Seit einiger Zeit überzieht ein ominöser Verband zum Schutz geistigen Eigentums im Internet (VSGE) die Umwelt mit Abmahnungen wegen angeblicher Verstöße gegen Creative Commons-Lizenzen. Der „Verband“ mit Sitz in Berlin lässt sich angeblich Ansprüche von angeblichen Fotografen abtreten und nimmt diese gegenüber Abmahnopfern in eigenem Namen wahr. Beauftragt wird hiermit in allen mir bekannten Fällen der Kollege Herr Rechtsanwalt Lutz Schroeder aus Kiel.
So weit, so windig. Ich habe solche finanziellen Ansprüche und entsprechende Kostennoten für meine Mandanten stets dankend zurückgewiesen.
In einem aktuellen Fall ist jemand meinem Beispiel gefolgt und hat eine negative Feststellungsklage gegen (vermutlich) diesen „Verband“ durchgezogen. Wenig überraschend hat das Landgericht Frankfurt am Main dem Verband die Prozessführungsbefugnis für Unterlassungsansprüche abgesprochen:
Der Beklagte ist bereits nicht aktivlegitimiert.
Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche sind akzessorisch zu dem jeweiligen Recht, für das die Ansprüche geltend gemacht werden. Daher kann grundsätzlich nur der Rechteinhaber selbst auch Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend machen. Eine isolierte Abtretung solcher Ansprüche ist zudem im Hinblick auf die damit verbundene Veränderung des Leistungsinhalts ausgeschlossen (BGH GRUR 2002, 248, 250 – SPIEGEL-CD-ROM). Auch die Wahrnehmung fremder Rechte durch einen Dritten im eigenen Namen ist grundsätzlich ausgeschlossen (Fromm/Nordemann, UrhG, 11. Aufl. 2014, § 97 Rn. 138).Eine Wahrnehmung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen durch einen Dritten ist allerdings grundsätzlich im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft möglich. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Rechteinhaber den Anspruchsteller entsprechend ermächtigt und der Dritte ein eigenes berechtigtes Interesse an der Anspruchsdurchsetzung besitzt (BGH GRUR 1961, 635, 636 – Stahlrohrstuhl; BGH GRUR 1998, 376 [BGH 11.12.1997 – I ZR 170/95] – Coverversion; Schricker/Loewenheim-Leistner, UrhG, 5. Aufl. 2017, § 97 Rn. 49; BeckOK-UrhR/Reber, 20. Ed. 2018, § 97 Rn. 27). Für das berechtigte Interesse kommt es darauf an, ob der Ermächtigte aufgrund der besonderen Beziehung zum Rechtsinhaber ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung hat (Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97 Rn. 140 m.w.N.).Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Berufsverband von Fotografen, dessen Satzungszweck auch die Rechtsverfolgung deckt, Ansprüche für seine Mitglieder geltend macht (BGH GRUR 2002, 248, 250 [BGH 05.07.2001 – I ZR 311/98] – SPIEGEL-CD-ROM). Auch der Inhaber einfacher Nutzungsrechte kann sich auf ein berechtigtes Interesse berufen. Anerkannt ist ferner, dass verbundene Unternehmen ein hinreichendes Interesse haben (Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97 Rn. 140 m.w.N.), ferner, wenn z.B. für die Mitglieder eines Konzertorchesters eine Einziehungsermächtigung für Lizenzgebühren vorliegt (BGH GRUR 1960, 630, 631 – Orchester Graunke; BeckOK-UrhR/Reber, a.a.O., § 97 Rn. 29).Eine Aktivlegitimation liegt andererseits beispielsweise nicht vor, wenn eine Gesellschaft nur für die Geltendmachung eines Anspruchs gegründet wurde (LG München I ZUM-RD 2001, 203, 206 f.; Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97 Rn. 140). Auch Verwaltungsgesellschaften, denen durch ihre Mitglieder lediglich Inkassovollmacht erteilt wurde, können Ansprüche ihrer Mitglieder nicht im eigenen Namen geltend machen (BGH GRUR 1994, 800, 801 [BGH 30.06.1994 – I ZR 32/92] ; Fromm/Nordemann, a.a.O., § 97 Rn. 140).Der Beklagte ist vorliegend nicht als Berufsverband im obigen Sinne anzusehen, sondern lediglich als Vereinigung zur Geltendmachung von Rechten. Der Beklagte trägt selbst vor, dass er gegründet wurde, um die Rechtsverletzungen gegenüber seinen Mitgliedern geltend zu machen. Er erwirbt mittels der vorgelegten Verträge von seinen Mitgliedern die Rechte an den Fotografien. Von einem Berufsverband unterscheidet ihn daher bereits, dass er nicht generell die Interessen seiner Mitglieder vertritt, sondern nur singulär für die Durchsetzung von ganz bestimmten Rechten seiner Mitglieder gegründet wurde. Er kann sich daher, abgesehen von der – streitigen – Mitgliedschaft und den Ermächtigungsverträgen, nicht auf eine besondere Beziehung zu seinen Mitgliedern berufen. Der Beklagte ist vielmehr vergleichbar einem Inkassounternehmen, das Forderungen kauft, um sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Der Beklagte selbst trägt vor, dass Zweck seiner Gründung war, den betroffenen Mitgliedern das Risiko der Geltendmachung ihrer Rechte zu nehmen. Dies allein begründet jedoch kein hinreichendes berechtigtes Interesse des Beklagten, sondern liegt allein im Interesse seiner Mitglieder, die ohne Weiteres auch im eigenen Namen ihre Rechte geltend machen könnten. Dabei könnte der Beklagte, statt sich zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigen zu lassen und dadurch – für den jeweils betroffenen Anspruchsgegner nachteilhaft – als weiterer Gläubiger zur Verfügung zu stehen, seine Mitglieder dadurch unterstützen, dass diese höhere Beträge zahlen und der Beklagte dafür ihre Kosten der Rechtsverfolgung bei Geltendmachung im eigenen Namen übernimmt.
(Rechtskraft unbekannt)