Der Presse-Anwalt der Fußballnationalmannschaft muss neben der gestrigen Niederlage seiner Mandantschaft auch einen weiteren Rückschlag verkraften:
In den offenen Meisterschaften des Bloggergängelns holte sich Favorit Dr. Schertz im Rückspiel eine weitere Klatsche! Obwohl man in Mannschaftsstärke aufgelaufen war, um einem Blogger den angeblichen Vorrang des Persönlichkeitsrechts von Rechtsanwälten vor der Meinungsfreiheit des Gerichtsbloggers gerichtlich beizubringen, erlitt man auf dem Feld beim Amtsgericht Charlottenburg eine herbe Niederlage.
Zwar hatte man sich Anfang 2007 eine einstweilige Verfügung und später in der Hauptsache ein Versäumnisurteil besorgt, doch als man nun den Hals nicht voll kriegte und Kosten für die Abmahnung und ein verlangtes Abschlussschreiben einforderte, ließ sich der Blogger aus der Reserve locken und Dr. Schertz vor die Wand laufen:
Allerdings standen die Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Zedenten als Rechtsanwalt. Dem Beklagten ist es nicht zu verwehren, öffentlich Kritik an der Vorgehensweise des Zedenten als Medienanwalt zu üben, und zwar auch bei dessen Tätigkeit in eigener Sache (LG Berlin, Urteil vom 20.10.2009, Al.: 27 0 705/09; Urteil vom 21,01.2010,‘ Al.: 27 0 938/09). Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persaönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 31.03.2009, Az.: 27 0 300/09 m.w.N.). Eine Prangerwirkung geht von dem angegriffenen Bericht nicht aus. Der Beklagte hat darin eingeräumt, dass er auf die Abmahnungen des Zedenten Unterlas$ungserklärungen abgegeben hat. Die Tatsache, dass der Zedent den Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch genommen und Klage erhoben hat und hierfür auch Honorar forderte, liegt bei einem Rechtsanwalt nahe und ist nicht geeignet, diesen herabzuwürdigen. Soweit der Beklagte sich in dem Bericht eine „andere Arbeitsweise“ von einem „Profianwalt“, zu denen er auch den Zedenten zählt, wünscht und diesem „Mimosenhaftigkeit“ unterstellt, handelt es sich offensichtlich um Meinungsäußerungen des Beklagten, die jedenfalls keine strafrechtsbewehrte Beleidigung darstellen. Die Feststellung des Beklagten in dem Bericht, ,Solche Menschen wie mich, professionell verlieren zu lassen, und mit hohen Kosten abzumahnen, obwohl es andere professionelle Wege gibt, ist nicht in Ordnung“ stellt ebenfalls eine zulässige Meinungsäußerung dar. Dass diese Behauptung zu einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Zedenten geführt hat, beispielsweise dadurch, dass (potentielle) Mandanten ihn nicht mehr beauftragt haben, weil sie befürchten mussten, nicht ordnungsgemäß vertreten zu werden, hat die Kläigerin nicht dargelegt.
Amtsgericht Charlottenburg, Urteil vom 01.07.2010, 239 C 281/09
Der Counter gewonnener Verfahren des Gerichtsbloggers gegen die Medienanwälte steht nun auf „42“.
Ein Kollege hat einem Blogger ein Interview zur Meinungsfreiheit von Bloggern gegeben. Darin spielt er die juristischen Risiken in einer Weise herunter, die sich sich nicht mit meinen Erfahrungen deckt.
Hätte der Blogger mich interviewed, hätte ich ihm von der anhaltenden Ära der Stolpe-Rechtsprechung gekündet, die Diskrepanz zwischen Hamburg und Karlsruhe aufgezeigt und über die Unsitte berichtet, dass man sich einstweilige Verfügungen durch offensiven Einsatz falscher eidesstattlicher Versicherungen erschleicht.
Ein großes Problem ist, dass der Äußernde alles beweisen muss, was er sagt, insbesondere auch Spekulationen! Der Kläger mus nur „Lügner“ sagen und darf sich bequem zurücklehnen und dabei zusehen, wie der Blogger in Beweisnöte kommt. Es reicht bereits aus, eine falsche Andeutung gemacht zu haben, sogar unbewusst. Meinungen werden und Hamburg zu Tatsachenbehauptungen gemacht.
Wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine Firma wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung ermittelt und das auch seit Jahren in der Zeitung steht, dürfen Sie nicht einmal die Vermutung bloggen, dass man die wohl Betrüger nennen dürfte, solange noch kein Urteil gesprochen wurde.
Alleine, wenn ich gerade die aktuell von mir vertretenen Fälle durchsehe, dann stehen einem die Haare zu berge, was findige Anwälte da von willfährigen Richtern verboten wissen wollen. Und dann gibt es da noch solchen Blödsinn.
Und wieder füllt sich das Archiv mit einer Lüge, der die Pressekammer zeitweise Glanz verlieh. Der Doping-Experte Prof. Werner Franke, der gelegentlich in der Hamburger Pressekammer seine Ehre zu verteidigen suchte, hat eine Sorge weniger.
Das Hamburger Abendblatt berichtet:
Franke hatte dem Tour-de-France-Sieger von 1997 in einem TV-Interview vorgeworfen, Ullrich habe dem spanischen Arzt Eufemiano Fuentes mindestens 35 000 Euro für den Kauf von Dopingmitteln gezahlt. Ullrich hatte das bestritten und ließ Franke die Behauptung, er habe Fuentes Geld für Doping überwiesen, per Einstweiliger Verfügung untersagen.
Nach etlichen Jahren darf der Professor seine zutreffende Meinung bald wieder sagen.
Ein Berliner Promi-Anwalt war sauer, weil ein Hamburger Presserechts-Blogger da schrieb:
„Fünf Klatschen in einer Woche“ bzw. „Fünf Klatschen in einer Woche gegen den Berliner Querulator“
und
„Kommt der Berliner Creme de la Creme Anwalt zur Einsicht?“
Er kam es nicht, sondern schickte mal wieder einen Kollegen aus, um sich mit dem klatschenden Blogger zu messen und beantragte den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung beim Landgericht Köln (das für Rechtsstreite zwischen Berliner Anwälten und Hamburger Bloggern zuständig ist …)
Doch die Kölner Pressekammer, die seit 2008 ebenfalls unter Beobachtung des renitenten Bloggers steht, machte den Anwalt auf eine Schwäche in seinem Antrag, nämlich auf ein seinem Begehr entgegenstehendes aktuelles Judikat des Bundesverfassungsgerichts aufmerksam (das übrigens von einem Anwalt des Bloggers gegen den hiesigen Berliner Anwalt erstritten worden war). „Klatsche“ bewerteten die Kölner als zulässige Meinungsäußerung. Der tapfere Anwalt gab nicht auf, jedoch ließ sich der Prozessbevollmächtigte mit seiner Reaktion schlappe 12 Tage Zeit. Zu viel, um noch eine Dringlichkeit plausibel zu machen, sagten sich die Kölner und wiesen die Sache 28 O 254/10 ab. ;-)
UPDATE: Hier ist die Entscheidung bei openjur.de.
Die telegene Politikerin Sarah Wagenknecht hatte den bedruckten Papierhaufen Super-ILLU auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil darin kritisch über ihren Mann und den für eine Kommunistin als widersprüchlich empfundenen Lebensstil der Hummer schätzenden Politikern berichtet wurde. Auch von alten Geschichten über die Geschäfte ihres Mannes wurde berichtet (die Zeitung hatte irrtümlicherweise insoweit auch etwas verwechselt). Der Mann residiert nämlich nicht in einem Osterberliner Plattenbau oder einer Datscha, sondern in einem schicken Reetdachhaus in Irland, wo man sich im Garten über die Nöte der deutschen Arbeiterklasse sorgt. U.a. die sinngemäße Äußerung, ihr Mann sei ihr peinlich, wollte Frau Wagenknecht verboten wissen.
Auch innere Vorgänge wie Gefühle usw. können Tatsachen sein, obwohl wenn man sie nur indirekt beweisen kann, sogenannte „innere Tatsachen“. Die Äußerung über eine fremde Meinung ist eine Tatsachenbehauptung, ggf. auch die Meinung über eine fremde Meinung (kompliziert, das …). Da im Äußerungsrecht grundsätzliche der Äußernde die Beweislast trägt, gerät dieser bei inneren Tatsachen naturgemäß in Beweisnöte.
Das Landgericht Hamburg hatte in erster Instanz Plastikstühle als Indiz dafür gewertet, dass es unter Frau Wagenknechts Hintern so feudal gar nicht zugehe und bestätigte die einstweilige Verfügung insgesamt.
Doch die Plastikstühle nutzten dann doch nichts. In der Berufung beim OLG Hamburg kam es zu einem für Wagenknecht überwiegend nachteiligen Vergleich. Dem Protokoll des inoffiziellen Gerichtsschreibers zufolge sah das Hanseatische OLG die Schlussfolgerung, ihr Mann sei der Politikerin „peinlich“, als zulässige Meinungsäußerung an. Vom Verbot blieb offenbar gerade einmal die Nennung des Ortsnamens übrig.
Auch mit dieser Verhandlung zeichnet sich ein Trend ab, dem zufolge das OLG Hamburg – ebenso wie das LG Berlin – die in letzter Zeit aus Karlsruhe erfolgten Klatschen offenbar ernst nimmt und die exzessiven Eingriffe in die Meinungs- und Pressefreiheit der Hamburger Pressekammer nicht mehr weiter mittragen möchte. Wurde auch langsam Zeit.
Die Süddeutsche Zeitung nimmt den Fall Kachelmann zum Anlass, um auf das Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrecht und Presseinteresse hinzuweisen. Dort heißt es unter anderem:
Erhöht wird die Unsicherheit für die Medien durch eine prozessrechtliche Besonderheit, den „fliegenden Gerichtsstand“. Dahinter verbirgt sich kein orientalisches Märchen, sondern die Wahlfreiheit der Anwälte, an welches Gericht sie ihre Klage adressieren. Wurde der Artikel bundesweit verbreitet, kann die „Verletzung“ des Persönlichkeitsrechts nämlich überall eingetreten sein. Beliebt bei Klägeranwälten sind etwa die Pressekammern in Hamburg und Berlin – auch wenn Schertz deren angebliche Einseitigkeit zulasten der Presse als „völligen Quatsch“ bezeichnet.
Ob das wirklich so völliger Quatsch ist …?
Der Münsteraner Studenten-Ulk, eine Cover-Version von Lena Meyer-Landruts Satellite zu singen, zog erst eine einstweilige Verfügung der Plattenfirma nach sich, dann aber fand Stefan Raab die Idee doch ganz witzig. Er selbst war ja einmal wegen der musikalischen Ähnlichkeit seines eigenen Grandprix-Beitrags „Watte hadde dudde da?“ zu einem bekannten Hit des Plagiats bezichtigt worden. Nun soll schnellstmöglich zur WM noch ein (professionelles) Video produziert werden.
Da passiert mal ein Urheberrechtsfall in Münster, und dann geht es nicht über meinem Schreibtisch. :-(
Heute erschien bei cart.info zum Thema Abmahnungen ein Interview mit drei Kollegen und meiner Wenigkeit. Wenig überraschend hielten wir nicht allzu viel vom fliegenden Gerichtsstand, traten für eine vermehrte Anwendung von § 97a UrhG ein sowie für einen offensiveren Umgang mit dem Verdikt Rechtsmissbrauch.
Bereits der unermüdliche Gerichtsblogger Rolf Schälike teilte mir vor einiger Zeit seine Beobachtung mit, dass auch die Pressekammer Berlin so langsam von dem ausufernden Missbrauch des Persönlichkeitsrechts durch findige Anwälte genug hat und ihren fragwürdigen Widerstand gegen die Vorgaben aus Karlsruhe zurückfährt.
In diese Richtung geht ein weiteres Urteil, mal wieder zur leidigen Problematik, ob man ehemalige Verpflichtete der StaSi entsprechend benennen darf, oder ob diese Episode vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt und damit dem Interesse der Öffentlichkeit entzogen ist.
Heute wurde bekannt, dass Iris Berbens Lebenspartner am Berliner Kammergericht mit dem Verbot gescheitert ist, seine Benennung als „IM“ zu verbieten. Zuvor hatte das die Berliner Pressekammer dem rbb und etlichen Printmedien verboten.
Der Berliner Tagesspiegel schreibt:
Wurden von den Gerichten zunächst die Persönlichkeitsinteressen der früheren IM in der Regel über das Aufarbeitungsinteresse der Öffentlichkeit gestellt, zeichnet sich nach den jüngsten Urteilen nun ein gegenteiliger Trend ab.
(…) Das Aufarbeitungsinteresse hatte auf der ganzen Linie gegen den Schutz der Persönlichkeitsrechte gesiegt.
Künftig also werden Historiker weniger vom diffusen Persönlichkeitsrecht behindert werden, das zwar grundsätzliche Berechtigung, aber eben auch gewisse Grenzen hat.
Da der rbb im Gegensatz zu den anderen Medien klein bei gegeben hatte, darf er als einziger nun nicht mehr über „IM Wilfried“ berichten.
StaSi-Fälle beobachtet Schälike besonders gerne. Er hatte etliche Monate in StaSi-Gefängnissen zugebracht, weil er auch in der DDR seinen Drang nach Meinungsäußerung auszuüben pflegte.
Siehe auch:
UPDATE: Der Kläger wurde von einem Anwalt vertreten, der früher zur Kanzlei des rbb-Anwalts gehörte. Diese beiden Anwälte vertreten sich häufig gegenseitig, etwa wenn der eine für den anderen Herrn Schälike verklagt. Seltsam …