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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


9. Mai 2016

Unterliegen Demos künftig einer Vorabzensur?

 

Der Polizeipräsident in Berlin erließ letzte Woche gegen eine Demonstration der Piratenpartei zwei ungewöhnliche Auflagen.

Zum einen sollte die Demo nicht anmeldungsgemäß vor der türkischen Botschaft stattfinden, vielmehr wollte der Polizeipräsident die Demo vor der Botschaft von Österreich sehen. Zum anderen sollten das Böhmermann-Gedicht oder Textpassagen daraus nicht „rezitiert“ oder „gezeigt“ werden. Lediglich der Titel „Schmähkritik“ durfte genannt werden. Bei einer Vorläufer-Demo hatte die Polizei zunächst das paraphrasierende Zitat „Kurden treten“ beanstandet und die Versammlung dann nach einem weiteren paraphrasierenden Zitat aufgelöst.

Zwar mag es auch in Österreich gerade Probleme geben, doch die Piraten wollten nicht gegen den „Wiener Schmäh“ demonstrieren, sondern gegen den Umgang mit dem „Schmähgedicht“. Meine Ausführungen zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Brokdorf und Heiligendamm haben sowohl das Verwaltungsgericht Berlin als auch den Polizeipräsident davonüberzeugt, dass auch die Wahl des Orts der Versammlung von Art. 8 GG geschützt ist.

Doch einer Kritik von „Schmähkritik“ stand das Gericht kritisch gegenüber. In meinem Schriftsatz hatte ich geschrieben:

1.

Die Auflage zu 1) ist schon zu unbestimmt.

Wie jeder andere Verwaltungsakt muss sich auch die versammlungsrechtliche Verfügung zunächst an formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen messen lassen. Hierzu zählt insbesondere das Bestimmtheitsgebot (§ 37 Abs. 1 VwVfG). Danach muss die Verfügung so vollständig, klar und unzweideutig erfolgen, dass der Adressat sein Verhalten danach richten kann, Peters/Janz-Groscurth, „Handbuch Versammlungsrecht“, 1. Aufl. 2015, G Rn 131, 264.

a)

Der Umfang des Verbots ist unbestimmt.

Der Bescheid leidet schon daran, dass der verbotene Text nicht enthalten ist.

Dies wäre schon deshalb unumgänglich, da unklar und nur im Rahmen einer individuellen und ggf. subjektiven Wertung festzustellen ist, welche Anteile des Textes tatsächlich beleidigend sind.

Es ist auch nicht erkennbar, was der Antragsgegner unter „Textpassagen“ versteht.

Ist eine Textpassage eine Strophe? Ein Absatz? Ein Satz? Ein Halbsatz? Eine sinngemäße Kombination aus zwei Wörtern? Ein einzelnes Wort?

Ist es der Antragstellerin untersagt, den in seinem Palast residierenden, von Leibwächtern geschützten türkischen Staatspräsidenten, der seine Feinde aus der Luft bombardieren oder einsperren lässt, „feige“ zu nennen, nur weil dies Böhmermann auch tat?

Wie verhält es sich mit Schildern? Dürfen die Demonstranten einzelne Worte auf Schilder malen? Dürfen sie einzelne Buchstaben herumtragen? Sind Schilder mit Leerzeichen und Satzzeichen erlaubt?

Soweit der Antragsgegner gnädig das Zitat des Werktitels gestattet, ist dies offensichtlich zu weitgehend. So war dem Antragsgegner bei Erlass des Bescheids bekannt, dass das angerufene Gericht mit Beschluss vom 14. April 2016 – Az. 1 L 268.16 lediglich für die isolierte auszugweise Wiedergabe des Gedichts die Voraussetzungen einer Straftat als unzweifelhaft annahm und ansonsten offen ließ, ob eine Zitierung in einem etwa ironisierenden Kontext möglich ist.

b)

Völlig unklar ist, was der Antragsgegner unter den juristisch undefinierten Begriffen „Zeigen“ und „Rezitieren“ versteht.

Unter Rezitieren stellt sich die Antragstellerin eine werktreue Interpretation eines Gesamtwerks vor. Eine solche müsste notwendig auch die satirisch-ironisierende Einkleidung enthalten, da andernfalls eine Entstellung des Gesamtkunstwerks nach § 14 UrhG vorläge. Eine isolierte Rezitation ist von der Antragstellerin nicht ansatzweise beabsichtigt oder zu befürchten.

Insbesondere ist nicht geplant, werktreu wie im Böhmermannschen Original beim Gedicht selbst türkischsprachige Untertitel einzublenden und damit den Adressat seiner „Schmähkritik“ unmittelbar anzusprechen und herauszufordern.

Ist eine Rezitation erfüllt, wenn Synonyme verwendet werden? Ist es zulässig, Kurden „wegzubomben“, nicht aber zu „treten“?

Liegt eine Rezitation bereits vor, wenn Schilder mit dem Antlitz des türkischen Staatschefs und einer Ziege empor gehalten werden? Wäre es als ein Zitat zu werten, wenn diese Schilder aneinander gerieben würden?

Höchst unklar ist zudem, ob „Zeigen“ bzw. „Rezitieren“ des Gedichts auch andere Werkarten wie ein szenisches Aufführen beinhalten. Dürfen Pantomimen das Gedicht aufführen?

Bei der Demo vom 29.05.2016 wäre es aufgrund der Beteiligung von Kurden ohne weiteres möglich gewesen, die Äußerung „Kurden treten“ aufzuführen. Diesen wiederum hätte sich die Möglichkeit des „Christen Hauens“ eröffnet.

Wäre das Mitführen von Dönern oder Gummimasken als Zitat zu werten?

Und wären auch Schweinefurze untersagt, wie sie Herrn Kramm gelegentlich entfahren?

c)

Wie soll die Antragstellerin vor der Kundgebung den dort anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei einem Zitierverbot verkünden, was zu Zeigen oder zu Rezitieren verboten ist?

Umfasst die Auflage auch ein Rezitieren des Beschlusses des angerufenen Gerichts vom 14. April 2016 – Az. 1 L 268.16, welches das anonymisierte, jedoch vollständige Gedicht enthält? Oder des Beschlusses, der auf diesen Antrag ergeht?

2.

Die Auflage zu 1) ist jedenfalls gegenüber der Antragstellerin unbegründet, da das Verbot gegen § 15 VersammlungsG verstößt und keinesfalls mit Art. 5 Abs. 1, 3 GG sowie mit Art. 8 GG in Einklang zu bringen ist.

Eine Versammlung oder ein Aufzug kann nach § 15 VersammlungsG nur dann von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Nichts dergleichen war und ist der Fall. (…)

Das Gericht ließ jedoch die Befürchtung von Straftaten nach § 103 StGB ausreichen. Der Verwaltungsakt sei nicht zu unbestimmt, sondern nach „Treu und Glauben“ auszulegen. Es sei dem Gericht unmöglich, in dem Gedicht Teile zu finden, die nicht beledigend seien. Es sei auch nicht Sache des Gerichts, einen abstraktem Katalog noch zulässiger (nonverbaler) Äußerungen im Bezug auf das Gedicht zu formulieren.

Eine Entscheidung über die genannten Beispiele sei deshalb nicht erforderlich gewesen, weil die Piraten nicht vorgetragen hatten, was sie denn konkret sagen wollten, insbesondere, ob die beandstandeten Reden wiederholt werden sollten.

Daraus folgt, dass ab sofort das Grundrecht der Versammlungsfreiheit künftig in der Weise eingeschränkt ist, dass ein Versammlungsleiter sein Manuskript der Polizei oder einem Gericht vorlegen muss. Wie das mit dem Zensurverbot aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 3 GG zu vereinbaren sein soll, wird zu klären sein.

Die vorgeschobene Befürchtung einer Beleidiging als „Straftat“ im Sinne des Versammlungsgesetzes ist lächerlich, denn bei Demos werden üblicherweise ganz andere Sachen geduldet. Zur Straftat gehört auch ein erkennbarer Vorsatz, der bei einer kritischen und distanzierten Kritik von Schmähkritik nicht ernsthaft festzustellen ist.

(…) Es bedeutet eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit, wenn die Versammlung verboten wird oder infolge von versammlungsbehördlichen Verfügungen und verwaltungsgerichtlichen Beschlüssen nur in einer Weise durchgeführt werden kann, die einem Verbot nahe kommt, etwa indem sie ihren spezifischen Charakter so verändert, dass die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert wird (vgl. BVerfGE 110, 77 <89>; vgl. zu weit reichenden räumlichen Beschränkungen auch BVerfGE 69, 315 <321, 323, 364 ff.> – Brokdorf).

In der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes haben Grundrechte einen hohen Rang. Der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht bedarf der Rechtfertigung, nicht aber benötigt die Ausübung des Grundrechts eine Rechtfertigung, BVerfG NJW 2007, 2167 (G8-Gipfel in Heiligendamm).

Nachdem der Antragsteller bereits drei Versammlungen durchgeführt hatte, ist nicht bekannt, dass irgendjemand Strafanzeige deswegen erstattet hätte. Auch seine Exzellenz, der türkische Botschafter, hat sich bislang nicht gerührt. Im Gegenteil hat die Antragstellerin Grund zur Annahme, dass das Botschaftspersonal ihre Demonstration billigt und sogar begrüßt, denn den meisten hier lebenden Türken schätzen die in Deutschland gewährleisteten Grundrechte und die Sensibilität und Weitsicht der sie wahrenden Gerichte.

 

Verwaltungsgericht Berlin – Pressemitteilung

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 06.05.2016 – 1 L 291.16.

23. April 2016

Abbruch politischer Veranstaltung wegen Gedichtinterpretation

Ohne Worte.

17. April 2016

Haben die Berliner Verwaltungsrichter Herrn Erdoğan beleidigt?

Dem türkischen Staatspräsident Erdoğan bietet sich für seinen juristischen Amoklauf ein weiteres Ziel: Das Berliner Verwaltungsgericht.

Die Berliner Polente hatte befürchtet, dass auf einer Demo vor der türkischen Botschaft das Gedicht „Schmähkritik“ rezitiert würde. Dort hatte die Piratenpartei nach der Extra3-Satire eine (übrigens von mir angeregte) wöchentliche Demo etabliert. Die Polizei machte zur Auflage:

„Das öffentliche Zeigen oder Rezitieren des Gedichts ‚Schmahkritik‘ von J… B… oder einzelner Textpassagen daraus wird untersagt. Ausgenommen hiervon ist die bloße Namensnennung des Titels ‚Schmähkritik‘. Diese bleibt in Wort oder Schrift im Rahmen der Versammlung ausdrück ich erlaubt.“

Einen hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 14. April 2016, Az. 1 L 268.16 ab. Dabei kam das Gericht nicht umhin, das komplette Gedicht in seinem Beschluss zu zitieren. ;)

Dabei ließen die Berliner Verwaltungsrichter ausdrücklich offen, ob eine Aufführung des Gedichts, die in den quasi-edukatorischen Kontext eingebettet ist, zulässig wäre.

Danach stellt die vom Antragsteller beabsichtigte Zitierung des Gedichts von J… B… eine Beleidigung dar. Hierbei bleibt ausdrücklich offen, ob die von J… B… selbst getätigten Äußerungen ihrerseits einen Straftatbestand erfüllen oder wegen ihres Kontextes noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Entscheidend dürfte insoweit der Umstand sein, dass B… sein Gedicht in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext einbettet-, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen (Thiele in: http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtliche-dimension-der-causa-jan-boehmermann/).

(Ja, die Richter haben den Bloggerkollegen Thiele zitiert.)

Jedenfalls die isolierte auszugweise Wiedergabe des Gedichts erfüllt die Voraussetzungen einer beleidigenden Schmähkritik. Trotz der öffentlichen Diskussion über den Beitrag von Herrn B… wird ein unbefangener Dritter, der die mit Ziegenmasken auftretenden Versammlungsteilnehmer und die Texttafeln wahrnimmt, dies nicht als eine zulässige Form der Meinungsäußerung verstehen. Denn es fehlt die distanzierende Einbettung in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext-, wie dies bei der Satire von J… B… erfolgt ist. Deshalb stellt sich das Gedicht bzw. Auszüge daraus nur als eine Aneinanderreihung abwertender Verunglimpfungen des türkischen Staatspräsidenten dar. Dies gilt insbesondere für die vom Antragsteller aufgrund der Masken und des angemeldeten Themas der Versammlung dem Staatspräsidenten unterstellten massiven sodomitischen Handlungen.

d) Für die versammlungsrechtliche Beurteilung eines Verhaltens, das zugleich einen Straftatbestand – hier den des § 185 StGB – verwirklicht, ist unbeachtlich, ob eine beleidigte Person ein persönliches Interesse hat. den Beleidiger bestraft zu sehen und deshalb einen Strafantrag stellt (BVerfG, Beschluss vom 21. März 2007, a. a.

Es wäre für die Rechtswissenschaft von unschätzbarem Wert gewesen, wenn der Veranstalter genau das gemacht hätte … :P

Spaß beiseite: Die Richter haben natürlich nichts zu befürchten, nicht einmal urheberrechtlich.

4. April 2016

Nazi-Gebrauchtwagenhändler

Ich habe ja schon so einige seltsame Prozessgegner gehabt, die man sich eigentlich gar nicht ausdenken kann. Aber aktuell ist einer dabei, der mich doch sehr an „Schtonk!“ von Helmut Dietl erinnert. So vertickte ein ehrenwerter Oldtimer-Händler an einen bayrischen Milliardär die Karossen bekannter Nazi-Größen. Nachdem der „Gebrauchtwagenhändler“ wegen Steuerdelikten zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, will er nun wieder ins Geschäft und sorgt sich mit anwaltlicher Hilfe um seinen Ruf.

Auch sonst kann sich meine Liste an aktuellen Prozessgegnern sehen lassen: ;)

  • GEMA
  • Google Inc.
  • Bundesamt für Verfassungsschutz
  • Dirk Vorderstraße
1. April 2016

Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik

Der Kollege Jan Böhmermann, ehemals Schöffenrichter am Amtsgericht Köln, hat seit letztem Jahr mehrfach in seiner Sendung den „Scherzanwalt Christian Witz“ zu Gast. Das könnte mit dem Rechtsstreit um Lukas Tagebuch zu tun haben, das von Böhmermann stammt.

Gestern nun erklärte Medienrechtsexperte Böhmermann ab Minute 9:40 den TV-Zuschauern insbesondere in Istanbul den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik.

https://youtu.be/7Dh3do-l_oU?t=583

Ich distanziere mich von dem Inhalt dieses Videos. Nicht, dass das Landgericht Hamburg wieder auf die Idee kommt, ich würde mir durch Einbinden eines Videos da irgendwas zu eigen machen. Die geographisch geringe Distanz zu Böhmermanns Show ist schon kompromittierend genug, denn die wird nur 600 m entfernt hier in Köln-Ehrenfeld aufgezeichnet.

UPDATE: Bei YouTube ist das Video inzwischen verschwunden.

Das Köln-Foto des Thomas Wolf – negative Feststellungsklage gegen Abkassieren mit Creative Commons

Wer dieses Bild im Internet kostenlos nutzen will, soll in zuordbarer Weise die in der Wikimedia-Meta-Datei gewünschte Urheberbenennung

Thomas Wolf, www.foto-tw.de

leisten, sowie die Lizenzangabe CC BY-SA 3.0. Die wenigsten Leute verstehen, was von ihnen überhaupt verlangt wird.

Diese Lizenzbestimmungen findet man nur in der Meta-Datei, nicht aber in den Artikeln in der „freien“ Enzyklopädie selbst. Schon gar nicht findet man eine Benennung bei Google, wo das Foto wegen der Verbreitung über die Wikipedia häufig auftaucht. (Ich habe Zweifel daran, dass die Urheberbenennung in Form einer Verlinkung verlangt werden darf. Und da das wohl noch nicht genug an Verwirrung ist, bietet Wolf das Bild auf seiner Website zu einer ganz anderen Lizenz an.)

Das Foto ist absolut nichts Besonderes. Selbst in der Wikipedia gab es das gleiche Motiv bereits fünf Jahre früher:

Thomas Robbin (2004), GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, und Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“

Es handelt sich um eine Aufnahme, die zur sogenannten blauen Stunde bei entsprechenden Lichtverhältnissen gemacht wird, wie viele Gebäude-Fotos von Herrn Wolf. Nun ist der Kölner Dom nicht zum ersten Mal fotografiert worden, am Deutzer Ufer treten sich die Fotografen gegenseitig auf die Füße. Eine qualitativ bessere Leistung des gleichen Motivs als beiden Wikipedia-Fotografen gelang David Witte.

„Urheberrechtsfalle“

Wer die auf den ersten Blick kostenlosen Fotos von meist bekannten Bauwerken im Internet verwendet, bekommt von Thomas Wolf eine Mail mit einer gesalzenen Rechnung. Von einer Kölnerin, die mit dem Bild ein Zimmer zur gelegentlichen Vermietung an Messegäste bewarb, verlangte Wolf zunächst 5.310,38 €, zzgl. Zinsen. (Der mir bekannte Wolf-Rekord liegt bei über 7.000,- €.) Wie bereits deren Tochter, die arglos den Brief mit der Rechnung öffnete, fiel auch die Kölnerin aus allen Wolken, denn für wirklich arbeitende Menschen ist eine solche Forderung eine Menge Geld.

Aber Thomas Wolf ist ja kein Unmensch, sondern kam gönnerhaft der Kölnerin entgegen und verlangte großzügig nur noch die Häfte. Schnäppchen! (Unter uns: Er macht solche Angebote eigentlich immer, nachdem er die Leute eingeschüchtert hat.) Mit seiner Masche, die aufmerksame Blogleser vom geschätzten Herrn Dirk Vorderstraße kennen, hat Herr Wolf offenbar üppig verdient. Die laufende Nummer seiner Rechnungen steht derzeit bei über 700.

Abzocken mit Creative Commons läuft nicht

Das kleine Problem ist halt nur, dass die Rechtsordnung einen solchen Anspruch für kostenfrei unter Creative Commons lizenzierte Fotos so nicht vorsieht. Insbesondere kann ein Amateurfotograf nicht nach den Empfehlungen der Mittelstandsvereinigung Foto Marketing e.V. abrechnen, wenn er nicht nachweist, dass er ernsthaft in dieser Größenordnung Lichtbilder lizensiert. Der Nachweis, dass der angebliche Berufsfotograf auch nur ein einziges Bild konventionell im Absatzweg lizensiert hätte, steht noch aus.

Eigentlich hatte ich Herrn Wolf vor einem Jahr am Amtsgericht München demonstriert, dass er allenfalls einen Bruchteil der aufgerufenen Summen realisieren kann, dennoch machte er heiter weiter. Offenbar hat er keine Vorstellung davon, was seine weit überrissenen Forderungen bei Empfängern psychisch auslösen. Niemand hat solche Summen herumliegen und man hätte auch sinnvolleres zu tun. Das Berliner Kammergericht nannte das Geschäftsmodell bei Mitbewerber Herrn Vorderstraße „Urheberrechtsfalle“ und ließ die Bezeichnung „Abzocken“ zu.

Negative Feststellungsklage

Die Kölnerin hatte zwischenzeitlich sogar 500,- € geboten, um ihre Ruhe zu haben. Als Herrn Wolf auch dies nicht reichte, reichte es der Kölnerin. Wir haben Herrn Wolf auf Feststellung verklagt, dass ihm gegen die Klägerin keine über 100,- € hinausgehenden Zahlungsansprüche zustehen (Streitwert 2.555,19 €).

Als Herr Wolf gestern zum Amtsgericht Köln anreiste, traf er im Zuschauerraum auf etliche andere seiner Abmahnopfer. Der Amtsrichter sah die Sache genauso wie ein aktueller Hinweisbeschluss des Landgerichts Köln: Der CC-Fotograf kann gerade einmal 100,- € verlangen – so, wie wir es beantragt hatten. Wolf gab auf, so dass die Entscheidung nunmehr rechtskräftig ist. Als Verlierer muss er die gesamten Kosten tragen, mit Anfahrt von Würzburg insgesamt wohl knapp 2.000,- €.

Aktion Dom-Foto

Damit Herr Wolf künftig nicht mehr um sein Köln-Foto bestohlen wird, suchen wir noch einen freundlichen Fotografen, der ein entsprechendes Köln-Foto schießt und es dann unter einer umfassend freien Lizenz bei Wikimedia hochlädt und der Allgemeinheit zur Verfügung stellt! ;)

Derzeit betreue ich noch weitere Rechtsstreite gegen den umtriebigen Fotografen: Zum einen werden wir die von manchen Gerichten zugestandenen 100,- € angreifen, denn wie schon Oberlandesgericht Köln am 31.10.2014, Az. 6 U 60/14, sagte: Was nichts wert ist, ist nichts wert.

Zum andern hat mich ein Mandant, der an Herrn Wolf wegen der vermeintlich berechtigten Forderung bereits Geld überwiesen hatte, mit der gerichtlichen Rückforderung beauftragt.

UPDATE:

Ich habe einen kleinen Leitfaden veröffentlicht, wie man am besten reagiert.

28. März 2016

Erdowi, Erdowo, Erdogan – Türkischer Staatspräsident bittet Barbra Streisand zum Staatsbesuch

In der Türkei laufen einige Dinge anders. So gibt es dort zum Beispiel das Delikt „Beleidigung des Türkentums“ usw.. Bei einem solchen Verständnis von Pressefreiheit unseres geschätzten NATO-Partners wundert es nicht, dass neulich das türkische Generalkonsulat in den Düsseldorfer Karneval eingriff, was sich ein Jeck nicht ernsthaft bieten lässt.

Der für seine Eitelkeit bekannte Staatschef Erdogan war neulich davon irritiert, dass ein britischer Botschafter einen Prozess gegen einen türkischen Muckraker beobachtete. Einen SPIEGEL-Journalisten hatte er aus dem Land geworfen.

Nun aber stört sich der gute Mann offenbar an einer musikalischen Satire von extra-3, obwohl man ihm die Ehre eines prominenten deutschen Songs zudachte. Immerhin hat er den deutschen Botschafter einbestellt. Vielleicht hat ihn ja gestört, dass nicht Barbra Streisand persönlich das Lied trällerte. Kann er haben.

5. März 2016

Eigenmächtige Werbung mit Prominenten – Sixt mal wieder …

Der Auotvermieter Sixt bleibt sich treu und nutzt mal wieder (vermutlich eigenmächtig) ein Politiker-Portrait, um Aufmerksamkeit für seine Werbung zur erheischen. Oskar Lafontaine hatte einst Unterlassungs- und Schadensersatzklage eingereicht und zunächst am Landgericht Hamburg 100.000,- € erwirtschaftet. Der BGH jedoch meinte, dass sich ein prominenter Politiker jedenfalls dann eine Nutzung gefallen lassen muss, wenn sich diese satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt. Denn das fällt unter Meinung- und Pressefreiheit, und die darf auch ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen.

Dieses Urteil sowie der schließlich am EGMR in Straßbourg verhandelte Fall Prinz Ernst August ./. Lucky Strike waren richtungsweisend, weil bis dahin im Werberecht ein sehr scharfer Wind wehte. In diesem Bereich gibt es kaum Rechtsprechung, so dass bei Unternehmen bis dahin große Unsicherheit herrschte, ob etwa in Unternehmenszeitungen Prominente honorarfrei abgebildet werden dürfen. Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn ein Promi so abgebildet wird, dass der Eindruck entsteht, er würde hierfür Geld bekommen oder sich aus anderen Gründen bewusst für das Unternehmen verwenden.

Sixt fühlte sich durch die Entscheidung bestätigt und machte heiter weiter. Inzwischen gehört es für Spitzenpolitiker beinahe schon zum guten Ton, von Sixt verspottet zu werden … ;)

(Bilder: Bilder: e-Sixt GmbH & Co. KG)

 

 

 

 

6. Februar 2016

Themenabend zum Fall Uwe Barschel

Seit Jahren befasse ich mich auf TELEPOLIS mit dem Ableben des Dr. Dr. Uwe Barschel. 2012 besuchte ich hierzu den ehemaligen leitenden Oberstaatsanwalt Heinrich Wille, der vergeblich die Aufklärung in diesem Fall betrieb und damals ein Buch veröffentlichte, das man lange verhindert hatte. Damals war zum 25. Todestag ein Film geplant, der jedoch nicht realisiert wurde.

Heute nun strahlt die ARD im Rahmen eines Themenabends den Spielfilm Der Fall Barschel so wie eine neue Doku aus. Inzwischen wurde bekannt, dass der BND entgegen seinem früheren Dementi sehr wohl eine Akte zu diesem Fall hat, die er aber nicht freigeben möchte. Die Akte muss nicht notwendig etwas mit dem Mord zu tun haben, denn auch so gibt es für einen Nachrichtendienst genug Interesse an Barschel, etwa seine Verstrickung in den Waffenhandel und seine konspirativen Reisen in die DDR.

Bis heute weigert sich das BKA ohne überzeugenden Grund, das Original des angeblich gefälschten „Barschel-Briefs“ herausgegeben.  Informationen über die Korruption speziell der CDU Schleswig-Holsteins fanden tatsächlich Jahre später in die Öffentlichkeit und kosteten Barschels Amtsvorgänger das Amt des Verteidigungsministers.

Die Barschel-Affäre ist vor allem ein Lehrstück über Enthüllungsjournalismus und die angebliche Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Journalistenzunft, die zum Teil ernsthaft von einem Suzid mit Sterbebegleitung fabuliert. Während meines kurzen Ausflugs in die aktive Politik zwischen Januar 2013 bis September 2013 habe ich interessante Erfahrungen mit politischen Journalisten im Wahlkampf gesammelt. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass sich in der Branche wesentlich etwas gebessert hat.

27. Januar 2016

Lästerliches in Lüdinghausen

Gerne denke ich an meine Zeit im beschaulichen Lüdinghausen zurück, wo ich einst als Referendar meine Verwaltungsstation ableistete. In dem idyllischen Ort schien es, als sei die gute, alte Zeit stehen geblieben. Einst hatte der Fürstbischof von Lüdinghausen Münster belagert, um die Widertäufer auszurotten. Sieht man mal vom Dreißigjährigen Krieg ab, ging es in Lüdinghausen offenbar ausgesprochen katholisch zu.

Und damit das auch so bleibt, wird gerade jemand der Gotteslästerung angeklagt. Der hatte nämlich seine Heckscheibe mit einer Abwandlung eines gar erschröcklichen Zitats von Wortspielkünstler Friedrich Küppersbusch zum Kruzifix-Urteil verziert:

„Kirche sucht moderne Werbeideen. Ich helfe.
Unser Lieblingskünstler:
Jesus – 2000 Jahre rumhängen
Und noch immer kein Krampf!“

Das Amtsgericht Lüdinghausen wird am 25. Februar über den Frevler zu Gericht sitzen. Wenn ich Zeit haben sollte, werde ich mir das ansehen. Anders als zu Zeiten der Wiedertäufer gibt es nur Geld- oder Haftstrafen, der Scheiterhaufen wird daher wohl nur zum Osterfeuer gebraucht. Der bibelfeste Delinquent hat inzwischen eine Website mit Heckscheibensprüchen eingerichtet.

Ich selbst betreue derzeit am Landgericht Münster ein bizarres Verfahren gegen eine griechische Äbtissin, die einen angeblich telefonisch geäußerten Verdacht untersagen lassen möchte, sie betreibe schwarze Magie. Das Amtsgericht Münster hatte etwas fromm eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen. Ein andermal mehr dazu.