Seit eineinhalb Jahrzehnten kennt die IT-Gemeinde „Marions Kochbuch“ als Falle für fadenscheinige Bildabmahnungen.
Marion stellt angebliche Kochrezepte ins Internet, die von ihrem Ehemann ziemlich überflüssig bebildert werden. Die Texte sind erkennbar bis zur Satire suchmaschinen-optimiert, was dazu führt, dass man bei Google-Suchen für Bilder von Zutaten häufig auf diese Seite gelotst – und zum Bilderklau verleitet wird. Legendär ist BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az.: I ZR 166/07 – marions.kochbuch.de.
Die Seite erscheint vielen als Vorwand, um Abmahnungen zu provozieren. Die Behauptung, Marion könnte von der Bannerwerbung leben (die bei vernünftiger Internetnutzung weggefiltert wird), ist schwer zu glauben:
Das Design der Website scheint aus den frühen 90ern zu stammen. Nach Expertise meiner Partnerin, die ein Fan der renommierten Website Chefkoch.de ist, machen die Rezepte von Marion in keiner Weise Lust, diese nachzukochen. Meiner Meinung unterschreiten auch die Bilder Ansprüche, die man an professionelle Lebensmittelfotografie stellen könnte.
Obwohl die Kniepers nach Tausenden Abmahnungen nunmehr in der Lage sein sollten, urheberrechtliche Standard-Abmahnungen selbst zu versenden, beauftragen sie nach wie vor Anwälte damit – was vermeidbare Ansprüche auslöst, die nach Meinung etwa von OLG Braunschweig nicht ersatzfähig sind. Es ist wirtschaftlich schwer nachvollziehbar, dass Fotografen für massenhafte, stets gleich lautende Abmahnungen Geld in die Hand nehmen und etwa das Risiko der Uneinbringlichkeit tragen. Für das Abmahngeschäft haben Marion & Co. sogar eigens die Knieper Verwaltungs GmbH gegründet.
Obwohl „Marions Kochbuch“ im Abmahnbusiness legendär ist, fand erst neulich ein Abmahnopfer seinen Weg zu mir und damit – nach Art des Hauses – zu einer negativen Feststellungsklage. Dabei stellte sich heraus, dass Marion & Co. vor Gericht deutlich weniger Erfahrungen gesammelt hatten, als man bei derartigen Massenabmahnern annehmen möchte.
Der Mandant hatte ein Kuchenfoto als Element für eine Collage genutzt, das weniger als 5 % des Werks ausmachte. Die Knieper Verwaltungs GmbH wollte eine Lizenzschaden iHv 1.226,00 € sowie Anwaltskosten iHv 934,03 € (Summe: 2.150,03 €).
Schon Marions orthographisch falsche Bezeichnung „Alt Deutscher Pflaumen Kuchen“ lässt erahnen, dass es bei der Website nicht wirklich um ein Rezept geht, sondern eben um Suchmaschinen-Optzimierung. Das Lichtbild ist miserabel, etwa ausgerechnet in der Mitte unscharf, die unvorteilhaften Farbverläufe und weder durch beim Foodstyling übliche Lebensmittelfarbe noch durch Fotoshop korrigiert, auch die Beleuchtung könnte professioneller sein.
Das Amtsgericht Hamburg stufte das Bild großzügig als Lichtbildwerk ein (und nicht lediglich als Lichtbild iSd § 72 UrhG). Einer Einordnung als freie Benutzung (§ 24 UrhG a.F.) oder unwesentliches Beiwerk (§ 57 UrhG) folgte das Gericht nicht, da das Foto als stimmungsbildendes Gestaltungselement genutzt worden sei.
Allerdings dampfte das Amtsgericht den Lizenzanspruch auf 400,- € zzgl. Zinsen, mithin auf 1/3 ein. Eine eigene Lizenzierungspraxis behauptete Marion bereits nicht. Ebenso wenig war eine Heranziehung der berüchtigten MFM-Tabelle angezeigt. Das Gericht schätzte daher den „Schaden“ auf 200,- € und verdoppelte wegen fehlender Urheberbenennung. Meiner Meinung nach wären 50,- € realistischer, denn kein Mensch gibt für ein derart profanes wie miserables Foto mehr aus. An kostenlosen Stockfotos für Pflaumenkuchen herrscht kein Mangel.
Das Gericht folgte nicht meiner Rechtsauffassung, dass die Abmahnung insgesamt rechtsmissbräuchlich sei:
„Zwar bestehen nach den vom Kläger angeführten Umständen vorliegend Anhaltspunkte, die auf ein gewisses Interesse der Beklagten, Kostenerstattungsansprüche entstehen zu lassen, hindeuten. Dies schließt aber nicht aus, dass es der Beklagten vorliegend zuvorderst darum gegangen ist, unrechtmäßige Nutzungen ihrer Lichtbilder zu unterbinden. Zwischen den Parteien war zuletzt unstreitig, dass der Rechtsvorgänger und Gründungsgesellschafter der Beklagten mit der gemeinsam mit seiner Ehefrau seit Jahrzehnten betriebenen Online-Rezeptsammlung Werbeeinnahmen erzielt. Die Gewinnung von Anzeigekunden für eine Internetseite setzt ein gewisses Nutzeraufkommen, mithin eine nicht unbedeutende Zahl an Aufrufen der Seite voraus. Je höher das Nutzeraufkommen, desto höher sind die zu erzielenden Einnahmen. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass sie trotz starker Konkurrenz monatlich noch immer ca. 400.000 Aufrufe der streitgegenständlichen Internetseite verzeichne. Da es sich bei der streitgegenständlichen Internetseite, von der die Fotografie stammt, um ein vollständig mit Speisefotografien bebildertes Online-Kochbuch handelt, erscheint es naheliegend, dass die Aussage der Beklagten, dass eine erhebliche Anzahl der Nutzer über Bildersuchmaschinen auf die Internetseite gelangt, zutreffend ist. Damit geht ersichtlich auch ein gesteigertes berechtigtes Interesse der Betreiber einher, dass die Speisefotografien sich nicht aufgrund unberechtigter Nutzung im Internet verbreiten und in der Folge mehrfach in Bildersuchmaschinen angezeigt werden, sodass der Klick auf eines der vom Rechtsvorgänger der Beklagten aufgenommenen Bilder nicht mehr nur zu dem Online-Kochbuch, sondern auch auf eine Vielzahl anderer Internetseiten führt, wodurch sich die Seitenaufrufe reduzieren würden.
(…)
Auch kann eine Missbräuchlichkeit nicht bereits aus dem Umstand hergeleitet werden, dass die Beklagte bzw. ihr Rechtsvorgänger in den vergangenen Jahrzehnten bereits eine Vielzahl von Rechtsverletzern abmahnen ließ bzw. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gerichtlich verfolgt hat.„
Ein – wirtschaftlich betrachtet, sehr naheliegendes – Erfolgshonorar war nicht nachzuweisen.
Auch die Bemessung einer 1,3-Gebühr (statt einer 1,0-Gebühr für einfache Angelegenheiten) beanstandete das Gericht nicht. Allerdings hielt das Amtsgericht den Gegenstandswert iHv 9.000,- € für übesetzt und ging von 5.400,00 € aus (5.000,- € für Unterlassung, 400,- € für Lizenzschaden).
Damit war für die Anwaltskosten nur eine Zahlung iHv 557,03 € (statt geforderter 934,03 €) geschuldet.
Marion & Co. durften also statt 2.150,03 € nur 957,03 € verlangen. Die Forderung war also zu über 50 % überhöht.
Für die Gegenabmahnung meines Mandanten nach § 97a Abs. 4 UrhG setzte das Gericht eine 1,5-Gebühr an. Diese sei aber nur wegen des überhöhten Gegenstandswert berechtigt gewesen, sodass nur ein Gegenstandswert iHv 1.500,- € anzusetzen sei. Daher blieb es bei 223,30 € zggl. Zinsen. Für die kniepige Marion bleibt damit eine Hauptforderung iHv 733,73 €.
Bei der Kostenberechnung kam das Gericht zu dem seltsamen Ergebnis, dass wir 76 % zu tragen hätten, obwohl die Knieper Verwaltungs GmbH von ihrer ursprünglichen Forderung nur 1/3 realisieren kann. Da online verhandelt wurde, entfielen allerdings sonst übliche Reisekosten.
Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 14.09.2021 – 35a C 94/21.
Gerne helfe ich Ihnen bei Ihrer Abmahnung zu fairen Konditionen. Anfragen nach kostenloser Rechtsberatung bitte direkt an meine Mitbewerber.