschuss aus, wo es die Christdemokratien fertig brachten, den erhofften Stream aus dem NSA-Ausschuss zu zensieren. Umso mehr Aufmerksamkeit möge daher dem obigen Video zuteil werden. ;)

30. Juni 2014

NSA löst POEBEL auf

 

Wie die NSA gestern bekannt gab, wird die Einheit zur Beobachtung der Social Media der Berliner Piratenpartei (Pirate Observation Entity for Berlin Extremists feat. Lauer – POEBEL) nunmehr aufgelöst. Die Auswertungsabteilung in Fort Meade war die kostspieligste ihrer Art: Eine automatisierte SocInt-Analyse etwa der Twitter-Konversation von Berliner Piraten war nicht möglich, da diese keiner Logik folgt und nicht einmal Organigramme möglich waren, wer mit wem wirklich redet. So mussten rund um die Uhr deutsche Muttersprachler die Tweets und DMs von Berliner Piraten lesen, wobei das psychologisch betreute Team streng darauf achtete, pro Person eine maximale Tagesdosis von 30 Minuten nicht zu überschreiten. Trotz zweithöchster Besoldungsstufe hatte die NSA größte Schwierigkeiten, freiwilliges Personal zur Lektüre von Berliner Tweets zu finden, so dass sie am Schluss hierzu Häftlinge zwangsverpflichtete.

POEBEL und die hierdurch ermöglichten Zersetzungsmaßnahmen gelten als mit die größten Erfolge der US-Geheimdienste der letzten Jahre. So konnte man erfolgreich eine Bürgerrechtspartei durch provozierte Selbstbeschäftigung daran hindern, gegen den Überwachungsstaat Stimmung zu machen. Im für die NSA kritischen Snowden-Jahr, in das ausgerechnet die Bundestagswahl fiel, hatte die diskreditierte Piratenpartei keine Stimme mehr von irgendwie messbarem Gewicht. Die seit 2012 unter eine Dauerführungskrise leidende Partei war von Berliner Piraten auf der Verwaltungsebene kontrolliert und vor allem in den Medien repräsentiert worden, obwohl die Handelnden gar nicht repräsentativ waren.

Wie sich am Wochenende zeigte, fielen von Berlin protegierte Kandidaten, so sie denn nicht freiwillig zurückzogen, gnadenlos durch. Spontankandidat Christopher Lauer scheiterte an einer Formalität, die er vor zwei Jahren selbst etabliert hatte: So hatte er eine Urkunde mit erforderlichen Unterstützerunterschriften nachträglich manipuliert, im Video ab Minute 39.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre hatte sich beträchtliche Anzahl an Piraten in den anderen Bundesländern nicht entmutigen lassen und binnen Monaten eine alternative Versammlungsleitung aufgebaut. Undemokratischen Methoden begegnete man souverän mit demokratischem Verhalten. Machtverlust schmerzt, in einer Demokratie ist Wechsel jedoch der Normalfall.

In gewisse Verlegenheit geraten nun die Hauptstadt- und Twitter-Journalisten, die im Bundestagswahljahr fast durchgehend auf Berliner Filterbubbles und journalistische Echochambers hereinfielen. Eine bundesweit agierende Partei wurde bemerkenswert selektiv wahrgenommen und in einer Weise dargestellt, bei der man sich für seine Mitgliedschaft bisweilen sehr schämen musste. Wie sich jedoch an den Manipulationsversuchen im Vorfeld des Bundesparteitags zeigte, wo man es mit Zensur, Nichtakkreditierung unerwünschter Piratenpresse und trickreichem Ausschluss von Mitgliederrechten versuchte, waren viele der an Machtpositionen gerutschten Personen keine Piraten, sondern verblendete Ideologen. Allerdings keine echten Linken, denn Linke achten Arbeit und beweisen Solidarität, die auch aus Geben besteht.

Nachdem die Wirkmacht des Landesverbands Berlin am Wochenende auf Normalmaß zurückgefahren wurde, erhofft sich die NSA keinerlei verwertbare Erkenntnisse mehr, die eine tagesaktuelles Monitoring der Berliner Filterbubble rechtfertigen. Diese wird fortan bei der NSA nur noch wie Angry Birds-SocInt auf Vorrat gespeichert, interessiert aber niemanden mehr.

26. Juni 2014

Wie man keine Gegendarstellung durchsetzt – Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

 

Das Durchsetzen einer Gegendarstellung gehört zu den anspruchsvollsten Aufgabenstellungen im Presserecht. In der Praxis geht es meistens schief, weil es viele Tücken und Unwägbarkeiten gibt. Manche Juristen scheitern allerdings schon an der simplen Lektüre des Gesetzes. So etwa der Justiziar der Piratenpartei Deutschland, der sich an der Sonderausgabe des KOMPASS zum außerordentlichen Bundesparteitag am kommenden Wochenende störte. Damit es das nächste Mal etwas besser klappt, hier die Manöverkritik zur

Aufforderung zum Abdruck einer Gegendarstellung (pdf).

Anders als Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche usw. ist der Anspruch auf Gegendarstellung ein Anspruch eigener Art. Da Medien über große Wirkmacht verfügen, wird bei aufgestellten Behauptungen über Tatsachen den Betroffenen mit dem Gegendarstellungsanspruch eine Waffe in die Hand gegeben, um sich in gleicher Reichweite Gehör zu verschaffen. So müssen Medien eine vom Betroffenen formulierte Gegendarstellung abdrucken.

Für Druckwerke, die in NRW erscheinen, gilt das dortige Landespressegesetz NRW. Insoweit noch zutreffend, stützte sich der forsche Piraten-Justiziar auf § 11 Landespressegesetz NRW. Alles weitere allerdings mochte dem Justiziar jedoch nicht gelingen.

1. Unterzeichung durch Berechtigten

Wie in § 11 Abs. 2 Satz 4 nachzulesen ist, muss die Gegendarstellung von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein. Unterzeichnet hat sie jedoch Justiziar Bokor. Der ist aber gar nicht betroffen. Ebensowenig werden Parteien oder kommissarische Vertretungen gesetzlich von einem Justiziar vertreten. Damit ist das Gegendarstellungsverlangen bereits gegenstandslos.

2. Zugang in Schriftform

Eine Gegendarstellung kann frühestens ab Zugang der Urschrift verlangt werden. Der Brief des Justiziars vom 24.06.14 wurde aber erst am 25.06.14 abgestempelt und ging natürlich erst am 26.06.14 zu. Daher war die gesetzte Frist zum 25.06.14, 15.00 Uhr, untauglich. Eine Vorabübersendung per E-Mail ist gegenstandslos.

3. aufgestellte Tatsachenbehauptung

Das Gegendarstellungsrecht gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 nur im Bezug auf aufgestellte Tatsachenbehauptungen. Der Justiziar hat leider nicht so genau mitgeteilt, welche Tatsachenbehauptungen er genau beanstandet.

So unterstellt er dem KOMPASS offenbar, dieser hätte behauptet, die Entlastung des Vorstands sei eine „reine Formsache“. Zwar lautete die Überschrift „Formalia“ und und da steht etwas von „formellem Akt“, aber die genannte Behauptung ist eine subjektive Interpretation des Justiziars. Der schreibt übrigens selbst etwas von „förmlichem Verzicht“. (Hat da jemand die Förmchen geklaut …?)

Zudem stört sich der Justiziar daran, dass der KOMPASS die Bestellung der Frau Laura Sophie Dornheim als „überraschend“ bezeichnet. Die Einordnung eines Ereignisses als „überraschend“ ist keine reine Tatsachenbehauptung. Da die Auswahl von Frau Dornheim im dargestellten Kontext durchaus nicht zu erwarten war, darf man diese getrost als überraschend bewerten. Werturteile sind aber keine gegendarstellungsfähigen Tatsachen.

Damit war das Mittel der Gegendarstellung gänzlich untauglich.

4. berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung

§ 11 Abs. 2 Satz 1 a) sieht als Ausschlusskriterium das Fehlen eines berechtigten Interesse an der Veröffentlichung vor. Da keine gegendarstellungsfähigen Tatsachen aufgestellt wurden, erübrigt sich dieser Punkt.

5. angemessener Umfang der Gegendarstellung

§ 11 Abs. 2 Satz 1 b) soll geschwätzige Gegendarstellungen vermeiden. Eine positive Fiktion findet sich in Satz 2:

Überschreitet die Gegendarstellung nicht den Umfang des beanstandeten Textes, so gilt sie als angemessen.

Bei gleichem Satz beanspruchte der erste Punkt das zehnfache, der zweite Punkt das fünffache. Damit befindet sich das Begehren im Risikobereich und müsste gut begründet sein. Die eingereichte Besinnungsaufsatz genügt dieser Anforderung nicht, auch der zweite Text verfehlt das Thema.

6. Beschränkung auf tatsächliche Angaben

§ 11 Abs. 2 Satz 3 schreibt vor, dass sich die Gegendarstellung auf tatsächliche Angaben beschränken muss. Das ist dem Justiziar offensichtlich nicht gelungen. Schon gar nicht mit dem Gendersternchen.

7. Abdruck in nächster Ausgabe

§ 11 Abs. 3 sagt:

Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer (…) abgedruckt werden.

Für das Verlangen des Justiziars, der bereits gedruckten Ausgabe eine Gegendarstellung beizufügen, bietet § 11 Landespressegesetz keine Grundlage.

Wie gesagt, diese Fehler wären bei simpler Lektüre des Gesetzes selbst für einen Nichtjuristen ohne weiteres vermeidbar gewesen. Die weiteren Unzulänglichkeiten, etwa die behauptete Vertretungsmacht für einen „Vorstand“, den es seit dem 16.03.2014 gar nicht mehr gibt, möchte ich nicht vertiefen. Ebenso wenig die Mitwirkung des Herrn Alexander Zinser auf der Vollmachtsurkunde, denn Herr Zinser war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Vorstands. Auf welcher Rechtsgrundlage Herr Zinser nachträglich zum Mitglied der kommissarischen Vertretung bestellt wurde, erschließt sich mir auch nicht so recht.

Der KOMPASS hat übrigens die Gegendarstellung online eingearbeitet, und zwar zu dem Zweck, damit sich jeder ein Urteil über die Mentalität der Beteiligten und die Kompetenz des Justiziars bilden kann. Selbstverständlich wurden die gewünschten Erklärungen nicht abgegeben und auf Nachfrage ausdrücklich ausgeschlossen.

Dem Justiziar ist bei der Anwendung anderer Gesetze mehr Glück zu wünschen.

Klinsmann und das Presserecht

Heute titelt die BILD-Zeitung mit Jürgen Klinsmann, einem langjährigen Prozessgegner des Axel Springer Verlags. Und diesmal ist man in der komfortablen Lage, auf einen gemeinsamen „Gegner“ zu verweisen, denn Klinsmann trainiert bekanntlich die US-Mannschaft im heutigen Spiel gegen die deutsche Elf.

Die BILD-Zeitung maßt sich seit Jahrzehnten an, mitzubestimmen, wer Kanzler oder Bundestrainer wird usw.. Wer was werden will, der muss mit BILD tanzen. Wollte Klinsmann aber nie. Von Anfang an schirmte er sein Privatleben ab, so wie es jedem zusteht. Im Gegensatz zu Lothar Mathäus, der BILD zuverlässig mit Boulevard-Käse versorgte. 1996 musste Mathäus gehen, offenbar auch auf Betreiben von Klinsmann.

Während der EM 1996 in England griff die BILD-Zeitung einen Besuch der Nationalelf in einer Hotelsauna auf, wo die Deutschen im Adamskostüm aufliefen – auf der Insel hält man nämlich in der Sauna Bekleidung für zweckmäßig. Durch ein Foto entstand der Eindruck, als wäre Klinsmann entsprechend freizügig durch das Hotel marschiert. Klinsmann erstritt für diesen Jux von BILD 25.000,- €, die er spendete.

Als Gerüchte über Klinsmanns Privatleben auftauchten, griff diese während der WM 1998 etwa Harald Schmidt auf, der aus vermeintlicher Sicht von Mathäus das „geheime WM-Tagebuch“ servierte und ihm satirisch „Zitate“ wie „Warmduscher“ und „Schwabenschwuchtel“ in den Mund legte. Das fand der DFB nicht witzig und erstritt von Schmidt eine Unterlassungserklärung.

Anders als seine Vorgänger lieferte Klinsmann auch keine Mannschaftsaufstellung im Voraus an BILD, alle Journalisten bekamen die Infos gleichzeitig. „Grinsi-Klinsi“ blieb auch in den Folgejahren unfreiwilliger Dauergast bei BILD, wie das BILDblog dokumentiert. Selbst Auswandern in die USA nutze nichts.

2009 fand Klinsmann einen neuen Gegner: die TAZ, die ihn satirisch an Kreuz schlug. Das Landgericht München meinte allerdings, dass auch einem gläubigen Christen so etwas zuzumuten sei, ebenso das Oberlandesgericht.

Egal. Wichtig is auf`m Platz!

Vor dem Berliner Piratengericht und auf See ist man in Lauers Hand

 

Da sich der Staat – und damit letztlich auch die zivile Justiz – aus verfassungsrechtlichen Gründen aus den inneren Angelegenheiten von politischen Parteien so weit wie möglich heraushalten will, sieht das Parteiengesetz die Einrichtung parteiinterner Schiedsgerichte vor. Diese sollen unbefangen urteilen und die Satzung vollziehen. Sie haben somit die Aufgabe, ohne Ansehung der Person nach juristisch-sachlichen Maßstäben zu handeln und ggf. die Rechte einzelner Mitglieder vor der Willkür von Funktionsträgern zu schützen, denen ihr Amt zu Kopf gestiegen ist.

Unterschiedliche Meinungen und politischer Streit hingegen sind innerhalb einer Partei ausdrücklich erwünscht und sollen nicht juristisch ausgetragen werden. Parteigerichte sollen keine Machtinstrumente sein, sondern vor Psychopathen schützen, die sich häufig an die Spitze von Hierarchien setzen, wie die Geschichte leider lehrt.

Im Landesverband der Berliner Piraten ticken die Uhren anders. So wurde ein Pirat vom Landesvorstand per Eilbeschluss (ohne vorherige Anhörung, versteht sich) von der Ausübung seiner Mitgliedsrechte ausgeschlossen. Der Pirat will allerdings am Wochenende beim Bundesparteitag für den Vorstand kandidieren. Das Landesschiedsgericht Berlin weigerte sich zunächst, den Fall zu verhandeln: Denn wer von seinen Rechten ausgeschlossen sei, der könne ja auch nicht die Parteigerichtsbarkeit in Anspruch nehmen …

Nachdem das LSG gezwungen wurde, die Sache doch zu entscheiden, wies es den Aufhebungsantrag zurück, mit einer nicht weniger interessanten „Begründung“:

„Der innerparteiliche Schaden (…), sollte er tatsächlich gewählt werden, wäre aufgrund seines bisherigen Verhaltens groß.“

Damit gibt das Berliner Parteigericht unverblümt zu, dass es politische Entscheidung trifft und sogar die Piraten aus den anderen Bundesländern bevormunden möchte. Piraten – das waren doch mal die mit der Basisdemokratie, oder?

Das Verhalten, das die Berliner ihrem Mitglied vorwerfen, besteht nicht etwa darin, dass er während der Ukraine-Krise Brandfackeln auf die russische Botschaft wirft, sich bei „Bomber Harris“ für das Töten von 20.000 Zivilisten bedankt oder seine Parteikollegen als Nazis diffamiert – die Berliner Piraten werfen ihm vor, dass er genau das kritisiert hat.

Noch spannender ist das Argument, mit dem der Berliner Landesvorstand seine Maßnahme begründet: So könne man es nicht hinnehmen, dass die Berichterstattung über diesen Pirat den Eindruck erwecke, die Berliner Piraten könnten ihre politischen Konflikte nicht wie erwachsene Menschen austragen. Da liegt es doch unter erwachsenen Menschen nahe, das Mitglied von seinen Rechten auszuschließen … m(

Also, bei aller Liebe, aber der Berliner Piratenvorsitzende Christopher Lauer wirkt auf mich ungefähr so erwachsen wie Daniel Küblböck. Bei etlichen Berliner Peinlichpiraten stellt sich sogar die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit. Für eine Partei, die sich einst der Meinungs- und Pressefreiheit verschrieb und sogar die Mitgliedschaft in anderen Parteien zulässt, ist es mit den ideologisch eingetakteten Berliner Piraten ganz schön weit gekommen.

Nach dem Willen der Berliner soll dem Pirat beim kommenen Bundesparteitag nicht nur seine Wahlchance genommen werden, er soll auch nicht wählen dürfen. Schließlich kann die Berliner Trolleria an diesem Wochenende jede Stimme gebrauchen.