Die Kindlein eines bekannten Schauspielers, die selbst in einem Film mitwirkten und im TV präsent waren, ließen es 2008 krachen.
In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2008, der in Bayern sogenannten „Freinacht“, waren die Kläger mit ca. acht weiteren Freunden in der Innenstadt von München unterwegs. Die Gruppe wurde dabei beobachtet, wie sie Fahrräder traktierte, Blumen aus einem Blumenbeet herausriss sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abriss. Herr O. soll für den abgerissenen Telefonhörer verantwortlich sein, Herr O. für das Herausreißen einiger Tulpen aus einem Beet. Herr O. wurde von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder O. begleitete. Beide wurden nach Feststellung der Personalien entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber online, etliche Medien griffen die Posse auf, so auch die Sächsische Zeitung. Familienvater Buske zeigte Verständnis für das Persönlichkeitsrecht der beiden jungen Racker und verbot:
- Polizei schnappt O.-Söhne,
- er und sein Bruder haben Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen.
- im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten
- er hat den Hörer aus der Telefonzelle gerissen.
- im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten.
Die Pressekammer meinte,
das Gewicht des Informationsinteresses verringere sich dadurch, dass Gegenstand der Berichterstattung durchaus keine spektakulären Straftaten gewesen seien, die im Gegensatz zu Kapitalverbrechen nicht als solche von überwiegendem Allgemeininteresse seien. Die Berichterstattung über eine begangene Straftat unter Namensnennung des Täters stelle für diesen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar, weil die Bekanntmachung seines Fehlverhaltens zu einer negativen Bewertung des Betroffenen in der Öffentlichkeit führe (BVerfGE 35, 202). In diesem Zusammenhang gewinne besondere Bedeutung, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Veröffentlichung erst 18 bzw. 16 Jahre alt gewesen seien, also junge Menschen bzw. Jugendliche, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei, und die ihren sozialen und beruflichen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hätten. Ihr öffentliches Auftreten als Nachwuchskünstler schränke ihren Anonymitätsschutz gegen die beanstandete Berichterstattung aus einem von ihrer beruflichen Tätigkeit zu unterscheidenden persönlichen Lebensbereich nicht ein.
(Das Argument der Schwere oder Leichtigkeit eines Vorwurfs streitet allerdings nicht nur für ein Recht auf Anonymität, sondern relativiert in gleichem Maße den Eingriff bzw. steigert das öffentliche Berichtsinteresse. Darüber wurde in der Hamburger Pressekammer erst vorletzte Woche wieder eifrig diskutiert.)
Das Bundesverfassungsgericht kam – wie bei Beschwerden gegen Hamburger Presseurteile fast immer – zu anderen Ergebnissen und sprach von „Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes“:
(…) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Dies ist hier der Fall. Der beanstandete Bericht betrifft einen – in der Sache unstreitigen – Vorfall über ein möglicherweise strafrechtlich relevantes Verhalten zweier „Jungstars“, die ein Image von „Wilden Kerlen“ aufgebaut haben und für nicht wenige jugendliche Anhänger ein Idol darstellen. Durch den Bericht wird deren Handeln im öffentlichen Raum aufgegriffen und damit ein Impuls für die öffentlichen Diskussionen gesetzt, etwa das Image der Kläger kritisch zu hinterfragen oder etwa auch – wie die Beschwerdeführerin in den Raum stellt – anzuerkennen, dass die Kläger „nur normale“ junge Leute mit Fehlern und Schwächen sind. (…)
Bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger andererseits ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Presse zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2006 – VI ZR 259/05 -, NJW-RR 2007, S. 619). Verfehlungen auch konkreter Personen aufzuzeigen gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien (vgl. Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 154). Bei Tatsachenberichten hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen darüber hinaus vom Wahrheitsgehalt ab, und wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BVerfGE 99, 185 <196>).
Auf Seiten der Kläger ist anderseits zweifelsohne ihr junges beziehungsweise jugendliches Alter in die Erwägungen einzubeziehen. Junge Leute bedürfen eines besonderen Schutzes, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen (vgl. BVerfGE 101, 361 <385>). Jedoch genügt es nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, eine Regelvermutung dahingehend aufzustellen – wie hier durch die Fachgerichte geschehen -, dass aufgrund der gesetzgeberischen Wertung im Jugendgerichtsgesetz jedes Informationsinteresse hinter dem Anonymitätsinteresse „grundsätzlich“ zurückzustehen habe, wenn nicht die begangene Tat von außergewöhnlicher Schwere sei.
Vielmehr ist in die Abwägung einzustellen, dass die durch die Fachgerichte zutreffend vorgenommene Einordnung des Verhaltens der Kläger als Bagatelldelikte zugleich geeignet erscheint, die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu mindern. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass bei der Berichterstattung über Strafverfahren die Schwere der in Frage stehenden Straftat nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Persönlichkeitsbelange Bedeutung erlangen kann. So wird bei einer sehr schwerwiegenden Tat zwar einerseits ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehen, andererseits aber die Gefahr einer Stigmatisierung des noch nicht rechtskräftig verurteilten Betroffenen erhöht sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2008 – 1 BvQ 46/08 -, NJW 2009, S. 350). Ein entsprechendes Verhältnis wird aber regelmäßig auch bei besonders leichten Taten anzunehmen sein, sofern sie nur überhaupt ein Berichterstattungsinteresse begründen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 9. März 2010 – 1 BvR 1891/05 -, ZUM 2010, S. 961). Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – ein staatlicher Strafvorwurf gar nicht Gegenstand der Berichterstattung ist.
Die von den Fachgerichten angenommene Regelvermutung des grundsätzlichen Vorrangs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber der Meinungsfreiheit, sobald schutzbedürftige Interessen von jungen Erwachsenen beziehungsweise Jugendlichen in Rede stehen, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zu eng und undifferenziert. Sie übergeht das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Auslegung und berücksichtigt vorliegend das „Öffentlichkeitsimage“ der Kläger zu wenig.