Zum Inhalt springen


Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


13. Oktober 2014

„Köln nimmt das alles“ – SPIEGEL-Beitrag zu Unsitten des Presserechts

 

Der aktuelle SPIEGEL (print) bringt einen längeren Artikel über die drei bedeutendsten Pressekammern Köln, Hamburg und Berlin. Darin wird beklagt, dass in diesen Kammern seit Jahren einstweilige Verfügungen im Regelfall ohne Anhörung der Gegner erlassen werden. Dies kritisiert der bis 2002 der Kölner Pressekammer Vorsitzende Ex-Richter Huthmacher, der möglichst immer die Gegenseite vor einer Beschneidung der Pressefreiheit zu kontaktieren pflegte und meistens eine mündliche Verhandlung ansetzte. Ex-BGH-Richter Bornkamm spricht sogar von Missbrauch.

Außerdem geht der Beitrag auf den von mir vehement kritisierten fliegenden Gerichtsstand ein, der Klägern effizientes forum shoping ermöglicht. Mit Recht sieht der SPIEGEL inzwischen die Kölner Zivilkammer 28 als die bei Verbietern beliebteste Kammer an. Am Anfang dieses Trends, 2008, hatte ich die Ehre, auf der Gegenseite der Köln-Premiere eines Berliner Medienanwalts beizuwohnen. Der Berliner(!) Kollege hatte ohne jeden Sachbezug nach Köln gebeten, um einen Hamburger(!) Gerichtsblogger zum Schweigen bringen zu bringen. Offenbar wollte der Kollege die Kölner Kammer austesten und die Domstadt zum neuen „Hamburg“ machen, wie es dann auch geschah. Entfielen laut SPIEGEL 2006 ganze 8% der auf die drei Gerichtsstände Köln/Hamburg/Berlin verteilten Pressesachen auf die Domstadt, sind es inzwischen 24%.

Ein schönes Zitat vom legendären Berliner Vorsitzenden Mauck:

„Wir machen eine Menge nicht mehr mit, ‚Köln‘ dagegen nimmt das alles.“

Der fliegende Gerichtsstand macht heute übrigens nur noch professionellen Medienschaffenden Ärger. Erforderlich ist, dass entweder Äußerungen in den Sprengeln der Gerichte tatsächlich erscheinen, also bundesweiter Printvertrieb oder Rundfunk, oder aber dass eine Äußerung einen inhaltlichen Mindestbezug zum Gerichtskreis hat. Zum Glück reicht es inzwischen nicht mehr aus, dass eine Äußerung im Internet und damit überall erscheint. So war es noch vor wenigen Jahren Gerichtspraxis, dass der Regensburger Bischof das Blog Regensburg Digital erfolgreich nach Hamburg zwang. Diese Zeiten sind inzwischen sogar in der Hamburger Zivilkammer 24 weitgehend vorbei.

Meinen nächsten planmäßigen Termin in Köln habe ich übrigens am 11.11. ab 11.00 Uhr. Zum Glück habe ich noch vom Hochwasser in Münster vor zwei Monaten eine Krawatte über, um die es nicht mehr schade ist. ;) Allerdings hat die dortige Kammer dem Gegner inzwischen in einem Hinweisbeschluss kommuniziert, dass sie meine Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit von Köln teilt. Eine Reise nach Köln ist mir den Weg jedoch allemal wert!

3. Oktober 2014

Deutscher Fernsehpreis für Günter Wallraff

 

Günter Wallraff wurde gestern für „Team Wallraff“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Ich habe bislang keinen beeindruckenderen Journalist kennen gelernt. Die Hälfte seiner Arbeitszeit wurde durch Gerichtsprozesse verschwendet.

Als der Kollege Höcker mir letztes Jahr mit einem Prozess drohte, bot mir Wallraff spontan an, sich an möglichen Prozesskosten zu beteiligen. ;)

Hier die vollständige Aufzeichnung der sehenswerten Wallraff-Ausgabe von „Ich stelle mich (WDR)“ vom 17.08.2014.

21. August 2014

Plusminus (ARD): „Abmahnanwälte nicht zu stoppen“. Wirklich?

 

Einen unfreiwillig komischen Beitrag leistete sich das gebührenfinanzierte ARD-Wirtschaftsmagazin plusminus. Unter dem grob irreführenden Titel „Abmahnanwälte nicht zu stoppen“ lieferte der öffentlich-rechtliche Sender zu melodramatischer Musik Propaganda vom Feinsten.

Beginnen wir beim Titel: Abmahnanwälte sind sehr wohl zu stoppen. Bei den von mir vertretenen Mandaten gab es genau einen Fall, bei dem sich der Abmahner überhaupt vor Gericht traute – und diesen Schritt vermutlich bereut hat. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Ansprüche an den Nachweis von rechtswidrigem Filesharing deutlich erhöht. Etliche Gerichte machen die grotesk hoch bemessenen Schadensersatzforderungen nicht mehr mit.

Zu Beginn behaupten die plusminusser, Filesharing sei für die Musikindustrie wie Diebstahl einer Sache im Laden. Die Lizenzforderungen werden aber nicht für den mit Diebstahl wirtschaftlich halbwegs vergleichbaren Download gefordert, sondern für den gleichzeitigen Upload, also die Weitergabe. Anders als beim Diebstahl verbleibt beim Up-/Download aber die Ware im Geschäft – genauso, wie beim Abspielen eines Musikstücks im Radio. Während das Aufzeichnen von im Radio laufender Musik oder von im TV ausgestrahlten Filmen legal ist, meinen die Content-Industriellen, dass das beim online-Tauschen anders wäre. Juristisch ist das der Fall. Wirtschaftlich allerdings ist die Verbreitung über Filesharing genauso eine Werbung für die Produkte wie der Konsum von Radio und Fernsehen. Den Nachweis eines wirtschaftlichen Schadens im Musik und Filmbereich hat die Industrie bis heute nicht erbracht. Im Gegenteil geht es der Film- und Musikindustrie heute besser als zu Zeiten vor Filesharing. Wer „Planet der Affen“ online gut fand, der sieht sich die Fortsetzung im Kino an. Bei E-Books usw. mag das anders sein, doch im Abmahnbusiness geht es vorrangig um Musik und Filme.

„Doch wer sich im Internet bewegt, der tut dies nicht unbeobachtet“

Sollte er aber. Es gibt etliche Möglichkeiten, die IP-Adresse zu anonymisieren, etwa VPN-Tunnel oder TOR. Es gibt 1000 seriöse Gründe, um seine Identität im Internet zu verbergen und Privatsphäre zu sichern. Wer sich heute noch beim Filesharing erwischen lässt, begeht einen Kunstfehler.

„Aus Versehen kann das nicht passieren, weil ich bewusst ein Programm auf meinem Rechner installieren muss (…)“

Hä? Filesharing ist grundsätzlich eine seriöse Technologie – genauso, wie man Dateien per E-Mail oder FTP verbreiten kann. Manche Dateien sind urheberrechtlich geschützt, manche eben nicht. Es kann auch durchaus sein, dass eine falsch deklarierte Datei doch geschütztes Material enthält. Zur Verbreitung größerer Dateien ist Filesharing nun einmal technisch sinnvoll.

So richtig klebrig wird das Propaganda-Filmchen aber am Schluss, wo der geläuterte Filesharer wie ein im Bootcamp geläutertes Ghetto-Kid oder ein Reborn Christ brav „begriffen“ hat:

„Tauschbörsen lohnen sich nicht. Nachdem er das zweite Mal erwischt wurde, will er nun endlich die Finger davon lassen.“

Nein, will er nicht. In Wirklichkeit hat er jetzt eine Stinkwut auf die Contentindustrie und auf die Anwälte und zahlt den Verwertern aus Prinzip nichts mehr. Stattdessen hat er nach seinem pädagogischen Erlebnis inzwischen seine Kumpels gefragt, wie man sich einen VPN-Tunnel bauen kann und fileshart jetzt erst recht. Plusminus hat davon wohl noch nie gehört.

Mich würden ja mal die Beweggründe für diesen albernen Propaganda-Beitrag interessieren, der mangels aktuellen Informationen keinen Nachrichtenwert hat. Filesharing war vor über drei Jahren ein Medienthema – auch bei plusminus. 2011 brachte plusminus die gleiche Thematik – damals noch mit dem Spin Verbraucherschutz. Inzwischen muss in der Redaktion irgendetwas Schreckliches passiert sein. Wenn plusminus Mangel an IT-Themen hat, einfach mal bei heise.de lesen, was gerade aktuell ist. Kostet nichts und wird auch nicht abgemahnt.

16. Juli 2014

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (20) – Klehr verliert gegen das ZDF

 

Dr. Nikolaus Klehr und sein tapferer Hamburger Rechtsanwalt Dr. Sven Krüger haben am Hanseatischen Oberlandesgericht gegen das ZDF verloren. Klehr hatte 18.01.2011 am Landgericht Hamburg gegen das ZDF eine einstweilige Unterlassungsverfügung wegen eines angeblich rechtswidrigen Beitrags in WISO über die fragwürdige Praxis des selbsternannten Krebsbehandlers erwirkt. So wehrte sich Klehr gegen angeblich aufgestellte Behauptungen und die (gesichtsverpixelte) Aufnahmen aus seiner Praxis.

Das ZDF ließ sich nicht lumpen und wehrte sich zunächst erfolglos am Landgericht Hamburg. Weil es den Beitrag auch auf YouTube zu sehen gab, nahm Klehr auch Google (YouTube) und einen Blogger in Anspruch, der das Video über einen Link embedded hatte.

Nach über drei Jahren ertrotzter Unterlassungsverfügung hob im Mai 2014 das Oberlandesgericht Hamburg das Verbot gegen das ZDF auf. In der Zwischenzeit nämlich war der Bundesgerichtshof Ende 2012 mal wieder mit den Hamburgern hart ins Gericht gegangen und hatte den Hanseaten in einem anderen Fall, bei dem ebenfalls Klehr-Anwalt Dr. Krüger die Presse gegängelt hatte, mit sehr deutlichen Worten den ><((((*> gezeigt:

„Die von ihm vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt. Das Berufungsgericht hat auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint.“

BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 – VI ZR 314/10.

Das hat offensichtlich gesessen. Der Hamburger Pressesenat, dem inzwischen der mir so ans Herz gewachsene Richter Buske vorsitzt, bezog sich ausdrücklich auf dieses BGH-Urteil. Die Karlsruher Kritik an den Hanseaten hat eine lange Tradition.

Das OLG Hamburg befand nun, dass das ZDF inzwischen für seine Behauptung über eine in Deutschland rechtswidrige Arbeitsweise Klehrs genug Glaubhaftmachung aufgeboten hat. So hatte Klehr zunächst das ZDF der Lüge geziehen und mit eidesstattlichen Versicherungen seiner „Klehriker“ in Beweisnöte gebracht. Da aber die Version des ZDF von so vielen unabhängigen Zeugen plausibel gestützt wird, sieht auch der Senat „keine durchgreifenden Zweifel“ mehr:

„Unter Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze für die Überzeugungsbildung, nach denen eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht gefordert werden darf, sondern sich das Gericht mit einem für das praktische Leben  brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen muss (BGH, Urt. v. 11. 12. 2012, NJW 2013, S. 790 ff., 791), sind die von der Antragsgegnerin vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel daher auch unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller vorgelegten Glaubhaftmachungs- und Beweismittel ausreichend, um ihren Vortrag als glaubhaft gemacht anzusehen.“

OLG Hamburg, Az.: 7 U 47/12, Urteil vom 06.05.2014, Rechtskraft nicht bekannt.

War das jetzt wirklich so schwer?

Auch die mit versteckter Kamera hergestellten Aufnahmen in der Azrtpraxis waren zulässig, weil diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der nunmehr als wohl doch nicht so falschen Behauptung stehen und der gute Herr Dr. Klehr durch deren Verbreitung demgegenüber nicht schwerwiegend in seinen Rechten verletzt wird, da die Praxisräume ohnehin einem größeren Personenkreis einsehbar sind und er nur in seiner Berufssphäre betroffen ist. Auch dazu hatte der BGH schon 2006 etwas gesagt, was längst herrschende Meinung ist – außerhalb des Landgerichts Hamburg, das immer wieder eine Nachhilfe aus Karlsruhe benötigt.

Damit darf das ZDF den Beitrag wieder zeigen. Gewonnen hat aber vor allem das Team Dr. Klehr/Dr. Krüger, denn über drei Jahre lang konnte das ZDF Krebspatienten im Endstadium nicht vor Klehrs möglicherweise doch nicht so hilfreicher, dafür aber schweineteuren Behandlung warnen. Auch die Hamburger Pressekammer darf stolz auf sich sein. Die Prozesskosten bezahlt Klehr, der von todkranken Krebspatienten für seine Künste exorbitante Honorare nimmt, aus der Portokasse.

Vermutlich wird auch YouTube/Google in gleicher Sache obsiegen. Und vielleicht darf irgendwann dann auch der Blogger wieder das Klehr-Video verlinken. Hätte der finanziell nicht so gut wie das ZDF und Google aufgestellte Blogger aus Kostengründen die Notbremse gezogen und auf die Berufung verzichtet, so wäre das Verbot längst rechtskräftig. Seit über zwei Jahren wartet der Blogger auf den Termin zur Berufungsverhandlung. Der Prozess mit einer schlussendlich drohenden Kostenlast von 20.000,- € wurde durch die „Klehranlage“ finanziert. Weit über 1.000 Menschen haben den Hamburger Landrichtern gezeigt, was sie von dem weltfremdem Umgang mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit halten.

Ach so: Der Blogger bin ich. Danke an euch Klehranleger! Venceremos! :)

26. Juni 2014

Wie man keine Gegendarstellung durchsetzt – Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

 

Das Durchsetzen einer Gegendarstellung gehört zu den anspruchsvollsten Aufgabenstellungen im Presserecht. In der Praxis geht es meistens schief, weil es viele Tücken und Unwägbarkeiten gibt. Manche Juristen scheitern allerdings schon an der simplen Lektüre des Gesetzes. So etwa der Justiziar der Piratenpartei Deutschland, der sich an der Sonderausgabe des KOMPASS zum außerordentlichen Bundesparteitag am kommenden Wochenende störte. Damit es das nächste Mal etwas besser klappt, hier die Manöverkritik zur

Aufforderung zum Abdruck einer Gegendarstellung (pdf).

Anders als Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche usw. ist der Anspruch auf Gegendarstellung ein Anspruch eigener Art. Da Medien über große Wirkmacht verfügen, wird bei aufgestellten Behauptungen über Tatsachen den Betroffenen mit dem Gegendarstellungsanspruch eine Waffe in die Hand gegeben, um sich in gleicher Reichweite Gehör zu verschaffen. So müssen Medien eine vom Betroffenen formulierte Gegendarstellung abdrucken.

Für Druckwerke, die in NRW erscheinen, gilt das dortige Landespressegesetz NRW. Insoweit noch zutreffend, stützte sich der forsche Piraten-Justiziar auf § 11 Landespressegesetz NRW. Alles weitere allerdings mochte dem Justiziar jedoch nicht gelingen.

1. Unterzeichung durch Berechtigten

Wie in § 11 Abs. 2 Satz 4 nachzulesen ist, muss die Gegendarstellung von dem Betroffenen oder seinem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet sein. Unterzeichnet hat sie jedoch Justiziar Bokor. Der ist aber gar nicht betroffen. Ebensowenig werden Parteien oder kommissarische Vertretungen gesetzlich von einem Justiziar vertreten. Damit ist das Gegendarstellungsverlangen bereits gegenstandslos.

2. Zugang in Schriftform

Eine Gegendarstellung kann frühestens ab Zugang der Urschrift verlangt werden. Der Brief des Justiziars vom 24.06.14 wurde aber erst am 25.06.14 abgestempelt und ging natürlich erst am 26.06.14 zu. Daher war die gesetzte Frist zum 25.06.14, 15.00 Uhr, untauglich. Eine Vorabübersendung per E-Mail ist gegenstandslos.

3. aufgestellte Tatsachenbehauptung

Das Gegendarstellungsrecht gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 nur im Bezug auf aufgestellte Tatsachenbehauptungen. Der Justiziar hat leider nicht so genau mitgeteilt, welche Tatsachenbehauptungen er genau beanstandet.

So unterstellt er dem KOMPASS offenbar, dieser hätte behauptet, die Entlastung des Vorstands sei eine „reine Formsache“. Zwar lautete die Überschrift „Formalia“ und und da steht etwas von „formellem Akt“, aber die genannte Behauptung ist eine subjektive Interpretation des Justiziars. Der schreibt übrigens selbst etwas von „förmlichem Verzicht“. (Hat da jemand die Förmchen geklaut …?)

Zudem stört sich der Justiziar daran, dass der KOMPASS die Bestellung der Frau Laura Sophie Dornheim als „überraschend“ bezeichnet. Die Einordnung eines Ereignisses als „überraschend“ ist keine reine Tatsachenbehauptung. Da die Auswahl von Frau Dornheim im dargestellten Kontext durchaus nicht zu erwarten war, darf man diese getrost als überraschend bewerten. Werturteile sind aber keine gegendarstellungsfähigen Tatsachen.

Damit war das Mittel der Gegendarstellung gänzlich untauglich.

4. berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung

§ 11 Abs. 2 Satz 1 a) sieht als Ausschlusskriterium das Fehlen eines berechtigten Interesse an der Veröffentlichung vor. Da keine gegendarstellungsfähigen Tatsachen aufgestellt wurden, erübrigt sich dieser Punkt.

5. angemessener Umfang der Gegendarstellung

§ 11 Abs. 2 Satz 1 b) soll geschwätzige Gegendarstellungen vermeiden. Eine positive Fiktion findet sich in Satz 2:

Überschreitet die Gegendarstellung nicht den Umfang des beanstandeten Textes, so gilt sie als angemessen.

Bei gleichem Satz beanspruchte der erste Punkt das zehnfache, der zweite Punkt das fünffache. Damit befindet sich das Begehren im Risikobereich und müsste gut begründet sein. Die eingereichte Besinnungsaufsatz genügt dieser Anforderung nicht, auch der zweite Text verfehlt das Thema.

6. Beschränkung auf tatsächliche Angaben

§ 11 Abs. 2 Satz 3 schreibt vor, dass sich die Gegendarstellung auf tatsächliche Angaben beschränken muss. Das ist dem Justiziar offensichtlich nicht gelungen. Schon gar nicht mit dem Gendersternchen.

7. Abdruck in nächster Ausgabe

§ 11 Abs. 3 sagt:

Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer (…) abgedruckt werden.

Für das Verlangen des Justiziars, der bereits gedruckten Ausgabe eine Gegendarstellung beizufügen, bietet § 11 Landespressegesetz keine Grundlage.

Wie gesagt, diese Fehler wären bei simpler Lektüre des Gesetzes selbst für einen Nichtjuristen ohne weiteres vermeidbar gewesen. Die weiteren Unzulänglichkeiten, etwa die behauptete Vertretungsmacht für einen „Vorstand“, den es seit dem 16.03.2014 gar nicht mehr gibt, möchte ich nicht vertiefen. Ebenso wenig die Mitwirkung des Herrn Alexander Zinser auf der Vollmachtsurkunde, denn Herr Zinser war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Vorstands. Auf welcher Rechtsgrundlage Herr Zinser nachträglich zum Mitglied der kommissarischen Vertretung bestellt wurde, erschließt sich mir auch nicht so recht.

Der KOMPASS hat übrigens die Gegendarstellung online eingearbeitet, und zwar zu dem Zweck, damit sich jeder ein Urteil über die Mentalität der Beteiligten und die Kompetenz des Justiziars bilden kann. Selbstverständlich wurden die gewünschten Erklärungen nicht abgegeben und auf Nachfrage ausdrücklich ausgeschlossen.

Dem Justiziar ist bei der Anwendung anderer Gesetze mehr Glück zu wünschen.

4. Juni 2014

Knast-Kollege

Vor ein paar Jahren hatte ich mit einem Kollegen aus Münster einige unerfreuliche Begegnungen. Jener Strafverteidiger wurde seiner Mandantschaft immer ähnlicher und ließ seine Umwelt gerne spüren, für was für einen tollen Hecht sich der Kollege und wie wenig er von seinen Mitmenschen hielt. Einmal zeigte ich ihm sehr deutlich seine Grenzen.

Inzwischen nun hat der Kollege ganz andere Möglichkeiten, neue Strafmandate zu akquirieren: Gegenwärtig sitzt er selbst in U-Haft. So hatte der Kollege Fahrtkosten für Gerichtstermine in Münster berechnet, für die er aus einem angeblichen Büro in Hamburg angereist sein will. Die Polizei schnappte ihn an der Autobahnausfahrt Bielefeld.

Ob sich die Knackis allerdings von einem Strafverteidiger begeistern lassen, der selber sitzt, wird man sehen. ;)

28. Mai 2014

Breites Entsetzen über Desinteresse der Behörden am NSA-Skandal

Das ZDF zeigte gestern den ersten Teil einer eingängigen Doku über den NSA-Skandal. Nachdem Generalbundesanwalt Runge – taktisch geschickt nach der EU-Wahl -nun bekannt gegeben hat, dass er nicht einmal Ermittlungen anstellen werde, fällt es selbst gestandenen Juristen schwer, die Contenance zu bewahren. Der Kollege Udo Vetter, den sonst wirklich nichts, aus der Ruhe bringt, benutzt sogar Kraftausdrücke. Ich selbst habe mich auf Telepolis in die Satire geflüchtet und sarkastisch eine Legalisierung des Rechtsbruchs angekündigt, die leider näher an der Realität ist, als einem lieb sein kann.

Letztes Jahr hatten Udo Vetter und ich in Berlin über die mögliche Kontrolle von Geheimdiensten in einem parlamentarischen Untersuchungsausausschuss gesprochen, den es nun inzwischen gibt. Gerne hätte wir dabei kompromisslos mitgewirkt. Der Kollege Prof. Härting greift heute am Bundesverwaltungsgericht die Mitteilungsfreudigkeit des BND an – ein spannender Test, ob die politischen Blockaden durch rechtsstaatliche Verfahren gebrochen werden können.

Inzwischen hat das ZDF berichtet, dass die enge Kooperation des BND mit der NSA seit 1974 besteht und beruft sich hierzu auf Informationen aus dem Nachlass von Ex-BND-Vizepräsident Dieter Blötz. Als das Material von Blötz vor Jahren aufgetaucht war, hatten die angefragten Journalisten abgewinkt. So diente es schließlich dem BND-Forscher Erich Schmidt-Eenboom als Fundgrube für seine Bücher, die ihm seinerseits die Überwachung durch den neugierigen Dienst einbrachte. Heute sendet das ZDF um 22.45 Uhr die Fortsetzung.

13. Mai 2014

Tödliche Daten

 

In Diskussionen mit Sicherheitspolitikern etwa zur Vorratsdatenspeicherung höre ich immer wieder, dass ja keine Inhalte gespeichert würden, sondern nur, wer mit wem wann Kontakt hätte. Das ist in Zeiten von Big Data natürlich ziemlicher Unsinn, denn man kann auf Inhalte leicht schließen und dann bei Bedarf Inhalte abhören.

Diese Metadaten wirken aber auch direkt tödlich. So räumte General Michael Heyden, Ex-Direktor der NSA und der CIA, freimütig ein, dass man aufgrund von Metadaten Droneneinsätze zur gezielten Tötung „Verdächtiger“ befiehlt. Dabei kam es zu tödlichen Namensverwechslungen. Außerdem ziehen bereits gebrauchte SIM-Karten die Aufmerksamkeit von Hellfire-Raketen an.

Abgesehen davon ist Töten auf Verdacht einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig.

Nicht zivilisiert sind offenbar der Generalbundesanwalt und die aktuelle Bundesregierung. Die nämlich findet nichts dabei, dass diese Tötungen von Ramstein aus kontrolliert werden, also von deutschem Staatsgebiet. Die deutschen Geheimdienste haben offenbar auch kein Problem damit, sich durch Weitergabe von Metadaten an die Wild-West-Kollegen selbst die Hände blutig zu machen.

Einige Leute, darunter auch der CCC und die Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung, haben etwas gegen diese Beteiligung an Shoot-to-kill und gegen Vorratsdatenspeicherung im Allgemeinen. Kommenden Samstag demonstriert das Hamburger Bündnis gegen Überwachung vor dem Hamburger Rathaus. Die Bundeskanzlerin hat ihr Kommen ebenfalls angekündigt (wenn auch mit anderem Motiv). Wir sehen uns, oder?

30. März 2014

Urheberrecht: Im Schatten der Zauberer …

 

Nunmehr gewann der amerikanische Zauberkünster Teller einen Plagiatsprozess gegen einen belgischen Kollegen, der sich von Tellers  von Teller hatte „Shadows“ inspirieren lassen, sich bei seiner Hommage jedoch dabei „dem Original mit großem Respekt genähert“ hatte, wie man so sagt. (more…)

29. März 2014

Parteienrecht: Gründe für gründlich grünende Grüne

Déjà vue in Leipzig: Bei einer Aufstellungsversammlung der Grünen in Königswinter (NRW) erschienen auf einmal lauter in Königswinter ansässige Personen, die angeblich am selben Tag in den Kreisverband Leipzig (Sachsen) aufgenommen worden waren. Die Aufnahme sei deshalb in Leipzig vorgenommen worden, weil sie in Königswinter eine Verschleppung des Aufnahmeverfahrens befürchtet hätten.  Das war der Wahlleiterin nicht so recht geheuer, so dass sie 33 „Leipziger“ Neugrünen das aktive Wahlrecht verweigerte.

Die wahleifrigen Neugrünen wollten das nicht auf sich sitzen lassen und zogen vors grüne Parteigericht. Tatsächlich waren sie vom KV Leipzig zu Mitgliedern von Bündnis90/DieGrünen gemacht worden und beanspruchten nun ihr örtliches Wahlrecht am Wohnsitz in Königswinter. Das grüne Landesschiedsgericht lehnte ab und folgte der Wahlleiterin, die nicht hätte erkennen können, wer denn tatsächlich stimmberechtigtes Mitglied war. Wäre ja blöd mit so einem Kuddelmuddel. Anschließend strickten die grünen Schiedsrichter einen Pullover.

Aus § 10 Abs. 1 PartG folgt allerdings, dass den Mitgliedern gleiches Stimmrecht zu gewähren ist. Mithin kommt es nur darauf an, ob sie an dem Tag objektiv Mitglieder geworden waren oder nicht. Da das inzwischen wohl nicht mehr streitig ist, hätte man sie zulassen müssen. Nachdem es einer Grünen zu bunt wurde, erwirkte sie eine einstweilige Verfügung gegen die Partei am Amtsgericht Königswinter. Die Aufstellungsversammlung wird jetzt wiederholt.

Letztes Jahr gabe es – zufällig in Leipzig – einen ähnlichen Fall. Da waren Bus-weise bei einer Aufstellungsversammlung lauter unbekannte Neupiraten erschienen, die offenbar nur einen bestimmten Kandidaten wählen wollten. Da es allerdings höchst unklar war, wer denn tatsächlich Pirat geworden war, wurden sie nicht zugelassen. Vier der „Neupiraten“ klagten bis zum Bundesschiedsgericht der Piraten, dem ich seinerzeit angehörte. Vertreten wurden sie von ihrem Favoriten, dem berühmten „Netz-Notar“, der ungeahnte Energien entfaltete.

Die Angelegenheit kostete mich seinerzeit etwa zwei Wochen meiner Lebenszeit und wurde die wohl umfangreichste Entscheidung in der Parteigeschichte. Die Herrschaften vermochten uns nicht davon zu überzeugen, dass sie wirklich Piraten geworden waren. Unsere Entscheidung wurde inzwischen von einem konventionellen Gericht bestätigt.