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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


17. November 2010

BGH lässt Prinzessinnen auf dem Rosenball tanzen!

Eine Monegassin, die auf öffentlichen Bällen tanzt, aber unbeobachtet bleiben möchte, scheiterte mit ihrem Begehr nach Diskretion am BGH. SPON meldet:

Wer sich bei solchen Veranstaltungen zeige, müsse „die öffentliche Erörterung seiner Teilnahme (…) ebenso dulden wie kommentierende und wertende Bemerkungen zu seiner Person“, urteilte der BGH. In diesem Zusammenhang sei auch die Veröffentlichung von Fotos zulässig.

Für Praktiker interessant ist, dass der Hamburger Anwalt der Monegassen für die unteren Instanzen offenbar nach Berlin gegangen war, statt das bewährte Gericht vor Ort in Anspruch zu nehmen. Da solche Verfahren im Stadium einer einstweiligen Verfügung beginnen, kann es gut sein, dass eine solche etwa in Hamburg vergeblich versucht wurde und man es dann in Berlin erfolgreicher versucht hat.

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15. November 2010

„Call-In-TV“-Forum gewinnt gegen Call-In-TV-Shows

Der Betreiber des Forums Call-in-TV, Marc Döhler, hatte sich kritisch zu entsprechenden Shows geäußert, was ihm Ärger entsprechender Firmen einbrachte, denn die Branche ist gegen Kritik bekanntlich sehr empfindlich.

Das Landgericht Hamburg hatte daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen Döhler erlassen. Inzwischen ist Döhler seine damalige Domain los und befindet sich insoweit im niederländischen Exil.

Die Münchner Richter waren den Zensurwünschen in einem ähnlichen Verfahren gegen Döhler nicht ganz so aufgeschlossen. Schließlich konnte Döhler nun auch die Hamburger Landrichter umstimmen. So richtig glücklich ist Döhler nicht:

So sehr mich dieses Urteil freut, so sehr befremdet mich dann doch die offensichtliche Willkür des Landgerichts. Zur Erklärung: Wir haben damals die fast wortgleiche Einstweilige Verfügung vom Landgericht Hamburg erhalten – und uns wurde in einer mündlichen Anhörung seitens der Richter deutlich gemacht, dass es keinen Zweck habe, dagegen vorzugehen.

Das machen die Hamburger eigentlich immer so.

(…) Das ist das glatte Gegenteil von dem, was uns gesagt wurde – wohlgemerkt von der selben Kammer des Landgerichts! Unsere damalige Anerkennung der Einstweiligen Verfügung führte schließlich angesichts des hohen Streitwertes von 100.000 Euro zu den fünfstelligen Kosten, für die Sie dann erfreulicherweise so fleißig gespendet haben. Dass mich das Ganze dadurch nicht finanziell ruiniert hat, bedeutet aber nicht, dass ich das so auf sich beruhen lasse: Wir werden nun mit allen Mitteln dagegen vorgehen und eine Wiederaufnahme des Verfahrens verlangen.

Hm. Naja, so ähnlich halt.

Glückwunsch, Herr Döhler! Man darf sich von den Hamburger Richtern nicht einschüchtern lassen, sondern muss Stehvermögen beweisen.

Mich fasziniert die Kritik Döhlers an den Game-Show-Veranstaltern besonders, weil es da um den Vorwurf des Falschspiels ging. Ich hatte 2005 eine Publikation zu dieser in Deutschland kaum bekannten Kunst des Glücksspielbetrugs verfasst und verfolge das Genre mit Leidenschaft.

UPDATE: „Animösen“-Kritiker Stefan Niggemeier hat das Ding schon besprochen.

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Darf man Rundmails anderer Leute veröffentlichen? OLG Stuttgart 4 U 96/10

Das ungebetene Veröffentlichen von E-Mails gehört zu den Graubereichen des IT-Persönlichkeitsrechts.

Die Kölner Landrichter hatten mal ein seltsames Judikat in die Welt gesetzt, in dem sie grundsätzlich jede Veröffentlichung einer E-Mail untersagten, sogar aufgedrängte, wobei der Hausherr sogar bekanntgegeben hatte, derartige Mails grundsätzlich zu veröffentlichen. Dieses krasse Fehlurteil ist allerdings nie rechtskräftig geworden, wird jedoch trotzdem häufig von findigen Anwälten angeführt.

Die extreme Gegenposition scheint ausgerechnet Blogger Stefan Niggemeier zu vertreten, der etwa nichts dabei findet, mit dem deutlich erkennbaren Wunsch nach Vertraulichkeit zugesandte E-Mails rauszuposaunen. Erstaunlich, hatte sich der Journalist doch einst als Tugendwächter des Persönlichkeitsrechts profiliert.

Im Mai diesen Jahres hatte sich das Landgericht Stuttgart einen Floh ins Ohr setzen lassen. Ein Kritiker der Schulmedizin hatte eine Rundmail an ca. 100 zum Teil anonyme Empfänger versandt und darin seine Ansichten zum Thema „Impfen“ kundgetan, die er allerdings ohnehin seit Jahren in der Öffentlichkeit verbreitete. Als wiederum ein Kritiker dieses Impfgegners aus dieser Rundmail zitierte, entdeckte der Impfgegner plötzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht und ließ die Verbreitung seines eigenen Wortes verbieten. Der Kläger ist übrigens kein Arzt, der etwa Patientengeheimnisse schützen müsste, sondern gelernter Molkereifachmann, der eine neue Karriere als Missionar gegen die Schulmedizin begonnen hat.

Wie es zu dem in mehrfacher Hinsicht erstaunlichen Urteil des LG Stuttgart kam, kann ich nicht so recht beurteilen, weil ich den Fall erst in der Berufung auf den Tisch bekam. Vor und während der Verhandlung folgte mir das Oberlandesgericht Stuttgart, dass der Anwendungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegend nicht einmal betroffen war. Im Urteil hat man die Argumentation dann auf die Ebene der Abwägung verlagert, was an der Entscheidung allerdings nichts änderte: Wer an ihm persönlich unbekannte, sogar teilweise anonyme Leute Rundmails verschickt, diese nicht als vertraulich kennzeichnet und keine Inhalte verbreitet, die nicht aufgrund ihrer Natur etwa der Privat- oder Intimsphäre unterfallen, kann nicht den Schutz der „Privatsphäre“ beanspruchen. Betroffen ist vielmehr die Sozialsphäre, welche grundsätzlich und jedenfalls dann der öffentlichen Meinungsbildung offen steht, wenn die entsprechenden Informationen schon zuvor selbst bekannt gegeben waren. Der Kläger hatte u.a. sogar den Hinweis auf eine Powerpoint-Präsentation verbieten wollen, welche er auf seiner Homepage für jedermann zum Abruf bereithielt.

Oberlandesgericht Stuttgart 4 U 96/10, Urteil vom 09.11.2010

5. November 2010

Pohlmann unterliegt vorläufig Radio Bremen

Der Bremer Bürgerschaftabgeordnete Jürgen Pohlmann (SPD) hatte Radio Bremen per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Berlin untersagen lassen, über den Verdacht einer Mitgliedschaft Pohlmanns in einer DDR-Sabotage-Einheit zu berichten. Das Kammergericht hat diese Verfügung nunmehr kassiert.

Doch Pohlmann klagt in der Hauptsache weiter und hat den Bremer Rechtsstreit da anhängig gemacht, wo man so etwas besonders schön kann: in Hamburg.

3. November 2010

Grenzen des Redigierens

Heute wird in den Blogs ein Urteil der 8. Zivilkammers des LG Hamburg als „Grundsatzurteil“ gefeiert, das einem Verlag untersagte, redigierte Texte eines Autoren zu veröffentlichen.

Fälle, bei denen es um Entstellung eines Werks geht, sind eher selten. Sofern vorliegend der Sachverhalt zutreffend geschildert wurde, das Werk also in seiner Form erheblich verändert wurde, lag evident ein unzulässiger Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht vor. Ob das Werk hierdurch besser oder schlechter wurde, ist rechtlich gesehen irrelevant. Sooooo spektakulär scheint mir diese Entscheidung nicht zu sein.

Dass sich Redaktionen in der Praxis um solche Autorenrechte nicht scheren, steht auf einem anderen Blatt. Da einem Autor jedoch „der Blick von Außen“ und die Distanz zum Werk fehlt, werden bei einer handwerklich versierten Redaktion die Texte nicht notwendig schlechter … Dass sich Verlage stark redigierte Versionen offenbar nicht autorisieren lassen, ist jedoch unverständlich.

LG Hamburg 308 O 78/10

2. November 2010

Verfassungsrichter klagt in Pressekammer

Ein Richter des Bundesverfassungsgerichts, dem ein Juraprofessor wissenschaftliches Plagiat vorwarf, wehrt sich standesgemäß mit einer Klage. Und weil man in Karlsruhe so häufig lesen muss, bei welchem Gericht man so Äußerungen besonders gerne verbietet, setzte der Mann seine berufliche Kenntnis in die Praxis um und befasste die Hamburger Pressekammer mit dem Fall.

1. November 2010

Netzwerk Recherche fordert Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands

Gerade packe ich meine sieben Sachen ein, weil es morgen wieder zum Landgericht Hamburg geht, wo ein Landrichter und seine beiden Beisitzer ihre einstweilige Verfügung verteidigen werden. Ein nicht in Hamburg wohnender Blogger hatte über eine zuvor gegen eine dritte Person ergangene einstweilige Verfügung berichtet, und angemerkt, ihm lägen schriftliche Zeugenaussagen vor, welche die verbotenen Behauptungen bestätigten. Eigene Stellungnahmen zur Sache oder zur Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen gab er nicht ab.

Darin sah das Landgericht Hamburg ein Zueigenmachen der verbotenen Äußerung und erließ gegen meinen Mandanten eine einstweilige Verfügung. Damit dürfte Gerichtsberiochterstattung nach Hamburger Spruchpraxis bei Äußerungsprozessen nur noch sehr eingeschränkt möglich sein. Dass sich die einstweilige Verfügung kaum mit der Karlsruher Rechtsprechung in Einklang bringen lässt, wo man die Meinungsfreiheit einigermaßen hoch hält, stört Hamburger Landrichter bekanntlich wenig.

Gegen den fliegenden Gerichtsstand, der die Landesgrenzen von Hamburg ungebührlich ausweitet, habe ich schon häufig gewettert. Nun hat sich endlich auch die Journalisten-Vereinigung Netzwerk Recherche dieses Themas angenommen, zu dem praktizierende Juristen eine einhellige Meinung haben (wenn sie nicht gerade sehr im Abmahnbusiness stecken). Auf einer Tagung in Dortmund wurde nun erstmals von einer namhaften Vereinigung die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands gefordert.

Der fliegende Gerichtsstand ist an sich nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern eine richterliche Deutung des § 32 ZPO. Die Rechtsprechung hätte diese Ausuferung des Foum Shoppings längst abstellen können. Einige Judikate gehen bereits in diese Richtung. Doch die Richter von St. Pauli freuen sich anscheinend über den Zuwachs an Aufgaben. Mögliche Gründe habe ich hier dargelegt.

31. Oktober 2010

Gegen DigiProtect wird zurückgeschossen!

Eigentlich war das ja meine Idee: Ich hatte der Piratenpartei vor einiger Zeit mal den Vorschlag gemacht, negative Feststellungsklagen gegen die bestimmte Filesharing-Abmahner anzustrengen und auf diese Weise Rechtssicherheit in derzeit streitigen Fällen zu erzwingen. Aber vermutlich muss man in der Piratenpartei ähnlich wie bei Wikipedia eine „hohe soziale Position“ erwerben, um sich mit einem Vorschlag durchzusetzen. Auf aktive Politik habe ich aber keinen Bock, schon aus hygienischen Gründen.

Nun meldet Gulli die Sammelklage eines Prozessfinanzierers gegen den besonders hartnäckigen Anit-Filesharer-Rechteeintreiber „DigiProtect“. Die hatten Leute gesucht (und tun es noch), die möglicherweise zu Unrecht „Schadensersatz“ gezahlt bzw. Anwaltskosten gelatzt haben. Rückenwind dürfte das Urteil aus Hamburg liefern, welches für Titel von 2006 gerade einmal 15 Euro Lizenzgebühr ansetzt. Meinen Segen habt ihr!

Via telemedicus.

27. Oktober 2010

Filesharing: Schadensersatz gerade einmal 15,- Euro pro Titel

Lawblogger Udo Vetter weist auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg hin, das einer Empfehlung des Branchenverbandes BITKOM und der GEMA die Höhe für Lizenzschäden bzgl. Liedern von durchaus bekannten Künstlern auf 15,- Euro taxiert. Den astronomischen Begehrlichkeiten der Abmahnindustrie wurde mithin ein deutlicher Dämpfer verpasst.

Die angeblich hoch zu bemessenden Lizenschäden werden damit begründet, weil beim Filesharing der Downloader seinerseits das betreffende Stück zum Abruf bereitstellt, also für eine kurze Dauer ein kleiner Piratensender ist. Das Recht zum Senden und verteilen hat der Downloader erst recht nicht, und dafür soll er bluten. Aber nicht mit den Fantastillionen, welche die Musikindustrie regelmäßig von Abmahnopfern verlangt, sondern für Titel von 2006 gerade einmal für 15,- Euro.

Ich persönlich habe so meine Zweifel, ob den Künstlern aus der zweiten Reihe, die anscheinend am Abmahnen mehr verdienen als beim konventionellen Absatz, überhaupt ein Schaden entsteht. Viele der abgemahnten Titel kann man in brauchbarer Qualität auch auf Youtube anhören, was niemanden zu stören scheint – denn das ist ja Werbung! Das ist Filesharing aber auch, wie neulich Netzpolitik.org lässig schrieb.

Zu unterscheiden sind die Lizenzkosten jedoch von solchen für die Nachforschung und die Anwaltskosten. Die Nachforschungskosten sind häufig nicht nachvollziehbar dargestellt. Die Anwaltskosten richten sich nach dem Streitwert, der angesichts der nun geschrumpelten „Lizenzkosten“ insoweit geringer anzusetzen ist.

Belohnt und bestätigt werden nun diejenigen, die cool blieben und sich nicht durch böse Anwaltsschreiben haben einschüchtern lassen. Während ich mit Hamburger Richtern in der Presse- und „Internet“-Kammer so meine Probleme habe, möchte ich auf die Kollegen im Urheberbereich nichts kommen lassen. ;-) Gut gemacht, Jungs!

18. Oktober 2010

Mit 66 ist noch lange nicht Schluss! (Schälike ./. Anwälte)

Und wieder darf der experimentelle Rechtsforscher Schälike seiner Liste gewonnener Auseinandersetzung mit Medienanwälten einen weiteren Sieg hinzufügen – den 66.sten! Die Ironie ist, dass es diesmal um ebendiese Liste ging.

Ein Berliner Anwalt hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Aufführung seines Namens erwirkt. Der Blogger lässt sich jedoch schon lange nicht mehr auf Gefechte im einstweiligen Rechtsschutz ein, sondern fordert prinzipiell Hauptsacheverfahren. Heute wurde bekannt, dass der Kollege den Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung erklärt hat.