In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Online-Enzyklopädie Wikipedia eine besondere Glaubwürdigkeit genießt, obgleich bekannt ist, dass Änderungen theoretisch für jedermann möglich sind. Der Durchschnittsleser geht durch den Selbstkontrollmechanismus von einer gewissen Objektivität aus (OLG München, WRP 2012, 1145; Spindler/Schuster/Micklitz/Namysłowska, 4. Aufl. 2019, UWG § 5a) Rn 76.) Der Leser einer Enzyklopädie Wikipedia erwartet üblicherweise Fakten und keine Verdächtigungen (LG Berlin, Urteil vom 28.8.2018 – 27 O 12/17, ZUM 2019, 65). Der Inhalt eines manipulierten Artikels suggeriert eine Scheinobjektivität, wenn die für Wikipedia typische Darstellung von Streitständen unterbleibt. Der verschleiernde Charakter wird dabei nicht durch relativierende Diskussionsbeiträge beseitigt, weil diese vom durchschnittlichen Wikipedia-Nutzer nicht zur Kenntnis genommen werden (OLG München, WRP 2012, 1145; Spindler/Schuster/Micklitz/Namysłowska, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, UWG § 5a Rn. 77).
Die Wikipedia ist insbesondere kein Meinungsforum. Da die Wikimedia-Stiftung als Betreiberin der Wikipedia-Domain ihren Sitz in Kalifornien hat, ist sie als ausländische juristische Person keine Grundrechtsträgerin der Presse- oder Rundfunkfreiheit (Dilling, Olaf: Persönlichkeitsschutz durch Selbstregulierung in der Wikipedia, ZUM 2013, 380). Für die Wikipedia-Autoren gelten die Sorgfaltsmaßstäbe nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend hat der Erklärende die Voraussetzungen des § 193 StGB darzutun und im Bestreitensfall zu beweisen (Gomille, Christian: Negatorische Haftung der Wikipedia-Betreiberin, ZUM 2019, 69). Auch der BGH unterscheidet Internetangebote mit nutzerbasierten Beiträgen dahingehend, ob der Betreiber Neutralität, objektiv nachvollziehbare Sachkunde und Repräsentativität hinsichtlich der Beurteilungen der Nutzerbeiträge für sich in Anspruch genommen hätte, oder ob er sich als ein Meinungsformum versteht und darstellt (BGH, Urteil vom 14.1.2020 – VI ZR 496/18, NJW 2020, 1587). Die Wikipedia beansprucht unstreitig einen neutralen Standpunkt und untersagt den Nutzern in den Artikeln eigene Meinungsbeiträge (Wikipedieregel: Keine Theoriefindung, Wikipediaregel: Neutraler Standpunkt).
Diese Auffassung hatte das OLG München letzte Woche sogar in einem Hinweisbschluss, der gegen denselben Beklagten ergangen war, bekräftigt:
„Von einem biographischen „Wikipedia“-Beitrag erwartet der maßgebliche Leser aber, dass er über Werdegang und Persönlichkeit der beschriebenen Person im Wesentlichen vollständig und objektiv informiert wird. Diese Erwartung schließt eine kritische Auseinandersetzung des Verfassers mit dem Denken und Handeln der beschriebenen Person keineswegs aus. Mit seiner Bearbeitung hat der Beklagte aber die Grenzen objektiver Darstellung überschritten, weil er dem Leser die gewünschte Bewertung der Person von Prof. Dr. Verleger geradezu aufdrängt und es ihm durch Verschweigen wesentlicher Aspekte von dessen Biographie erschwert, sich eine eigene Meinung zu bilden.„
Insbesondere ist eine Enzyklopädie mit neutralem Geltungsanspruch kein Ort für eigene subjektive Auffassung der Bearbeiter. Die Einträge des Beklagten standen im Widerspruch zum Willen der Geschäftsherrin Wikimedia, § 678 BGB. Auch die durchaus haftende Plattformbetreiberin hat am gezielten Verstoß gegen den in den Wikipedia-Regeln geforderten neutralen Standpunkt kein Interesse, schon weil sie selbst nicht die europäischen Medienfreiheiten beanspruchen kann, sondern grenzt sich sogar ausdrücklich von einem Meinungsforum ab.
Zur Ausübung von Meinungsfreiheit stellt die Wikipedia den Nutzern zu jedem Artikel ein Diskussionsforum zur Verfügung, wo streitige Änderungen diskutiert werden sollen. Im Artikel jedoch sind subjektive Ansichten von Nutzern ausdrücklich unerwünscht. Mutwillige Regelverstöße bezeichnet man im Wikipedia-Jargon zutreffend als „Vandalismus“. Ebenso wenig, wie Sachbeschädigung oder verbotene Eigenmacht mit Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden kann, muss sich die Wikipedia eine Meinung des Beklagten als vermeintlich eigene aufdrängen und unterschieben lassen. Auch der Kläger muss den aufgedrängten Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte durch vorgetäuschte Objektivität nicht hinnehmen.
Es ist bereits verfehlt, anonymes Eintragen unwahrer oder irreführender Informationen in fremde Texte überhaupt unter Äußern von Meinung zu subsumieren, da der subjektive Charakter der Einträge verschleiert bzw. aufgegeben wird. Eine persönliche Zuordnung eines Eintrags zu einem bestimmten Nutzer ist nur unter erheblichem Aufwand recherchierbar, nämlich durch Abgleich mit der gesamten Versionsgeschichte.
Behaupten einer Tatsache setzt streng genommen eigentlich vorraus, dass man sein Haupt auch zeigt. Im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung misst eine Meinungsäußerung einen Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab. Davon geht die h.M. aus, wenn die Äußerung den Empfänger als subjektive Meinung anspricht und ihm als solche erkennbar ist. Es kommt darauf an, ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, Burkhardt (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap, Rn. 48, mwN.). Eine solche Prägung oder Erkennbarkeit ist bei subversiv in einem fremden Text platzierten Informationen, von denen Leser zumindest das Bemühen um Neutralität sowie eine kollektive Äußerung erwarten, denknotwendig ausgeschlossen. Insbesondere wäre die Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB in einer Enzyklopädie ausgeschlossen, da diese gerade keine eigenen Bewertungen anstellen, sondern tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen von Dritten abbilden soll, nicht aber solche der Nutzer. Auch die Rechtsprechung differenziert zwischen Websites mit neutralem Geltungsanspruch und Meinungsportalen, BGH, Urteil vom 14.1.2020 – VI ZR 496/18.
Laut einem am 31.01.2022 verkündeten Urteil des OLG Koblenz hingegen scheinen dort andere Maßstäbe zu gelten. Das OLG Koblenz hält Wikipedia-Artikel offenbar sogar für ein Meinungsforum. Dort werden sachlich unstreitig falsche Äußerungen als „wahr“ bezeichnet, wenn man sie mit einer Quelle referenziert (und nicht etwa als subjektive Meinung darstellt). Am OLG Koblenz darf man Autoren, die man fertig machen möchte, eine aus abenteuerlichen Umkehrschlüssen konstruierte „Zusammenfassung“ in den Mund legen und sie damit als scheinbar verrückt erscheinen lassen. Man darf sich aus einem Leben anderer Leute selektiv bedienen und Autoren und sie in Verbindung mit politischen Ansichten von andere Personen bringen, die sie irgendwann einmal unerwartet getroffen haben. Man darf den Eindruck eines gescheiterten Künstlers erwecken, dessen Werke scheinbar nie aufgeführt worden seien und der konzertantes Komponieren aufgegeben habe.
Tatsächlich ist der Kläger ein hochintelligenter, gebildeter und wissenschaftlich sorgfältig arbeitender Mann. Er spricht fünf Sprachen fließend, lebte in verschiedenen Ländern (Israel, Island, Deutschland), war Informatiker schon zu Zeiten von Lochkarten, studierte dann Musik, gehörte in den 70er Jahren zu den Pionieren von Computermusik, bereiste die Welt und publizierte in juristischen Fachzeitschriften zu Menschenrechten. Wegen seiner Kompetenz zum Thema Wirtschaftssanktionen hatte ihn eine kalifornische NGO ihn ca. 1999 und 2000 zweimal als Vertreter zur jährlichen Sitzung der Menschenrechtskommission der UNO in Genf gesandt. Das ermöglichte dem Kläger, als Beobachter an verschiedenen Ausschüssen teilzunehmen und mit Delegierten der verschiedenen Staaten über die Sanktionen zu sprechen. Damals traf der Kläger in dieser Angelegenheit Graf Hans-Christoph von Sponeck, Nachfolger von Denis Halliday als UN-Koordinator für humanitäre Fragen in Irak. Im Februar 2000 reichte auch von Sponeck (nach Halliday) seinen Rücktritt aus Protest gegen die Sanktionspolitik des UN-Sicherheitsrates ein, die er verantwortlich für das Sterben mehrerer hunderttausender irakischer Kinder sah. Soweit bekannt, wurden dem Kläger bislang kein Recherchefehler nachgewiesen. Seine Bücher sind in diversen Sprachen erschienen. Er erhielt internationale Einladungen bis hin nach Pakistan, unter anderem wurde ihm ein Preis im House of Lords verliehen.
Der Beklagte hingegen, dessen Lebensleistung sich dagegen eher bescheiden ausnimmt, räumte in seiner Berufungsschrift sogar ein, dass er mit seiner Bearbeitung Dritte vom Lesen der Bücher des Klägers (die er selbst offenbar nicht kennt) abhalten wollte, da dem Kläger nur ein schlechter Ruf zustehe. Für mich klingt das nach Kreditgefährdung iSd § 824 BGB und vorsätzlich sittenwidriger Schädigung iSd § 826 BGB.
Kontrolle und Abschirmen eines komplett einseitigen und verzerrenden Artikels gegen sachliche Korrekturen scheint für das OLG Koblenz jedoch völlig in Ordnung zu sein. Die Tatsache, dass der Kläger wegen der völlig verzerrten Darstellung über Jahre hinweg im Internet und damit automatisch auch im richtigen Leben wegen ihm untergeschobenen politischen Thesen und Auffassungen geächtet und sozial isoliert wurde, soll nach Meinung des OLG Koblenz nicht so schlimm gewesen sein. Außerden hätte der Kläger, der jahrelang beim Bemühen um Korrekturen in seinen Beitrag gescheitert war, nach Enttarnung von Feliks keinen Anwalt bemühen müssen, man hätte ihn ja auch privat anschreiben und nett fragen können.
Dementsprechend wird das OLG Koblenz sicherlich nichts dagegen haben, dass ich dessen Urteil wie in der Überschrift zusammengefasst habe.
OLG Koblenz, Urteil vom 31.01.2022 – 9 U 195/21 (nicht rechtskräftig).
Unter seinem Pseudonym „Feliks“ missbrauchte ein in der Linkspartei vor einem Jahrzehnt gescheiterter Politiker die Wikipedia, um dort die Biographien von über 200 Personen seinem extremen Narrativ entsprechend zu manipulieren.
Hierzu legte er seinen Medienopfern u.a. erfundene Äußerungen in den Mund und erweckte den Eindruck politisch fragwürdiger Positionen, die notwendig zu politischer Ächtung und sozialer Ausgrenzung führten. Bücher der von ihm diskreditierten Autoren hatte Feliks nicht einmal gelesen. In einem anderen Rechtsstreit räumte er sogar seinen Vorsatz sein, Leser von der Beschäftigung mit der von ihm geächteten Person abzuhalten, da dieser kein anderer als ein schlechter Ruf zustehe.
Etliche Journalisten und Politiker gingen Feliks auf den Leim und beteiligten sich an Hexenjagden. Selbst Rechtsanwälte verweigerten einem von Feliks‘ Medienopfern ihr Ohr, obwohl unvoreingenommener Kontakt gerade mit schwierigen und gestrauchelten Menschen deren professionelle Aufgabe gewesen wäre.
Die eigene Medizin, nämlich das Licht der Öffentlichkeit, schmeckte Felix offenbar nicht, und er entdeckte vor dreieinhalb Jahren plötzlich das allgemeine Persönlicheitsrecht.
Bereits das Landgericht München, das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg hatten entschieden, dass man den politisch extrem einseitigen, selektiven und fälschenden Wikipedia-Autor Feliks beim Klarnamen nennen darf. Dem hat sich jetzt auch das Oberlandesgericht München in einem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss angeschlossen:
„Ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an derjenigen Person, die sich hinter dem Pseudonym „Feliks“ verbirgt, ist jedenfalls deshalb anzuerkennen, weil der Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts bei der von ihm vorgenommenen Bearbeitung der vier Beiträge diejenige Objektivität der Darstellung hat vermissen lassen, die der verständige und unvoreingenommene Leser von einer Kurzbiographie auf „Wikipedia“ erwartet und auch erwarten darf. In allen vier Fällen hat sich der Beklagte dabei ersichtlich davon leiten lassen, dass er die von den Betroffenen vertretenen Positionen zum Nahostkonflikt ablehnt. Er hat sich mit diesen Positionen aber nicht in der Sache kritisch auseinandergesetzt, sondern den Betroffenen pauschal – und zum Teil auf recht dürftiger Tatsachengrundlage – den Stempel des „Antizionismus“ aufgedrückt.“
Die Strafverfolgungsbehörden sahen übrigens keinen Anlass, um gegen die üble Nachrede und Verleumdung einzuschreiten. Damit bleibt Medienopfern nur der Zivilrechtsweg.
Zu den eifrigsten Lizenzforderern und Abmahnern wegen unterlassener Namensnennung bei kostenlosen Creative Commons-Lizenzen gehört seit langem auch der Fotograf Wladyslaw Sojka. Freigiebig streut er seine Werke in der Wikipedia, wo bei Nutzung in den Artikeln keine Urheberbenennung erfolgt und viele Nutzer die Werke für „frei“ halten.
Obwohl Herr Sojka aus diversen Prozessen wissen muss, dass er keine Ansprüche für Lizenzschäden hat, kann auch er es nicht lassen. Außerdem wollte er Abmahnkosten für eine Anwältin, die er angeblich kostenpflichtig beauftragt hat. Seltsam ist, dass die Kollegin in ihren Abmahnungen seit Jahren die gleichen Fehler mit der Kostenfolge des § 97a Abs. 4 UrhG macht, in mündlichen Verhandlungen aber der Mandant sich stets selbst vertritt.
Auf die negative Feststellungsklage meiner Mandantin urteilte das Gericht:
Es wird festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Lizenzkostenersatz in Höhe von 620,00 EUR gegen die Klägerin zusteht, wie er mit Schreiben der Rechtsanwältin Katharina Salzer aus Leipzig vom 21.11.2019 unter deren Aktenzeichen 270/19 geltend gemacht wurde.
Es wird ferner festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 347,00 EUR gegen die Klägerin zusteht, wie er mit Schreiben der Rechtsanwältin Katharina Salzer aus Leipzig vom 21.11.2019 unter deren Aktenzeichen 270/19 geltend gemacht wurde.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 413,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.11.2020 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 05.01.2022, 30 C 4113/20 (47) (nicht rechtskräftig).
Weil der Kollege Schertz und dessen Mandantschaft die Serie „Legal Affairs“ durch Cameo-Auftritte aufzuwerten versuchen, habe ich der Serie eine zweite Chance gegeben und mir in der Mediathek inzwischen alle Folgen angesehen. Es wurde leider nicht besser.
Juristisch konnte sich die Serie noch einmal unterbieten: So wird dort eine offenbar strafrechtliche Verhandlung gezeigt, in welcher Gegenspielerin nicht etwa die Staatsanwaltschaft, sondern eine konkurrierende Anwältin sein soll. Eine angeblich geniale Verteidigerin lässt sich ohne Not auf standeswidrige Interessenkonflikte ein. Die Anwälte verhalten sich insgesamt nicht wie Akademiker und abgekochte Taktiker, sondern wie Vollproleten mit kurzer Zündschnur.
Was genau soll die Serie eigentlich? Unterhaltsam im Sinne von lustig ist sie nicht, denn Humor ist der Geist auf Reisen, was einen solchen voraussetzt. Obwohl es bei Gericht jede Menge Situationskomik, Kläger wie den Papst persönlich und Beklagte wie Google gibt, wurde das gesamte Potential verschenkt. Der Streit darum, was bei Verdachtsberichterstattung gesagt werden darf und was nicht, Rechtsmissbrauch und auch die Persönlichkeiten skurriler Kollegen wären spannendere Stoffe gewesen.
Stattdessen folgen die drögen Drehbuchautoren den vertrauten Krimimustern und überfrachten die Story dann noch mit einem völlig überflüssigen Handlungsstrang über eine Pistolenkugel im Kopf der Anwältin, den man bereits besser in einem James Bond-Film sah. Danke, aber dass die einen Schuss hat, konnte man auch ohne Computertomographen merken.
Gesellschaftskritik erscheint nur am Rande. Mit der Realität hat das Ganze nicht ansatzweise zu tun. Juristisch ist die Serie ein Totalausfall. Auch die Interessenkonflikte, die Anwälte bei politischer extremer Mandantschaft oder Querulanten haben, werden nur sehr oberflächlich gestreift. Stattdessen glaubt man bei der ARD, dass sich die Leute lieber zickige Anwältinnen ansehen, die sich bespucken lassen und sich gegenseitig ohrfeigen (um sich dann Sekunden später wieder in den Armen liegen)?
Nicht nur die Drehbuchautoren beherrschen nicht ihr Handwerk, auch die Kameraleute, Regisseure und karrikaturhaften Schauspieler dilletieren durch die Richterbank weg, die unterlegte Musik ist unfreiwilig komisch. Im Schnittraum hat man wohl versucht, die fehlende Dramaturgie durch Tempo zu ersetzen – dann hat man es wenigstens schneller hinter sich. Ich kann deutsche TV-Serien nicht beurteilen, da ich kaum welche sehe, aber ein so schwaches Produkt hätte ich nicht einmal bei einem Billig-Privatsender erwartet. Welches Publikum will die ARD damit eigentlich bedienen?
Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie man so einen Stoff dermaßen armselig verschenken kann. Bei aller Bescheidenheit, aber allein dieses Blog hier wäre für Storys eine Fundgrube gewesen.
Gestern lief in der ARD eine TV-Serie über eine Medienanwältin an.
Wenn ich mir die Dramen und Komödien so ansehe, die hier täglich passieren, sowie die bunte Klientel von Medienanwälten (Straftäter, Comedians, Politiker, Wissenschaftler, Industrielle, investigative Journalisten, Geheimagenten, untergetauchte Mandanten …), würden sich die Geschichten fast von selbst schreiben. „Kir Royal“ trifft „Liebling Kreuzberg“ – zwei Serien, die vor allem von brillant recherchierten Drehbüchern lebten.
Beim Vorspann der Serie hatte ich noch ein Lächeln auf den Lippen, denn die Musik erinnerte mich an einen Gangster-Rapper, den ich ständig verklage. Die Gesichtszüge entglitten mir allerdings schon beim ersten Text der schicken Anwältin. So verkündete sie, dass sie 250.000,- € „Schadensersatz haben“ wolle. Dieser Betrag steht in jedem Unterlassungstitel und bezeichnet die maximale Höhe des Ordnungsgeldes, das man bei einem Verstoß an die Staatskasse zahlen muss. Offensichtlich also hat sich das Drehbuch nicht einmal bei der Endredaktion ein Jurist angesehen. Das ist in etwa so peinlich wie eine Tatort-Kommissarin, die nach zwei Jahrzehnten Totschlag für „Mord ohne Vorsatz“ hält (wie neulich Ulrike Folkerts).
Die Drehbuchautoren verwechseln denn auch eine Anwältin mit einer Journalistin, die Redaktionskonferenzen abhält, zu den Gegnern fährt und Mandanten im Krankenhaus betreut. Arbeitsplätze von Anwälten sind jedoch Schreibtisch, Gerichtssaal und ICE. Ansprechpartner sind ab der Abmahnung auch nicht die Gegner persönlich, sondern deren Anwälte. Gerade hier hätte Potential gelegen, denn die Schlagabtausche von Anwälten in Mediensachen haben es bisweilen in sich.
Was gäbe es im Medienrecht für gute Storys! Schachspiel mit Schriftsätzen, Intrigen, Täuschung oder diverse Kollegen mit eigenwilligem Auftreten, Fristende bei nicht funktionierenden Faxgeräten, anonyme Gegner im Internet, skurrile Richter …! Die Drehbuchautoren haben mit einer Recherche nicht einmal begonnen.
Bei meinen Romanen hätte ich mir eine so banale Herangehensweise nicht ansatzweise erlaubt.
Update: Offenbar ist der Kollege Schertz „Equity Partner“ der Serie und einen Cameo-Auftritt. Dann aber bleiben die Drehbuchautoren dann aber erst recht hinter ihren Möglichkeiten, denn der Kollege hätte etliche spannende Fälle zu bieten gehabt.
Der Wikipedianer Ralf Roletschek streut seit Jahren etliche Fotos in der Wikipedia unter kostenlosen Creative Commons-Lizenzen. Wer diese komplizierten Bedingungen nicht versteht oder schlicht vergisst, den werten Namen des Herrn Ralf Roletschek usw. anzugeben, bekommt eine „rechtsfreundliche“ Abmahnung des Österreicher Rechtsanwalts Herrn Magister Kurt Kulac – zufällig voriger ehrenwerter Obmann von Wikimedia Österreich (der etlicheandere vorgeblich professionelle Wikipedia-Fotografen vertritt).
Kulac droht regelmäßig Abgemahnten mit Klagen in Österreich, die dort wegen des durchaus berechtigten Unterlassungsanspruchs und aberwitzigen Kostenrechts sehr kostspielig werden können. Aus diesem Grund sollte man eine brauchbare Unterlassungserklärung abgeben, aber jegliche Zahlung ablehnen und einer Klage in Österreich sofort durch eine negative Feststellungsklage in Deutschland zuvorkommen. Wenn man eine solche Torpedoklage fachmännisch führt, muss Roletschek nämlich sämtliche Kosten tragen.
Das Amtsgericht Frankfurt hat sich über dieses Geschäftsmodell sehr eindeutig geäußert. Wer Abmahnungen für Bilder versendet, die gar keinen wirtschaftlichen Wert haben, handelt vorsätzlich sittenwidrig. Das gleiche gilt, wenn jemand seinen Abmahnanwalt gar nicht bezahlt, sondern etwa mit einem Erfolgshonorar vergütet. Wer Aufwendungsersatz für einen Schaden verlangt, den er in Wirklichkeit gar nicht hatte, handelt vorsätzlich sittenwidrig iSd § 826 BGB.
Vorliegend gelang es Roletschek nicht, das Gericht davon zu überzeugen, dass er Herrn Mag. Kulac ein Honorar gezahlt hätte. Das wäre auch lebensfremd, denn beib einer Vielzahl an Abmahnungen müsste Roletschek ja auch das Ausfallrisiko tragen. Das macht aber nur jemand, der ernsthaft ein Geschäftsmodell schützen müsste. Dass Roletschek mit seinen Fotos auf konventionelle Weise nennenswert Geld verdient, konnte er ebenfalls nicht nachvollziehbar darlegen.
Amtsgericht Frankfurt am Main vom 18.11.2021 – 32 C 2934/21 (84) – nicht rechskräftig.
Wikimedia Österreich legt wert auf die Tatsache, dass Mag. Kurt Kluac inszwichen nicht mehr Obmann von ist. Sein einstiger deutscher Amtskolle Olaf Kosinsky wurde neulich wegen käuflicher Einträge in Schande bei Wikimedia gesperrt.
Vor einem Jahr trat der Medienstaatsvertrag inkraft, der in §§ 19, 109 MStV den Landesmedienanstalten und damit dem Staat erstmals seit 1945 das Recht verleiht, unerwünschte Nachrichten politisch zu verbieten:
Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen.
Die eigentliche Entscheidung, was genau nicht den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen soll, treffen aber nicht etwa die einzelnen Landesmedienanstalten, sondern die aus deren 16 Direktorinnen und Direktoren gebildete Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK).
Bislang hat die ZAK bundesweit genau einem einzigen Blogger eine Unterlassung aufgegeben und Verwaltungskosten diesbezüglich aufgebrummt, weil dieser einen Sachverhalt so zugespitzt hatte, dass er einen falschen Eindruck erweckt haben soll. Daher hätte er gegen die Sorgfaltspflichten der Presse verstoßen. Das ist schon deshalb aberwitzig, weil die konventionelle Presse das ständig tut, aber Pressefreiheit genießt.
Der Gängelung durch die ZAK können sich etwa Online-Medien nur entziehen, wenn sie sich dem privaten Lobby-Verein Deutscher Presserat unterwerfen und an diesen Jahresgebühren bezahlen. Die Ausübung von Grundrechten wie Meinungs- und Pressefreiheit kostet also inzwischen Geld.
Allerdings ist der Presserat wählerisch bei der Akzeptanz seiner Vertragspartner und würde derzeit Blogger nicht ohne weiteres akzeptieren. (Diese Praxis ist nicht zuletzt deshalb fragwürdig, weil ohne Akzeptanz des Presserats im Online-Bereich keine Sonderrechte für Journalisten iSd DSGVO gelten.) Der hier betroffene Blogger hätte auch an einer Zusammenarbeit mit dem Presserat kein Interesse, da er mit dessen Kompetenz zu Fake News schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Der von § 19 MStV benutzte Begriff „journalistischer Sorgfaltspflichten“ stammt eigentlich aus dem Zivilrecht und spielt bei Verdachtsberichterstattung eine Rolle, die nur dann zulässig ist, wenn sauber recherchiert und nicht einseitig dargestellt wird. Gegen eine unzulässige Verdachtsberichterstattung können sich Betroffene ggf. zur Wehr setzen, zivilrechtlich und ggf. sogar strafrechtlich. Aber das war bislang Sache der Betroffenen, nicht des Staates.
Nun machen die Länder Anstalten, selbst darüber zu befinden, was wahr ist und geschrieben werden darf. Dabei verweisen Sie auf den streitbaren Pressekodex des Privatvereins Deutscher Presserat und definieren auf der ZAK-Homepage die anerkannten journalistischen Sorgfaltspflichten wie folgt:
Die ZAK vertritt also allen Ernstes die Rechtsauffassung, dem Presserat angeschlossene Medienhäuser und andere dürften „nicht einseitig berichten“.
Derartiger Unsinn steht nicht einmal im Pressekodex. Ein solches Postulat wäre auch mit der von Grundgesetz und Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Presse- und Meinungsfreiheit fundamental unvereinbar, die nun einmal den Medien und Meinenden eben genau die Freiheit garantiert, einen Sachverhalt so zu sehen und zu berichten, wie sie ihn sehen oder es ins erwünschte Narrativ passt. Würde man von Redaktionen verlangen, dass sie ausgewogen berichten und falsche Eindrücke vermieden, wäre der Kiosk ab morgen leer.
Wenn aber die Häuptlinge der Landesmedienanstalten, die anderen Fake News verbieten wollen, hier selbst Fake News in die Welt setzen, stellt sich die klassische Frage: Wer bewacht die Wächter?
Da die Berichterstattung über Julian Assange erfahrungsgemäß unzuverlässig und politisch gefärbt ist, bin ich zum Berufungsverfahren der USA gegen die Ablehnung des Auslieferungsgesuchs persönlich nach London gefahren, um mir ein eigens Bild zu machen.
Dem Angeklagten, den die USA für sein restliches Leben wegsperren oder dieses beenden wollen, wurde die Teilnahme am Prozess offenbar gegen seinen Willen verwehrt. Auf einem Video, das uns kurz gezeigt wurde, konnte man ihn im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sehen.
Den Prozessbeobachtern wird überwiegend auch nur ein Stream etwa im Nebenraum gewährt. Die Qualität unterschreitet den Standard, den deutsche Gerichte bei Online-Verhandlungen einhalten. So sieht man nur zwei Kameras aus der Totalen von hinten, und kann allenfalls erahnen, wer gerade spricht.
Das Absurde ist, dass Assange jahrelang von Schweden eine Online-Befragung zu den damaligen Vorwürfen verwehrt wurde. Video sei zur Vernehmung nicht gut genug. (Tatsächlich wird derartiges bei grenzüberschreitenden Vernehmungen offenbar schon lange gemacht.)
Das Auslieferungsbegehren der USA war einzig aus humanitären Gründen abgelehnt worden, das Suizidgefahr zu befürchten sei. Bei der gestrigen Verhandlung wurde darüber gefeilscht, wie suizidgefährdet und psychisch krank Assange wirklich sei. So könne er nach Meinung des US-Vertreters nicht autistisch sein, da er ja Beziehungen eingegangen sei und Kinder gezeugt habe. Wer autistische Freunde hat, kommt vermutlich zu anderen Ergebnissen.
Den Namen Julian Reichelt hörte ich das erste Mal, als ich auf einer journalistischen Veranstaltungen mit ihm in einer Diskussionsrunde zu diesem Thema saß. Reichelts Äußerungen offenbarten nicht nur einen stramm transatlantischen Kompass, sondern auch eine erstaunliche Naivität zur Zuverlässigkeit von Kriegsberichterstattung. (Jeder, der hierzu auf Augenhöhe mitreden möchte, sollte mindestens Phillip Knightley: „The First Casualty“ gelesen haben.)
Umso erstaunter war ich, als ich erfuhr, dass der mir als journalistisches Greenhorn erscheinende Reichelt einmal ausgerechnet Kriegsreporter gewesen sein soll. Da ich BILD allenfalls aus beruflicher Veranlassung lese, ist mir Reichelts literarisches Schaffen praktisch nur aus Tweets bekannt. Als Reichelt ausgerechnet zum Häuptling der BILD befördert wurde, sagte das eigentlich alles.
Statt über seine überschaubaren journalistischen Fähigkeiten stolperte Reichelt nunmehr (erneut) über sein Privatleben, das er mit seiner beruflichen Position in einer Weise verquickte, wie es in den 1960er Jahren akzeptiert gewesen sein mag. Die beißende Pointe – auf die im Gegensatz zu deutschen Redaktionen nur die im prüden Amerika ansässige New York Times anspielt – ist die delikate Tatsache, dass Friede Springer ihre Verlegerinnen-Karriere in ähnlicher Weise wie Reichelts Affären mit Untergebenen begann, nämlich als Kindermädchen bei Axel Springer.
Die New York Times berichtet außerdem von angeblich gefälschten Scheidungspapieren, die Reichelt vorgelegt haben soll. Urkundenfälschung zählt bei Strafverfolgungsbehörden nicht zu den Kavaliersdelikten und erlaubt, wenn sich der schwerwiegende Vorwurf als zutreffend herausstellen sollte, Rückschlüsse auf Reichelts Integrität. Wenn man es mit Lug und Trug zu Deutschlands vermutlich mächtigstem Chefredakteur bringen kann, wenn man denn nur den richtigen Leuten nach dem Mund redet, wäre das Anlass zur Besorgnis.
Die Recherche zu Reichelt ist presserechtlich problematisch, da sensible Dokumente aus einem Compliance-Verfahren durchgestochen wurden, bei dem die Beteiligten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Der Verlag hat eine entsprechende Untersuchung angekündigt. Die Beurteilung wird sich nach der Wallraff-Rechtsprechung richten: Ähnlich wie beim Redaktionsgeheimnis und dem Anwaltsgeheimnis muss es bei interner professioneller Kommunikation geschützte Räume geben, in denen man offen sprechen kann. Kann jedoch ein gesellschaftlich erheblicher Missstand nicht anders recherchiert werden, darf bei überwiegendem Berichtsinteresse der Öffentlichkeit ausnahmsweise auch rechtswidrig beschafftes Material verwendet werden.
Eine andere Frage ist, ob sich die Hinweisgeber durch ihre Indiskretion strafbar gemacht haben. Davon wird auszugehen sein.
Seit eineinhalb Jahrzehnten kennt die IT-Gemeinde „Marions Kochbuch“ als Falle für fadenscheinige Bildabmahnungen.
Marion stellt angebliche Kochrezepte ins Internet, die von ihrem Ehemann ziemlich überflüssig bebildert werden. Die Texte sind erkennbar bis zur Satire suchmaschinen-optimiert, was dazu führt, dass man bei Google-Suchen für Bilder von Zutaten häufig auf diese Seite gelotst – und zum Bilderklau verleitet wird. Legendär ist BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az.: I ZR 166/07 – marions.kochbuch.de.
Die Seite erscheint vielen als Vorwand, um Abmahnungen zu provozieren. Die Behauptung, Marion könnte von der Bannerwerbung leben (die bei vernünftiger Internetnutzung weggefiltert wird), ist schwer zu glauben:
Das Design der Website scheint aus den frühen 90ern zu stammen. Nach Expertise meiner Partnerin, die ein Fan der renommierten Website Chefkoch.de ist, machen die Rezepte von Marion in keiner Weise Lust, diese nachzukochen. Meiner Meinung unterschreiten auch die Bilder Ansprüche, die man an professionelle Lebensmittelfotografie stellen könnte.
Obwohl die Kniepers nach Tausenden Abmahnungen nunmehr in der Lage sein sollten, urheberrechtliche Standard-Abmahnungen selbst zu versenden, beauftragen sie nach wie vor Anwälte damit – was vermeidbare Ansprüche auslöst, die nach Meinung etwa von OLG Braunschweig nicht ersatzfähig sind. Es ist wirtschaftlich schwer nachvollziehbar, dass Fotografen für massenhafte, stets gleich lautende Abmahnungen Geld in die Hand nehmen und etwa das Risiko der Uneinbringlichkeit tragen. Für das Abmahngeschäft haben Marion & Co. sogar eigens die Knieper Verwaltungs GmbH gegründet.
Obwohl „Marions Kochbuch“ im Abmahnbusiness legendär ist, fand erst neulich ein Abmahnopfer seinen Weg zu mir und damit – nach Art des Hauses – zu einer negativen Feststellungsklage. Dabei stellte sich heraus, dass Marion & Co. vor Gericht deutlich weniger Erfahrungen gesammelt hatten, als man bei derartigen Massenabmahnern annehmen möchte.
Der Mandant hatte ein Kuchenfoto als Element für eine Collage genutzt, das weniger als 5 % des Werks ausmachte. Die Knieper Verwaltungs GmbH wollte eine Lizenzschaden iHv 1.226,00 € sowie Anwaltskosten iHv 934,03 € (Summe: 2.150,03 €).
Schon Marions orthographisch falsche Bezeichnung „Alt Deutscher Pflaumen Kuchen“ lässt erahnen, dass es bei der Website nicht wirklich um ein Rezept geht, sondern eben um Suchmaschinen-Optzimierung. Das Lichtbild ist miserabel, etwa ausgerechnet in der Mitte unscharf, die unvorteilhaften Farbverläufe und weder durch beim Foodstyling übliche Lebensmittelfarbe noch durch Fotoshop korrigiert, auch die Beleuchtung könnte professioneller sein.
Das Amtsgericht Hamburg stufte das Bild großzügig als Lichtbildwerk ein (und nicht lediglich als Lichtbild iSd § 72 UrhG). Einer Einordnung als freie Benutzung (§ 24 UrhG a.F.) oder unwesentliches Beiwerk (§ 57 UrhG) folgte das Gericht nicht, da das Foto als stimmungsbildendes Gestaltungselement genutzt worden sei.
Allerdings dampfte das Amtsgericht den Lizenzanspruch auf 400,- € zzgl. Zinsen, mithin auf 1/3 ein. Eine eigene Lizenzierungspraxis behauptete Marion bereits nicht. Ebenso wenig war eine Heranziehung der berüchtigten MFM-Tabelle angezeigt. Das Gericht schätzte daher den „Schaden“ auf 200,- € und verdoppelte wegen fehlender Urheberbenennung. Meiner Meinung nach wären 50,- € realistischer, denn kein Mensch gibt für ein derart profanes wie miserables Foto mehr aus. An kostenlosen Stockfotos für Pflaumenkuchen herrscht kein Mangel.
Das Gericht folgte nicht meiner Rechtsauffassung, dass die Abmahnung insgesamt rechtsmissbräuchlich sei:
„Zwar bestehen nach den vom Kläger angeführten Umständen vorliegend Anhaltspunkte, die auf ein gewisses Interesse der Beklagten, Kostenerstattungsansprüche entstehen zu lassen, hindeuten. Dies schließt aber nicht aus, dass es der Beklagten vorliegend zuvorderst darum gegangen ist, unrechtmäßige Nutzungen ihrer Lichtbilder zu unterbinden. Zwischen den Parteien war zuletzt unstreitig, dass der Rechtsvorgänger und Gründungsgesellschafter der Beklagten mit der gemeinsam mit seiner Ehefrau seit Jahrzehnten betriebenen Online-Rezeptsammlung Werbeeinnahmen erzielt. Die Gewinnung von Anzeigekunden für eine Internetseite setzt ein gewisses Nutzeraufkommen, mithin eine nicht unbedeutende Zahl an Aufrufen der Seite voraus. Je höher das Nutzeraufkommen, desto höher sind die zu erzielenden Einnahmen. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass sie trotz starker Konkurrenz monatlich noch immer ca. 400.000 Aufrufe der streitgegenständlichen Internetseite verzeichne. Da es sich bei der streitgegenständlichen Internetseite, von der die Fotografie stammt, um ein vollständig mit Speisefotografien bebildertes Online-Kochbuch handelt, erscheint es naheliegend, dass die Aussage der Beklagten, dass eine erhebliche Anzahl der Nutzer über Bildersuchmaschinen auf die Internetseite gelangt, zutreffend ist. Damit geht ersichtlich auch ein gesteigertes berechtigtes Interesse der Betreiber einher, dass die Speisefotografien sich nicht aufgrund unberechtigter Nutzung im Internet verbreiten und in der Folge mehrfach in Bildersuchmaschinen angezeigt werden, sodass der Klick auf eines der vom Rechtsvorgänger der Beklagten aufgenommenen Bilder nicht mehr nur zu dem Online-Kochbuch, sondern auch auf eine Vielzahl anderer Internetseiten führt, wodurch sich die Seitenaufrufe reduzieren würden.
(…)
Auch kann eine Missbräuchlichkeit nicht bereits aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger in den vergangenen Jahrzehnten bereits eine Vielzahl von Rechtsverletzern abmahnen ließ bzw. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gerichtlich verfolgt hat.„
Ein – wirtschaftlich betrachtet, sehr naheliegendes – Erfolgshonorar war nicht nachzuweisen.
Auch die Bemessung einer 1,3-Gebühr (statt einer 1,0-Gebühr für einfache Angelegenheiten) beanstandete das Gericht nicht. Allerdings hielt das Amtsgericht den Gegenstandswert iHv 9.000,- € für übesetzt und ging von 5.400,00 € aus (5.000,- € für Unterlassung, 400,- € für Lizenzschaden).
Damit war für die Anwaltskosten nur eine Zahlung iHv 557,03 € (statt geforderter 934,03 €) geschuldet.
Marion & Co. durften also statt 2.150,03 € nur 957,03 € verlangen. Die Forderung war also zu über 50 % überhöht.
Für die Gegenabmahnung meines Mandanten nach § 97a Abs. 4 UrhG setzte das Gericht eine 1,5-Gebühr an. Diese sei aber nur wegen des überhöhten Gegenstandswert berechtigt gewesen, sodass nur ein Gegenstandswert iHv 1.500,- € anzusetzen sei. Daher blieb es bei 223,30 € zggl. Zinsen. Für die kniepige Marion bleibt damit eine Hauptforderung iHv 733,73 €.
Bei der Kostenberechnung kam das Gericht zu dem seltsamen Ergebnis, dass wir 76 % zu tragen hätten, obwohl die Knieper Verwaltungs GmbH von ihrer ursprünglichen Forderung nur 1/3 realisieren kann. Da online verhandelt wurde, entfielen allerdings sonst übliche Reisekosten.
Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 14.09.2021 – 35a C 94/21.
Gerne helfe ich Ihnen bei Ihrer Abmahnung zu fairen Konditionen. Anfragen nach kostenloser Rechtsberatung bitte direkt an meine Mitbewerber.