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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


3. September 2009

Boykott-Aufruf

Wie hier kommentiert, scheiterte ein Pharmazie-Unternehmen auf juristisch niedrigem Niveau mit einer gewünschten einstweiligen Verfügung gegen einen Verein Contergan-Geschädigter, die zum Boykott aufgerufen hatten.

Nun verlautbart das Unternehmen, man werde keine Hauptsacheklage erheben, sondern hoffe auf ein Einsehen der Gegner, welche ihren Boykottaufruf offenbar bislang nicht mehr wiederholt haben. In der Sache mag es löblich sein, wenn man sich nunmehr mit Respekt begegnet und die Angelegenheit jenseits der Gerichte regelt. Andererseits könnte die Zurückhaltung auch damit zu tun haben, dass ideologisch motivierte Boykott-Aufrufe – also solche, die keinen geschäftlichen Hintergrund haben – vielfach für zulässig gehalten werden. Außerdem dürfte man wohl auch die abträgliche PR-Wirkung wie den Streisand-Effekt registriert haben.

2. September 2009

Strafrechtlich verurteilter Abmahnanwalt Person der Zeitgeschichte?

Ich habe ein großes Herz für kritische Blogger und sonstige Meinungsäußerer …

Aber Affzockt.de ist schon eine ziemlich bescheidene Website. Das Niveau erinnert an höchstens 13jährige. Aber diesem jeglichen Stils abholden Menschen, der seinen Frust da unter dem Pseudonym „AntiFreiherr“ ventiliert, scheint wohl sehr, sehr weh getan worden zu sein.

Als sich der „AntiFreiherr“ auch noch unter die Gürtellinie begab, ging einer der geschmähten Anwälte schließlich doch auf die infantile Provokation ein. Das Landgericht Frankfurt (2-03 O 179/09) bestätigte eine einstweilige Verfügung, wonach der „AntiFreiherr“ eine satirische Fotomontage nicht mehr zeigen darf.

Der als Koryphäe der Abmahnkünste bekannte Advokat war neben einem Kollegen als Steuermann auf einem Schiff dargestellt worden, zwar mit Augenbalken, aber erkennbar. An sich harmlos, da das Bildnis offenbar als bewusst als solche erkennbare Fotomontage in eine andere Szene eingefügt worden war, die wiederum die Satire vermittelt. Ob man darin alleine schon eine „Anprangerung“ sehen muss, oder ob es als (schwache) Satire durchgeht (etwa „vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“), ist Ansichtssache. Qualität ist keine richterlich überprüfbare Voraussetzung von Satire.

Das seltsame an dem Richterspruch ist, dass das im Urteil beschriebene Bild als solches der Satirefreiheit unterfallen könnte, während es im Zusammenhang mit dem unterirdisch dummen Begleittext zweifellos sachfremd beleidigend ist. Man hätte also nur die Berichterstattung insgesamt bzw. den Text verbieten dürfen, der handfeste Beleidigungen auf Deppenniveau enthielt.

Seltsamerweise ließ sich das Landgericht auf die beantragte Unterlassung des Fotos ein, die recht einfach zu bekommen ist – aber eben auch Ausnahmen kennt. Bei der Abwägung zwischen dem Recht am eigenen Bild (=Persönlichkeitsrecht) und der Meinungsäußerungsfreiheit nach § 23 KunstUrhG lässt das Gericht gewisse Unsicherheiten erkennen. So verwendet es im Urteil den überholten Begriff „relative Person der Zeitgeschichte“ und beruft sich auf den ärgerlichen Schein-Kommentar von Schertz/Götting/Seitz.

Offensichtlich ist der Text des Urteils irgendwann umgeschrieben worden. Warum das Bild verboten wurde, der Text anscheinend nicht einmal vom Kläger beanstandet wurde, erschließt sich nicht so recht. Aufgegangen scheint die Strategie zu sein.

UPDATE: Hier ist das Urteil.

27. August 2009

Provinzposse: Falsches Ministerium zugeordnet

In einer Glosse eines Provinz-Blattes haben Provinz-Sozis dem NRW-Grünen Michael Vesper versehentlich das Amt des Verkehrs- und Wirtschaftsministers angedichtet. Tatsächlich ist der Mensch Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport.

Normalerweise kontert man sowas im Wahlkampf, macht daraus einen Gag oder nimmt es nicht zur Kenntnis. Nicht so die Provinz-Grünen. Man erwirkte wegen der offensichtlichen wie wohl eher unbedeutenden Verwechslung eine einstweilige Verfügung. Vor Gericht gab es dann einen Vergleich auf Augenhöhe. Warum so etwas vor Gericht ausgetragen werden muss, weiß ich nicht. Dass ich solch uncoole Minister nicht wählen würde, weiß ich hingegen ganz genau.

Sie glauben, es geht nicht peinlicher? Aber ja doch: Provinz-CDUler ruft zum Boykott einer Zeitung auf, die weder seinen Geburtstag würdigte, noch sein Grußwort zum Schützenfrühstück in Salzgitter.

23. August 2009

Der gute Ruf des Markus Frick – nach seinem Sculp!

Mehrfach ging Bäckermeister Markus Frick gegen unliebsame Berichterstattung vor. Wenig Erfolgsaussichten wird er jedoch haben, wenn darüber berichtet wird, dass die Staatsanwaltschaft inzwischen Anklage gegen den guten Mann erhoben hat, und zwar wegen des Verdachts auf Marktmanipulation. Er selbst hat ja inzwischen „Scalping“ auch eingeräumt.

Kennen Sie eigentlich irgendeinen Börsenjournalisten, der nicht nach diesem Prinzip arbeitet? Das wäre ja dann auch ein ziemlicher Amateur …

18. August 2009

Gerichtsvergleich ab sofort geheim?

Vergleiche sind eine tolle Sache. Damit kann man nicht nur unkalkulierbare Richtersprüche vermeiden, sondern vor allem können beide Parteien das Gesicht wahren und sich als Sieger verkaufen. Außerdem muss man nicht damit leben, dass ein ggf. hochpeinliches Urteil veröffentlicht wird. Haben sich nun solche Streithähne nach einem Showdown geeinigt, wird nicht selten Stillschweigen über die Details vereinbart.

Sicherlich gibt es gute Gründe dafür, dass solche Vergleiche häufig erst dann geschlossen werden, wenn man sich vor dem Kadi begegnet. Es ist zweifelsfrei nur ein böses Gerücht, dass die späte Einsicht gelegentlich mit der dann höheren Anwaltsgebühr zusammenhängen soll. Doch wenn man sich in der Öffentlichkeit streitet, dann muss man auch mit den Folgen leben.

§ 169 GVG

Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich.

Wem also an Diskretion gelegen ist, der sollte so geschickt sein, und früher in die Gänge kommen. „Pustekuchen“ sagt neuerdings die Pressekammer des Landgerichts Berlin, die einem Gerichtsblogger die Veröffentlichung eines von ihm notierten Vergleichs per einstweiliger Verfügung untersagte (LG Berlin 27 O 504/09). Der Mensch, dem hier so an Geheimhaltung liegt, ist der hochsolide Börsenguru Markus Frick, der sich seit einiger Zeit hässlichen Rufmords erwehren muss. Hierzu beauftragte Frick einen Rechtsanwalt, der gegen den besagten Gerichtsblogger eine Privatfehde führt gelegentlich in eigener Sache prozessiert.

Ich sage da nur: Streisand-Effekt. Nachdem es keine geschriebene Rechtsgrundlage gibt, mit der vorliegend in § 169 GVG eingegriffen werden könnte, kommt nach

Artikel 5 GG

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

einzig das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen in Betracht. Das scheint ja für alles gut zu sein. Was ein Gerichtsvergleich mit persönlicher Ehre zu tun haben könnte, erschließt sich mir nicht so recht.

Die Widerspruchsverhandlung endete im Eklat, da sich der Blogger von Anträgen auf Feststellung der Befangenheit der Richter einen Vorteil verspricht.

13. August 2009

Wenn Anwälte zur Partei werden …

Der Anwalt als Mensch: Exzellentes Kanzleimarketing from Kent Prince & Young AG on Vimeo.

Eigentlich wollte ich zu diesem bemerkenswerten Statement von Stefan Niggemeier etwas bloggen. Nach reiflicher Überlegung habe ich den Text wieder gelöscht, denn Rechtsanwälte sind aufgrund ihres konservativen Standesrechts gehalten, nicht negativ über Kollegen zu sprechen.

Außerdem wäre es gut möglich, dass es mir der Kollege Gravenreuth übel nehmen könnte, würde ich ihn mit dem Kollegen Schertz vergleichen …

8. August 2009

Städtische Konjunkturförderung via Bildrecht

Der Fall ist trivial, zu trivial selbst für ein Blog. Aber die Tatsache, dass es ihn überhaupt gibt und er es in die Presse geschafft hat, und außerdem sich vor meiner Haustüre abspielt, soll ein paar Zeilen wert sein.

Ein Münsteraner Jurastudent entwarf einen Münster-Kalender mit Fotos. Die Stadt Münster hat die Rechte nicht gekauft, befand es aber für in Ordnung, die Titelseite des nie gedruckten Kalenders im Portal muenster.de abzudrucken. Dass das ohne Verwertungsrechte oder Ausnahmen wie Zitatrecht usw. nicht geht, sollte eigentlich zur Allgemeinbildung gehören.

Man habe dem Studenten einen Gefallen tun wollen. Auch schön. Sein Angebot, für eine gemeinnützige Spende von 100,- Euro den Fall zu vergessen, schlug die Stadt aus, kassierte stattdessen eine einstweilige Verfügung und hat die Kosten des Rechtsstreits auf über 3.500,- Euro gesteigert.

Zwar bin ich leider an dem Rechtsstreit nicht beteiligt, bedanke mich aber im Namen der Anwaltschaft bei der Stadt Münster für diese Form der lokalen Konjunkturförderung!

21. Juli 2009

Versteckte Kamera

Kürzlich hat RTL wegen einem lustigen Streich mit versteckter Kamera verloren: Man hatte heimlich in einer Arztpraxis gefilmt, wo es nun einmal ein gesetzlich geschütztes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gibt. Das Landgericht Düsseldorf hat die Ausstrahlung nun per einstweiliger Verfügung verboten.

Rechtsanwalt Dr. Ulf Vormbrock von den PETERS Rechtsanwälten, der die Entscheidung für den Mediziner erstritt, dazu: „Soweit ersichtlich, hat sich nun erstmalig ein Gericht mit der Anfertigung von heimlichen Filmaufnahmen beschäftigt und dem Treiben der TV-Stationen eine klare Absage erteilt. Gleichzeitig stärkt es die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen.“ (Ende)

Na, na, Herr Kollege, da sind Sie aber nicht ganz auf dem Laufenden. Ich habe sowas RTL bereits vor vier Jahren verbieten lassen. (Und auch mein Mandant war nicht der erste, der wegen versteckter Kamera die Gerichte bemühte.)

Damals vertrat ich einen Künstler, den RTL u.a. in seiner Garderobe heimlich beim Umziehen gefilmt – und diese Spannerei dann auch noch ausgestrahlt hatte. Die Kölner hatten nicht das geringste Unrechtsbewusstsein. Da man ihm kurz vor dem Beginn eines offiziellen Drehs quasi blind eine „Einwilligungserklärung“ unterschreiben ließ, sei alles rechtens. Filmen sein Filmen.

In dieser Erklärung stand ernsthaft, der Mandant „übertrage sein Urheberrecht“ auf RTL. Das ist schon rechtstechnisch Murks, denn Urheberrecht bzw. Persönlichkeitsrechte (um die ging es hier) KANN man gar nicht unter Lebenden „übertragen“, allenfalls Nutzungsrechte einräumen.

Für eine Einwilligungserklärung nach § 22 KunstUrhG ist zudem erforderlich, dass man überhaupt weiß, dass man gefilmt wird und welcher Natur die Aufnahmen ungefähr sein werden. Sonst kann man schlecht einen Willen entwickeln.

Bei versteckter Kamera fragt man naturgemäß erst hinterher, ob man die Aufnahmen überhaupt machen darf. Das ist in Garderoben eigentlich sogar ein Fall für den Staatsanwalt, § 201a StGB. Jedenfalls willigt niemand ein, mit versteckter Kamera gefilmt und ausgestrahlt zu werden, wenn er darüber nicht explizit aufgeklärt ist.

Seltamerweise urteilte die Zivilkammer 28 des kölschen Landgerichts in erster Instanz, dass die Einwilligungserklärung ausreiche, wobei sich das Urteil in Sachverhalt und Begründung diametral widersprach. Meine Meinung über die Rechtskenntnisse der Kölner Pressekammer ist seither sehr niedrig, und sie ist es auch geblieben.

Das Oberlandesgericht Köln allerdings sah die Sache genauso, wie wir. Das wurde dann für RTL richtig teuer.

15. Juli 2009

„Entsorgerter Vater“ unterliegt

Wie nicht anders zu erwarten, hat das Landgericht Düsseldorf bzgl. des Bildnisses eines Kindes, das ohne Einwilligungserklärung der erziehungsberechtigten Mutter in einem Kinofilm verwertet worden war, seine einstweilige Verfügung aufrecht erhalten.

10. Juli 2009

Hanseatisches OLG Hamburg von Buske unbeEINDRUCKt

Wenn Mächtige kritisiert werden, dann werden die schnell mal mächtig sauer – und freuen sich, wenn die ihnen gewogene Presse dem Überbringer schlechter Nachrichten Glaubwürdig abspricht. Aber seriöse Presse mag es natürlich nicht, wenn man widerum ihr die Unabhängigkeit streitig macht.

Verdachtsberichterstattung ist gefährlich

So geschah es, dass ein für seine Unabhängigkeit bekanntes Blatt dem rechtspolitischen Sprecher einer bürgerlich nicht so recht gelittenen Partei „selektiven Umgang mit Akten“ beim Thema „Sachsensumpf“ nachsagte. Als eine andere Zeitung die Vermutung andeutete, dass es um die Unabhängigkeit der seriösen Zeitung vielleicht doch nicht zum Besten bestellt sein könne, war das schon wieder zuviel für die freiere Presse.

Für einen gestandenen Journalisten aus Schrot und Korn gibt es in solchen Fällen nur eine Devise: Eine Pilgerreise nach Hamburg zu Richter Buskes lustiger Pressekammer, wo der Ehre genüge getan werde. (more…)