Ein Hautarzt, dem viele Krebspatienten im Endstadium ihr Geld anvertrauen, hat es zwar zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht, dennoch versagt ihm die Fachwelt die Anerkennung. Seit Jahrzehnten pflegt Herr Dr. Nikloaus Klehr von der Lokalzeitung bis zum Fernsehsender etliche Kritiker zu verklagen. Gerade hat es das ZDF getroffen, im Juni hat der Bayrische Rundfunk Termin in der Hamburger Pressekammer.
Vor eineinhalb Jahren verklagte Klehr einen Mandanten von mir, dem er eine Vielzahl angeblich unwahrer Äußerungen nachsagte. Doch selbst der ehrwürdige Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer ließ im Termin wissen, dass diesen Äußerungen keine Unwahrheit auf die Stirn geschrieben sei. Dennoch ließ er Klehrs Anwalt wegen der für die Hamburger überraschenden Rechtsansicht einen Schriftsatz nach, den ich dort auf dem Foto abgebildet habe. Der Verfahren läuft immer noch.
Klehr hatte letztes Jahr eine einstweilige Verfügung auch gegen mich persönlich erwirkt, weil ich eine Dokumentation von WISO per Youtube eingelinkt hatte, bei der – für mich nicht erkennbar – mit versteckter Kamera der Flur einer Arztpraxis gezeigt wurde und andere Belanglosigkeiten. Weil die einstweilige Verfügung ohne schriftliche Begründung erlassen wurde und mir die Verantwortung für ZDF-Videos als aberwitzig erschien, habe ich mich gegen diese Beschneidung der Meinungsfreiheit entschieden gewehrt.
Weil dieser Fall juristisches Neuland bedeutet und für die Freiheit des Internet verheerende Folgen haben kann, habe ich aus Verantwortung den für solche Fälle wohl besten Kollegen angeheuert, nämlich den Kollegen Thomas Stadler, der die Problematik schon seit „Freedom for Links“ kennt. Der Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer hat sich zum Jahreswechsel in einen Käfer verwandelt. Nicht wie bei Kafkas „Verwandlung“, vielmehr leitet nun die frühere Beisitzerin Frau Käfer die Zivilkammer 24. Vor Jahren war sie an einem Fehlurteil beteiligt, als die einem Betreiber eines Wikis dessen von fremden generierten Inhalt zurechnete, ohne dass dieser ihn kannte – eine inzwischen überwundene Hamburger Rechtsansicht.
Wie der Kollege Stadler gebloggt hat, sind wir erstinstanzlich gescheitert. Wir sind beide der Meinung, dass dieses internetfeindliche Urteil, das ab sofort von den entsprechenden Hamburger Anwälten zitiert werden wird, nicht bestehen bleiben kann. Faktisch bedeutet es nichts anderes als eine Renaissance der Haftung für Links. Was das Landgericht Hamburg da macht, lässt sich nicht mit der Rechtsprechung in Karlsruhe in Einklang bringen.
Für das Gericht übrigens irrelevant war die Tatsache, dass das Video eingebettet war, was das Gericht in der mündlichen Verhandlung klarstellte. Im Übrigen wird bei Posten von Youtube-Links auf Facebook, Twitter und bei diverser Blogsoftware der Link automatisch in eine Einbettung umgewandelt. Es kann also jeden treffen, der Youtube-Links mit jemandem teilt.
Da der Berufungssenat am Hanseatischen Oberlandesgericht, der letztes Jahr viele Buske-Urteile aufhob, nunmehr von Herrn Buske geleitet wird, kann man sich einen Reim darauf machen, wie die Berufung ausgehen wird, zumal Klehr sehr prozessfreudig ist. Das Verfahren wird daher erst am BGH enden. Die Sache kostet in dem Fall etwas über 20.000,- €. Ich werde bis Mitte kommender Woche in Ruhe die Erfolgsaussichten prüfen und mir Gedanken machen, wie dieser Prozess finanziert werden könnte. Einige Leute haben hier spontan angerufen und gesagt, dass es ihnen etwas wert sei. Alleine werde ich es nicht stemmen können.
Während letzten Freitag sich die Kamera-Teams für die – an sich belanglose – Verkündung des Yuotube-Urteils in Stellung brachten, verpassten sie den eigentlichen Wirtschaftskrimi, der sich in Raum B 335 ereignete, wo die Hamburger Pressekammer zu tagen pflegt. Während es bei GEMA ./. Youtube um jährliche Beträge von etwa 2009 unter 10 Millionen Euro geht, möchte eine Firma das ZDF gegenwärtig um bis zu 133 Millionen Euro erleichtern.
Das ZDF hatte über die Amitelo AG berichtet, deren tatsächliche Firmensubstanz dem ZDF spanisch vorkam. Nach dem ZDF-Bericht ging die Firma „den Bach runter“, wie sich deren Anwalt ausdrückte. Die stolze Klage wird vom Kollegen Waldenberger vertreten.
Da ich am Freitag in Hamburg ohnehin zu tun hatte, sah ich mir das bizarre Schauspiel an. Das ZDF ließ sich nicht lumpen und schickte u.a. Prof. Gernot Lehr ins Rennen, ein Mitbeklagter bot Prof. Hegemann auf. Insgesamt saßen den Richtern 8 Robenträger gegenüber, sowie ein Vertreter der klagenden Firma, der allerdings mit seiner Bolotie nicht sonderlich seriös wirkte.
Um die haftungsauslösende und die haftungsausfüllende Kausalität des ZDF-Berichts für die Schäden zu beweisen, hatte Amitelo kiloweise Papier angekarrt. Möglicherweise ist dieses Verfahren auch der Grund, warum man mir einen Gerichtstermin aus organisatorischen Gründen verlegte, denn die Hamburger Presserichter sind derzeit wohl mit diesem Verfahren gut beschäftigt. In der Sache allerdings stehen für Amitelo die Chancen wohl schlecht. Zu Recht bezeichnete Waldenberger die Klage als „Musterprozess“, und auch das ZDF gibt sich selbstbewußt. Viel passierte in diesem sogenannten „frühen ersten Termin“ noch nicht.
Sofern der Amitelo-Anwalt nach RVG abrechnet, stehen ihm 272.224,40 Euro Honorar zu. Hoffentlich hat er Vorkasse genommen …
Die Youtube-Verkündung habe mich mir nach der 133 Millionen Euro-Show dann aber auch angesehen und bei TELEPOLIS zwei Beiträge zum Thema eingestellt:
Bild: Lurusa Gross: Hamburger Pressekammer 2008, rechts im Bild die heutige Vorsitzende Frau Käfer
Heute war Münster überdurchschnittlich in der Pressekammer vertreten. Es begann damit, dass die Herzspezialistin Sabine Däbritz den „Westfälischen Nachrichten“ etliches an Berichterstattung untersagen lassen wollte. Am besten mal Frau Däbritz googeln …
Die Westfälischen Nachrichten hatten neben ihrem Anwalt in Hamburg sogar ihren Chefredakteur persönlich und den Justiziar aufgeboten. Dort machten das Trio die Erfahrung, die ich 2006 dort hinter mich brachte. Die Anforderungen, die man in Hamburg an Berichterstattung aufstellt, haben mit dem journalistischen Alltag und der Verwirklichung der Pressefreiheit wenig bis gar nichts zu tun. So durfte die Zeitung Vorwürfe der Staatsanwaltschaft deshalb nicht mehr bringen, weil man nicht zuvor Frau Däbritz angehört hätte. Der Witz an der Geschichte ist, dass man das mehrfach versucht hatte, die gute Frau jedoch hatte wissen lassen, dass sie nicht mit der Presse rede. Nach den hanseatischen Vorstellungen muss jedoch ein Journalist vor praktisch jeder Behauptung erneut einen Korb abholen und dies auch belegen können. Die Äußerung der Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt des Behördenprivilegs kann man auch vergessen. Der WN-Chefredakteuer kommentierte, dass Wulff wohl noch im Amt wäre, wenn das gelten würde. Wenn er wüsste, was in B 335 jede Woche abgeht …
Fast die gleiche Nummer ereignete sich bei einer weiteren Verhandlung heute bei einem anderen medizinischen Fall. Da hatte eine Ärztin unter Berufung auf ihre Schweigepflicht eine Auskunft abgelehnt, die nun einmal von der Anamnese bis zur Bahre gilt. Nichts, da, sie hätte stets gefragt werden sollen. In dem Prozess wurde absurde Wortklauberei betrieben und unter anderem darüber gestritten, ob man eine bis auf einen unwesentlichen Stoffrest bekleidete Frau als „nackt“ bezeichnen dürfe. Der Beklagten-Anwalt bezog sich auf den jüngsten Münster-Tatort, wo die an der Aaa gefundene Frauenleiche ebenfalls als „nackt“ bezeichnet wurde, obwohl die Kamera ein Höschen einfing. (Der Kollege hat aber genau geguckt …)
Den hanseatischsten Angriff auf die Pressefreiheit jedoch haben wir den Schlagerfuzzis zu verdanken. Ein Herr Karl Moik hatte sich im ZDF über ein bekanntes Ehepaar aus dem Stadl-Millieu wohl dahingehend geäußert, er meine, die inzwischen anscheinend beendete Ehe sei eine Inszenierung des Managements oder so gewesen. Etliche Medien hatten Herrn Moik zitiert. Die Ehepartner verstanden sich aber wohl immerhin noch so gut, dass sie jeweils die gleiche Kanzlei beauftragten. Nach Meinung der Hamburger Pressekammer hätte Moik nicht ohne weitere Recherche zitiert werden dürfen. Ergo: Die Presse darf künftig keine fremden Meinungsäußerungen oder Verdächtigungen wiederholen, ohne eigene Recherchen anzustellen. (An dieser Stelle distanziere ich mich von Karl Moik und insbesondere von seiner Musik.)
Damit sind wir wieder ziemlich genau beim vom BGH in der Luft zerissenen Markwort-Urteil, das mich zu diesem „Interview“ mit dem vormaligen Häuptling der Hamburger Pressekammer inspiriert hatte. Dessen Nachfolgerin, Frau Käfer, macht genau da weiter. 2008 hatte ich Frau Käfer als damalige Beisitzerin in der ZK 24 erlebt, wie die Kammer meinem Mandanten die Haftung für ein Wiki aufs Auge drückte. Irgendein Unbekannter hatte dem Mandanten nachts etwas in sein Wiki geschissen, das er ab Kenntnisnahme sofort gelöscht hatte. Obwohl es bereits damals allgemeine Meinung war, dass Betreiber für fremde Äußerungen in Foren, Blogs oder Wikis nur ab Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis haften und dies sogar die Vorinstanz so entschieden hatte, hat die Kammer tatsächlich eine wirre Haftung konstruiert, die nach heutiger Rechtsprechung allerdings ohne jede Grundlage ist. Zu dem, was mir die Pressekammer letzte Woche angetan hat, ein andermal.
Nachdem gerade gestern nebenan am Hanseatischen OLG das Schandurteil gegen RapidShare verkündet wurde, das im Widerspruch zur Sicht des OLG Düsseldorf steht, hat es diese Woche mal wirklich wieder in sich gehabt. Diese unfassbare Seuche namens „fliegender Gerichtsstand“ muss abgeschafft werden. Es reicht jetzt.
PS: Meinen für Samstag geplanten Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ beim IT-LawCamp in Frankfurt muss ich leider absagen. In Münster findet kommendes Wochenende der Aufstellungsparteitag der Piraten NRW statt, dessen Vorbereitung im Moment dringender ist. Vielleicht mache ich den Vortrag, den ich letzte Jahr auch schon gehalten hatte, ja mal als Podcast und lasse es anonym verbreiten …
Bis letzte Woche wusste ich gar nicht, dass das öde Wohnviertel, das an mein geliebtes Kreuzviertel anschließt, überhaupt einen Namen hatte. „Rumphorst-Viertel“ heißt die unbedeutende Gegend ohne Wiedererkennungswert. Gestern gab der Staat ca. 500.000,- Euro dafür aus, dass Personen dort ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen konnten, obwohl diese Leute nicht wirklich etwas zu sagen hatten. Zumindest hatte die Aktion den Sinn, dass über die Herrschaften hoffentlich Bildmaterial zu erkennungsdienstlichen Zwecken gesammelt werden konnte …
Gefilmt hat die Polizei eifrig jedenfalls die Gegendemonstranten und Anwohner bereits im Vorfeld. Die Anwohner hatten sich etliche Gäste eingeladen, die von Privatgrundstücken aus von ihrem eigenen Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nahmen. Offenbar waren es gerade einmal 167 rechte Demonstranten, während die Anzahl der Gegendemonstranten inzwischen mit über 7.000 als sicher gilt. Zu den charmantesten Aktionen der Anwohner gehörte es, braune Hundehäufchen mit einen Fähnchen zu platzieren.
Rechtlich ist bemerkenswert, dass eine Bundestagsabgeordnete beim Schlichtungsversuch festgenommen wurde und sich auf der Polizeiwache ausziehen musste. Ähnliches war Alios 2009 in Berlin passiert. Auch scheint die Polizei das Demonstrationsrecht der Gegendemonstranten nicht durchgehend respektiert zu haben. Unklar ist der Fall eines von der Polizei Schwerverletzten Gegendemonstranten. (Man darf gespannt sein, ob die Polizei darüber Filmdokumente hat und rausrückt.) Gäste der Anwohner durften nicht die Gärten wechseln.
Mein aufmerksamer Blog-Leser Dr. Nikolaus Klehr, der mich gegenwärtig auch persönlich am Landgericht Hamburg verklagt, beschäftigt sich auch mit Strafrecht. Am Landesgericht Salzburg ist er wegen des Verdachts auf Betrug angeklagt, weil seiner teuren Therapie der eine oder andere die Wirksamkeit abspricht. Doch Herr Dr. Nikolaus Klehr will weder Heilung versprochen haben, noch möchte er sich nachsagen lassen, sein Zeugs wirke nicht.
So hat der Mann nun angekündigt, seine „Erfolgsfälle“ zu präsentieren:
Doch es gebe eben nicht immer für alles wissenschaftliche Beweise, sagt der Angeklagte. Er habe auch viele Erfolgsfälle vorzuweisen, mindestens 20. Die werde er präsentieren, er sei jedenfalls kein Betrüger.
Falls er damit den Kram meint, den er am Landgericht Hamburg in einem von mir betreuten Fall aufgeboten hat, um die behauptete Wirksamkeit seiner Heilkünste darzulegen, dann könnte man beinahe lachen – wenn die ganze Angelegenheit nicht so unsäglich abstoßend wäre …
Der Buskeismus.de-Betreiber Rolf Schälike, bekannt für seine emprischen juristischen Studien, hat sich letzten Freitag in die drei Wallraff-Verhandlungen am Landgericht Köln eingeschlichen. Wie Wallraff benutzte der Blogger gewiefte Tarnung und verkleidete sich geschickt als Markus Kompa. Hier nun die ganze Steno-Wahrheit:
Seinen stärksten Auftritt hatte Wallraff an diesem Kölner Verhandlungstag in seiner Rolle als Zeuge – das macht er ja seit 40 Jahren, wenn auch normalerweise verdeckt.
Der SWR war mit seinem Justiziar Dr. Härtel sowie seinem Stammanwalt Prof. Dr. Burkhardt vertreten, die keinen Zweifel an ihrem Obsiegen erkennen ließen.
Dem SWR sollte unter anderem die Veröffentlichung von Video-Aufnahmen untersagt werden, die Wallraff wohl mit versteckter Kamera gefertigt hatte. Diese waren zur Illustration eines Berichts über den Strafprozess wegen des Vorwurfs fahrlässiger Körperverletzung gegen den Back-Unternehmer in Bad Kreuznach eingesetzt worden.
Zweifelhaft war zunächst die Aktivlegitimation einer der Kläger, nämlich eine GmbH & Co. KG in Liquidation. Diese hatte am fraglichen Grundstück kein Eigentum mehr, so dass für sie ein Verstoß gegen das Hausrecht insoweit künftig eigentlich gar nicht mehr möglich war.
Das Gericht tendierte dazu, dass ein Hausrecht wohl wegen eines die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Missstandes, der durch die verdeckten Aufnahmen aufgedeckt werden könnte, gerechtfertigt war. Hier dürfte eine gewisse Wallraff-Entscheidung eine Rolle gespielt haben …
Fraglich war weiterhin, ob die abgebildeten Szenen geeignet waren, um über den Strafvorwurf zu berichten, da die konkret verwendeten 10 Sekunden nicht in den Tatvorwurf eingeflossen waren. Doch auch insoweit tendierte das Gericht zur Annahme eines ausreichenden Bezugs in einen Gesamtzusammenhang und verwies auf die Genmilch-Entscheidung des BVerfG.
Nächster Punkt war ein angeblich erzeugter Eindruck, die Verzögerung des Strafverfahrens von etwa zwei Jahren beruhe (alleine) auf dem Verhalten des Angeklagten. Das Gericht hatte bereits Zweifel, ob dieser Eindruck überhaupt erzeugt wurde – und wenn ja, ob dieser denn von der Hand zu weisen wäre. Der Verteidiger hatte innerhalb zwölf Monaten sechs Befangenheitsgesuche gestellt. Kläger-Anwalt Höcker wies den Verdacht des Taktierens als absurd zurück. Der Verteidiger hätte definitiv Anlass gehabt und würde nicht leichtfertig Befangenheitsgesuche stellen, derartiges hätte der überhaupt noch nie tun müssen. Der Richter sei durch den Anruf des prominenten Wallraff für diesen eingenommen worden. Die weiteren Verzögerungen durch Vertagungsanträge seien neben dem Urlaub des Verteidigers vor allem dessen krankheitsbedingter Reiseunfähigkeit nachvollziehbar begründet gewesen. Er könne sich nicht vorstellen, dass ein Anwalt mit einem Gefälligkeitsattest simulieren würde. (Nicht gestellt wurde die Frage, warum bei einem angeblich lächerlichen Tatvorwurf kein anderer Verteidiger bemüht wurde.)
Der dritte Punkt betraf Aufnahmen, in denen Wallraff nach einem Unfall in der Großbäckerei eine Wunde präsentierte, aus der eine Flüssigkeit lief. Hier gab die Klägerseite die Verschwörungstheorie aus, es könne sich hierbei um eine gestellte Aufnahme handeln. Wallraff sei bekannt dafür, dass er sich tarne und mit Maskenbildnern arbeite. Es sei seltsam, dass die Flüssigkeit aus Wallraffs Wunde nicht von dessen Hemd aufgesogen worden sei. Auf der Aufnahme sei ein verdächtiges Kabel zu sehen.
Wäre dieses Kabel in Wirklichkeit ein Schlauch gewesen, der mit mit einer aus dem Schminkkasten stammenden Wundenattrappe verbunden gewesen wäre, so wäre dieser wohl kaum auf eine gesendete Aufnahme gelangt. Offensichtlich gehörte er zur im Ärmel versteckten Aufnahmetechnik. Trotz der lächerlichen Vorwürfe wurde Wallraff zur Beweisaufnahme gerufen.
Der Zeuge Wallraff hatte bereits von dem seltsamen Vorwurf erfahren, kam geladen in den Saal, fuhr den ihm persönlich bekannten Anwalt Höcker energisch an und bezeichnete den Vorwurf als „Scheiße“. Selbst bei der Vernehmung zur Person nahm der temperamentvolle Journalist immer wieder der Vorsitzenden das Heft aus der Hand und zog eine Show ab. Wallraff schilderte fünf aus Verbrennungen an Blechen resultierende Wunden, präsentierte Fotos seiner Mensuren und entkleidete am Richtertisch seinen Arm.
Zur Augenscheinnahme am Richtertisch gesellten sich die Anwälte, so dass Wallraff es nicht lassen konnte, unter erneuter Bekundung seiner Entrüstung ob der Ungeheuerlichkeit einer ihm unterstellten Inszenierung dem Klägeranwalt Höcker einen Klaps zu verpassen und von ihm eine Entschuldigung zu fordern. „Wallraff hat mich geschlagen! Sie sind meine Zeugen!“ wandte sich nun auch Höcker zu den Journalisten. Wallraff verteidigte sich ebenfalls zum Publikum gedreht, er habe ihn nur gestreichelt und grummelte despektierlich über Anwälte. Die Leute hatten ihren Spaß.
Nachdem wieder der erforderliche Sicherheitsabstand hergestellt worden war, versuchte Höcker weiterhin, die These einer Inszenierung durch Detailfragen zu untermauern und den Zeugen in Widersprüche zu verstricken, wobei Wallraff mehrfach ausflippte. Der Zeuge berichtete unwidersprochen, dass es trotz der häufigen Verletzungen keinen Verbandskasten gegeben habe. Bei einem Unfall sei Blut auf die Brötchen getropft, die dann in den Handel gelangt seien. In der Zeit hätte es in Berlin dann wohl blutige Brötchen gegeben. (Beim Genuss von Berlinern muss das Rote also nicht immer Marmelade sein …) Die ekligsten hätte er noch gar nicht erzählt. Auf Nachfrage erklärte der Zeuge, er hätte „den Teufel getan“, das zu melden oder Brötchen vom Band wegzuschmeissen, denn das wäre als Ungeschicklichkeit ausgelegt worden und seine Tätigkeit wäre dann beendet gewesen.
Während der Zeugenbefragung kam man immer wieder vom Beweisthema ab, sodass Wallraff den neugierigen Klägeranwälten vorschlug, doch einfach sein Buch zu lesen, er scheine gerne ein Exemplar.
Die Parteien stellten die Anträge, über die am 20.01.2012 entschieden werden wird.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung reichte der Kölner Anwalt Höcker dem Kölner Journalisten Wallraff die Hand. Pack schläjscht süsch, Pack verdräjscht süsch! Läwe un Läwe losse! Et kütt, wie et kütt.
Unmittelbar an das Verfahren gegen Wallraff schloss sich eine Verfügungsklage gegen dessen Mitarbeiter an, der einen Mangel an Sicherheitshandschuhen beklagt und die Zustände dort wohl als Sklaverei bezeichnet hatte. Er wurde ebenfalls von Wallraffs Anwalt Jipp vertreten.
Während Wallraffs Recherche hatten die Arbeiter keine persönlichen Sicherheitshandschuhe, die im Fall eines häufig vorkommenden Defekts des maroden Fließbands benötigt wurden, um die heißen Bleche manuell zu entfernen. Solche Handschuhe lagen dort in nicht genannter Zahl herum, wobei etliche verschlissen und wegen Rissen und Löchern wohl unbrauchbar waren. Dies war Wallrff zufolge eine wesentlich Ursache für die häufigen Verbrennungen der Mitarbeiter.
Neue Handschuhe konnte man sich in einem Büro holen, was allerdings im Bedarfsfalle zeitlich wohl schwierig geworden wäre, zumal das Büro nicht durchgehend geöffnet war. Der Mitarbeiter gab an, er sei zweimal im Büro vorstellig geworden, um neue Handschuhe zu erhalten, was man ihm brüsk abgeschlagen habe. Daher hätte er dies irgendwann aufgegeben und sich mit den Ärmeln beholfen.
Die Parteien stritten sich über die tatsächliche Verfügbarkeit von Ersatzhandschuhen, wobei der Unternehmer über eine eidesstattliche Versicherung behauptete, defekte Handschuhe seien regelmäßig aussortiert worden. Dem Gericht erschienen diese Angaben jedoch ein bisschen unkronkret. Diese Version des Unternehmers ließ sich dieser durch eine weitere eidesstattliche Versicherung bestätigen, gegen die jedoch Anwalt Jipp einwandte, sie stamme von einem unter Betreuung stehenden geistig Behinderten, der unter dem Einfluss des Unternehmers stehe.
Die Klägerseite wollte die Äußerung über „Sklaverei“ wörtlich ausgelegt wissen, diese gehe in Richtung eines strafrechtlichen Vorwurfs, Sklaverei sei verboten. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass man über „moderne Sklaverei“ rede, was Rechtsanwalt Höcker als „dasselbe“ bezeichnete. (Höckers terminologische Großzügigkeit ist delikat, denn wenige Minuten zuvor hatte er Wallraff Übertreibung vorgeworfen und hohe Anforderungen an die Genauigkeit von Vorwürfen gestellt.)
Anwalt Jipp war nicht zu einem Vergleich bereit, der seinem Mandanten Kosten verursachte. Die Sache wird daher streitig entschieden werden. Insoweit wird auch interessant, inwiefern auch das sich in Liquidation befindende Unternehmen Unterlassungsansprüche hat, Unternehmenspersönlichkeitsrecht und so Zeugs.
Im dritten Verfahren dann, welches gegen den SWR geführt wurde, sagte Wallraff als temperamentvoller Zeuge aus. Fortsetzung folgt.