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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


29. Juli 2012

Zauberlehrling online

2009 wurde ich unverhofft vom Landestheater Düsseldorf bzw. dem Hebbel-Theater Berlin für die Theaterbühne reaktiviert. Das weltweit mit Fachpreisen ausgezeichnete Regie-Kollektiv „Rimini Protokoll“ wollte in nur zwei Wochen ein avantgardistisches Theaterstück zum Thema „Krieg und Zauberei“ auf die Bühne stellen, in dem sich die Personen selbst spielen. Story und Drehbuch entstanden während der Proben und befanden sich ständig im Fluss. Mir fiel die Rolle eines Nerds zu, der sich mit der Geschichte von Geheimdiensten und kontroversen Zauberern auskennt. Weil die meinten, dass mein Maßanzug aus mir eine ganz andere Persönlichkeit mache, musste ich in meinen Freizeitklamotten spielen. Das einzig Beständige bei dieser außergewöhnlichen Produktion waren die Änderungen.

Hauptdarstellerin Herdis Sigurgrimsdottir war die erste und einzige NATO-Soldatin Islands, das ansonsten nie eine Armee hatte. Ihr Job im Irak war es, den Presseoffizieren beizubringen, wie sie die Öffentlichkeitsarbeit zu optimieren hatten – während meine Funktion als gelegentlicher Politjournalist das Erkennen eben solcher Manipulation ist. Die weiteren Mitspieler waren der Berliner Zauber-Veteran Günther Klepke sowie kein geringerer als Stanislav Petrov. Petrov hatte 1983 im Spionagesatelliten-Kontrollzentrum einen Fehlalarm zutreffend als solchen eingeschätzt und dazu beigetragen, durch Besonnenheit einen nuklearen Putativgegenschlag zu vermeiden. Weil ich über die Geschichte geschrieben hatte, wurde Petrov aus Russland eingeflogen und spielte mit uns Theater! Hier die Kritik der TAZ.

Nunmehr haben die Riminis endlich einen Videomitschnitt online gestellt. In dem Stück erzähle ich u.a. die Geschichte vom „War Magician“ Jasper Maskelyne und lasse dabei die NATO-Soldatin schweben, während der prominente Rotarmist mir dabei assistierte! In zwei Wochen kann man natürlich keine perfekte Show realisieren, aber angesichts der Umstände war schon bemerkenswert, was für faszinierendes Theater da herauskam. Eine intellektuellere Zaubershow kann man sich schwerlich vorstellen. Insbesondere hatten wir ein paar sehr poetische Momente.

25. Juli 2012

ZDF-Doku über die Deutsche Vermögensberatungs AG

Vor ein paar Jahren führte ich einen erbitterten Kleinkrieg gegen Teile der deutschen Finanzindustrie. Zum Thema Finanzvertriebe hatte ich die Website finanzparasiten.de gebaut, die mir 2006 meine erste persönliche Einladung zur Hamburger Zivilkammer 24 einbrachte. Mit meinem Münsteraner Kollegen Kai Behrens zog ich damals das Handelsvertreter-Blog auf, welches insbesondere das Schicksal der Menschen in Finanzstrukturvertrieben beleuchtet, in die man als mündige Person hinein gelangt, mit allerhand Psychologie in ein Monster verwandelt wird und die man dann häufig überschuldet verlässt.

Kai Behrens ist der Angstgegner der DVAG, dem größten Anbieter in diesem Bereich. Während letztes Jahr viel auf den AWD gekloppt wurde, scheint uns die DVAG der mächtigere und widerwärtigere Mitbewerber zu sein, eine Doku über die DVAG war mehr als überfällig. Facetten gibt es genug. Letzte Woche war es soweit, das ZDF brachte eine Sendung, die wegen der DVAG-Anwälte bis zum Tag ihrer Ausstrahlung nicht angekündigt wurde. Kai Behrens hatte einen Gastauftritt.

Ebenfalls in dem Beitrag erschien Herr Müssig, den ich vor ein paar Jahren bei einem Prozess in Frankfurt kennen gelernt hatte. Ich vertrat damals seinen Kompagnon, mit dem er etliche Vermögensberater angeworben, „verwertet“ und wieder an die Luft gesetzt hatte. Dann waren Müssig und seinem Partner von einer Ebene höher exakt das gleiche passiert. Die DVAG macht einen auf Familie, organisiert den Vertrieblern sogar den Urlaub, aber wenn es nicht mehr läuft, kann man sich ein zynischeres Unternehmen schwerlich vorstellen.

Mich hat damals fasziniert, wie naiv Menschen sein können. Bei meinen Gesprächen mit aktiven DVAGlern musste ich erkennen, dass diese so im Glauben an ihre Firma gefangen waren, dass sie dem Image ihrer Firma eine höhere Überzeugungskraft beimaßen als uns Anti-DVAG-Anwälten, die meterweise Prozessakten mit Verfahren gegen die Ex-DVAGler haben und etliche Winkelzüge kennen.

Gerne würde ich den Beitrag des ZDV verlinken, er ist auch auf Youtube zu finden. Aber damit habe ich ja schlechte Erfahrungen gemacht … Daher nur den Link als solchen:

>>>http://zoom.zdf.de/ZDF/zdfportal/programdata/befc0476-9f54-36cb-bcb9-43012ec8ac62/20021100?noDispatch=1<<<

PS: In den letzten Jahren hatte ich leider nicht die Zeit, die Seite zu pflegen. Vieles müsste aktualisiert werden, auch müssten die ganzen Videos eingebaut werden. Hätte jemand Lust?

24. Juli 2012

Klehranlage: Berufung begründet

In Sachen Klehr ./. Kompa haben wir gestern die Berufungsbegründung eingereicht.

Bekanntlich habe ich mit der Vertretung den Kollegen Rechtsanwalt Stadler beauftragt, weil ich zu der Sache naturgemäß keine Distanz habe und es in Sachen Haftung im Internet kaum eine bessere Wahl gibt. Klehrs Anwalt wird eine harte Nuss zu knacken haben, und es wird spannend zu beobachten, welche Figur der Senat des Hanseatischen Oberlandesgerichts machen wird.

15. Juli 2012

Der Tod des Uwe Barschel

Die letzten Wochen hatte ich kaum Zeit fürs Bloggen, weil neben gehäuftem Arbeitsaufwand auch noch eine sehr spannende Recherche viel Zeit verschlang. So habe ich das Buch des leitenden Oberstaatsanwalts Heinrich Wille analysiert, der seinerzeit versuchte, den Fall „Uwe Barschel“ aufzuklären und dabei erstaunliche Erfahrungen mit Rechtsstaat und Medien machte. Ich habe u.a. Herrn Wille in Lübeck besucht und den Stand der Fachliteratur etc. ausgewertet.  Wie meistens bei meinen Artikeln habe ich in den Links jede Menge Youtube-Videos verlinkt, auch wenn das in Reichweite des Landgerichts Hamburg riskant ist.

Der erste Teil, der den Gang der Ermittlungen skizziert, ist am Sonntag erschienen, der zweite Teil, der die damaligen Interessenlagen beleuchtet, folgt voraussichtlich am Montag. Zum Barschel-Fall hatte ich schon 2010 etwas geschrieben.

Medienrechtlich hatte der Fall auch eine gewisse Relevanz. So hatte seinerzeit die Satire-Zeitschrift Titanic 40.000,- EURO an Barschels Rivalen Björn Engholm zahlen müssen, weil sie Engholm in eine Badewanne montiert hatte. Und welches Gericht hatte es verboten und Geld verlangt? Richtig …

10. Juli 2012

Päpstliche Pressekammer

Herr Ratzinger, auch bekannt als Benedikt 16.0, empörte sich über eine Fotomontage des für seinen stilsicheren Geschmack bekannten Satire-Magazins TITANIC. Da die Spanische Inquisition keine Zuständigkeit mehr hat und auch die Exorzisten nichts ausrichten konnten, pilgerte seine Heiligkeit in das protestantische Hamburg, wo meine Lieblingskammer den Bann aussprach.Das gibt bestimmt einen Heidenspaß …! ;)

4. Juli 2012

ACTA ad acta

Abgelehnt.
Danke an alle!

3. Juli 2012

Nachtrag zum „Speaker’s Corner“-Verein

Aufgrund von Rückmeldungen möchte ich folgendes klarstellen:

Wir verwalten einen Rechtshilfefonds, der für alle Blogger etc. da sein soll, um die Korrektur fragwürdiger Urteile und einstweiliger Verfügungen zu finanzieren. Wir wollen vernünftige und angstfreie Kommunikation im Internet sicherstellen.

In unserem Entscheidungsgremium sitzen zwar vier Anwälte, welche als Experten die Erfolgschancen beurteilen sollen. Diese Anwälte sollen die geförderten Fälle jedoch nicht selbst vertreten, sondern sind nur ehrenamtlich tätig. Wer von einem meinungsfeindlichen Richterspruch betroffen ist, wird meistens bereits einen Anwalt haben, andernfalls soll er sich den fähigsten Anwalt aussuchen, den er kriegen kann. Falls einer von uns vier Anwälten mit einem Fall auch professionell befasst sein sollte, dürfte er wegen Befangenheit nicht an der Entscheidung mitwirken, ob wir seinen Fall fördern oder nicht.

Wir werden nicht jeden fördern, der sich die Meinungsfreiheit auf die Fahnen schreibt. Religiöse Fanatiker, Rassisten usw. müssen sich vermutlich andere Partner suchen. Wir achten insbesondere auch die Persönlichkeitsrechte usw., allerdings orientieren wir uns an den Maßstäben von Karlsruhe, nicht an denen des Landgerichts Hamburg etc..

Damit wir Anwälte die eingereichten Fälle nicht nur nach juristischen Gesichtspunkten beurteilen, sitzen vier Nichtjuristen im Gremium, die uns Fachidioten ggf. wieder auf den Teppich zurück holen. Langfristig werden wir wohl das Entscheidungsgremium auf Leute ausdehnen, die nicht zufällig auch Piraten sind. Unsere Stärke ist die Vernetzung!

2. Juli 2012

Verein „Speaker’s Corner“ gegründet

Das obige Video (Urheber: Richard Gutjahr) zum Rechtsstreit zwischen dem Regensburger Bischof und Regensburg Digital verdeutlicht, wie schnell Blogger in die Mühlen der Justiz geraten, wenn der Gegner mit spezialiserten Anwälten anrückt. Der betroffene Stefan Aigner ließ sich nicht unterkriegen und ging erfolgreich in Berufung, was praktisch nur mit Spenden möglich war. Einige Blogger in vergleichbaren Situationen erfuhren ähnliche Solidarität. Ich kenne jedoch viele Fälle, in denen Blogger keine Möglichkeit sahen, die Abwehr von juristischen Eingriffen in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu finanzieren, obwohl sie wichtige Dinge zu sagen hatten. Im Gegenteil verblieben bei fehlender Finanzierung Urteile, die clevere Anwälte betuchter Kläger sogar benutzen, um anderen den Mund zu verbieten. Die Finanzierung entsprechender Rechtsstreite ist für Privatleute nahezu unmöglich. In diesem Bereich springt keine Rechtsschutzversicherung ein, auch Prozesskostenhilfe etwa gegen erlassene einstweilige Verfügungen wird praktisch nie gewährt.

Vor fünf Wochen hatte auch ich zur Finanzierung eines eigenen laufenden Prozesses in Sachen digitaler Meinungsfreiheit die „Aktion Klehranlage“ ins Leben gerufen. Jeder, dem es die Sache wert war, sollte einen 20er beisteuern. Soweit die Klage schließlich abgewehrt würde, bekäme jeder seinen Einsatz zurück oder könne ihn wahlweise in einem Rechtshilfefonds stehen lassen. Ich hatte auf die Deckung der laufenden Kosten gehofft, aber nicht Traum damit gerechnet, dass schon nach wenigen Tagen mehr als das Doppelte der im worst case benötigten Summe beisammen sein würde. Viele hatten im Überweisungszweck angegeben, dass die Einlage ggf. als Spende an einen entsprechenden Verein verbleiben solle. Den Auftrag, einen entsprechenden Fonds in die richtige Form zu bringen, habe ich klar vernommen und wollte ihn zeitnah umsetzen. Außerdem wollte ich steuerliche Nachteile möglichst vermeiden und auch kein „fremdes, herrenloses Geld“ auf meinem eigenem Konto herum liegen haben.

Für einen Verein benötigt man mindestens sieben glorreiche Gründungsmitglieder, die zum Zeitpunkt X an einem Ort Y versammelt sein müssen. Letzteres noch vor der Sommerpause zu organisieren wäre schwierig gewesen. Am Samstag fiel uns beim Landesparteitag der Piraten in NRW in Dortmund auf, dass etliche Aktivisten in Sachen Meinungsfreiheit ja ohnehin anwesend waren. Also machten wir Nägel mit Köpfen und gründeten am Sonntag am Rande des LPT.NRW12.3 im Schnelldurchlauf den benötigten Verein mit einem Gremium, das paritätisch mit Anwälten und mit Menschen besetzt ist:

Anwälte:

  • Udo Vetter (LawBlog)
  • Dominik Böcker (AK Zensur, Bundestagsexperte gegen Zensursula)
  • Christian Pentzek
  • Markus Kompa (Blog zum Medienrecht)

Menschen:

  • Marina Weisband, Piratenprinzessin
  • Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei
  • Dr. Joachim Paul, MdL, Fraktionsvorsitzender Piratenpartei
  • Nico Kern, MdL, Assessor jur.

Vereinszweck ist die Sicherstellung der Rechtsprechung in Sachen Meinungsfreiheit nach den Vorgaben von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, die häufig von den Instanzgerichten missachtet wird. Dies ist nur durch Finanzierung des Rechtswegs möglich, wobei in Bloggerfällen häufig asymmetrische „Kriegskassen“ gegenüberstehen. Meinungsfreiheit können sich derzeit praktisch nur große Verlage und sehr vermögende Privatleute leisten. Wir werden daher entsprechende Prozesse finanziell fördern, die wir für wichtig halten.

Derzeit dient der Verein in erster Linie zur Verwaltung des Rechtshilfefonds, wir streben also derzeit kein „Vereinsleben“ oder Wachstum zum Massenverein an. Natürlich aber freuen wir uns über Aktivisten und Fördermitglieder und möchten mit anderen Organisationen kooperieren.

Bedingt durch die Umstände sind die Gründungsmitglieder allesamt Piraten, der Verein selbst soll jedoch parteipolitisch neutral sein. Im Falle der Auflösung – am besten wegen Zielerreichung! – wird das Vereinsvermögen zu gleichen Teilen an den „Chaos Computer Club“, „Reporter ohne Grenzen“ und die „Gesellschaft für Medienkompetenz“ gehen.

In dieser Woche möchte ich die weiteren Fragen klären, etwa inwiefern für bereits überwiesene Beträge Spendenquittungen ausgestellt werden können usw. In der kommenden Woche werde ich den Klehranlegern, die unerwartet mehr als 20,- € beigesteuert haben, eine Reduktion der Einlage anbieten oder alternativ um eine Verfügung zugunsten des Rechtshilfefonds bitten, soweit noch nicht geschehen. (Bitte diese Woche noch nichts mailen, das muss noch vorbereitet werden!)

Zur „Aktion Klehranlage“ möchte ich noch folgende Eingänge nachtragen und mich herzlich dafür bedanken:

Felix Freiberger

Anonym

STB. W.Kreuz +

Anonym

Gerd Upper +

Thomas Maurer

Wolle

Martin Schnell +

Normann Rehbein

Sebastian Gründel

Anonym

David SVWZ

Ploenne

Matthias Schulz

21. Juni 2012

Abwehr-Initiative(n) gegen Gängel-Abmahnungen

Derzeit arbeite ich an einem Konzept, wie man durch Vernetzung Blogger etc. vor den Auswüchsen weltfremder Rechtsprechung schützen kann.

Ein ähnliches Anliegen verfolgt Hardy Prothmann, der einen Verein gegen den Abmahnwahn gründen will. Prothmanns Heddesheim-Blog ist vor allem durch den juristischen Amoklauf des GRÜNEN-Politikers Ströbele in Erinnerung, dessen Ehefrau mit Fischfutter attackiert wurde. Prothmanns Idee ist so eine Art „ADAC“, bei der Mitgliedern Rechtsberatung vermittelt und ggf. finanziert wird und Gängel-Abmahner transparent gemacht werden.

Bei meinem Projekt geht es mehr darum, dass konkrete Urteile aus den unteren Instanzen, die von der meinungsfreiheits-freundlichen Linie von BGH und Bundesverfassungsgericht abweichen, durch Finanzierung des Rechtswegs korrigiert werden. Die Mitgliedschaft in einem Verein wäre hierfür keine Voraussetzung, die Förderung würde allerdings erst im Prozessstadium Stadium ansetzen.

Sinnvoll wäre eine Kombination beider Anliegen. Den Projekten ist gemein, dass ein Gremium an Juristen und Publizisten benötigt wird, die über förderungswürdige Fälle entscheiden.

Was mein Projekt betrifft, werde ich kommende Woche die Entscheidungen über die Rechtsform treffen. Kritik, Anregungen und Partner sind willkommen!

19. Juni 2012

NDR: „Die Piraten wollen das Urheberrecht aushebeln.“

Die Piraten schätzen Pressefreiheit und kritischen Journalismus, beweisen insoweit demonstrativ Nehmerqualitäten. Vorstandssitzungen etc. werden gestreamed, PR-Filter gibt es bei den Piraten praktisch keine, man will ja nicht als Inszenierung wie die Mitbewerber enden. Manche Piraten sehen sogar im Trollen eine Art selbstreinigende Performance, die als produktive Qualität gewertet wird. Es hätte für qualifizierte politische TV-Journalisten viele Ansatzpunkte zu Kritik an den Piraten gegeben. Und angesichts der reichhaltigen Auswahl an Quartalsirren, die in den letzten Monaten ihre Parteifreunde auf harte Belastungsproben stellten, muss man dem NDR fast sogar dankbar für seine Auswahl an Bildern und Themen sein, die er gestern sendete – glücklicherweise erst nach Ausschluss der Öffentlichkeit ab 22:50 Uhr, denn der Beitrag blieb hinter den Standards der ARD deutlich zurück.

Erschien die erste Hälfte des Beitrags noch recht wohlwollend, so setzte zwischenzeitlich auf Twitter ein verdienter Shitstorm ein. Die Macher, die ausdrücklich um Feedback gebeten hatten, twitterten Unverständnis und dozierten altklug, man müsse Kritik aushalten. Der Schwarm verewigte seine Eindrücke im Piratenpad. Hier nun mein Statement:

Völlig kritiklos behauptete die Qualitätsjournalisten, durch illegale Angebote im Internet sei der Filmwirtschaft 2010 ein Schaden von 680 Millionen € entstanden. Liebe NDR-Leute, hat euch eigentlich niemand verraten, dass heutzutage mehr Leute ihr Geld ins Kino tragen als jemals zuvor? Trotz 15 Jahren Filesharing und dann Streaming werden heute mehr Filme produziert, etliche davon mit Budgets von über 200 Millionen €. Glaubt ihr wirklich, eine nennenswerte Anzahl von Nutzern ziehe ein qualitativ schlechtes Bootleg des neuesten Johnny Depp-Films dem gemeinschaftlichen Genuss auf der Leinwand vor? Und was hat die manipulative Aussage, dass kleine Filmfirmen das „Problem“ schwächer verkraften würden, mit der Realität der Filmfinanzierung zu tun? Bei künstlerischen Projekten ist das Scheitern am Markt eher die Regel als die Ausnahme – heute kann man Marktversagen auf das böse Internet schieben.

Lieber NDR, glaubt ihr eigentlich alles, was die Industrie euch so im Interview auftischt? Des Kaufmanns Gruß ist die Klage – auch vor dem Internet blieben Kulturschaffende auf ihren Werken sitzen. Emotionale Ausbrüche wie der dahingerotzte Vorwurf einer vermeintlichen Literatin (tatsächlich bedient sie eher die Nachfrage nach Erotik), die Piraten liebten Bücher nicht, hätten eines Kommentars bedurft. Stattdessen habt ihr kritiklos die Verwerter-Kampagne „100 Köpfe“ abgebildet. Mehr noch: „Immer mehr Künstler schließen sich in den folgenden Wochen zusammen.“ Nein. Es handelte sich nicht um eine Initiative von Künstlern, sondern um eine aufwändige industrielle PR-Kampagne, vor deren Karren sich etliche desinformierte Künstler spannen ließen, von denen diesen Missgriff viele inzwischen bedauern. Übrigens: Die Piraten haben die urheberrechtlichen Herausforderungen des Internets nicht erfunden, sondern als erste begriffen.

Während die Doku beim Wahlkampf in Schleswig-Holstein den dortigen Spitzenkandidaten begleitete, wurde der mit deutlichem Vorsprung in NRW gekürte Spitzenkandidat praktisch unterschlagen. Der passte nämlich nicht in das Schema „Partei junger, technikaffiner Männer“, genauso wenig wie die Piratin, die der Partei während ihrer dramatischen Phase der Verdreifachung der Mitgliederzahl innerhalb eines halben Jahres ihr Gesicht und ihre Eloquenz gegeben hatte. Stattdessen entschied sich die Doku „zufällig“ für einen exakt ins Schema passenden Kandidaten, nämlich Nr. 4 der Landesliste, der von Anfang an zuverlässig in jedes Pressefettnäpfchen getreten war, das er sich aufstellen konnte, und eitel genug war, um sich beim Friseurbesuch filmen zu lassen. Unter den 20 Fraktionsmitgliedern, die in den Düsseldorfer Landtag einzogen, hätte es journalistisch veranlasstere Personen gegeben. Unter den Top 10 übrigens drei Frauen, die es bei uns ja nicht gibt …

Ein Programm haben wir natürlich auch nicht (kein-programm.de), und das ist natürlich „abgekupfert“ von den anderen Parteien. Hört, hört!

Politische Analyse? Enthüllungen? Substantiierte Prognosen? Gegenrecherche von Interview-Statements? Möglichkeit zur Gegenrede?

Nix.