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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


3. November 2013

Inside WikiLeaks – Die fünfte Gewalt

Gestern habe ich zum zweiten Mal dieses Jahr im Kinosessel jene Geschichte gesehen, bei der ich 2009/10 Zaungast war: WikiLeaks.

Im Vorfeld hatte die Hackerszene befürchtet, es werde ein Anti-WikiLeaks-Propagandafilm, da er auf zwei Büchern von Personen basiert, mit denen Assange gebrochen hatte. Der Chaos Computer Club in Berlin, gewissermaßen ein Geburtshelfer von WikiLeaks, verweigerte eine Drehgenehmigung, und auch das CCC-Logo wurde beim am Originalschauplatz der damaligen CCC-Kongresse gedrehten Film verfremdet. Die Assanginistas störten sich an der fiktionalen Bearbeitung und vermissten etliche ihnen wichtige Aspekte. Die deutschen Filmkritiker wetteiferten wie üblich, wem denn der intellektuellste Verriss gelingen würde und lobten vor allem die darstellerische Leistung des Assange-Darstellers Benedict Cumberbatch.

Meiner Meinung nach war es genau umgekehrt.

Die Autoren hatten entschieden, den Film aus der selektiven Perspektive von Daniel Schmitt/Domscheit-Berg zu zeigen. In den hieraus destillierten 128 Minuten brachten sie denkbar viel Stoff und Kolorit unter. Viele Personen kamen zu Wort, das Wesentliche wurde durchaus gebracht (wobei ich das Geschachere mit den SPIEGEL-Leuten etwas vermisst habe). Entgegen meinen Erwartungen blieb der von Spielberg produzierte Film ausgesprochen unamerikanisch und ging mit der Geschichte von WikiLeaks durchaus fair um.

Nicht einverstanden bin ich allerdings mit der karikaturhaften Darstellung von Assange. Entgegen einer bei Schauspiellaien verbreiteten Vorstellung ist die Darstellung eines Verrückten keine so große Herausforderung. Ungleich anspruchsvoller ist es, einen schwierigen Charakter überzeugend als Menschen zu spielen. Das gelang Cumberbatch eigentlich nur in der letzten Szene, in der er sich offenbar Assanges Worten über den im Vorfeld kritisierten Film bediente und erstmals das schalkhafte an Assange erkennen ließ. Ich selbst bin Assange nur sehr kurz begegnet, aber das in den Medien verfügbare Material reicht aus, um zu beurteilen, dass er trotz aller charakterlichen Untiefen kein Zombie ist, wie er im Film von Anfang an dargestellt wurde. Diese plumpe Einseitigkeit beraubt die im Original durchaus charismatische Figur jeglicher Spannung.

Und genau da hat es der Spielfilm, der nicht in Programmkinos, sondern in Popcornkinos lief, dramaturgisch vergeigt. Der Spielfilm hätte in der ersten Hälfte eine Kommödie sein müssen, eine Art Lausbubengeschichte zweier Nerds, die mit einem Minimum an Aufwand und Esprit Diktaturen und die verbliebene Supermacht USA ins Wanken brachten. Tatsächlich hatten die beiden eine Menge Streiche unternommen und zusammen jede Menge Spaß gehabt. Wenn man sich die Präsentation auf dem 26C3 ansieht, kann man Assange wohl kaum einen intellektuellen Humor absprechen. Die Drehbuchautoren hätten einfach nur zugreifen müssen, allein in Daniels Buch sind etliche komische Szenen beschrieben, der NASA-Hack war irre witzig, oder etwa die unfreiwillig komische E-Mail-Korrespondenz mit dem hilflosen BND-Chef Ernst Uhrlau. Wäre die Freundschaft zwischen den beiden Hackern nicht von Anfang an als kaputt dargestellt worden, dann wäre der Übergang in die Phase des Bruchs deutlich spannender verlaufen, der Film wäre insgesamt unterhaltsamer geworden. Etwa die Doku „We Steal Secrets“ zum gleichen Thema hat durchaus sehr witzige Momente.

Der Film „Inside WikiLekas – Die fünfte Gewalt“ ist deutlich besser, als er besprochen wurde, und ich empfehle jedem dringend, ihn sich anzusehen. Auch, wenn die Person des Assange nicht überzeugend ausgearbeitet wurde, so haben die Autoren doch auf etliche Aspekte verzichtet, mit denen sich Assange selbst in Misskredit brachte. Der Film erzählt die Geschichte aus der Sicht von Daniel mit einigen dramaturgischen Verdichtungen, und das ist durchaus gelungen. Vielleicht bekommen wir ja eines Tages ein Assange-BioPic, das eine andere Perspektive bietet.

Schmunzeln musste ich bei einer von Moritz Bleibtreu gespielten Figur, die einen genialen Hacker im WikiLeaks-Umfeld namens „Markus“ verkörperte, der das berühmte Submissiontool programmierte. Also ich war’s ganz sicher nicht … ;)

1. November 2013

Unser Mann im Bundestag

 

Im März 2002 verließ Linksanwalt Hans Christian Ströbele, in der rot-olivgrünen Fischer-Fraktion längst isoliert, demonstrativ das Reichstagsgebäude. Er schätzte den Menschen, dem da die Berliner Parlamentarier hündisch huldigten, zutreffend ein: George W. Bush, der im Auftrag seiner ultrakonservativen Freunde Angriffskriege auf die Ölfelder im Nahen Osten schmackhaft machte. Blut für Öl.

„Jemandem, der einen Krieg nach dem anderen führt und den nächsten ankündigt und sich in jeder Weise gegen die Umwelt versündigt, dem kann ich doch nicht zujubeln im Deutschen Bundestag“

Als die Grünen sich für ihre Jobs in der Energiewirtschaft usw. empfahlen, die sie heute bekleiden, war es Ströbele, der sich noch hörbar für eine sinnvolle Drogenpolitik einsetzte und sich auf Hanf-Demos sehen ließ.

Während die Bundesregierung eine Vorladung des Zeugen Snowden mit Pseudoargumenten wie „keine ladungsfähige Adresse“ vermeiden möchte, redete Ströbele von Anfang an Tacheles und machte gestern Nägel mit Köpfen.

Wir haben einen Politiker im Bundestag! An dieser Stelle übrigens nachträglich herzlichen Glückwunsch zum erneuten Direktmandat.

Ich verneige mich tief.

Popcornkönig und Dramaqueen

Ein Watchblogger, der ein grundsätzlich inspiriertes, aber letztlich dann doch tendenziöses Blog über die Piratenpartei veröffentlichte, lässt diesen seltsamen Text (wohl) über mich verbreiten, mit dem er mich offensichtlich in Misskredit bringen möchte: (more…)

18. Oktober 2013

Caspar C. Mierau, Popcornpirat – Journalisten unter Piraten (3)

 

Die wohl interessanteste Publikation über die Piratenpartei war das Blog Popcornpiraten.de, das zwischen August 2012 und dem 16. Oktober 2013 die Phase des Niedergangs der Piratenpartei begleitete. Über die Motivation des Autoren Caspar Clemens Mierau war viel gerätselt worden. Nunmehr hat Mierau zum Schluss seines Projekts seinen Helfer im Hintergrund geleakt, nämlich den Blogger Jürgen „tante“ Greutsch, der meiner Erinnerung nach selbst einmal Pirat gewesen war, aber im Groll gegangen ist. Im April 2012 machte er sich auch als Nicht-Piratenwähler Luft. Ein solch destruktiver, aber eifriger Einflüsterer relativiert allerdings Mieraus vorgebliche Neutralität.

Wie auch immer Mieraus Blog intendiert war, so bewies es eindrucksvoll die These, dass ein Beobachter eines Experiments dieses beeinflusst, und zwar auf mehreren Ebenen. So begab sich Mierau nicht nur selbst in die Untiefen der Mailinglisten usw., wo man häufig Popcorn findet, sondern bekam welches gesteckt. Dieses Popcorn kanalisierte Mierau in den Focus der Journalisten, die natürlich alle sein Blog lasen und auf Themen stießen, die einem bisweilen sehr peinlich waren. Was bislang eher parteiintern blieb, jedenfalls aber für konventionelle Medien nicht den Schwellenwert für eine Nachricht erreichte, war dank der Überwachung durch die Popcornpiraten schnell ein Thema. Mieraus Überwachung hatte natürlich disziplinierende Effekte und wurde schnell ein geflügeltes Wort, denn wer wollte schon bei den Popcornpiraten landen? Das Popcorn blockierte bisweilen auch mediale Aufmerksamkeit, die die Partei für Sinnvolleres hätte nutzen können.

Wie Mierau selbst im oben verlinkten Vortrag auf der re:publica anmerkt, ist Popcorn alles andere als ein Spezifikum der Piratenpartei. So habe ich noch von keinem Piraten gehört, der die Namen seiner Gegner auf ein Spanferkel geschrieben hätte, wie es neulich ein Münchner SPD-Kandidat tat. Und wenn es Mierau erwähnenswert findet, dass übermotivierte Hessen in einem Moment des Überschwangs ein Foto mit einem Stinkefinger schossen, dann muss man konzedieren, dass Stinkefinger bei der SPD sogar Chefsache sind. Anders als die Grünen hatten wir keinen Kassenwart, der 270.000 € mit Prostituierten durchgebracht hat, wir hatten auch keine Pädo-Altlasten oder sonstige Kriminalität zu bieten. Ebenso wenig gab es bei uns einen Thilo Sarrazin, Jürgen W. Möllemann, Rainer Brüderle oder ähnliches Kaliber.

Natürlich haben wir auch nicht durchgehend durchgestylte, erfahrene oder charismatische Politiker. Alle Menschen, die sich dazu berufen fühlen, aktiv an Politik mitzugestalten, sind nun einmal extrovertiert. Wer es nicht wäre, wäre auch falsch in dem Job. Und wenn etwa Politprofi Angela Merkel mal keine vorbereitete Rede hält, sondern ausnahmsweise improvisiert, dann schrumpft auch sie erstaunlich schnell auf Normalmaß.

Wenn man eine Partei selektiv auf den Boulevard reduziert, dann ist das natürlich nur mäßig angenehm. Da ich aber vor Jahren selbst einmal auf Seiten von sehr lästigen Watchblogs zu tun hatte, kann ich Mieraus Gaudi gut nachvollziehen. ;)

Wenn die gescholtenen, vorgeführten Piraten sich als besonders intensive Popcornfabrikanten wahrnehmen, so gibt es einen Trost: Das liegt wohl vor allem an der Filterbubble. Außerhalb der Parteikreise dürfte das Blog selbst kaum wahrgenommen worden sein. Wie schon oben gesagt, haben die anderen Parteien nicht weniger Popcorn zu bieten. Die heute-Show etwa müsste eingestellt werden, wenn es anders wäre. Und die kommt schon seit einem halben Jahr praktisch ohne die Piraten aus.

Die Wirkung von Mieraus Popcornpiraten war deshalb so stark, weil er nicht etwa, wie manch politischer Gegner, eine gegnerische Partei mit Dreck bewarf. Dass das nicht nur nicht funktioniert, sondern kontraproduktiv ist, sah man sehr schön im NRW-Wahlkampf 2012, wo die Urheber für uns die beste PR gemacht hatten. In der politischen Feind-PR etwa ist weniger fabrizierte Desinformation gefragt als vielmehr geschicktes Platzieren von zutreffender Information.

Wie auch immer, eine Partei, die für Meinungsfreiheit und gegen Zensur eintritt, muss mit einem Watchblog leben. Etwas irritiert war ich, als ich hörte, dass die Piratenpresseleute Anfragen von Mierau ignorierten (wenn’s stimmt …). Ich hatte ihn mal angerufen, um ihn in aller Freundschaft auf ein rechtliches Problem aufmerksam zu machen (in etwa so, wie er es ja in seinem Vortrag von anderen vermisste), und der Kontakt war eigentlich sehr freundlich. Ich habe von ihm keine Unterlassung verlangt und mich auch über nichts ernsthaft beklagt, sondern nur im beiderseitigen Interesse einen Hinweis für die Zukunft gegeben. Erstaunlicherweise hat Mierau das schon etwas länger zurückliegende Telefonat neulich so dargestellt, als hätte ich ihn einer „Kampagne“ geziehen, was schon deshalb Unsinn ist, weil er damals wohl das erste Mal mal überhaupt über mich geschrieben hatte.

Doch es gibt durchaus Abzüge in der B-Note. Mieraus Postings waren dann am besten, wenn er uns authentisch einen Spiegel vorhielt und nur das Nötigste kommentierte. Einige Kommentare allerdings waren unnötig gehässig und gaben einen negativen Spin vor, der für Popcorn als solches, also zur Unterhaltung oder Information, entbehrlich gewesen wäre. Wenn man nun erfährt, dass im Hintergrund der Piratengegner „tante“ trollte, und wenn das Blog dann kurz nach dem Wahlkampf dicht macht, dann hinterlässt das schon einen sehr faden Beigeschmack. Einer Partei hinterherzusteigen, die Transparenz bis zum Masochismus auslebt, per Definition von Amateuren aufgezogen wird und die sich schon auf dem absteigenden Ast befand, ist dann so heldenhaft nun auch wieder nicht. Und manche Postings wirkten dann schon etwas bemüht. Popcornpiraten vom Format eines Netznotars waren eher rar gesät. Lästern und anderen am Zeug flicken kann jeder.

Anyway, Mierau hat mit seinem Watchblog eine spannende journalistische Pioniertat vollbracht, und wenn ich mal die Absicht hätte, einer Partei Schwierigkeiten zu machen, dann wäre das Mittel meiner Wahl ein solches Blog, das den Stil der Partei kopiert und die Popcornpolitiker für sich selber sprechen lässt. In diesem Sinne, nicht unbedingt Dank, aber Respekt an Caspar C. Mierau für ein originelles journalistisches Experiment!

 

16. Oktober 2013

NSA-Video

(via Süddeutsche Blog)

Außerdem hier ein starkes Video von 2007:

(via InsideX)

13. Oktober 2013

Courage gegen tödliche Daten

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Wtear7Nf3oU

Der NSA-Skandal scheint kaum noch Leute zu interessieren, obwohl die Überwachung für uns deutlich relevanter ist als ein abgedrehter Limburger Bimbam. Die Whistleblower, die Snowden gerade in Russland besucht und für seine Courage moralisch gestärkt haben, wurden heute in der US-Presse als „Verräter“ bezeichnet.

Unterdessen hat die couragierte Malala Herrn Obama ins Gesicht gesagt, was sie von seinem Drohnenkrieg in Pakistan hält. Viele der Zielpersonen werden auf Verdacht hin getötet, der auf Daten aus der NSA-Überwachung beruht. Ein faires Verfahren kriegen sie nicht. Etliche Begleiter solcher Zielpersonen, darunter Hunderte Kinder, wurden von Drohnen-gestützten Hellfire-Raketen ebenfalls getötet. Man sollte wissen, dass Obama jeden einzelnen Drohnen-Abschuss durch eigene Unterschrift genehmigen muss. Der Mann tötet pakistanische Kinder, wenn man sie ihm nicht gerade telegen aufs Sofa setzt, inzwischen schon 164.

Als ich diesen Sommer bei einer Protestkundgebung praktisch das gleiche sagte wie Malala, warfen mir irgendwelche faszinierenden Menschen im Berliner Piratenumfeld „Anti-Amerikanismus“ vor. Was genau an meiner Obama-Kritik anti-amerikanistisch gewesen sein könnte, habe ich nie verstanden. Auch bei der diesjährigen Freiheit-statt-Angst-Demo soll es „anti-amerikanistische Untertöne“ gegeben haben, die ich nicht wahrgenommen habe.

12. Oktober 2013

#Beitzergate – Lesekompetenz in 140 Zeichen

Gestern konnte in einem soziologisch eindrucksvollen Moment getestet werden, wie es um die Lesekompetenz und Streitkultur von „Die Piraten(TM)“ steht. Etliche Twitteristen hatten einen anderen Text über Frau Beitzers Variante von Journalismus gelesen, als ich ihn geschrieben hatte.

Im Text hatte ich praktisch nur Argumente FÜR Feminismus gebracht. Ich vertrete nicht einmal die Meinung, dass die Quote grundsätzlich das falsche Instrument sei. Sehr wohl allerdings bin ich der Meinung – und das habe ich auch deutlich so geschrieben – dass beide Meinungen vertretbar sind. Und dass professionelle JournalistInnen respektieren sollten, wenn jemand nicht ihre Ideologie teilt. Zudem habe ich etlichen Piratinnen ausdrücklich meinen Respekt gezollt.

Dennoch habe ich in den Augen einiger LeserInnen einen „antifeministischen Text“ geschrieben. Das verrät mehr über die Perspektive der LeserIn, als über den Text.

Zum Mitschreiben: Ich habe nichts gegen intelligenten Feminismus. Im Gegenteil. Bei der Piratinnenkon hat Nicole von Horst eine entwaffnend starke Keynote gehalten, und ich hätte mir gewünscht, dass es den TeilnehmerInnen gelungen wäre, das Niveau zu halten. Wie nicht anders zu erwarten, legte die Presse den Focus auf die voraussehbaren Peinlichkeiten, die im Vorfeld, am Rande dieser Veranstaltung und danach passiert sind. Leider.

Jemand, der gerne Gegnerlisten auf Twitter führt, hat mich gestern auf eine Liste „rechts“ gesetzt. Als ich mich letzten Monat mit der NPD angelegt hatte, haben die mich zwar tagelang belästigt, aber soweit mir bekannt ist, hat mich von denen kein Blockwart auf eine öffentliche Liste gesetzt.

Der Sprachwissenschaftler(!) Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch war sich nicht zu schade, mir auf Twitter Äußerungen in den Mund zu legen, die ich so nicht gemacht hatte, um mich in Misskredit zu bringen. Mit einem ähnlichen Trick hatte neulich eine große Boulevardzeitung aus dem „Veggieday“ der Grünen ein angebliches Fleischverbot gemacht – die meines Erachtens erfolgreichste Manipulation dieses Wahlkampfs.

Positiv darf ich anmerken, dass mir beim gestrigen Shitstorm offenbar nur eine Person den Tod wünschte.

Mir wurde auch unterstellt, ich wolle der Presse vorschreiben, was sie zu schreiben hat. Im Gegenteil bin ich doch eigentlich als Aktivist für Pressefreiheit bekannt …

In meiner Eigenschaft als damaliger Bundestagskandidat bin ich während der Snwoden-Enthüllungen zu Piratenveranstaltungen durch die halbe Republik gereist – geschrieben wurde darüber so gut wie nichts. Die Pressemitteilungen, an denen ich mitwirkte, wurden gerade einmal vom „Neuen Deutschland“ aufgegriffen. Für Journalisten, die bisweilen aus unseren Tweets Headlines stricken, hatte ich ein NRW-Kandidatenblog eingerichtet, damit jeder vom Schreibtisch aus lesen konnte, wer wir sind und was wir wollen. Soweit mir bekannt, wurde nicht eine einzige Silbe übernommen. Frustrierend, aber als 2%-Partei hat man eben nichts zu melden.

Es ist Sache der Presse, was und wie sie berichten will. Wenn aber eine Journalistin zwei Jahre lang ständig Genderthemen haben will, obwohl wir uns mit anderen Dingen beschäftigen, und dann in ihrem Resümee den Eindruck erweckt, wir wären Sexisten und offen nach rechts, dann ist das nicht mehr nur schwacher Journalismus, sondern irgendwas ganz anderes. Wenn eine Redaktion da über zwei Jahre lang nicht eingreift, dann ist das eben kritikwürdig.

Gestern haben auf Twitter etliche Leute bewiesen, dass sie mit längeren Texten offenbar überfordert sind, vor allem dann, wenn – wie es gestern jemand formulierte – ein Pro-Feminist sich einen Millimeter zu weit von der Linie wegbewegt.

Wir waren mal eine Partei gegen Zensur und für Toleranz. Inzwischen haben wir auf Twitter reaktionäre Politkommissare und ideologische Blockwarte, die einzig die eigene Meinung gelten lassen und zur Durchsetzung zu unappetitlichen Mitteln greifen. Schade eigentlich.

11. Oktober 2013

Hannah Beitzer – JournalistIn – Presse unter Piraten (2)

UPDATE: Bitte beachten Sie vor Lektüre unbedingt diesen Lesehinweis. Danke.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser Wahlergebnis verantwortlich. Das hatte ich vorher hier klargestellt. Ich bin Medienkritiker. Ich kritisiere eine nachhaltig schwache journalistische Leistung.

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10. Oktober 2013

Geheimdienst-Whistleblower besuchen Snowden

Vor zwei Monaten hatte ich das Vergnügen, auf dem europäischen Hackertreffen OHM 2013 in den Niederlanden die Geheimdienst-Whistleblower Ray McGovern (CIA), Coleen Rowley (FBI), Thomas Drake (NSA), Jesselyn Radack (State Dempartment) und Annie Machon (MI5) zu erleben und interessante Gespräche zu führen. Der CIA-Mann beeindruckte mich damit, dass er Sebastian Haffner las. Die Whistleblower nutzten die Gelegenheit, um Edward Snowden ihren größten Respekt zu zollen und forderten die Hacker auf, der Gesellschaft wieder zu Bürgerrechten zu verhelfen.

Diese Woche reisten die US-amerikanischen Whistleblower nach Russland, um Snowden den Sam Adams Award zu überreichen. Gut zu hören, dass es ihm offenbar gut geht, auch seelisch. Keiner der Whistleblower, die ich kenne, hat den Dank erfahren, den ihnen die Gesellschaft meiner Meinung nach schuldet, insbesondere nicht finanziell. Drake etwa, vormals Professor für Informatik in Diensten der NSA, hält sich mit einem Job in einem Apple-Shop über Wasser. Wir benötigen dringend Strukturen, um Whistleblowing attraktiv zu machen. Die Tatsache, dass es der letzte Bundestag nicht geschafft hat, sich auf ein Hinweisgeberschutzgesetz zu verständigen, ist eine Schande. Schade, dass die Medienvertreter insoweit keinen nennenswerten Druck gemacht haben.

Das Thema lässt sich leider nicht so einfach auf dem Boulevard platzieren wie ein etwas zu weltlicher Geistlicher, obwohl es dramatisch wichtiger wäre.

UPDATE: Nein, ich mache die Presse NICHT für unser schwaches Abschneiden verantwortlich. Das hatte ich in meinem ersten Beitrag klargestellt. http://www.kanzleikompa.de/2013/10/09/seemannsgarn-gallionsfiguren-und-mehr-frauen-hauptstadtjournalisten-unter-piraten/

9. Oktober 2013

Seemannsgarn, Gallionsfiguren und „Mehr-Frauen“ – Hauptstadtjournalisten unter Piraten

https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&list=PLB0D0D18AEDC55D0B&v=eMagGx9JPAc

 

Vorab:

Ich lege gesteigerten Wert auf die Feststellung, dass ich den Medien keine bis wenig Schuld am Abstieg der Piraten gebe.

Im Gegenteil beklage ich sogar, dass Journalisten 2011/2012 überhöhte Erwartungen weckten und nicht früher kritischer über das Piratenprojekt urteilten, wo es angebracht war, um absehbare Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren. Der Verlust an Wohlwollen und Aufmerksamkeit ab Sommer 2012 ist definitiv hausgemacht und von den Verantwortlichen, und denen, die sie gewähren ließen, wohlverdient. Nach der Niedersachsenwahl mit 2% ging es in erster Linie um Haltung. Der Bundestagswahlkampf war spätestens im Frühjahr 2013 definitiv zu Ende, nachdem feststand, dass die Kommunikationsstrukturen nicht ansatzweise funktional waren und bleiben würden. Selbst eine noch so wohlwollende Presse hätte uns so nicht mehr über 5% gehoben. Nicht einmal während der Snowden-Enthüllungen gelang es der Piratenpartei, das Thema medienwirksam zu besetzen oder Expertise zu kommunizieren. Die einstige „Internetpartei“ spielte sich als Sozialreformerin auf, warb mit den gleichen Themen wie die meisten Mitbewerberinnen, jedoch ohne Alleinstellungsmerkmale oder Persönlichkeiten. Gesichter der Partei im öffentlichen Gedächtnis waren skurrile Vorstände sowie unreife Herrschaften insbesondere in Berlin, von denen man nach einem Jahr Welpenschutz genug gesehen hatte.

Die Presse beschränkte sich 2013 im Wesentlichen auf Ignorieren der 2%-Partei, die Gegnern nicht einmal mehr das Bewerfen mit Dreck wert war. Die in der „kleinen Bundestagswahl“ während des NRW-Wahlkampfs von 2012 erlebten Peinlichkeiten wie die „Mein Kopf gehört mir“-Kampagne des HANDELSBLATTS, der „ZEIT-Aufruf“ und der irre Rant des CICERO-Herausgebers, die unfreiwillig PR für die Piraten machten, blieben 2013 aus. Pädo-Storys lancierte man diesmal über die Grünen und die FDP; auch eine kollektive Medienhysterie über eine halluzinierte Unterwanderung durch Nazis wurde uns dieses Jahr erspart. Eine nicht mehr allzu originelle Partei, die als einzige bei Verlagen weder Anzeigen schaltet noch Medienbeteiligung oder verwurzelte Redaktionskontakte pflegt, hat nun einmal nur geringe Ansprüche auf Aufmerksamkeit.

Nein, die Presse trifft keine bis wenig Schuld an der Misere der Piraten. Dennoch ist es eine Frage der Hygiene, das gelegentliche Foulspiel und mangelndes journalistisches Handwerk zu dokumentieren, denn politischer Journalismus ist für die Gesellschaft wichtig. Die Vollprofis aus dem Berliner Hauptstadtjournalismus, die ich demnächst hier in meinem Blog behandeln werde, hätte ich auch im Falle eines glorreichen Wahlsiegs öffentlich in gleicher Weise kritisiert. Sie hätten eigentlich die Aufmerksamkeit der Medienkritiker wecken müssen. In Berlin funktioniert politischer Journalismus keinen Deut weniger provinziell als anderswo. Nachdem wir nun die Wahlen des Herbstes 2013 hinter uns gebracht haben, ohne dass sich jemand des Themas annahm, fällt nun mir die Chronistenpflicht zu, der Nachwelt von diesen Glanztaten der „vierten Macht“ zu künden.

Die beißende Ironie an den hier demnächst zu erzählenden Geschichten ist, dass der Partei, die als „postgender“ startete und Pressefreiheit so hoch wie keine andere hielt, ausgerechnet die Kombination von beidem nicht bekam. Vielleicht gelingt es Regisseuren wie Helmut Dietl oder Sönke Wortmann, aus journalistischem Totalversagen einen satirischen Film wie etwa „Der Campus“ zu machen. Wie wir sehen werden, bietet der Stoff für eine Polit- oder Mediensatire mehr als genug Inspiration.