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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


11. März 2021

Keine Haftung von Vereinsvorstand für GEMA-Forderung

Die Wegelagerer der GEMA schnüffelten einen Verein im Internet hinterher, unterstellten ihm nicht angemeldete Veranstaltungen in dessen Räumlichkeiten und zerrten ihn vor Gericht. Nachdem sich der Verein gegen die Klage wehrte, hielt es die GEMA für eine gute Idee, zusätzlich auch den Vereinsvorsitzenden zu verklagen. Nach Meinung der GEMA sei er für Handlungen seines Personals in dieser Sache verantwortlich und hafte mit seinem Privatvermögen.

Das Amtsgericht Köln ließ sich von solchen Argumenten nicht beeindrucken. Die GEMA hätte schon konkret vortragen und unter Beweis stellen müssen, welche Handlungen sie dem Vorsitzenden vorwirft. Ein Vorsitzender haftet ggf. auch für Unterlassen, nicht aber auf Schadensersatz, solange man ihm kein eigenes deliktisches Handeln vorzuwerfen kann.

Amtsgericht Köln, Urteil vom 21.12.20 – 137 C125/20

15. Januar 2021

Landgericht Koblenz: Wikipedia-Rufmörder muss Schmerzengeld zahlen

Der Serien-Rufmörder „Feliks“, der eine Vielzahl an Personen durch manipulierte Wikipedia-Einträge in Misskredit brachte, muss einem Mandanten nunmehr eine Geldentschädigung iHv 8.000,- € wegen schwerwiegender Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zahlen.

Der nachhaltig als linksextremer religiöser Eiferer bekannte Wikipedianer „Feliks“ hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, etliche Personen des öffentlichen Lebens als antisemitisch erscheinen zu lassen, die Kritik an der israelischen Regierung übten, darunter auch zahlreiche eigene Parteifreunde der Linkspartei sowie sogar Jüdinnen und Juden. Der in Israel aufgewachsene Mandant wurde daraufhin sozial geächtet, da bei Google dessen Wikipedia-Eintrag ganz oben steht und sich auch die Google-Infobox aus dem unwahren Wikipedia-Eintrag speist. Nach wie vor werden dort Unwahrheiten verbreitet.

Feliks, der sich lange hinter seinem Pseudonym verbergen konnte, wurde von anderen Mandanten vor zwei Jahren enttarnt. Dagegen hatte er sich erfolglos an Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg zu wehren versucht. Das dortige Abenteuer dürfte ihn knapp 20.000,- € gekostet haben.

Das nunmehr ergangene Urteil ist meines Wissens der erste Fall, in dem einem Geschädigten wegen eines Wikipedia-Rufmords eine Geldentschädigung zugesprochen wurde.

Landgericht Koblenz, Urteil vom 14.01.2021 – 9 O 80/20 (nicht rechtskräftig).

17. Dezember 2020

Amtsgericht Hamburg: Abmahnungen von Christoph Scholz durch Rechtsanwalt Lutz Schroeder waren rechtsmissbräuchlich

Das Amtsgericht Hamburg hat vier nahezu gleichlautende Urteile gegen den bekannten Creative Commons-Foto-Abmahner Christoph Scholz erlassen. Herr Scholz ist ein durchaus talentierter CGI-Designer und macht rein persönlich einen sympathischen Eindruck. Im Kontrast hierzu hat er sich seit Jahren einen Namen als Urheberrechts-Troll gemacht, der Fotos etwa auf Flickr unter kostenlosen Creative Commons-Lizenzen streut und bei den geringsten Verstößen beinhart zur Kasse bittet, und sei es auch nur eine fehlende Verlinkung der durchaus genannten Lizenzbedingungen.

Das Amtsgericht Hamburg hat, wie schon zuvor, festgestellt, dass Herrn Scholz keine höheren Schadensersatzansprüche wegen Lizenzverletzung als 0,- € zustehen. So vermochte Herr Scholz keinen potentiellen Einnahmeverlust plausibel zu machen, da er nun einmal keine nennenswerte Umsätze als Fotograf nachweisen konnte.

Erstmals nun hat ihm das Amtsgericht Hamburg die Abmahnkosten mit dem Argument verwehrt, dass die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich seien. Anders als die meisten Mitbewerber schaltet Herr Scholz nämlich immer sofort einen Rechtsanwalt ein, dessen Abmahnung nicht nur mehr Autorität ausstrahlt, sondern auch Anwaltskosten verursacht, die der Abgemahnte ausgleichen soll.

Mit der Annahme von Rechtsmissbrauch sind Gerichte im Urheberrecht sehr zurückhaltend, da es anders als etwa bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen keine ausdrückliche Vorschrift hierfür gibt. Das Amtsgericht Hamburg folgte unserer Rechtsauffassung:

„In der hierbei erforderlichen umfassenden Gesamtabwägung ist die Rechtsmissbräuchlichkeit zu bejahen, da die Umstände des Falls klar und deutlich dafür sprechen, dass die überwiegende Motivation für die Abmahnungen nicht darin lag, weitere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern, sondern darin, Gebühreneinnahmen und unberechtigte fiktive Lizenzgebühren zu erzielen.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei, dass die Abmahntätigkeit des Beklagten in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu seiner gewerblichen Tätigkeit steht.
(…)

Der beachtlichen Behauptung der Klägerin ist der Beklagte trotz Hinweis des Gerichts nicht hinreichend entgegengetreten. Dabei kann dahinstehen, ob dem Beklagten – wie im Hinweis angenommen – eine sekundäre Darlegungslast zu seinem Abmahnverhalten oblag. Jedenfalls hätte dieser Vortrag im Rahmen seiner Substantiierungslast (allgemein dazu: Musielak/Voit/Stadler, 17. Aufl. 2020 Rn. 10, ZPO § 138 Rn. 10) erfolgen müssen.
Gleiches gilt für den Vortrag der Klägerseite zu einer unverhältnismäßig geringen gewerblichen Tätigkeit des Beklagten. (…)

Darüber hinaus hat die Art und Weise der Organisation des Abmahnwesens das Gepräge einer Einkommensgenerierung durch provozierte Rechtsverletzungen und spricht gegen eine redliche Rechtsverteidigung. Auch wenn all die folgenden Umstände jeweils für sich genommen erklärlich sein mögen, tragen sie doch in der Gesamtschau und in Verbindung mit dem unverhältnismäßigen Umfang der Abmahntätigkeit den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Der vorgerichtliche Vertreter des Beklagten versendet nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung regelhaft Gebührenrechnungen an den Gegner, obwohl eine Abrechnung im Innenverhältnis (noch) nicht erfolgt.“

Herr Scholz hat damit weder Anspruch auf Ersatz eines Lizenzschadens noch auf Ersatz von Anwaltskosten. Umgekehrt muss Herr Scholz den Abgemahnten die Kosten vorgerichtlicher Abmahnabwehr ersetzen sowie alle Prozesskosten.

Diese aktuellen Urteile sind weitere Sargnägel für das Abmahn-Business der Urheberrechtsfallensteller.

Amtsgericht Hamburg, Urteile vom 11.12.2020, Az: 9 C 509/19, 9 C 510/19, 9 C 512/19, 9 C 521/19, alle nicht rechtskräftig.

6. Dezember 2020

Urheberrechts-Troll-Anwalt Richard Liebowitz darf vorerst nicht mehr praktizieren

Dem US-amerikanischen „Kollegen“ Richard Liebowitz, der in den USA u.a. Herrn Marco Verch wegen angeblicher Lizenzforderungen anwaltlich vertrat, wurde vom Beschwerdekommitee des Southern District of New York am 30.11.2020 vorläufig die Anwaltszulassung entzogen.

Liebowitz begann 2016 eine Karriere als Abzock-Anwalt im Bereich Fotorecht, den selbst Richter als „Copyright Troll“ bezeichneten. Der Anwalt rechnete auf Erfolgsbasis ab, trat aggressiv auf und wurde mehrfach beim Lügen vor Gericht erwischt. Liebowitz überzog in Tausenden Fällen Gegner wie Yahoo.com, Verizon.com, MSN.com, MTV.com und Gawker.com mit Klagen wegen angeblicher Verstöße gegen Urheberrechte. In einem Fall musste ein Mandanten an zu Unrecht verklagte Medienhäuser 120.000 $ Schadensersatz leisten. Er selbst wurde dieses Jahr wegen wiederholten Verstößen gegen Court Orders zur Zahlung von 103.517.49 $ sowie zur Bekanntgabe seiner Verurteilung an seine Mandanten verurteilt.

Letzteres kriegte er allerdings in 113 Fällen nicht gebacken. Da nicht mit Besserung zu rechnen war, soll die Gesellschaft nunmehr vor Liebowitz Anwaltskünsten einstweilen verschont werden. 113 Fälle von Nachlässigkeiten ließen die Richter auf eine für einen Anwalt zu schwache Organisation schließen.

In den USA führte Liebowitz auch für Herrn Verch Urheberrechtsklagen mit beachtlichen Streitwerten. Wie neulich bekannt wurde, ist Herr Verch jedenfalls vom Großteil „seiner“ Fotos nicht einmal der Urheber. In von mir betreuten Prozessen war Herr Verch nicht in der Lage gewesen, Richter von einer ernsthaften Tätigkeit als Berufsfotograf zu überzeugen. Mithin fehlte es an einer Basis für seine überzogenen Lizenzforderungen.

(Die alberne Kopfbedeckung im verlinkten Video ist ein Running Gag des dortigen Anwalts, der seine Hüte in einer Serie an Videos über Liebowitz jeweils wechselt.)

Marco Verchs deutscher Urheberrechts-Anwalt arbeitet deutlich seriöser als der US-Kollege, hat allerdings auch einen dunklen Fleck im Lebenslauf. So arbeite Herr Verchs heutiger Anwalt seinerzeit in der berüchtigten Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U+C Rechtsanwälte), die 2013 durch die Affäre mit den RedTube-Abmahnungen bekannt wurde. Urmann wurde zivilrechtlich wegen sittenwidriger Schädigung durch Massenabmahnungen verurteilt. Ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Betrugs in 43.000 Fällen wurde mangels nachweisbarem Vorsatz eingestellt, allerdings wurde er wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. Der mit einer halben Million Euro verschuldete Urmann musste dementsprechend seine Anwaltszulassung zurückgeben.

25. November 2020

Die Marco Verch-Story – wie man aus 3 $ mit einer Briefmarke 750,- € macht

Seit Jahren berichte ich über die Forderungsschreiben angeblich professioneller Fotografen, die ihre Werke unter kostenlose Creative Commons-Lizenzen stellen, bei fehlerhafter Benennung jedoch üppigen Lizenzschadensersatz fordern. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Nutzung von oft unverständlichen Creative Commos-Lizenzen Fehler unterlaufen, tendiert erfahrungsgemäß gegen 1.

Bislang vermochte mir noch keiner dieser „professionellen Fotografen“ nachzuweisen, dass er oder sie tatsächlich auf konventionelle Weise mit Fotos Geld verdient. Dann aber kann es auch keinen Schaden geben. Was kostenlos ist, hat nun einmal nur einen Wert von 0,- €. Echte Profis lizenzieren nicht für lau.

Die meisten mir bekannten Forderungsschreiben verschickt seit einigen Jahren ein gewisser Herr Marco Verch aus Köln. Seine laufende Rechnungsnummer lässt alleine für dieses Jahr auf über 18.000 solcher „Rechnungen“ schließen. Bei 267.000 „Kundennummern“ ist insgesamt von einer beeindruckenden Anzahl von Fällen auszugehen.

Herr Verch bot vor einem Jahrzehnt eine Softwaresuche an, mit der lizenzwidrig genutzte Fotos aufgespürt werden können. Dann aber mutierte er plötzlich über Nacht selbst zum Fotografen und flutete Plattformen wie Flickr und Wikipedia mit Tausenden Lichtbildern, jeweils zu gefälligen Themen, die bei Google und in Social Media oft gesucht werden. Marions Kochbuch lässt grüßen. Der von Herrn Verch in Anspruch genommene britische Journalist Chad O’Carroll startete letztes Jahr eine beeindruckende Recherche, bei der ich im Hintergrund mitwirkte.

O’Carroll fand anhand der Metadaten einiger Bilddateien heraus, dass diese gar nicht von Herrn Verch, sondern von anderen Fotografen stammten. Er kontaktierte diese und fand heraus, dass Herr Verch bei Fotgrafen etwa in Osteuropa und Lateinamerika Aufträge für massenhaft Fotos erteilt hatte, die als Köder für seine Urheberrechtsfalle dienen sollten. Dies ist deshalb dreist, weil Herr Verch ja viele Forderungen mit einem Verstoß gegen die Nennung des Urhebers begründet, der er selbst nun einmal nicht ist. Herr Verch zahlt pro Foto ca. 3 $, verlangt aber als angeblichen Schadensersatz manchmal 750,- €. Noch krasser ist sein Schnitt wohl bei seiner Schreibmaschine.

Herr Verch verschickte seine Geld-Forderungen an jeden, der seine Fotos irgendwie lizenzwidrig nutzte, darunter etwa eine Selbsthilfe-Krabbelgruppe für Kinder mit Down-Syndrom. Etliche ehrenamtliche Projekte wurden eingestellt, weil man Angst vor weiteren Forderungen und der Rechtsunsicherheit hatte. Sonnyboy Verch hingegen prahlt damit, dass er nur vier Stunden die Woche „arbeiten“ müsse. Während er sich hierzulande zumeist auf seine Forderungsschreiben beschränkt, hat er in den USA einen aggressiven Anwalt gefunden, der von der Columbia University 150.000 $ kassieren will. Sein deutscher Anwalt arbeitete zuvor für U+C Rechtsanwälte, bekannt für die Red Tube-Abmahnungen.

Zwischenzeitlich versuchte Herr Verch, die Drecksarbeit an ein Inkassobüro outzusourcen, aber das habe ich ganz schnell abgestellt. Hier in Deutschland konnte ich Mandanten zu negativen Feststellungsklagen überzeugen. Gerichte billigen Verch meistens 0,- € zu, manchmal werden ihm sogar 100,- € zugestanden. Auch in der Schweiz folgte neulich das dortige Gericht meiner Rechtsauffassung. Wenn wir allerdings künftig nachweisen, dass er gar nicht der Fotograf ist, dürften es hier auch endlich bundesweit 0,- € werden.

Herrn Verch scheint klar zu sein, dass seine Masche nicht ewig währen wird, denn er diversifiziert sein Angebot und tritt nunmehr auch als Influencer für productsnobodyneeds auf:

https://www.youtube.com/watch?v=iIWS4CgTEIU

Herr Verch klagt in Deutschland seine vermeintlichen Forderungen nur im Ausnahmefall ein, allerdings kann er durch den ihm als Rechteinhaber zustehenden Unterlassungsanspruch Anwalts- und Gerichtskosten produzieren. Daher sollte sicherheitshalber eine brauchbare Unterlassungsverpflichtung erklärt werden, um irgendwelche Kosten zu vermeiden.

Gerne vertrete ich Sie gegen Herrn Verch zu fairen Konditionen, Anfragen bitte vorzugsweise per E-Mail. Anfragen für kostenlose Rechtsberatung bitte direkt an meine Mitbewerber.

21. November 2020

Gesucht: Cem Özdemir

Kann jemand sachdienliche Angaben zur Anschrift von Herrn Cem Özdemir machen? Der Diplom-Sozialpädagoge, der sich gerade als künftiger Innenminister empfiehlt, ist nämlich derzeit juristisch sozusagen untergetaucht.

Dreimal versuchte das Landgericht Hamburg vergeblich, Herrn Özdemir eine Klageschrift an sein Büro im Bundestag zuzustellen. Das ist nämlich die (einzige) Anschrift, die Herr Özdemir in seinem Impressum angibt. Sein vorprozessual bestellter Anwalt streitet eine Zustellungsbevollmächtigung ab.

So professionell derartiges Taktieren auch sein mag, so steht die Angabe einer nicht zustellungsfähigen Anschrift in fundamentalem Widerspruch zum politischen Programm der Grünen, Hass usw. im Internet effektiv zu bekämpfen. Ein grüner Landesjustizminister hatte sogar vorgeschlagen, Shitstorms künftig als „bandenmäßige Straftaten“ zu bestrafen. Müsste da nicht ein Bundesinnenminister in spe mit gutem Vorbild vorangehen?

Gerne können wir den Prozess ins kommende Wahljahr tragen, wenn es der skandalerprobte Berufspolitiker so haben möchte.

13. November 2020

Abmahnfotograf, vertreten von Weidner & Rößler Rechtsanwälte GbR, wollte von Verein 25.515,51 € für kostenfrei lizenziertes Foto

Einen neuen Rekord für Abmahnungen wegen Verstoß gegen kostenlose Lizenzen setzte wohl ein freundlicher Fotograf aus Franken. Vor einem Jahrzehnt hatte der damalige Teenager ein Wald-Motiv u.a. auf der Plattform deviantart.com eingestellt und erlaubt: „You are free to use/share the wallpapers but you are not allowed to edit them or to use them for commercial purposes. Don’t forget to mention my copyright, too.“

Ein kleiner Sportverein hatte damals eine Nutzung begonnen, jedoch die Namensnennung vergessen. Der Fotograf verlangte nun für die zehnjährige Nutzung sagenhafte 23.951,25 € Schadensersatz. Für seine Anwaltskünste wollte der Kollege von Weidner & Rößler Rechtsanwälte GbR, Regensburg, außerdem Abmahnhonorar iHv 1.564,26 € sehen.

Wir drehten den Spieß herum, erhoben eine negative Feststellungsklage und forderten wegen unberechtigter Abmahnung Ersatz der eigenen Aufwendungen für die Abmahnabwehr nach § 97a Abs. 4 UrhG.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach dem forschen Abmahner einen Lizenzschaden iHv 0,- € zu. Hierzu schreibt das Gericht:

„Bei Berechnung der Lizenzgebühr im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 23 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 – Einzelbild). Im Rahmen der Ermittlung des objektiven Werts der Benutzungsberechtigung, der für die Bemessung der Lizenzgebühr maßgebend ist, müssen die gesamten relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 407 Rn. 25 – Whistling for a train; BGH, GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild und jüngst BGH GRUR 2019, 292, Rn. 18 – Foto eines Sportwagens).

Maßgebliche Bedeutung kommt hierbei zunächst einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu (BGH GRUR 2019, 292, Rn. 19 – Foto eines Sportwagens; Forch, GRUR-Prax 2016, 142, 143). Fehlt es daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat (vgl. BGH GRUR 2019, 292, Rn. 19 – Foto eines Sportwagens; BGH, GRUR 2006, 136 Rn. 27 – Pressefotos; GRUR-RS 2013, 03085 Rn. 30 = ZUM 2013, 406 = GRUR-RR 2013, 312 Ls. – Einzelbild, stRspr). Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH GRUR 2019, 292, Rn. 24 – Foto eines Sportwagens).“

Da der Abmahner keine berufliche Tätigkeit als Fotograf nachweisen konnte, das Bild grundsätzlich kostenfrei lizenzierbar war und es auch der Verein nicht kommerziell genutzt hatte, kam das Landgericht zu dem Schluss, „dass der objektive Wert der nicht-kommerziellen Nutzung des Bildes mit Null anzusetzen ist“.

Die Abmahnung sah das Gericht nur wegen der Unterlassung berechtigt, allerdings nur zum halben Gegenstandswert. Mithin war die Abmahnung zu 90% unberechtigt und musste daher nur zu 10 % vergütet werden (156,51 €). Der Abmahner muss die gesamten Prozesskosten iHv rund 6.000,- € tragen und dem Abgemahnten Aufwendungsersatz für die vorgerichtliche Abmahnabwehr iHv 1.564,26 € zzgl. Zinsen leisten.

In einem Schriftsatz hatte der gegnerische Kollege (er nannte sich in indianischer Tradition „der Unterfertigte“) geschrieben:

„Mit einiger Belustigung nehmen wir zur Kenntnis, dass der Klägervertreter eine derart hohe Meinung von sich zu haben scheint, dass seiner Auffassung nach die Äußerung seiner höchst fragwürdigen Rechtsauffassung geeignet sein soll, das außergerichtliche Verfahren für den Gegenanwalt zu beenden. (…) Die Klägerin wird sich aber sicher ausführlich Gedanken darüber gemacht haben, ob sie dort gut und zutreffend beraten wurde (…).“

Angesichts der Differenz zwischen dem von seiner Partei erhofften Betrag iHv 25.515,50 € und den nun von ihr aufzubringenden Kosten von iHv ca. 7.600,- € dürfte sich die Belustigung der Gegenseite gelegt haben.

Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.10.2020, Az.: 19 O 73/20.

30. Oktober 2020

Creative Commons-Foto-Abmahner Ralf Roletschek, vertreten durch den Österreicher Rechtsanwalt Magister Kurt Kulac (HGU-Rechtsanwälte) kann nur 0,- € Lizenzschaden verlangen (Torpedo-Klage am Amtsgericht Koblenz).

Das wohl dreisteste Abmahngespann im Bereich Creative Commons-Abzocke bilden derzeit der Wikipedia-Fotograf Herr Ralf Roletschek und sein Anwalt, der langjährige Österreicher Wikimedia-Vorsitzende Herr Magister Kurt Kulac. Deutsche Fotonutzer erhalten wirre Abmahnungen nach vorgeblich verletztem Österreicher Recht wegen unterlassener Namensangabe. Für die fehlerhafte Nutzung fordern Roletschek/Kulac ein Honorar, obwohl die Bilder unter einer kostenlosen Lizenz stehen, also kein wirtschaftlicher Schaden plausibel ist.

Herr Kulac hatte sich einen fragwürdigen Namen mit entsprechenden Abmahnungen gemacht, in denen er für diverse Mandanten vorgab, es sei Österreicher Recht verletzt worden. Dabei fühlte er sich an das deutsche Gesetz, mit dem Missbrauch im Abmahnunwesen eingedämmt werden sollte, nicht gebunden. In den meisten hier bekannten Fällen waren die Abmahner, deren Anschriften Kulac grundsätzlich verschweigt, stets Deutsche, so dass gar kein Bezug zu Österreich vorlag.

Das Ganze grenzte an einen Nigerian Scam, zumal wir in einem Fall nachweisen können, dass sich Herr Magister Kulac eine Art Kaperbrief ausstellen ließ und auf eigene Rechnung abmahnte. Nach deutschem Recht wäre dies standeswidrig und vielleicht sogar auch strafrechtlich relevant, denn wenn Honoraransprüche eingeklagt werden, obwohl in Wirklicheit keine Honorare berechnet werden sollten, ist das mindestens anrüchig.

Herr Roletschek allerdings ist tatsächlich wohl in Wien ansässig. Dies ermöglichte es, weitere Rechtsunsicherheit zu produzieren. Durch den grenzüberschreitenden Sachverhalt sind Roletschek und Kulac in der Lage, in Österreich zu klagen, wo ein gänzlich anderes Prozessrecht praktiziert wird. Insbesondere bei geringen Streitwerten werden Rechtstreite durch hohe Prozesskosten schnell unwirtschaftlich, so dass sich die Parteien leicht zu Vergleichen drängen lassen.

Doch Klagen in Österreich lassen sich in Abmahn-Fällen durch eine Torpedo-Klage in Deutschland vermeiden. Wenn der Abgemahnte nämlich zuerst in Deutschland eine sogenannte negative Feststellungsklage erhebt, wird hierdurch der Gerichtsort gebunden, sodass eine künftige Klage des Abmahners in dieser Sache in Österreich dann automatisch unzulässig würde. Die deutschen Gericht müssen dann auch ggf. Österreicher Recht anwenden, was man nach deutschem Prozessrecht aber sehr viel kostengünstiger bekommt. Das Manöver ist also in jeder Hinsicht elegant.

Auch am Amtsgericht Koblenz kaufte man Roletschek die Behauptung, er sei ein professioneller Fotograf, dem durch fehlerhafte Nutzung der sonst kostenlosen Lichtbilder finanzieller Schaden entstehe, nicht ab. Die Beweisangebote für eine vorgebliche Berufstätigkeit als Fotograf waren unfreiwillig komisch. Daher gab es mal wieder nur 0,- €. Die Frage, wer für eine derart miserabele Leistung überhaupt Geld bezahlen würde, stellte sich daher gar nicht erst.

Amtsgericht Koblenz, Urteil vom 29.10.2020 – 152 C 2020/19 (nicht rechtskräftig)

12. Oktober 2020

Amtsgericht Hamburg: Foto-Abmahnung des Creative Commons-Lizenzforderers Christoph Scholz, vertreten durch Rechtsanwalt Lutz Schroeder, ist unwirksam

Unter den Lizenzforderern für kostenlose Creative Commons-Lizenzen, bei denen die Namensnennung nicht geleistet wurde, hebt sich der vorgeblich professionelle Fotograf Christoph Scholz in zweifelhafter Weise von seinen Kollegen Verch, Vorderstraße und Wolf ab: Während diese Herren ihre Forderungsschreiben normalerweise selber verschicken, lässt Herr Christoph Scholz seine Forderungen immer sofort per Anwalt versenden – meistens durch Rechtsanwalt Lutz Schroeder aus Kiel, manchmal auch durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Schaefer aus München. Für die anwaltlichen Abmahnungen entstehen zusätzlich Anwaltskosten, für die er Aufwandsentschädigung verlangt.

In den stets gleichlautenden Abmahnungen des Kollegen Herrn Schroeder fordert das Gespann unter Berufung auf uralte Urteile Zahlung angeblichen Lizenzschadens (vorliegend 775,- €). Dabei beruft er sich auf die für professionelle Fotografen erstellte (und umstrittene) MFM-Tabelle. Außerdem sollen die Abgemahnten die angeblichen Anwaltskosten (vorliegend 413,64 €) tragen. Ich habe knapp 20 negative Feststellungsklagen erhoben, die inzwischen Früchte tragen.

Scholz hat definitiv keinen Anspruch auf Ersatz von Lizenzschäden, denn er vermochte das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass er mit Fotografien jemals Geld verdient hätte. Dies wäre bei Werken, die bei korrekter Angabe von Namen usw. ohnehin kostenlos genutzt werden dürfen, auch eher theoretisch vorstellbar. Dann aber kann ihm kein Gewinn entgangen sein, zumal Das Gericht diskutierte im Urteil sogar, ob es sich um eine „Abmahnfalle“ handele.

In einem früheren Urteil hatte das Amtsgericht Hamburg die Abmahnkosten noch für berechtigt erachtet (allerdings in weitaus geringerer Höhe). Es dürfte jedoch insoweit ebenfalls an einem ersatzfähigen Schaden fehlen, denn Scholz vermochte nicht zu belegen, dass er seinen Anwälten jemals etwas bezahlen musste. Vorliegend allerdings war die Abmahnung schon deshalb unwirksam, weil der Anwalt die Rechtsverletzung nicht im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG genau genug bezeichnet hatte. So war in allen Abmahnungen stets von „Fotografie“ zu lesen, tatsächlich aber handelte es sich im vorliegenden Fall um eine Computer-Animation, für die nun einmal andere Regeln gelten als für Lichtbilder. Dies trifft auf den Großteil seiner abgemahnten Werke zu, Herr Scholz ist nämlich ein (durchaus begabter) CGI-Designer.

Weil die Abmahnung unwirksam war, wurde Herr Scholz auch dazu verurteilt, die Aufwendungen für das Abwehrschreiben nach § 97a Abs. 4 UrhG zu zahlen, vorliegend 413,64 €. Dazu kommen dann noch die Prozesskosten von rund 800,- €.

Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 06.10.20 – 18b C 500/19 (nicht rechtskräftig).

Demnächst wird Herr Scholz mit weiteren Urteilen konfrontiert werden. U.a. hatte er von einer abgemahnten Mandantin nicht nur Lizenzschaden und Abmahnkosten kassiert, sondern auch eine Vertragsstrafe iHv 2.500,- €, weil sie nach Entfernen des Bildes von der Website übesehen hatte, auch die Bilddatei auf dem Server zu löschen. Das Geld verlangen wir nun zurück.

25. September 2020

Rezension zu Paschke/Berlit/Meyer/Kröner: Hamburger Kommentar für das gesamte Medienrecht, 4. Auflage 2020

Mitte September erschien die 4. Auflage des „Hamburger Kommentars“ für das „gesamte Medienrecht“. Redaktionsschluss für die berücksichtigte Rechtsprechung war November 2019. Das Werk hat also eine Latenz von gut einem Jahr.

Der „Hamburger Kommentar“ spielt in der Praxis keine nennenswerte Rolle, und im Urheberrecht wird das auch so bleiben. Denn dem Urheberrecht widmen die Hanseaten gerade einmal 57 (in Worten: siebenundfünzig) Seiten (zum Vergleich: Schricker/Loewenheim (2020) kommt auf 3.343 Seiten). Beim praxisreleveanten Abmahnparagraph 97a UrhG paraphrasieren die Hamburger gerade einmal den Gesetzestext. Die Fußnoten verweisen zur Hälfte auf Kommentare der Mitbewerber. Pro-Tipp: Lieber gleich einen richtigen UrhG-Kommentar kaufen!

Deutlich brauchbarer liefern die Hanseaten bei der anderen praxisrelevanten Materie des Medienrechts ab, nämlich beim Persönlichkeitsrecht. Mich hat das Buch vor allem deshalb interssiert, weil dort ein OLG-Richter des Hamburger Pressesenats ein Kapitel beisteuerte. Doch exklusive Hamburger Betriebsgeheimnisse erfährt man leider doch nicht; wenn es schon ein Buch von einem Hamburger Presserichter sein muss, würde ich „Praxis des Presserechts“ von Korte (2. Aufl. 2019, 59,- €) definitiv vorziehen.

Beim Lektorat der Neuauflage waren die Hamburger wohl etwas lieblos. So berichtet ein Autor, dass der BGH bei unwahren Äußerungen in Interviews „bislang“ von einer Haftung des Verlags ausgegangen sei und dies nun anders sehe – und verweist auf das bekannte BGH-Urteil von 2009. Hier haben wir also einen Fachkommentar mit einer Latenz von über einem Jahrzehnt …

Für 198,- € wird man eigentlich überall woanders besser bedient. Neben Wenzel, Soehring/Hoehne und Korte nunmehr auch zu empfehlen:

Götting/Schertz/Seitz: Handbuch Persönlichkeitsrecht, 2. Auflage 2019

Während die Erstauflage von 2008 wohl eher akademisch geraten war, wird die Neuauflage dem Titel „Handbuch“ nunmehr gerecht und bietet auch für Praktiker einen handfesten Nutzen. Für 189,- € bekommt man hier 1.468 Seiten zum Thema, während dem Medienzivilrecht (Persönlichkeitsrecht) im Hamburger Kommentar nur 183 gewidmet werden.

Fazit: Das Hamburger Konzept, das gesamte Medienrecht mit etlichen Randgebieten in einem Buch unterzubringen, scheitert am unsinnigen Selbstanspruch. Ein Gemischtwarenladen auf dünnem Telefonbuchpapier, der an der Oberfläche bleibt, bietet dem Praktiker keinen Mehrwert.