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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


11. Juli 2014

NSA: Die Medien gutieren Staatstheater

 

Die „Berichterstattung“ über die Reaktion der Bundesregierung auf den jüngsten Spionageskandal zeigt einmal mehr, wie unbrauchbar unsere eingetaktete politische Journaille arbeitet. Von mir aus könnte man die meisten Hauptstadtjournalisten gleich mitausweisen.

Da wird gejubelt, dass endlich mal – erstmals seit 70 Jahren Kolonialismus – ein CIA-Resident faktisch des Landes verwiesen wird. Angeblich sei man in Washington peinlich berührt. Es wird kritiklos berichtet, dass Deutschland die Zusammenarbeit mit der NSA erst einmal auf Eis lege.

B*******!

  • Ob der örtliche CIA-Aufseher bleibt oder ausgetauscht wird, spielt nicht die geringste Rolle. Das ist nichts weiter als psychologisches Symboltheater.
  • Solange im Dagger Complex über 1.000 SIGINT-Spione weiterhin ihre Arbeit verrichten und in Wiesbaden mit deutschen Steuergeldern(!) ein neues NSA-Abhörzentrum errichtet wird, ändert sich an der Überwachungspraxis genau gar nichts.
  • Angesichts der „Abhängigkeit“ deutscher Behörden vom Schatz der NSA und der im NATO-Statut verbrieften „Sicherheitsinteressen“ der in Deutschland stationierten US-Truppen ist eine Abkehr von einer Zusammenarbeit mit US-Diensten faktisch ausgeschlossen.
  • Die Behauptung eines Geheimdienstes, er würde dies und jenes nicht machen, ist ohne Überprüfbarkeit nichts wert.
  • Gestern wurden wieder von einer Drohne aus sechs Menschen getötet, vermutlich vom Operationszentrum in Ramstein Airbase aus. Das ist nach wie vor eine (nicht rechtlich, aber der Rechtspraxis nach faktisch) „exterritoriale“ Kolonie der USA. Die sechs Toten haben es allerdings nicht prominent in die Nachrichten geschafft.
  • In den USA interessiert sich für die deutschen Befindlichkeiten kein Mensch. Das US-TV berichtet über das Ausland nur, wenn dort irgendein Krieg ist.

Hinter den Kulissen geht die Arbeit weiter wie eh und je. Der CIA-Ami wird in seiner Community als Held empfangen werden, der patriotisch den Kopf hingehalten hat. Vielleicht bekommt er einen „Oliver North Orden“ oder so.

 

8. Juli 2014

William Binney über die NSA

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=lq_Df0VMtfg

 

Letzte Woche war ich bei der 4. Netzpolitischen Soirée der GRÜNEN in Berlin, wo es um den NSA-Untersuchungsausschuss ging. Angekündigt waren u.a. der Präsident des Inlandsgeheimdienstes, der sich unseren Fragen auf einem Podium stellen sollte. Allerdings mussten er sowie Konstantin von Notz wegen einer überraschenden Sitzung im Parlamanetarischen Kontrollgremium kurzfristig absagen – am Folgetag erfuhren wir, worum es wohl gegangen sein dürfte, nämlich den CIA-Maulwurf, der ebenfalls Interesse am NSA-Ausschuss hatte.

Die Programmänderung hatte jedoch den Vorteil, dass Whistleblower William Binney nun die ungeteilte Aufmerksamkeit erfuhr. Binney ist nichts weniger als einer der Architekten der heutigen NSA. Er gilt als einer der besten Codeknacker der Welt und hatte 6.000 NSA-Techniker unter sich. Binney schätzt den aktuellen SIGINT-Etat auf etwa 100 Milliarden – und hält die NSA zur Terrorbekämpfung nahezu für sinnlos, allerdings für totalitär. Es dürfte schwierig sein, einen solch hochkarätigen Zeugen als „antiamerikanisch“ oder als „Verschwörungstheoretiker“ abzutun.

Unmittelbar vor der Veranstaltung sagte Binney im NSA-Ausschuss aus, wo es die Christdemokratien fertig brachten, den erhofften Stream aus dem NSA-Ausschuss zu zensieren. Umso mehr Aufmerksamkeit möge daher dem obigen Video zuteil werden. ;)

30. Juni 2014

NSA löst POEBEL auf

 

Wie die NSA gestern bekannt gab, wird die Einheit zur Beobachtung der Social Media der Berliner Piratenpartei (Pirate Observation Entity for Berlin Extremists feat. Lauer – POEBEL) nunmehr aufgelöst. Die Auswertungsabteilung in Fort Meade war die kostspieligste ihrer Art: Eine automatisierte SocInt-Analyse etwa der Twitter-Konversation von Berliner Piraten war nicht möglich, da diese keiner Logik folgt und nicht einmal Organigramme möglich waren, wer mit wem wirklich redet. So mussten rund um die Uhr deutsche Muttersprachler die Tweets und DMs von Berliner Piraten lesen, wobei das psychologisch betreute Team streng darauf achtete, pro Person eine maximale Tagesdosis von 30 Minuten nicht zu überschreiten. Trotz zweithöchster Besoldungsstufe hatte die NSA größte Schwierigkeiten, freiwilliges Personal zur Lektüre von Berliner Tweets zu finden, so dass sie am Schluss hierzu Häftlinge zwangsverpflichtete.

POEBEL und die hierdurch ermöglichten Zersetzungsmaßnahmen gelten als mit die größten Erfolge der US-Geheimdienste der letzten Jahre. So konnte man erfolgreich eine Bürgerrechtspartei durch provozierte Selbstbeschäftigung daran hindern, gegen den Überwachungsstaat Stimmung zu machen. Im für die NSA kritischen Snowden-Jahr, in das ausgerechnet die Bundestagswahl fiel, hatte die diskreditierte Piratenpartei keine Stimme mehr von irgendwie messbarem Gewicht. Die seit 2012 unter eine Dauerführungskrise leidende Partei war von Berliner Piraten auf der Verwaltungsebene kontrolliert und vor allem in den Medien repräsentiert worden, obwohl die Handelnden gar nicht repräsentativ waren.

Wie sich am Wochenende zeigte, fielen von Berlin protegierte Kandidaten, so sie denn nicht freiwillig zurückzogen, gnadenlos durch. Spontankandidat Christopher Lauer scheiterte an einer Formalität, die er vor zwei Jahren selbst etabliert hatte: So hatte er eine Urkunde mit erforderlichen Unterstützerunterschriften nachträglich manipuliert, im Video ab Minute 39.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre hatte sich beträchtliche Anzahl an Piraten in den anderen Bundesländern nicht entmutigen lassen und binnen Monaten eine alternative Versammlungsleitung aufgebaut. Undemokratischen Methoden begegnete man souverän mit demokratischem Verhalten. Machtverlust schmerzt, in einer Demokratie ist Wechsel jedoch der Normalfall.

In gewisse Verlegenheit geraten nun die Hauptstadt- und Twitter-Journalisten, die im Bundestagswahljahr fast durchgehend auf Berliner Filterbubbles und journalistische Echochambers hereinfielen. Eine bundesweit agierende Partei wurde bemerkenswert selektiv wahrgenommen und in einer Weise dargestellt, bei der man sich für seine Mitgliedschaft bisweilen sehr schämen musste. Wie sich jedoch an den Manipulationsversuchen im Vorfeld des Bundesparteitags zeigte, wo man es mit Zensur, Nichtakkreditierung unerwünschter Piratenpresse und trickreichem Ausschluss von Mitgliederrechten versuchte, waren viele der an Machtpositionen gerutschten Personen keine Piraten, sondern verblendete Ideologen. Allerdings keine echten Linken, denn Linke achten Arbeit und beweisen Solidarität, die auch aus Geben besteht.

Nachdem die Wirkmacht des Landesverbands Berlin am Wochenende auf Normalmaß zurückgefahren wurde, erhofft sich die NSA keinerlei verwertbare Erkenntnisse mehr, die eine tagesaktuelles Monitoring der Berliner Filterbubble rechtfertigen. Diese wird fortan bei der NSA nur noch wie Angry Birds-SocInt auf Vorrat gespeichert, interessiert aber niemanden mehr.

27. Juni 2014

KOMPASSGATE – Thorsten Wirth pullt eine Streisand

 

Wer hätte das gedacht? Piraten-Ex-Vorsitzender Thorsten Wirth und seine Getreuen machen jetzt die Streisand.

Nun wäre es ja durchaus nachvollziehbar, wenn Wirth sein unfassbar peinliches Interview mit dem Weser-Kurier wieder einfangen wollte. Das bislang einzige Politiker-Interview in dieser Liga wurde 2010 zwischen einer Geisterbeschwörerin und Uwe Barschel geführt. Doch Wirth ärgert sich nicht über seinen Missgriff, sondern will dem im Piratenumfeld erscheinenden KOMPASS am Zeug flicken.

Der KOMPASS nämlich hatte zum kommenden Bundesparteitag eine Sonderausgabe gebracht, in der er das Wahlsystem erklärt und die bis dahin bekannten Kandidaten vorstellt. Der Umstand, dass die Unwählbaren mit „Wahlempfehlung des progressiven Flügels“ gekennzeichnet sind, liegt in der Natur der Sache und ist zudem eine Frage der subjektiven Perspektive bzw. Hirnmasse. Die Darstellung ist fair und ausgewogen, presserechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.

Doch die Freiheit von Informationen, Meinung und Presse missfiel dem Piraten(?) Wirth offenbar, und da er sich kein Unrechtsanwalt leisten wollte, der dann zum Landgericht Hamburg tapert, musste der Partei-Justiziar seine Künste beweisen. Der verlangte zunächst vom KOMPASS eine „Gegendarstellung“, und zwar online und sogar in der aktuellen(!) gedruckten Ausgabe. Der KOMPASS gewährte eine solche in der online-Fassung, und zwar hauptsächlich deshalb, damit auch jeder weiß, mit welchen „Piraten“ man es zu tun hat. Was von dem Gebaren des Justiziars zu halten ist, habe ich hier seziert.

Doch die Online-Gegendarstellung reichte den Wirthsleuten nicht, auch die Print-Ausgabe sollte mit der „Gegendarstellung“ versehen werden. Natürlich hat der KOMPASS, vertreten durch Kompa, eine abgeforderte Erklärung höflich abgelehnt und wird nichts in seine aktuelle Ausgabe einfügen.

Während der Halbzeitpause des gestrigen Spiels zwischen Deutschland und den USA nun schickte der tapfere und wohl etwas erregte Justiziar gleich dreimal ein Fax, in dem „die Piratenpartei Deutschland“ auf ihr Hausrecht auf dem kommenden Bundesparteitag in Halle an der Saale am 28. und 29. Juni hinweist und dem Herausgeber das „Verteilen von Druckerzeugnissen“ untersagt.

Ich habe Zweifel, ob der Justiziar tatsächlich in Vertretungsmacht der Piratenpartei handelt, denn Zensur ist eigentlich etwas, bei dem wir dagegen waren. Die Ausgabe des KOMPASS ist sachlich nicht zu beanstanden. Der Justiziar hat mir weder einen Beschluss eines gegenwärtigen Entscheidungsträgers vorgelegt noch glaube ich, dass die am BPT für das Hausrecht zuständige Versammlungsleitung mit dieser Zensur einverstanden sein wird. Entgegen anderen Verfahren hat mir der Justiziar auch keine Vollmachtsurkunde vorgelegt, weshalb ich auf diesem Wege das Anliegen nach § 174 Satz 1 BGB zurückweise.

Der plumpe Zensurversuch geht allerdings wie stets etwa auch bei der TITANIC ins Leere: Die Auflage des KOMPASS ist bereits ganz überwiegend verteilt. Vor der Halle kann Wirth das Verteilen nicht untersagen. Da ein solches Verbot nur das Verteilen durch den Herausgeber verbietet, darf jeder Pirat erhobenen Hauptes mit seinem KOMPASS in die Halle einmarschieren – oder auch mit einem Stapel, falls andere Papier-affine Piraten lesen wollen, was Wirth ihnen zensieren will.

Ob es die Wirthsleute schaffen, rechtzeitig zum BPT Internetsperren zu installieren, um ein digitales Einsickern des KOMPASS zu verhindern, wird man sehen. Wer nun denkt, dass Piraten-Babo Thorsten Wirth nicht mehr tiefer sinken könnte: Das nächste Gate wird noch im Laufe dieses Tages bekannt gegeben. Stay tuned! Um das Warten zu überbrücken, hier ein Rahmenprogramm:

UPDATE: Für den BPT14.2 wurde eine Hausordnung vorbereitet, die allgemein das Auslegen und Verteilen von Druckerzeugnissen verbietet. Kann man machen. Aber gegenüber einem bestimmten Herausgeber willkürlich im Vorfeld ein konkretes Verbot auszusprechen, ist Zensur.

 

26. Juni 2014

Wie man keine Gegendarstellung durchsetzt – Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

 

Das Durchsetzen einer Gegendarstellung gehört zu den anspruchsvollsten Aufgabenstellungen im Presserecht. In der Praxis geht es meistens schief, weil es viele Tücken und Unwägbarkeiten gibt. Manche Juristen scheitern allerdings schon an der simplen Lektüre des Gesetzes. So etwa der Justiziar der Piratenpartei Deutschland, der sich an der Sonderausgabe des KOMPASS zum außerordentlichen Bundesparteitag am kommenden Wochenende störte. Damit es das nächste Mal etwas besser klappt, hier die Manöverkritik zur

Aufforderung zum Abdruck einer Gegendarstellung (pdf).

Anders als Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche usw. ist der Anspruch auf Gegendarstellung ein Anspruch eigener Art. Da Medien über große Wirkmacht verfügen, wird bei aufgestellten Behauptungen über Tatsachen den Betroffenen mit dem Gegendarstellungsanspruch eine Waffe in die Hand gegeben, um sich in gleicher Reichweite Gehör zu verschaffen. So müssen Medien eine vom Betroffenen formulierte Gegendarstellung abdrucken.

Für Druckwerke, die in NRW erscheinen, gilt das dortige Landespressegesetz NRW. Insoweit noch zutreffend, stützte sich der forsche Piraten-Justiziar auf § 11 Landespressegesetz NRW. Alles weitere allerdings mochte dem Justiziar jedoch nicht gelingen.

1. Unterzeichung durch Berechtigten

Wie in § 11 Abs. 2 Satz 4 nachzulesen ist, muss die Gegendarstellung von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein. Unterzeichnet hat sie jedoch Justiziar Bokor. Der ist aber gar nicht betroffen. Ebensowenig werden Parteien oder kommissarische Vertretungen gesetzlich von einem Justiziar vertreten. Damit ist das Gegendarstellungsverlangen bereits gegenstandslos.

2. Zugang in Schriftform

Eine Gegendarstellung kann frühestens ab Zugang der Urschrift verlangt werden. Der Brief des Justiziars vom 24.06.14 wurde aber erst am 25.06.14 abgestempelt und ging natürlich erst am 26.06.14 zu. Daher war die gesetzte Frist zum 25.06.14, 15.00 Uhr, untauglich. Eine Vorabübersendung per E-Mail ist gegenstandslos.

3. aufgestellte Tatsachenbehauptung

Das Gegendarstellungsrecht gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 nur im Bezug auf aufgestellte Tatsachenbehauptungen. Der Justiziar hat leider nicht so genau mitgeteilt, welche Tatsachenbehauptungen er genau beanstandet.

So unterstellt er dem KOMPASS offenbar, dieser hätte behauptet, die Entlastung des Vorstands sei eine „reine Formsache“. Zwar lautete die Überschrift „Formalia“ und und da steht etwas von „formellem Akt“, aber die genannte Behauptung ist eine subjektive Interpretation des Justiziars. Der schreibt übrigens selbst etwas von „förmlichem Verzicht“. (Hat da jemand die Förmchen geklaut …?)

Zudem stört sich der Justiziar daran, dass der KOMPASS die Bestellung der Frau Laura Sophie Dornheim als „überraschend“ bezeichnet. Die Einordnung eines Ereignisses als „überraschend“ ist keine reine Tatsachenbehauptung. Da die Auswahl von Frau Dornheim im dargestellten Kontext durchaus nicht zu erwarten war, darf man diese getrost als überraschend bewerten. Werturteile sind aber keine gegendarstellungsfähigen Tatsachen.

Damit war das Mittel der Gegendarstellung gänzlich untauglich.

4. berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung

§ 11 Abs. 2 Satz 1 a) sieht als Ausschlusskriterium das Fehlen eines berechtigten Interesse an der Veröffentlichung vor. Da keine gegendarstellungsfähigen Tatsachen aufgestellt wurden, erübrigt sich dieser Punkt.

5. angemessener Umfang der Gegendarstellung

§ 11 Abs. 2 Satz 1 b) soll geschwätzige Gegendarstellungen vermeiden. Eine positive Fiktion findet sich in Satz 2:

Überschreitet die Gegendarstellung nicht den Umfang des beanstandeten Textes, so gilt sie als angemessen.

Bei gleichem Satz beanspruchte der erste Punkt das zehnfache, der zweite Punkt das fünffache. Damit befindet sich das Begehren im Risikobereich und müsste gut begründet sein. Die eingereichte Besinnungsaufsatz genügt dieser Anforderung nicht, auch der zweite Text verfehlt das Thema.

6. Beschränkung auf tatsächliche Angaben

§ 11 Abs. 2 Satz 3 schreibt vor, dass sich die Gegendarstellung auf tatsächliche Angaben beschränken muss. Das ist dem Justiziar offensichtlich nicht gelungen. Schon gar nicht mit dem Gendersternchen.

7. Abdruck in nächster Ausgabe

§ 11 Abs. 3 sagt:

Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer (…) abgedruckt werden.

Für das Verlangen des Justiziars, der bereits gedruckten Ausgabe eine Gegendarstellung beizufügen, bietet § 11 Landespressegesetz keine Grundlage.

Wie gesagt, diese Fehler wären bei simpler Lektüre des Gesetzes selbst für einen Nichtjuristen ohne weiteres vermeidbar gewesen. Die weiteren Unzulänglichkeiten, etwa die behauptete Vertretungsmacht für einen „Vorstand“, den es seit dem 16.03.2014 gar nicht mehr gibt, möchte ich nicht vertiefen. Ebenso wenig die Mitwirkung des Herrn Alexander Zinser auf der Vollmachtsurkunde, denn Herr Zinser war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Vorstands. Auf welcher Rechtsgrundlage Herr Zinser nachträglich zum Mitglied der kommissarischen Vertretung bestellt wurde, erschließt sich mir auch nicht so recht.

Der KOMPASS hat übrigens die Gegendarstellung online eingearbeitet, und zwar zu dem Zweck, damit sich jeder ein Urteil über die Mentalität der Beteiligten und die Kompetenz des Justiziars bilden kann. Selbstverständlich wurden die gewünschten Erklärungen nicht abgegeben und auf Nachfrage ausdrücklich ausgeschlossen.

Dem Justiziar ist bei der Anwendung anderer Gesetze mehr Glück zu wünschen.

Klinsmann und das Presserecht

Heute titelt die BILD-Zeitung mit Jürgen Klinsmann, einem langjährigen Prozessgegner des Axel Springer Verlags. Und diesmal ist man in der komfortablen Lage, auf einen gemeinsamen „Gegner“ zu verweisen, denn Klinsmann trainiert bekanntlich die US-Mannschaft im heutigen Spiel gegen die deutsche Elf.

Die BILD-Zeitung maßt sich seit Jahrzehnten an, mitzubestimmen, wer Kanzler oder Bundestrainer wird usw.. Wer was werden will, der muss mit BILD tanzen. Wollte Klinsmann aber nie. Von Anfang an schirmte er sein Privatleben ab, so wie es jedem zusteht. Im Gegensatz zu Lothar Mathäus, der BILD zuverlässig mit Boulevard-Käse versorgte. 1996 musste Mathäus gehen, offenbar auch auf Betreiben von Klinsmann.

Während der EM 1996 in England griff die BILD-Zeitung einen Besuch der Nationalelf in einer Hotelsauna auf, wo die Deutschen im Adamskostüm aufliefen – auf der Insel hält man nämlich in der Sauna Bekleidung für zweckmäßig. Durch ein Foto entstand der Eindruck, als wäre Klinsmann entsprechend freizügig durch das Hotel marschiert. Klinsmann erstritt für diesen Jux von BILD 25.000,- €, die er spendete.

Als Gerüchte über Klinsmanns Privatleben auftauchten, griff diese während der WM 1998 etwa Harald Schmidt auf, der aus vermeintlicher Sicht von Mathäus das „geheime WM-Tagebuch“ servierte und ihm satirisch „Zitate“ wie „Warmduscher“ und „Schwabenschwuchtel“ in den Mund legte. Das fand der DFB nicht witzig und erstritt von Schmidt eine Unterlassungserklärung.

Anders als seine Vorgänger lieferte Klinsmann auch keine Mannschaftsaufstellung im Voraus an BILD, alle Journalisten bekamen die Infos gleichzeitig. „Grinsi-Klinsi“ blieb auch in den Folgejahren unfreiwilliger Dauergast bei BILD, wie das BILDblog dokumentiert. Selbst Auswandern in die USA nutze nichts.

2009 fand Klinsmann einen neuen Gegner: die TAZ, die ihn satirisch an Kreuz schlug. Das Landgericht München meinte allerdings, dass auch einem gläubigen Christen so etwas zuzumuten sei, ebenso das Oberlandesgericht.

Egal. Wichtig is auf`m Platz!

25. Juni 2014

Luxemburger Bombenleger-Prozess geplatzt

 

Da ich am Wochenende ohnehin in der Gegend war, machte ich am Montag erneut einen Abstecher nach Luxemburg, um Impressionen des Bommeleeër-Prozesses aufzunehmen. Leider stand ich vor verschlossenen Türen, weil die da ihren Nationalfeiertag begingen. Da wurde mir klar, warum der Kollege Dr. Vogel meinte, der Dienstag wäre spannender … ;)

 

 

Heute nun ist das Verfahren am 176. Prozesstag geplatzt. Nunmehr nehmen sechs zum Teil hochrangige Gendarmen auf der Anklagebank platz, weil das Gericht mit dem Aussageverhalten der Staatsdiener nicht zufrieden war. Die „Gästeliste“ des „Jahrhundertprozesses“ war beeindruckend: Nicht nur Polizeichefs, Geheimdienstchefs und Ex-Staatschef Juncker, sondern sogar die Prinzen und deren Kindermädchen mussten in den Zeugenstand. Ein solches Verfahren würde ich mir auch für Deutschland wünschen.

14. Juni 2014

Die Opfer des Prof. Dr. Reinfried Pohl

https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=l29quUqn77s

De mortui nisi nihil bene – über die Toten nur Gutes. Nach diesem Motto fielen dann auch – manchmal wenigstens mit verklausulierter Kritik – die Nachrufe auf Dr. Reinfried Pohl aus. Wirklichen Klartext leistete sich bislang noch keine Zeitung.

Opfer 1: Privatkunden

Pohl hatte für Versicherungsunternehmen Absatzorganisationen mitaufgebaut, zunächst die Bonnfinanz, dann seine Deutsche Vermögensberatungs AG. Die scheinbar als Berater der Kunden agierenden „Experten“, die nicht einmal einen Schulabschluss benötigten, standen tatsächlich im Lager der Finanzindustrie. Die „Beratungsergebnisse“ ließen sich über die Provision steuern, die der Drücker für Vertragsabschlüsse erhielt. Die Provisionsjäger, die in Schnellkursen zu „beratenden“ und „unabhängigen“ Abschlussvertretern „ausgebildet“ wurden, boten nicht nur Versicherung an, sondern auch sonstige Finanzdienstleistungen.

Diese „Allfinanz“, die Dr. Pohl als großartige Innovation empfand, bietet heute praktisch jede Bank. Ein Produkt, das man nicht bekam, war eine Rechtsschutzversicherung, die vor den vermittelten Produkten der DVAG schützte. Es ist Drückerkolonnen wie der DVAG zu verdanken, dass viele Deutsche eine Lebensversicherung für eine sinnvolle Alterssicherung zum Vermögensaufbau halten.

Zur Qualität der vertriebenen Produkte und der Beratungsleistung möchte ich mich aus berufsrechtlichen Gründen nicht äußern.

Opfer 2: Handelsvertreter

Die DVAG ist ein nach dem Pyramidensystem aufgebauter Strukturvertrieb, indem Menschen, die etwa in ihrem Berufsleben nicht erfolgreich waren oder sich anderweit nicht bewährt hatten, eine zweite Chance bekamen: Provisionsbasiertes Klinkenputzen – als Handelsvertreter, bei dem man die Nachteile des Angestellten mit denen des Selbständigen kombinierte. Viele Versicherungsberater können sich nicht einmal die eigene Krankenversicherung leisten.

Wer wirklich Geld verdienen will, muss nicht nur massenhaft Abschlüsse durchdrücken, sondern in der Pyramide aufsteigen und an seinen nachgeordneten Strukkis verdienen. Dabei wird ein großer Erfolgsdruck aufgebaut und mit „Motivationsseminaren“ flankiert. Pohl sprach immer von der „Familie“, und tatsächlich kümmerte sich die DVAG um ihre Leute inklusive Urlaubsgestaltung: So besitzt man Hotels, Ferienanlagen und Rechte an den AIDA-Schiffen, und hält damit das eigene Personal nicht nur bei Laune, sondern verdient auch an derem Urlaub noch mit.

Unserer Erfahrung nach sind DVAGler gegen Unternehmenskritik immun und glauben fest an ihre Organisation, bis sie plötzlich draußen sind. Da sie keine Arbeitnehmer sind, muss man sie nicht einmal kündigen. Bei den meisten Strukkis allerdings ist die Karriere schnell zu ende, etwa dann, wenn man den Familien- und Freundeskreis versichert hat und keine Kunden mehr findet. Dann ist plötzlich von der Wärme der Familie nichts mehr zu spüren, stattdessen lernt man die Kälte der Anwälte kennen. Plötzlich sind die Provisionskonten von heute auf morgen dicht.

Mein Kollege Kai Behrens, mit dem ich seinerzeit das Handelsvertreterblog aufbaute, hat Hunderte Ex-DVAGler vertreten, vom kleinen Strukki bis hin zur höchsten Struktur. Die Verzögerungstaktik und Prozesstricks haben Methode, weiß doch die DVAG, dass Aussteiger typischerweise pleite sind und sich keine kostpieligen Prozesse leisten können. Schon die Anfahrt nach Frankfurt, wo zentral zu prozessieren ist, überfordert viele.

Opfer 3: Die Politik

Pohl starb als steinreicher Mann, der mehr einstrich als die Manager etwa der Deutschen Bank, deren Produkte er ebenfalls vertrieb. Pohl selbst hat nie etwas hergestellt oder Risiken übernommen, sondern nur parasitär an Geschäften anderer verdient – nicht selten wohl den Löwenanteil.

Pohl hatte es auch politisch zu beachtlichem Einfluss gebracht und konservative Politiker favorisierte. Nicht nur etwa in Hessen am Firmensitz in Frankfurt oder im Pohlschen Marburg. Der erfolgreichste Versicherungsdrücker Pohl war vor ein paar Jahren quasi Chairman beim Nachtreffen von Bush senior und Helmuth Kohl, als man die deutsche Einheit mal wieder feierte.

Kohl und Pohl verdanken einanader viel – so viel, dass das halbe Kabinett Kohl bei Pohl mit Frühstücksdirekorenpöstchen bedacht wurde, während umgekehrt auf geheimnisvolle Weise die Bundesregierung zwingende Vorgaben aus Brüssel zur Verbesserung des Verbraucherschutzes einfach nicht umsetzte und schließlich durch erstaunliche Ausnahmen unterhöhlte. Bei den Wetten, wer wohl Kohls geheimnisvoller Spender war, gehörte Pohl zu den Favoriten.

Als 2009 Guido Westerwelle Vizekanzler wurde, machte ich öffentlich, dass er im Beirat der DVAG saß. Eine unbedachte Gratulation versuchte die DVAG erst zu vertuschen, dann korrigierte man die Peinlichkeit. Die DVAG-Gruppe gehörte zu den eifrigsten Spendern von Schwarz-Gelb. Aus irgendwelchen Gründen klemmte Pohl die FDP jedoch im Laufe der Koalition vom Geldhahn ab, denn die DVAG gibt sich vorzugsweise nicht mit Verlierern ab. Kohls abgestiegenen Verein 1. FCK finanzierte die DVAG gerade noch so.

Viele Storys über Pohl wurden im Laufe der Jahre an mich herangetragen. Verglichen mit Pohl erscheint mir Maschmeyer und die von ihm aufgezogene Strukkibude AWD gerade zu als seriös. Eine soziale Ächtung, wie sie Maschmeyer vor ein paar Jahren viel zu spät und viel zu schwach erfahren musste, blieb Pohl erspart, dazu waren seine Kontakte einfach zu gut. So ließ sich Pohl seine Biographie von Ex-FAZ-Herausgeber, HR-Talker und BILD-Kollumnisten Hugo Müller-Vogg salbadern und stellte etwa den vormaligen ZDF-Intendanten Dieter Stolte ein.

Erst vor wenigen Jahren traute sich die ARD, einen ausführlicheren Blick auf das Schicksal der DVAG-Handelsvertreter zu werfen. An der Doku „Wenn der  Vermögensberater klingelt …“ haben der Kollege Behrens und im Hintergrund ich mitgewirkt. Spannend ist auch das Buch eines Whistleblowers, in dem die DVAG über 100 Äußerungen verbieten lassen wollte. Das ablehnende Urteil des OLG Frankfurt hatte in Karlsruhe Bestand.

Wie mächtig Pohl auch nach seinem Ableben ist, sieht man an den weichgespülten Nachrufen, in denen zahlreiche Autoren großes Mitleid für den „armen“ reichen Pohl spenden, der so am schlechten Ruf seines Unternehmens litt. Das zur SPIEGEL-Gruppe gehörende manager magazin zollte sogar „Respekt“. Pohls Begräbnis wird vermutlich eine Art Staatsakt werden. In BILD spendete Kohl den Nachruf auf seinen engen Freund. Zeitlebens wurde in der DVAG um den „Doktor“, wie man ihn dort ehrfürchtig nannte, ein befremdlicher bis obskurer Personenkult getrieben.

7. Juni 2014

Verfalldatum für Nackedeis?

Die Schauspielerin Corinna Drews brachte es 1986 zu einer gewissen Bekanntheit in „Kir Royal“, wo sie ausgerechnet ein Starlet spielte, das von einem Klatschreporter berühmt gemacht werden wollte. Dreimal posierte sie auf dem Titel des Anatomie-Fachmagazins „Playboy“, wo sie ihr Gesicht und andere Körperteile in die Kamera schwenkte (bei Interesse bitte selber googeln …). Erstmals hatte sie 1981 für das Fachblatt blank gezogen und darüber informiert, ihr Sport seien Männer.

33 Jahre später war dem gereiften Nackedei die Aktion irgendwie peinlich, was deshalb verwunderlich ist, weil sie das peinlichste machte, was man tun kann: In eine RTL-Containercampwasweißichprollshow zu gehen. Sauer wurde Frau Drews, als eine für BILDberichterstattung bekannte Boulevardzeitung dieses Ereignis mit einem historischen Playboyfoto von 1981 illustrierte. Sie zog vor das Landgericht München, wo sie anders als aus der Show nicht bei der ersten Gelegenheit rausflog, und begehrte Unterlassung. Und Geld hätte sie dafür natürlich auch gerne.

Grundsätzlich ist eine nach § 22 KunstUrhG erforderliche Einwilligungserklärung in das Verbreiten und Zur-Schau-Stellen eines Portraitfotos unwiderruflich. Ob man beim Foto bekleidet war oder nicht, spielt normalerweise keine Rolle. Anders als etwa im Urheberrecht gibt es kein „Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung“. Andernfalls wäre jedes Foto, auf dem jemand erkennbar ist, mit unkalkulierbaren Rechtsunsicherheiten belastet. Der Playboy hatte damit grundsätzlich das zeitlich unbegrenzte Recht zur Auswertung erworben, soweit nichts anderes vereinbart war. Möglicherweise war der Verlag sogar zur Weiterlizenzierung berechtigt.

Gerichte legen den Umfang von Einwilligungserklärungen nach § 22 KunstUrhG allerdings einschränkend aus. Wer etwa gefilmt wird, muss eine ungefähre Vorstellung haben, wofür die Aufnahmen verwendet werden. Zur klassischen Frage, welche Rechte einem Nacktmodell zustehen, das inzwischen zur Tugend gefunden hat und nur noch züchtig bekleidet durch den Blätterwald rauschen will, gibt es nur wenig bekannte Entscheidungen, weil in solchen Fällen meist Vergleiche geschlossen werden.

Das Landgericht München nun entschied der Süddeutschen Zeitung zufolge, die zu Be­ginn der 1980er Jahre erklärte Einwilligung Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotostrecke Anfang der Achtzigerjahre gelte nicht auch für eine Bildveröffentlichung 2014. Zumal keinerlei Zusammenhang zwischen der seinerzeitigen Veröffentlichung und dem umstrittenen Bericht bestehe. Die bloße Assoziation, Dschungelcamper entblößten sich regelmäßig im wörtlichen oder übertragenen Sinne, ließen sie nicht gelten. Ebenso wenig käme es darauf an, dass die Zeitung eine Lizenz beim Playboy erworben hätte.

Unverkennbar schwingt bei dieser Sicht die Caroline-Entscheidung mit, die bei unfreiwilliger Bildberichterstattung stets einen konkreten Anlassbezug fordert. Die Münchner Richter gingen offenbar so weit, dass man es nach 33 Jahren nicht mehr hinnehmen müsse, mit einer Jugendsünde konfrontiert zu werden. Dem zufolge hätte die Zeitung selbst dann keine lizenzierten Bilder verwenden dürfen, wenn sie inhaltlich über das Fotoshooting von 1981 berichtet hätte. Konsequenterweise dürfte nun nicht einmal der Playboy die Aufnahmen von Frau Drews aus dem Archiv wieder ins Blatt holen. Wenn das Urteil Schule macht, wird die Zweitverwertung älterer Nacktaufnahmen ein medienrechtliches Risiko.

Nun möchte Frau Drews in einer weiteren Klage auch noch Geld für die Reaktualisierung sehen. Das halte ich für optimistisch, aber nicht für ausgeschlossen.

Der Zeitungsverlag könnte allerdings versuchen, im Gegenteil sogar selbst von Frau Drews Geld zu verlangen, nämlich Schadensersatz. Denn etwa auch ein launischer Künstler, der sein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung geltend macht, muss für seine Eigenwilligkeit den Inhaber eines Nutzungsrechts „angemessen entschädigen“, § 42 Abs. 3 UrhG . Allerdings hat das Landgericht München offenbar die Einwilligung als von vorneherein beschränkte ausgelegt. Bei dieser Konstruktion aber wäre nicht einmal ein Widerruf nötig, wobei unter uns Pfarrerstöchtern wohl eher anzunehmen ist, dass Frau Drews der Gedanke nachträglich kam.

Ich wäre nicht überrascht, wenn der Verlag diese Sache durch die Instanzen treibt. Möglicherweise handelt es sich bei dem Fotoshooting durchaus um ein zeitgeschichtliches Ereignis, denn die B.Z. spricht immerhin vom „schönsten Busen der 80er“. Den mir bekannten Fotos nach zu urteilen könnte das hinkommen. Ich hoffe jedenfalls auf weitere aussagekräftige Abbildungen in den juristischen Fachzeitschriften. ;)

Eines allerdings ist sicher: Ab Montag wird jeder professionelle Aktfotograf seinen Models eine deutlich ausführlichere Einwilligungserklärung abfordern.

Ironie am Rande: Frau Drews ist inzwischen Textilunternehmerin. Da senden Nacktfotos eher die falsche Botschaft … ;)

Via Strafakte.

Generalbundesanwalt Range: Original und Fälschung

Original:

 

 

Fälschung:

 

 

Hier die Bearbeitung der heute-Show! ;)