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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


20. November 2010

Wikipedia-Sperr-Spielchen mit „Diderot Club II“

Dass die Wikipedianer zwar gut im Austeilen sind und sich dann, wenn es heiß wird, hinter der juristisch schwer zu belangenden Foundation in den USA verstecken, ist nichts Neues. Ebenso wenig, dass sie umgekehrt nicht mit Kritik umgehen können, sondern ihre Kritiker lieber sperren, löschen, mobben, mundtot machen usw. Solange sich die Wikipedianer noch in ihren Flegeljahren befinden, werden Initiativen wie das jüngste Werben um Wissenschaftler nichts bringen, denn kein Akademiker mit einem Minimum an Selbstachtung lässt sich diesen Closed Shop lange bieten.

Einer der hartnäckigsten Kritiker der deutschen Wikipedia-Community ist „Simplicius“, Gastgeber des „Diderot Club II“. Trotz aller Löschanträge (u.a. diese WOche wieder) hat sich diese Anlaufstelle für freies Wissen über die Wikipedia erhalten. Nunmehr wird Simplicius attackiert, weil dem Godwinschen Gesetz folgend einen satirischen Vergleich angestellt hat, bei dem jedoch die meist einfach gestrickten Wikipedianer keinen Spaß Verstehen. Zu ernst nehmen die sich ohnehin. Hier das Corpus Delict:

Wie schön, dass ein Projekt, dass von Personalmangel nur so strotzt, nun noch eine Gruppe von 14+-jährigen Benutzern aufbieten kann. Da brauchen wir ja bald keine Literatur mehr, denn 14jährige erklären uns den Nationalsozialismus und mehr. Claquiert von Achim Raschka, demnächst der Qualitätsobergefreite im Wikmedia-Stab. – Simplicius 12:52, 18. Nov. 2010 (CET)

Für die mental weniger Schnellen: diesmal ein BW-Witz. – Simplicius 12:55, 18. Nov. 2010 (CET)

Um im Bild zu bleiben: Da die Wikipedianer keine Autoren mehr finden, orientiert man sich am „letzten Aufgebot“: Nachdem man Senioren für die Wikipedia-Arbeit umwarb, versucht man es jetzt mit Kindern. Da kommt dann so etwas bei heraus.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es in der Community einen freundlichen Herrn gibt, der großzügig in seiner WG Schlafplätze für durchreisende männliche Wikipedianer anbietet und nachts dann noch freundlicher wird, als man es vielleicht erwartet hätte. Tatort Internet … (Hinweis: Es handelt sich um eine andere Person, die ich namentlich nicht bezeichnen werde.)

Kollektivillusionen

Vor zwei Wochen schnackte ich mit dem Blogger Fefe – laut „Blogcharts“ die Nummer 7 unter den deutschen Bloggern – und Frank Richter vom CCC über Storys aus dem Kalten Krieg. Der Podcast „Alternativlos, Folge 8“ ist inzwischen von knapp 20.000 Hörern abgerufen worden. Auch zur Sprache kam die geheime Krise von 1983, als es beinahe zum Dritten Weltkrieg gekommen wäre. Zum „25 jährigen Jubiläum“ hatte ich 2008 einen Beitrag darüber gemacht- eine Episode, deren Bedeutung es bislang noch nicht so recht in das kollektive Bewusstsein geschafft hat.

Wie ich erst jetzt sehe, ist diesbezüglich im April auf ARTE (endlich) eine synchronisierte Fassung der britischen Doku „A Brink of a War“ (2007) über die sowjetische Nervosität von 1983 gelaufen. Letztes Jahr hatte ich das Glück, einen der Hauptakteure, Stanislaw Petrow, kennen zu lernen, dessen Geschichte ich dann etwas ausführlicher dokumentierte.

Zu der Tatsache, dass wir von dem Beinahe-Krieg nichts mitkriegten, passt die heutige Meldung, dass in Afghanistan angeblich 90% der Bevölkerung nichts von den Anschlägen vom 11. September gehört haben. Das erklärt denn wohl auch, warum man dort die westlichen Besatzer als westliche Besatzer wahrnimmt, und nicht als „Befreier“, wie es die Kriegsrhetorik die Welt glauben machen will.

19. November 2010

Zauberkoffer

Gestern hatte ich über die Terror-Paranoia und staatlich inszenierten Terrorismus gebloggt, heute stellt sich ein durch die Medien gegeisterter Bomben-Koffer als offenbar eigener Testkoffer heraus. Sehr schön!

Von allen reaktionären Kommentaren zum „Terrorismus“ hat ein Rainald Becker vom SWR den wohl peinlichsten verfasst: Der fordert zur Terrorabwehr (die gegen Kofferverladen in Afrika keine erkennbare Wirksamkeit entfaltet), man solle sich an den USA orientieren.

Klasse Idee, denn die Amis haben keine Vorratsdatenspeicherung, keinen auslesbaren Personalausweis (nämlich gar keinen), sammeln meines Wissens nicht präventiv Fingerabdrücke und sie sind gegenüber dem Ausland wohl nicht ganz so auskunftsfreudig mit den Daten ihrer Bürger.

Außer Konkurrenz sprach jedoch der beim besten Willen nicht mehr ernst zunehmende Herr Schünemann. Der will nämlich verdächtige Personen von Handys und Computern ausschließen. Blöd, denn dann kann man die Jungs ja nicht mehr abhören. Und weltfremd, denn man kann auch ohne eigenes Handy und ohne eigenen Rechner telekommunizieren.

Wie kommen solche Leute eigentlich in solche Positionen?

Schwarzer keift gegen Kachelmanns Medienanwalt

Laut BILD-Leserreporterin Alice Schwarzer will Kachelmanns Anwalt ihr künftiges Buch verhindern/beeinflussen/verhexen.

18. November 2010

Bombe Surprise!

Die Staatsanwälte müssen wohl diesen Film gesehen haben, als sie das hier anklagten …

BGH: „Jauchs Hochzeit nicht völlig tabu“

Wenn Günther Jauch, der bekanntlich den Hals nicht voll kriegt, mal wieder einen seiner unverschämten Prozesse verliert, komme ich in Stimmung, eine Lokalrunde zu schmeißen. ;-)

Die heute vom Bundesgerichtshof  bekannt gegebene Entscheidung ist jedoch inhaltlich interessanter, als angenommen. Eine Verlag hatte eine Nullnummer einer neuen Publikation gemacht, die testweise mit Jauchs Antlitz titelte. Das Ding sollte nie in den Verkauf kommen. Das aber war für den BGH nicht einmal entscheidend:

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch die Abbildung eines Porträtfotos des Klägers war hier vergleichsweise geringfügig, weil die Beklagte damit lediglich die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten auf ihre Zeitung gelenkt hat, ohne den Werbewert oder das Image des Klägers darüber hinaus auszunutzen oder sein Ansehen zu beschädigen. Die Beklagte kann sich demgegenüber auf das vom Grundrecht der Pressefreiheit geschützte Interesse berufen, die Öffentlichkeit mit der Abbildung einer Titelseite über die Gestaltung und den Inhalt ihres geplanten Magazins zu informieren.

Guck an!

Der BGH hat seine Auffassung bekräftigt, die Pressefreiheit werde übermäßig eingeschränkt, wenn ein Verlag, der für eine künftig erscheinende Zeitung in zulässiger Weise mit der Abbildung einer beispielhaften Titelseite wirbt, verpflichtet wäre, Beiträge zu Themen zu veröffentlichen, die zum Zeitpunkt des Beginns der Werbekampagne aktuell waren, zum Zeitpunkt des Erscheinens der Erstausgabe aber möglicherweise überholt sind (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2009 – I ZR 65/07, GRUR 2010, 546 – Der strauchelnde Liebling).

Und noch etwas ist an dem Urteil interessant: Es ging nämlich um die Gerichtsberichterstattung, inwieweit Berichte über die Hochzeit des Herrn Jauch zulässig seien.

Ihr Männer und Frauen vom I. Zivilsenat: gut gemacht! Ein guter Tag für die Pressefreiheit!

Wer Jauch zum Thema Hochzeit hören möchte, der wird im Giftschrank fündig … ;-)

Strafanzeige gegen frösischen Prügelpolizisten „verschwunden“

Die deutsch-französische Freunschaft wird offenbar im Wendland besonders hochgehalten. Der Kollege Christoph Müller hatte Strafanzeige wegen Amtsanmaßung und Verstoß gegen das Waffengesetz gegen den französischen Polizisten erstattet, die anscheinend nicht mehr zur Hand ist. Der Einsatz des Flics wird nun im Europaparlament diskutiert. Vielleicht haben die Drohnen, die keine Drohnen sind, schöne Fotos gemacht …

Terror-Panik-Paranoia

Der zeitliche Zusammenhang zwischen den jüngsten Begehrlichkeiten, die Vorratsdatenspeicherung wieder zu restaurieren, und den jüngsten „Terrormeldungen“ wird hauptsächlich von Bloggern gesehen. Trotz aller Meldungen von Leitmedium SPIEGEL online hat es hierzulande noch keinen islamistischen Anschlag gegeben. Null. Nada. Real ist allerdings die – selbstgemachte – Panik davor.

Einen lesenswerten Beitrag hat die Süddeutsche Zeitung.

17. November 2010

BGH lässt Prinzessinnen auf dem Rosenball tanzen!

Eine Monegassin, die auf öffentlichen Bällen tanzt, aber unbeobachtet bleiben möchte, scheiterte mit ihrem Begehr nach Diskretion am BGH. SPON meldet:

Wer sich bei solchen Veranstaltungen zeige, müsse „die öffentliche Erörterung seiner Teilnahme (…) ebenso dulden wie kommentierende und wertende Bemerkungen zu seiner Person“, urteilte der BGH. In diesem Zusammenhang sei auch die Veröffentlichung von Fotos zulässig.

Für Praktiker interessant ist, dass der Hamburger Anwalt der Monegassen für die unteren Instanzen offenbar nach Berlin gegangen war, statt das bewährte Gericht vor Ort in Anspruch zu nehmen. Da solche Verfahren im Stadium einer einstweiligen Verfügung beginnen, kann es gut sein, dass eine solche etwa in Hamburg vergeblich versucht wurde und man es dann in Berlin erfolgreicher versucht hat.

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Juraforum: Musikindustrie – „Die fetten Jahre sind vorbei!?“

Beim gestrigen Juraforum in Münster hatten die Veranstalter einen ansprechenden Mix an Gästen eingeladen: Unter Moderation von Manfred Gillig-Degrave, dem Chefredakteur der „Musikwoche“, schilderten folgende Referenten die Musikbranche der Gegenwart:

Der „Mann für alle Fälle“ Ralf Schroeter, ein ehemaliger Musiker, Radiomann, Universal-Angesteller, Indie-Kenner, usw. Schroeter managt den Indie-Künster Philipp Poisel, der in seinem Marketing neue Wege geht, sich nicht an ein Major-Label bindet, letztlich in einer Seitenlinie dennoch mit einem „Major“ zusammenarbeitet. Schroeter zufolge gibt man für ein Musik-Video heute keine 15.000 Euro mehr aus. Heute sei die Plattenfirma für den Erfolg eines Künstlers weniger entscheidend als das Team um den Künstler.

Dr. Florian Drücke, Deutschlands (neben Gorny) wohl oberster Musiklobbyist, erläuterte die Entwicklung der Musikindustrie und machte das Vorgehen gegen illegale Filesharer für den Rückgang entsprechender Downloads verantwortlich (Anzahl der Auskunftsverfahren). Ob seine Zahlen überzeugen, weiß man nicht. Inwieweit ist in den Statistiken das Anonymisierungstool „TOR“ berücksichtigt? So sympathisch Drücke seine Klientel zu repräsentieren vermag, so fragwürdig sind jedoch letztlich die Ergebnisse (aus Sicht eines Rechtsberaters der Piraten NRW …).

Bei aller Sympathie für Open Source: Mit ganz geringen Ausnahmen hat das Internet als Kommunikationsplattform noch keine Stars hervorgebracht. Echte Superstars werden nach wie vor von der Musikindustrie und den etablierten Kommunikationswegen „gemacht“.

Mit Blick auf Frankreich fand Drücke „Three Strikes“ interessant. Da hört es dann bei mir auf. Der Zugang zum Internet ist inzwischen eine fundamentale Angelegenheit, wie gerade die neu gekürte Verfassungsrichterin Dr. Susanne Baer erkannte. Es mag sein, dass die Franzosen mit der Amputation von für Kommunikation wesentliche Körperteile durch die Guillotine eine gewisse Tradition haben und die Kastration vom Internet eher hinnehmen. Hierzulande sollte dieser infamen Forderung der Content-Industrie entschieden der Mittelfinger gezeigt werden.

Der Musiker und Eigen-Manager Sascha Eigner der Band Jupiter Jones bot Einblicke in die geschäftliche Realität von Newcomern und empfahl wie schon Schroeter die frühzeitige Zusammenarbeit mit einem Medienanwalt.

Ein solcher war denn auch da: Prof. Dr. Ralf Höcker redete etwas von „geistigem Eigentum“ und wies darauf hin, dass halt alles sanktioniert würde. Wer auf dem Parkplatz sein Auto unverschlossen lasse, müsse für diese Ordnungswidrigkeit auch 30 Euro zahlen. Aha.

GEMA-Mann Dr. Till Evert referierte über CELAS.

Alles in allem eine hochinteressante Veranstaltung.