21. Februar 2017
© Thomas Wolf, www.foto-tw.de CC BY-SA 3.0 DE
Derzeit debattiert man in der Wikipedia-Community, wie man mit jenen Fotografen umgehen soll, die aus unverständlichen bzw. missverständlichen Lizenzbedingungen bei Creative Commons Kapital schlagen. Wenn deren Werke aus der Wikipedia geworfen würden, wäre das für mich sehr schade:
Inzwischen schreibt etwa Thomas Wolf pro Jahr ca. 500 „Urheberrechtsverletzer“ an, denen er Ansprüche von bis zu 8.827,50 € vorgaukelt, weil sie die Urheber- und Lizenzbenennung bei seinen Lichtbildern nicht geleistet haben. Das sind für mich 500 potentielle Mandate pro Jahr. Die erste Wolf-Mandantin konnte die „Ansprüche“ vor Gericht auf unter 2% drücken, wir arbeiten gerade an 0%.
Problematik und juristischen Streitstand habe ich heute auf Telepolis dargestellt:
Wikipedia berät über Distanzierung von Fotolizenz-Abzockern
Bereits 2014 gab Mitbewerber Herr Dirk Vorderstraße den Berliner Gerichten Gelegenheit, dieses fragwürdigen Geschäftsmodell zu kommentieren, als er einem Blogger die Beschimpfung als „Abzocker“ verbieten lassen wollte. Die Richter waren jedoch der Ansicht, dass man die Drohung mit Anwaltskosten „getrost als Abzocken“ bezeichnen dürfe. Sie bezeichneten die Urheberrechtsverletzung als „unbedeutend“ und „Bagatelle“ und „nicht selten vom Berechtigten herausgefordert“, das Geschäftsmodell erscheine „hinterhältig“. Das urheberrechtliche Interesse des Urhebers an der Benennung seines Namens bei weiterer Verwendung seines Fotos werde „aus Sicht der Internetnutzer nicht sehr gewichtig sein, wenn schon bei der eigenen Veröffentlichung des Fotos durch den Fotografen oder den Berechtigten eine derartige Namensangabe fehlt“. Die Forderungen seien als „stark überhöht zu bewerten“.
Das Berliner Kammergericht äußerte auch Zweifel an einer „Berechtigung der Drohung mit den hohen Kosten […] durch zusätzliche anwaltliche Abmahnungen“ und verwies auf die BGH-Entscheidung zur missbräuchlichen Mehrfachabmahnung. Das Verhalten des Abzockers sei als „systematisch“ zu würdigen und lasse den Schluss zu, er wolle „sorglosen Internetnutzern eine Kostenfalle stellen“. Bei kostenlosen Inhalten insbesondere in der Wikipedia, wo Inhalte grundsätzlich übernommen werden dürften, werde die Aufmerksamkeit der Internetnutzer häufig gering sein. Die Lizenzforderung sei daher „im Hinblick auf die fehlende Urheberbenennung im Wikipedia-Artikel überraschend und widersprüchlich“.
Insgesamt könne das Verhalten des Abzockers dahin gewertet werden, „dass es ihm – angesichts des Inhalts seiner Forderungsschreiben – weniger oder gar nicht um eine Durchsetzung der Urheberbenennung (und der Lizenzangabe) geht (derartiges wird in den Forderungsschreiben für die Zukunft gar nicht gefordert), als vielmehr um die Durchsetzung einer Zahlungsforderung aus Anlass einer eher geringfügigen Urheberrechtsverletzung geht“ (Beschlüsse Landgericht Berlin, 27 O 452/14, Kammergericht 5 W 356/14). Eine Hauptsacheklage insoweit hat Herr Vorderstraße bislang nicht angestrengt.
admin •
12:22 •
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17. Februar 2017
Der gestrige Auftritt der Kanzlerin vor dem NSA-Untersuchungsausschuss erinnerte mich an zwei Stellen aus meinem Politthriller Das Netzwerk:
So gibt es dort einen ehrgezigen Kanzleramtsminister, der seinen Geheimdienstchefs auch bei offensichtlich rechtswidrig gewonnenen Informationen keine Fragen stellt und seine Kanzlerin von kompromittierendem Wissen hierüber konsequent abschirmt. So kann sie alles plausibel abstreiten.
Außerdem macht meine Romanheldin das Buhndeskanzleramt darauf aufmerksam, dass das angebotene No Spy-Abkommem schon deshalb ein Fake sein muss, weil dies die US-Regierung gar nicht ohne Gesetzesänderung anbieten könnte, für welche im Kongress Mehrheiten und politischer Wille fehlen. Der Geheimdienstkoordinator antwortet darauf, dass man das naürlich schon selber wisse, aber darauf spekuliere, dass den politischen Journalisten die juristische Kompetenz fehlt, um diese Scharade vor Ende des Wahlkampfs (2013) zu durchschauen.
In der Tat haben gestern etliche Medien über das angebotene No Spy-Abkommen noch immer so berichtet, als sei dies jemals eine plausible Option gewesen.
15. Februar 2017
In der Post lag heute ein unerwartetes Päckchen eines mir unbekannten Absenders aus Luxemburg. Auf dem Umschlag stand die Botschaft
… für Sie …
weil Sie am 13.04.2016 schönen Artikel auf HEISE publiziert haben.
Da ich über Luxemburg hauptsächlich zur geheimnisvollen Bombenleger-Affäre aus den 1980ern geschrieben hatte, die Kenner dem tiefen Staat des Großherzogtums zuschreiben, überlegte ich kurz, ob ich das Päckchen vor dem Öffnen vielleicht besser mit ins Gericht nehme, um es da am Eingang fachmännisch durchleuchten zu lassen … Mein Beitrag In Luxemourg gehen die Uhren anders betraf den vormaligen Geheimagenten André Kemmer, der die Uhren-Affäre ins Rollen gebracht und damit eine Regierungskrise herbeigeführt hatte.
Die Neugier siegte und ich öffnete vorsichtig das Päckchen. Dieser enthielt einen Roman, der offenbar im November in Luxemburg ein Bestseller ist. Autor: André Kemmer. „Der Geheimdienst-Insider“ ist offenbar inzwischen der zweite Schlüsselroman des einst schillernden Geheimagenten, der am Finanzplatz Luxemburg offenbar sehr delikate Aufgaben hatte. Wie man heute weiß, brauchten sich die Luxemburger Geheimagenten in Sachen Dienstwagen nicht hinter dem Idol aus London zu verstecken, da sie betuchte Zielpersonen schlecht mit schäbigen Mörchen beschatten konten.
Vielleicht revanchiere ich mich ja mal und schicke Kemmer eine Ausgabe meines Geheimdienstromans „Das Netzwerk“ …
14. Februar 2017
Die größte Fake News dieser Tage ist die, Falschmeldungen, Propaganda und Spindoctoring seien ewas Neues. Allerdings scheint die Dreistigkeit, mit der inzwischen gelogen wird, immer primitiver zu werden.
Nun wollen uns im Bundestagswahlkampf diverse Faktchecker vor der Unwahrheit bewahren. So will ewa künftig das ZDF mit Wahrheit anfangen …
Auch die EU hat nun ein quasi militärisches Wahrheitsministerium eingerichtet, meldet die Nachrichtenagentur fefe.
Facebook hat eine Wahrheits-Kooperation mit dem angeblich unabhängigen Recherche-Kollektiv „Correctiv“ begonnen – die allerdings seltsam finanziert und mehrfach mit erstaunlich tendenziösem „Journalismus“ aufgefallen sind (Facebook-„Wahrheitsprüfer“ Correctiv verstrickt sich in Widersprüche). Wenn David Schraven demnächst Journalisten ausbilden will, muss ich an diese eigenartige Schraven-Story erinnern.
Ich bin ja mal gespannt, wer der nächste Wahrheitsanbieter wird. Wirklich gute Infos bekommt man derzeit am ehesten bei Satire-Sendungen.
10. Februar 2017
Das Landgericht Hamburg hat heute meinen Ehrenfelder Mitbürger Herrn B. zur Unterlassung der Rezitation von Teilen des Gedichts „Schmähkritik“ verurteilt.
Die Verurteilung hinsichtlich der sexuellen beleidigenden Stellen war zu erwarten und folgt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Strauß-Karrikaturen: Machtkritik ja, aber nicht unter der Gürtellinie) sowie der Tradition der Hamburger, bei der Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Meinungsfreiheit im Zweifel zu verbieten. Da wird auch die Berufung zum OLG Hamburg, dessen Pressesenat aus vormaligen Richtern der Pressekammer des Landgerichts Hamburg besteht, nichts ändern.
Das Gericht hat sein Urteil juristisch und nicht politisch gefällt, was im Sinne eines Rechtsstaats zu begrüßen ist. Die Hamburger Richter scherten sich nicht um die öffentliche Meinung und scheuten auch ein unpopuläres Urteil nicht. Kritik an ihrer Urteilspraxis hat die Hamburger Pressekammer meines Erachtens noch nie irritiert – im Giuten wie im Schlechten.
Eine andere Frage ist es, wie Karlsruhe mit dem Fall umgehen wird. Im Urteil ZEIT-Prozesshanseln ./. Die Anstalt (ZDF) hatte der BGH klargestellt, dass man Äußerungen von Satirikern nicht wörtlich, sondern im Kontext interpretieren und die tatsächliche Intention beurteilen muss. Mit einem ähnlichen Kunstgriff hatte sich die Generalstaatsanwaltschaft Mainz aus der Affäre gezogen, wo man keinen Beleidigungsvorsatz feststellen konnte, der im Strafrecht nun einmal erforderlich ist – anders als beim zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch.
Beim Heranziehen des Kontextes wird es allerdings eine Rolle spielen, dass das Schmähgedicht selbst türkisch untertitelt war, nicht allerdings die satirische Einkleidung. Die dementsprechend in der Türkei angekommene Message, dass in Deutschland rassistisch-sexistische Beleidigungen im TV salonfähig sind, war vermutlich auch kein Beitrag zur Völkerverständigung.
admin •
16:19 •
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7. Februar 2017
Zu den erstaunlichsten Lücken der ZPO gehört der fliegende Gerichtsstand im Eilverfahren. Eine konventionelle Klage kann man nur an einem Gericht zur gleichen Zeit führen. Bei Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügungen beantragen findige Presseanwälte gerne mal ein und dieselbe Unterlassung parallel (oder hintereinander) an verschiedenen Gerichtsorten, in der Hoffnung, eine der Kugeln werde schon treffen. Möglich wird dies durch den fliegenden Gerichtsstand, der beliebig viele Gerichtsorte zulässt (in der Praxis aber hächstens fünf).
Man kann diese Strategie mit guten Gründen insgesamt für rechtsmissbräuchlich halten. Wenn man diese Tricks anwendet, muss man allerdings gewisse Feinheiten beachten. In Berlin lassen sich die Gerichte jedenfalls dann nicht für dumm verkaufen, wenn andere Faktoren hinzutreten, die auf Rechtsmisbrauch schließen lassen. So hatte mir das Landgericht Berlin vor fünf Jahren zu Recht Landeverbot erteilt, als ich gewisse Grenzen austestete. ;)
Berliner Luftrecht wurde neulich einem Kunstflieger zum Verhängnis, weil er den Berlinern verheimlichte, dass er auch in Hamburg hatte landen wollen und dort abgestürzt war. Hinzu kam, dass der Bruchpilot seinen Gegner nicht einmal abgemahnt hatte und auch die Eilverfügung wohl kampflos haben wollte. Das war der Unsportlichkeit den Berlinern dann doch zu viel.
Kammergericht, 11.10.2016 – 5 U 139/15
30. Januar 2017
Als Mitglieder der AfD Schleswig-Holstein letztes Jahr anfragten, ob ich sie in einem parteienrechtlichen Verfahren vertreten würde, glaubte ich erst an einen Irrtum, da ich normalerweise Mandanten aus dem anderen Teil des politischen Sprektrums vertrete. Tatsächlich aber suchte der Gründer des Landesverbands einen mit solchen Verfahren erfahrenen Rechtsanwalt, bei dem keine innerparteilichen Interessenkonflikte zu erwarten waren. Denn mit der Parteigerichtsbarkeit der AfD hatte er Erstaunliches erlebt.
In der AfD Schleswig-Holstein rumorte es schon länger. AfD-Mitglieder aus dem Landesverband Hamburg, die dort bei der Bürgerschaftswahl nichts geworden waren, entdeckten plötzlich, dass sie eigentlich Schleswig-Holsteiner seien – wo man demnächst wohl Landagsmandate zu verteilen hat. Der von der einstigen „Professorenpartei“ stetig weiter nach rechts gerückte Bundesvorstand übte (ähnlich wie übrigens in NRW) in fragwürdiger Weise Einfluss aus. Und so passierte es, dass ausgerechnet Mitglieder aus dem einen Lager keine rechtzeitige Einladung erhielten – ein unheilbarer Anfechtungsgrund.
Einen aussichtsreichen Eilantrag zum Parteischiedsgericht, die Einladung für ungültig zu erklären, sabotierte einer der Richter aus politischen Motivem durch Rücktritt, was die Arbeitsunfähigkeit des satzungsgemäß mit drei Richtern zu besetzenden Schiedsgerichts bewirkte. Hier ein Bericht vom 16.04.2016.
Als der Mandant Anfechtungsklage beim Parteischiedsgericht erhob und Verweisungsantrag stellte, ließ es das Bundesschiedsgericht der AfD erstaunlich lachs angehen. Man informierte uns nebenbei, dass man zwischenzeitlich das Parteischiedsgericht Hamburg für zuständig erklärt hätte, aber man ernenne jetzt einen Ersatzrichter für Schleswig-Holstein. Das in deutscher Rechtskultur immanente Justizgrundrecht des gesetzlichen Richters (der nicht willkürlich entzogen werden kann) hat offenbar bei der AfD keine Gültigkeit.
Auch sonst war man sich bei der AfD für keinen schmutzigen Trick zu schade. Nach einem Monat „Kafkas Schloss“ wurde es dem Mandanten zu bunt und er erhob am 13.06.2016 Klage am Landgericht Kiel. Eine solche Klage vor den Zivilgerichten ist möglich, wenn man den Parteienrechtsweg ausgeschöpft hat oder ein solches unzumutbar ist, BGHZ 106, 67, 69:
(…) Die Unzumutbarkeit folgt daraus, daß bei Wahlanfechtungen ein Verfahren gewährleistet sein muß, das binnen einer dem Wesen von Wahlen angepaßten kurz zu bemessenden Frist zu einer von den ordentlichen Gerichten nachprüfbaren Entscheidung der zuständigen Verbandsorgane über die Gültigkeit der angefochtenen Wahl führt. Wird der danach dem Verband zuzubilligende Zeitraum für eine verbandsinterne Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl überschritten, so kann diese – ungeachtet der den politischen Parteien durch § 14 ParteiG zur Pflicht gemachten Unterhaltung einer eigenen, zunächst zur Streitentscheidung berufenen Schiedsgerichtsbarkeit – vor den ordentlichen Gerichten zur Nachprüfung gestellt werden. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Wahl sind ihrer Natur nach eilbedürftig. Verzögerungen in der Durchführung des Wahlprüfungsverfahrens können zur Folge haben, daß nicht gültig oder in nichtiger Wahl gewählte Personen (vgl. Sen. Urt. v. 17. Dezember 1973 – II ZR 47/71, NJW 1974, 183, 185) ein ihnen nicht zustehendes Mandat während eines großen Teils – im äußersten Fall sogar während der gesamten Wahlperiode – jedenfalls tatsächlich ausüben, während der wirklich Gewählte oder derjenige, der bei Einhaltung eines ordnungsgemäßen Wahlverfahrens gewählt worden wäre, von der Ausübung seines Mandats ferngehalten wird. Ebensowenig erträglich wäre es, niemand als gewählt anzusehen, weil dadurch das Recht der Mitglieder auf Repräsentanz gewählter Mandatsträger verletzt würde. Mit einstweiligen Maßnahmen ist diesen mit Wahlanfechtungen verbundenen Problemen nicht beizukommen. Unumgänglich ist vielmehr eine alsbaldige und nicht nur vorläufige Entscheidung, durch die der Gewählte endgültig festgestellt oder eine Neuwahl angeordnet wird.
Bislang ist jedoch kein Urteil bekannt, in dem konkrete Kriterien für einen solchen Fall erkannt wurden. Doch der Mandant, ein passionierer Segler, war wagemutig genug, um in unbekannte Gewässer zu fahren. Obwohl sich beim Landesschiedsgericht auch im weiteren halben Jahr nichts bewegte, äußerte das Landgericht Kiel in der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2017 Zweifel daran, dass bereits ein Fall der Unzumutbarkeit des Parteienrechts wegs anzunehmen wäre.
Tage später wollte nun das Landesschiedsgericht den Fall endlich entscheiden – und zwar vermutlich im Sinne des Klägers. Denn überraschend hatte das Landesschiedsgericht in einer anderen Sache gegen den Vorstand Herrn Schnurrbusch entschieden, der seinen Wohnsitz offenbar in Hamburg hatte.
Das nun vom Kläger erwartete Urteil jedoch torpedierte der Bundesvorstand der AfD und erklärte, einer der drei verbliebenen Richter des Landesschiedsgerichts sei „ausgelistet“ worden, weil er einst einen Formfehler in seinem Mitgliedsantrag gemacht hätte. (Für die Feststellung, ob jemand kein Mitglied mehr ist, wären allerdings die Schiedsgerichte zuständig.) Nach Lesart der Gegenseite wurde das Landesschiedsgericht wieder arbeitsunfähig gemacht. Zehn Monate nach seinem ursprünglichen Eilantrag bietet die AfD dem Kläger also noch immer kein Gericht.
Heute nun hat das Landgericht Kiel die Klage „als derzeit unzulässig“ abgewiesen, da das Ausschöpfen des Parteienrechtswegs zumutbar sei. Nun ja … Die jüngste Manipulation der AfD gegen die Besetzung des Schiedsgerichts hat das Landgericht nicht in das Urteil einfließen lassen.
Dieser Fall bot mir einige Déjàs-vues:
In meinem 2015 geschriebenen Politthriller Das Netzwerk hatte ich auch das Parteienrecht der fiktiven rechtspopulistischen „Anti-Euro-Partei“ gestreift, die zur Bundestagswahl antritt. Einen Cameo-Auftritt hatte Prof. Dr. Sophie Schönberger, die 2001 als Jurastudentin versuchte, die nach rechts gedriftete Berliner FDP mit dem AStA zu kapern – eine Inspiration für meine Romanheldin, die ambivalente Präsidentin des Bundesamts für Verfassungsschutz. Außerdem hatte ich mir für die Anti-Euro-Partei eine blonde, vollbusige Gräfin ausgedacht.
Beim echten Parteienrechtsprozess am Landgericht Kiel nun war Prof. Schönberger in Form ihres noch unter ihrem Mädchennamen „Lenski“ verfassten Kommentars zum Parteienrecht im Raum. Und auch meine frei erfundene Gräfin inkarnierte in Form von Rechtsanwältin Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein, welche die Gegenseite vor dem Parteiengericht vertritt. Mit ihrem hochadeligen Namen verbinde ich gewisse Parteispendenaffären der CDU, die ebenfalls in meinem Roman mitschwingen.
29. Januar 2017
Dieser Tage machen mehrere zauberhafte Mandanten Schlagzeilen!
So hatte die CIA kürzlich einen Schwung betagter Akten freigegeben, darunter ihr Geheimrezept für Geheimtinte. In dem Material ist jedoch auch der Bericht über die von der CIA verdeckt organisierte Untersuchung der übersinnlichen Fähigkeiten von Uri Geller durch das Stanford Research Institute. Die CIA kam zu dem Schluss, dass Gellers Fähigkeiten echt seien. Wahrscheinlich „harte Fakten“ … ;)
Vor ein paar Jahren hatte ich Geller in seinem damaligen Haus bei London gemeinsam mit den Ehrlich Brothers besucht. Nunmehr wird gemeldet, dass die aktuelle Tournee an den Kassen mehr Tickets umsetzt als etwa Musical Produktionen wie „König der Löwen“. Ich habe mir die Show vor zwei Wochen hier in Köln angesehen und war schwer beeindruckt.
Der Erfolg der Ehrlich Brothers hat ihren Tourneeveranstalter ermutigt, Nicolai Friedrich eine Chance zu geben. Dessen Show in Bonn hat mich vorige Woche absolut begeistert. Eigentlich bräuchte Nicolai keinen Anwalt, er ist nämlich selbst Volljurist.
Mein erster Mandant aus dieser Branche war übrigens Marvelli. Dessen Zauberei war von einem sehr feinen Sinn für Humor geprägt, der an seinen Bekannten Heinz Erhardt erinnerte. Der Exzentriker galt als schwierig und hielt den vermutlich uneinholbaren Rekord an Gerichtsprozessen in der Kategorie „Zauberkünstler“. Für den prozessfreudigen Magier betreute ich einen der ersten Domainstreite (erfolgreich). Mein Lieblings-Marvelli-Kunststück ist sein legendäres „Geldverbrennen“, dessen Text auch heute nichts von seinem Charme verloren hat (ab Minute 17:30). Ironischerweise war der von Krankheit gezeichnete Marvelli abgebrannt, als wir uns kennenlernten.
24. Januar 2017
Bei einer Veranstaltung an der Uni Magdeburg, bei der auch ein Redner der AfD sprechen sollte, kam es zu Reibereien mit Kritikern. Darüber berichtete auch jemand auf Facebook und verbreitete, AfD-Mitglied John Hoewer habe Quarzhandschuhe getragen. Hoewer bestreitet diese Darstellung. Quarzhandschuhe bergen bei Rangeleien eine erhöhte Verletzungsgefahr und sind etwa Polizisten in entsprechenden Einsätzen verboten.
Jedoch ging Hoewer nicht nur gegen den Facebooker anwaltlich vor, sondern auch gegen eine Mandantin aus NRW, welche wie viele andere einen Tweet retweetete, der einen Link auf das umstrittene Facebook-Posting enthielt. Die Mandantin hatte den Tweet weder kommentiert noch geliked. Nun fordert Hoewer durch den Kölner Rechtsanwalt Matthias Brauer (KOMNING Rechtsanwälte) die Mandantin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wegen Behauptung und Verbreitung der im Tweet enthaltenen Äußerung auf – nebst Kostennote, versteht sich.
Wirklich überzeugend ist die Abmahnung nicht. Auch die in der Abmahnung aufgeführten Entscheidungen beeindrucken mich nicht wirklich. Wer eine ähnliche Abmahnung erhalten hat, sollte jedenfalls nicht das beigefügte Formular unterzeichnen.
10. Januar 2017
Der Bundesgerichtshof hat die Urteile des OLG Hamburg aufgehoben, mit denen die oberpeinlichen ZEIT-Journalisten Josef Joffe und Jochen Bittner dem ZDF angeblich getätigte Äußerungen in der Satire-Sendung „Die Anstalt“ verbieten ließen. Hier die Pressemitteilung des BGH:
Bundesgerichtshof zur Ermittlung des Aussagegehalts von Äußerungen in einer Satiresendung
Urteile vom 10. Januar 2017- VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15
Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 561/15 ist Mitherausgeber, der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist einer der Redakteure der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Die Kläger machen gegen die Beklagte, das ZDF, Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend. Die Beklagte strahlte am 29. April 2014 das Satireformat „Die Anstalt“ aus. Gegenstand der Sendung war ein Dialog zwischen zwei Kabarettisten, in dem es um die Frage der Unabhängigkeit von Journalisten bei dem Thema Sicherheitspolitik ging. Die Kläger sind der Auffassung, im Rahmen dieses Dialogs sei die unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden, sie seien Mitglieder, Vorstände oder Beiräte in acht bzw. drei Organisationen, die sich mit sicherheitspolitischen Fragen befassen. Der Kläger in dem Verfahren VI ZR 562/15 ist darüber hinaus der Auffassung, es sei der Wahrheit zuwider behauptet worden, er habe an der Vorbereitung der Rede des Bundespräsidenten vor der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014, über die er später als Journalist wohlwollend berichtet hat, mitgewirkt.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der angegriffenen Äußerungen verurteilt. Die vom Senat zugelassenen Revisionen haben zur Aufhebung der Berufungsurteile und zur Abweisung der Klagen geführt, weil das Berufungsgericht den angegriffenen Äußerungen einen unzutreffenden Sinngehalt entnommen hat. Bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts haben die Kabarettisten die oben genannten Aussagen nicht getätigt, so dass sie nicht verboten werden können. Zur Erfassung des Aussagegehalts muss eine Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Äußerungen im Rahmen eines satirischen Beitrags sind zudem zur Ermittlung ihres eigentlichen Aussagegehalts von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, zu entkleiden. Bei einem satirischen Fernsehbeitrag ist in den Blick zu nehmen, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt. Dies zugrunde gelegt lässt sich dem Sendebeitrag im Wesentlichen nur die Aussage entnehmen, es bestünden Verbindungen zwischen den Klägern und in der Sendung genannten Organisationen. Diese Aussage ist zutreffend.
Vorinstanzen:
LG Hamburg – Entscheidungen vom 21. November 2014 – 324 O 443/14 und 324 O 448/14
Hanseatisches OLG – Entscheidungen vom 8. September 2015 – 7 U 121/14 und 7 U 120/14
Karlsruhe, den 10. Januar 2017
Mit dem Einzug in die Hall of Shame des BGH schließen Joffe und Bittner zu Prozesshansel Melmut Markwort auf. Dieser galt bislang als einziger prominenter Journalist, der sich nicht dafür zu schade war, Kollegen oder Kabarettisten zu verklagen. Zwischen den Zeilen hat der BGH übrigens auch signalisiert, wie er in Sachen Böhmermann entscheiden wird.
admin •
17:43 •
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einstweilige Verfügung,
fliegender Gerichtsstand,
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