Der Nichtraucher-Aktivist Sebastian Frankenberger, der den Bayern das Rauchen schwer macht, geht juristisch gegen den konservativen ZDF-Journalisten Wolfgang Herles vor, der ihn einen „wildgewordenen Jungfaschisten nannte. Rankenberger hatte Herles einen offenen Brief geschrieben. Herles hat in einem Brief an Frankenberger offenbar nachgelegt.
Frankenberger selbst ist Theologe, ehemaliges CSU-Mitglied und Bundesvorsitzender der bayrischen ÖDP. Er hält außerdem den Weltrekord im 44 Stunden Dauerdebattieren. Eine möglicherweise erforderliche mündliche Verhandlung könnte also anstrengend werden. Ich würde mich freuen, wenn das Landgericht Hamburg mit dem Fall befasst würde … ;)
Bereits mehrfach hatte ich auf den Rechtsstreit um die NDR-Doku „Die Akte Gysi“ über einen DDR-Rechtsanwalt hingewiesen, dem der Spagat zwischen Interessen seiner Mandanten und denen seines Staates gewisse Herausforderungen bereitet. Obwohl der Beitrag im Hinblick auf den bekanntermaßen prozessfreudigen Herrn Gysi sehr anspruchsvoll geprüft und im Vorfeld auch angegangen wurde, zog Gysi wieder vor den Kadi. Und der steht für Querulanten nun einmal in Hamburg.
Die Pressekammer möchte dem NDR Äußerungen von Gysi-Gegnern zurechnen, die interviewed werden. Angesichts vielfacher Indizien werde der Eindruck einer Stasi-Kooperation erweckt. Diese jedoch könne der NDR nicht beweisen. Der NDR hätte Gysi mit seinen konkreten Vorwürfen vorher konfrontieren müssen usw. Allerdings hatte sich Gysi Interviewanfragen abgelehnt.
Das kleine Problem dabei ist, dass man nach der Logik der Hamburger Landrichter den Verdacht, Gysi habe für die Stasi gearbeitet, vielleicht gerade noch erwähnen darf, aber wenn man recherchiert, wird man dafür bestraft.
Im Endeffekt bestimmen nach Hamburger Sicht die Betroffenen, ob und wie über sie gedacht werden darf. Bei aller Liebe für legitime Persönlichkeitsrechte, aber mit Pressefreiheit hat das nichts mehr zu tun. Ein Politiker muss sich seiner Vergangenheit und den von ihm selbst nicht unwesentlich verschuldeten Eindrücken stellen.
Übrigens ist auch die Berichterstattung über solche Verfahren riskant. Hatte ich letztes Jahr noch Youtube-Mitschnitte von „Der Akte Gysi“ verlinkt, werde ich das erst einmal lassen. Denn das Landgericht Hamburg hat mir das in einem anderen Fall einstweilen verboten und scheint, das ernst zu meinen. Dazu demnächst mehr.
Bild: Lurusa Gross: Hamburger Pressekammer 2008, rechts im Bild die heutige Vorsitzende Frau Käfer
Heute war Münster überdurchschnittlich in der Pressekammer vertreten. Es begann damit, dass die Herzspezialistin Sabine Däbritz den „Westfälischen Nachrichten“ etliches an Berichterstattung untersagen lassen wollte. Am besten mal Frau Däbritz googeln …
Die Westfälischen Nachrichten hatten neben ihrem Anwalt in Hamburg sogar ihren Chefredakteur persönlich und den Justiziar aufgeboten. Dort machten das Trio die Erfahrung, die ich 2006 dort hinter mich brachte. Die Anforderungen, die man in Hamburg an Berichterstattung aufstellt, haben mit dem journalistischen Alltag und der Verwirklichung der Pressefreiheit wenig bis gar nichts zu tun. So durfte die Zeitung Vorwürfe der Staatsanwaltschaft deshalb nicht mehr bringen, weil man nicht zuvor Frau Däbritz angehört hätte. Der Witz an der Geschichte ist, dass man das mehrfach versucht hatte, die gute Frau jedoch hatte wissen lassen, dass sie nicht mit der Presse rede. Nach den hanseatischen Vorstellungen muss jedoch ein Journalist vor praktisch jeder Behauptung erneut einen Korb abholen und dies auch belegen können. Die Äußerung der Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt des Behördenprivilegs kann man auch vergessen. Der WN-Chefredakteuer kommentierte, dass Wulff wohl noch im Amt wäre, wenn das gelten würde. Wenn er wüsste, was in B 335 jede Woche abgeht …
Fast die gleiche Nummer ereignete sich bei einer weiteren Verhandlung heute bei einem anderen medizinischen Fall. Da hatte eine Ärztin unter Berufung auf ihre Schweigepflicht eine Auskunft abgelehnt, die nun einmal von der Anamnese bis zur Bahre gilt. Nichts, da, sie hätte stets gefragt werden sollen. In dem Prozess wurde absurde Wortklauberei betrieben und unter anderem darüber gestritten, ob man eine bis auf einen unwesentlichen Stoffrest bekleidete Frau als „nackt“ bezeichnen dürfe. Der Beklagten-Anwalt bezog sich auf den jüngsten Münster-Tatort, wo die an der Aaa gefundene Frauenleiche ebenfalls als „nackt“ bezeichnet wurde, obwohl die Kamera ein Höschen einfing. (Der Kollege hat aber genau geguckt …)
Den hanseatischsten Angriff auf die Pressefreiheit jedoch haben wir den Schlagerfuzzis zu verdanken. Ein Herr Karl Moik hatte sich im ZDF über ein bekanntes Ehepaar aus dem Stadl-Millieu wohl dahingehend geäußert, er meine, die inzwischen anscheinend beendete Ehe sei eine Inszenierung des Managements oder so gewesen. Etliche Medien hatten Herrn Moik zitiert. Die Ehepartner verstanden sich aber wohl immerhin noch so gut, dass sie jeweils die gleiche Kanzlei beauftragten. Nach Meinung der Hamburger Pressekammer hätte Moik nicht ohne weitere Recherche zitiert werden dürfen. Ergo: Die Presse darf künftig keine fremden Meinungsäußerungen oder Verdächtigungen wiederholen, ohne eigene Recherchen anzustellen. (An dieser Stelle distanziere ich mich von Karl Moik und insbesondere von seiner Musik.)
Damit sind wir wieder ziemlich genau beim vom BGH in der Luft zerissenen Markwort-Urteil, das mich zu diesem „Interview“ mit dem vormaligen Häuptling der Hamburger Pressekammer inspiriert hatte. Dessen Nachfolgerin, Frau Käfer, macht genau da weiter. 2008 hatte ich Frau Käfer als damalige Beisitzerin in der ZK 24 erlebt, wie die Kammer meinem Mandanten die Haftung für ein Wiki aufs Auge drückte. Irgendein Unbekannter hatte dem Mandanten nachts etwas in sein Wiki geschissen, das er ab Kenntnisnahme sofort gelöscht hatte. Obwohl es bereits damals allgemeine Meinung war, dass Betreiber für fremde Äußerungen in Foren, Blogs oder Wikis nur ab Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis haften und dies sogar die Vorinstanz so entschieden hatte, hat die Kammer tatsächlich eine wirre Haftung konstruiert, die nach heutiger Rechtsprechung allerdings ohne jede Grundlage ist. Zu dem, was mir die Pressekammer letzte Woche angetan hat, ein andermal.
Nachdem gerade gestern nebenan am Hanseatischen OLG das Schandurteil gegen RapidShare verkündet wurde, das im Widerspruch zur Sicht des OLG Düsseldorf steht, hat es diese Woche mal wirklich wieder in sich gehabt. Diese unfassbare Seuche namens „fliegender Gerichtsstand“ muss abgeschafft werden. Es reicht jetzt.
PS: Meinen für Samstag geplanten Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ beim IT-LawCamp in Frankfurt muss ich leider absagen. In Münster findet kommendes Wochenende der Aufstellungsparteitag der Piraten NRW statt, dessen Vorbereitung im Moment dringender ist. Vielleicht mache ich den Vortrag, den ich letzte Jahr auch schon gehalten hatte, ja mal als Podcast und lasse es anonym verbreiten …
Dr. Nikolaus Klehr pflegt nicht nur seine Kritiker zu verklagen, er wird auch ganz gerne einmal selbst verklagt – oder gar angeklagt. Derzeit krebst er am Salzburger Landesgericht rum, wo man ihm den Prozess macht und gewisse Dinge klehren möchte. Doch in Österreich erklehrt der Mann gar erstaunliches:
Seine Methode zur Krebsbekämpfung sei eben nicht Schulmedizin, sondern „alternativ“.
liest man bei Chiemgau-Online. Das ist hochspannend, denn Dr. Klehr ließ in Hamburg ausrichten, er sei in der Fachwelt anerkannt, womit doch wohl nicht die esoterische gemeint war, oder?
Es gebe eben nicht immer für alles wissenschaftliche Beweise, meinte der Angeklagte. Er habe auch viele Erfolgsfälle vorzuweisen. Die werde er präsentieren, er sei jedenfalls kein Betrüger.
Ja, wie denn nun? Hatte der verehrte Kollege Dr. Krüger für Herrn Dr. Klehr denn nicht vorgetragen, die Methode sei „hochwirksam“?
Auch lastet der Staatsanwalt dem „Krebsarzt“ an, er habe die Patienten mangelhaft „über die nicht wissenschaftlich belegte Wirksamkeit“ seiner Behandlungsmethode aufgeklärt.
Es fehlt eigentlich nur noch, dass Herr Dr. Klehr auf Esowatch verweist, wo ja jedermann Kritik an der Klehrschen Methode nachlesen könne …
Bevor die ZK 24 durchdreht, distanziere ich mich mal von Chiemgau-Online, dem Salzburger Staatsanwalt und Dr. Klehr – man weiß ja nie …
Im Zusammenhang mit dem hier dokumentierten Wallraff-Fall wurde auch eine Zeitung auf Unterlassung einer Äußerung in Anspruch genommen. Den Unterlassunsanspruch begehrte eine GmbH in Liquidation, die ihr „unternehmenspersönlichkeitsrecht“ verletzt sah und für ihre Geschäftsehre kämpfte.
Das Landgericht Köln schloss sich jedoch der Meinung des Zeitungsverlags an. Eine GmbH, die liquidiert wird, könne nicht mehr zulässig Geschäfte tätigen, welche die Abwicklungsgesellschaft in eine werbende Gesellschaft umwandelten. Unter Berücksichtigung des Abwicklungszwecks der Liquidationsgesellschaft nach § 72 GmbHG dürfte jedenfalls für die Klägerin von den streitgegenständlichen Äußerungen schädigende Auswirkung nicht mehr vorliegen, so dass mit dem Widerrufsverlangen nicht eine Wiedergutmachung des Schadens, sondern eine Entschuldigung erstrebt wird. Neue Geschäfte dürfen nur insoweit abgeschlossen werden, als sie objektiv dem Abwicklungszweck dienen und subjektiv zu diesem vorgenommen werden.
Letztes Jahr hatte ich in Frankfurt auf dem LawCamp, dem Barcamp der IT-Juristen, einen Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ gehalten.
Das Hanseatische Persönlichkeitsrecht ist neben dem kodifizierten Persönlichkeitsrecht und neben der in Karlsruhe höchstrichterlich/verfassungsrechtlich gebildeten Rechtspraxis die dritte große Rechtsquelle des Persönlichkeitsrechts. Während aus Karlsruhe presserechtlich ganz überwiegend die Vernunft spricht, liegen am Sievekingplatz die Dinge ein bisschen anders. Für Praktiker ist das Hanseatische Persönlichkeitsrecht die einzig relevante Materie, denn solange das Landgericht Hamburg niemand an der rechtsirrigen Annahme eines „fliegenden Gerichtsstands“ hindert, sind wir alle Hamburger.
Ich bezweifle, dass es Frau Leutheuser-Schnarrenberger auf die Reihe bekommt, dieser Rechtsauslegung absehbar einen Riegel vorzuschieben. Der Piratenpartei jedenfalls ist die Abschaffung dieses unfassbaren Missstands so wichtig, dass dies sogar im Parteiprogramm als wesentliches politisches Ziel formuliert ist.
Kommenden Samstag werde ich beim LawCamp 2012 in Frankfurt meinen Vortrag erneut anbieten und um aktuellere Erfahrungen anreichern. Zuhörer mit starken Nerven sind klar im Vorteil.
Mein eifriger Blogleser Dr. Nikolaus Klehr hatte mir letztes Jahr durch die Hamburger Pressekammer unter dem damaligen Vorsitzenden das Einbinden eines auf Youtube gehosteten Beitrags auf WISO verbieten lassen, der ihm nicht gefallen hat. Das letzte Wort in der Sache ist indes noch lange nicht gesprochen. Um meine medizinisch interessierten Leser nicht darben zu lassen, mache ich solange Ersatzprogramm …
Die Verwirklichung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit setzt voraus, dass man auch die Freiheit hat, gelegentlich mal Unsinn zu reden. Ohne Freiheit zu Thesen, Modellvorstellungen, Irrtum und das Prinzip wissenschaftlichen Zweifels würde der wissenschaftliche Diskurs gefährdet. Gewisse Dinge muss man in einer Demokratie halt aushalten.
Am Landgericht Berlin fanden sich am 17.02.2012 drei Leute ein, die sowohl Spaß an Physik, Wetter als auch an Presserecht haben:
Der eine ist ein bekannter Meteorologe und war lediglich anwaltlich vertreten,
der andere ist nicht bekannt, befasst sich aber mit dem angeblichen Phänomen der Chemtrails,
der dritte ist ein Kernphysiker, der das Presserecht mit naturwissenschaftlicher Herangehensweise erforscht und Anwälte, Richter und Unterlassungskläger generell für bekloppt hält.
Herr Kachelmann fand es hilfreich, Vertreter zur Chemtrail-These, deren Auffassungen er nicht teilt, als „verrückt“ oder „Nazis“ zu diskreditieren. Das hatten sich die Chemtrailer nicht bieten lassen und erwirkten gegen den presserechtsgestählten Meteorologen eine einstweilige Verfügung.
Die lustige Widerspruchsverhandlung verlief leider ergebnislos, denn der Promi-Anwalt des Widerspruchsführers hatte keine Vollmachtsurkunde dabei … Dann gibt es wohl bald ein Nachtreffen!
Von den Äußerungen der Personen insbesondere im verlinkten Video sowie denen im verlinkten Bericht distanziere ich mich mal besser … ;)
Die Kindlein eines bekannten Schauspielers, die selbst in einem Film mitwirkten und im TV präsent waren, ließen es 2008 krachen.
In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2008, der in Bayern sogenannten „Freinacht“, waren die Kläger mit ca. acht weiteren Freunden in der Innenstadt von München unterwegs. Die Gruppe wurde dabei beobachtet, wie sie Fahrräder traktierte, Blumen aus einem Blumenbeet herausriss sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abriss. Herr O. soll für den abgerissenen Telefonhörer verantwortlich sein, Herr O. für das Herausreißen einiger Tulpen aus einem Beet. Herr O. wurde von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder O. begleitete. Beide wurden nach Feststellung der Personalien entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber online, etliche Medien griffen die Posse auf, so auch die Sächsische Zeitung. Familienvater Buske zeigte Verständnis für das Persönlichkeitsrecht der beiden jungen Racker und verbot:
Polizei schnappt O.-Söhne,
er und sein Bruder haben Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen.
im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten
er hat den Hörer aus der Telefonzelle gerissen.
im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten.
Die Pressekammer meinte,
das Gewicht des Informationsinteresses verringere sich dadurch, dass Gegenstand der Berichterstattung durchaus keine spektakulären Straftaten gewesen seien, die im Gegensatz zu Kapitalverbrechen nicht als solche von überwiegendem Allgemeininteresse seien. Die Berichterstattung über eine begangene Straftat unter Namensnennung des Täters stelle für diesen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar, weil die Bekanntmachung seines Fehlverhaltens zu einer negativen Bewertung des Betroffenen in der Öffentlichkeit führe (BVerfGE 35, 202). In diesem Zusammenhang gewinne besondere Bedeutung, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Veröffentlichung erst 18 bzw. 16 Jahre alt gewesen seien, also junge Menschen bzw. Jugendliche, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei, und die ihren sozialen und beruflichen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hätten. Ihr öffentliches Auftreten als Nachwuchskünstler schränke ihren Anonymitätsschutz gegen die beanstandete Berichterstattung aus einem von ihrer beruflichen Tätigkeit zu unterscheidenden persönlichen Lebensbereich nicht ein.
(Das Argument der Schwere oder Leichtigkeit eines Vorwurfs streitet allerdings nicht nur für ein Recht auf Anonymität, sondern relativiert in gleichem Maße den Eingriff bzw. steigert das öffentliche Berichtsinteresse. Darüber wurde in der Hamburger Pressekammer erst vorletzte Woche wieder eifrig diskutiert.)