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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


17. Mai 2021

Die Völkerrechtlerin und das Gremium

Vorab: Für ein politisches Amt benötigt man keinen formalen Bildungsabschluss, weitaus wichtiger sind Auffassungsgabe, Teamfähigkeit und Charakter. Ich kenne Volljuristen, die zugleich auch Vollpfosten sind.

Wer aber mit einer geflunkerten Ausbildung renommiert, muss sich der Kritik stellen. Der Vorwurf, Kritik hieran sei perfide oder geschlechtsspezifisch, leuchtet nicht ein.

Annalena Baerbock gab 2013 auf dem Wahlzettel als Profession „Völkerrechtlerin“ an, auf der Website „Politik- und Jurastudium, Universität Hamburg (2000-2004)“. Dies erweckt den Eindruck einer beruflichen Tätigkeit oder akademischen Laufbahn, was schon deshalb beeindruckend wäre, weil Völkerrecht nicht zum regulären Prüfungsstoff gehört. Auch eine Promotion soll begonnen worden sein, die zumindest bei Rechtswissenschaftlern normalerweise ein Prädikatsexamen voraussetzt – Frau Baerbock hat keines der beiden Staatsexamina, die ein Volljurist benötigt.

Wenn eine „Völkerrechtlerin“ allerdings die UN-Charta als das wichtigste Gremium eigentlich international bezeichnet, also einen Gründungsvertrag für ein „Gremium“ hält, darf man schon die Frage nach der Qualität des „Politik- und Jurastudiums“ stellen.

Die Diskussion lenkt allerdings von einer weitaus größeren Fehlleistung ab: So bezeichnet die „Völkerrechtlerin“ als Inspiration Joschka Fischer – jenen grünen Außenminister, der Deutschland in einen völkerrechtswidrigen Krieg führte.

Man kann es natürlich auch wie Volker Beck machen, jener abgebrochene Philosophie-Student, der von den Medien unkritisch als Rechtsexperte akzeptiert wurde. Oder wie Anna Gallina, die ohne Jurastudium die Justizsenatorin gibt und ebenfalls mit fachlichen Fehlleistungen auffällt.

Was mich am meisten irritiert: 2012 wurde die Piratenpartei von den Medien in einer Weise seziert, als säßen sie bereits in der Bundesregierung. Jeder Tweet von Provinzpiraten wurde zu einem „Gate“ skandalisiert, man gewann beinahe den Eindruck, Querulanten und Quartalsirre seien ein Alleinstellungsmerkmal der neuen Partei. Jeden Tag wurde 2012 eine neue Sau durchs Dorf getrieben, bis niemand mehr etwas von den Piraten hören wollte, im Wahlkampf 2013 hatten sie keine Airtime mehr. Nicht einmal ein Jahrzehnt später nun soll Wahlkampf im Safespace stattfinden.

4. Mai 2021

Wie man auf Abmahnungen aus Österreich besser nicht reagieren sollte

Aktuell macht in den Blogs der Fall einer Foto-Abmahnung aus Österreich die Runde. Nutzer in Deutschland hatten offenbar rechtswidrig ein Lichtbild eines Urhebers aus Österreich verwendet, erhielten eine Abmahnung (Lizenzschadensforderung iHv 242,- € und Anwaltskosten iHv 1.128,42 €) und gerieten an eine Rechtsanwältin, die mit urheberrechtlichen Abmahnungen aus Österreich offenbar unerfahren war. Deren Abwehrschreiben provozierte im Gegenteil eine Klage in Österreich mit einer gegnerischen Kostenforderung iHv 3.448,40 € sowie weiteren Kosten für einen eigenen Rechtsanwalt in Österreich. Die Kollegin hat also aus einem kleinen Problem ein großes gemacht.

Im Blog netzpolitik.org wird der Fall zum Anlass für eine Fundamentalkritik am Abmahnsystem genommen, was auf vielen Ebenen unschlüssig ist.

1. Die Forderung eines „Ende des Abmahn-Unwesens“ betrifft in diesem Fall allein Österreich, was im Artikel nur indirekt anklingt. In Deutschland ist das Abmahnunwesen vielfach entschärft worden.

2. Die Abmahnung war vorliegend gar nicht das Problem, sondern die Klage, was in Österreich nun einmal mit absurd hohen Streitwerten einhergeht. Die haben da ein gänzlich anderes Prozessrecht (was das eigentliche Aufreger-Thema gewesen wäre). Was hat das mit der Abmahnung zu tun? Nichts – außer, dass eine akzeptierte Abmahnung eine Klage vermieden hätte und selbst bei akzeptierten Kosten nur ein Bruchteil der Kosten verblieben wäre.

3. Der Kollegin unterlief ein anwaltlicher Kunstfehler: Eine qualifizierte Reaktion wäre gewesen, sofort in Deutschland eine negative Feststellungsklage zu erheben und damit einer Klage zuvorzukommen. Denn eine solche „Torpedoklage“ hätte den Gerichtsort gebunden, damit eine Klage in Österreich ausgeschlossen und Prozesskosten auf deutsches (ungleich günstigeres) Gebührenrecht beschränkt.

Wie man auf Abmahungen aus Österreich professionell reagiert, habe ich mal hier beschrieben.

3. Mai 2021

Medienaufsicht droht unerwünschten Bloggern mit Sperrverfügung

Während sich heute am Tag der Pressefreiheit konventionelle Medienmacher im jährlichen Ritual gegenseitig auf die Schulter klopfen, hält sich die Laune einiger Blogger und YouTuber in Grenzen. Seit einigen Wochen bekommen sie blaue Briefe von Landesmedienanstalten, die politisch unerwünschte Inhalte beanstanden und Fristen zur Änderung setzen.

Die ursprünglich für den privaten Rundfunk aufgebauten Landesmedienanstalten sind nämlich mit Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags vom 07.11.2020 zur Qualitätsaufsicht über Anbieter auch quasi-journalistischer Internetinhalte zuständig, sofern diese in Deutschland ansässig sind und sich nicht dem von der Verlegerlobby organisierten Deutschen Presserat angeschlossen haben. Wer nach dem äußeren Erscheinungsbild ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Telemedium betreibt, fällt unter § 19 MStV – gleichgültig, ob kommerziell oder nicht.

Solche Anbieter sollen angeblichen journalistischen Mindeststandards unterworfen sein. Nach Meinung der Landesmedienanstalten müssen daher u.a. die folgenden Grundsätze beachtet werden:

– Inhalte dürfen nicht billigend aus dem Zusammenhang gerissen werden.

– Werden nicht unerhebliche Teile von Fremdinhalten aus einer Drittquelle übernommen, so ist die Quelle zu benennen. Gleiches gilt für Zitatsammlungen.

– Anonyme Quellen sind als solche zu kennzeichnen.

– Zitate müssen unverfälscht aus Drittquellen übernommen werden.

– Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung sind einzuhalten.

– Bei Meinungsumfragen ist anzugeben, ob sie repräsentativ sind.

Ob solche Sonntagsreden von der konventionellen Presse beherzigt werden, sei hier einmal dahingestellt (Das „Twitter-Mädchen“ im Syrienkrieg).

Die Landesmedienanstalten belassen es allerdings nicht bei diesen rührenden Appellen, sondern beanstanden ganz konkrete Texte der Blogger, deren journalistischen Gehalt sie anzweifeln. So verlangen Landesmedienanstalten in mehreren Fällen von Bloggern die Angabe von Quellen für unerwünschte Beiträge. Auch das restliche Angebot sollen die Betreiber auf Einhaltung journalistischer Standards überprüfen. Für den Fall, dass die Anbieter nicht innerhalb der gesetzten Frist wunschgemäß reagieren, drohen die Landesmedienanstalten u.a. mit Sperrverfügungen.

Das ist neu in der deutschen Medienlandschaft. Seit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23.05.1949 galt Artikel 5 Abs. 1 GG:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Daraus leiteten Verfassungsjuristen das Prinzip ab, dass sich der Staat aus Angelegenheiten der Presse möglichst herauszuhalten hat. Abgesehen von Fragen des Jugendschutzes oder strafrechtlich verbotener Volksverhetzung usw. hatte der Staat gegenüber Medienhäusern inhaltlich nichts zu melden. Anders als bei den meisten Berufen gibt es für Printjournalismus keine Aufsichtsbehörde wie etwa eine berufsständische Kammer usw. Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, kann privat die Gerichte bemühen, nicht aber der Staat.

Ein weiteres Prinzip war die Sicherung von Meinungsvielfalt durch ein möglichst breites Spektrum an Meinungsführern und Angeboten. Dem wurde insbesondere bei der Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung getragen, der keinen staatlichen Weisungen untergeordnet ist und von bunt gemischten Rundfunkräten indirekt kontrolliert wird.

Im Adenauer-Deutschland verhinderten klüngelnde Verleger den Erlass eines angedachten Ehrenschutzgesetzes, indem sie 1956 den Deutschen Presserat gründeten, der Missständen branchenintern auf dem Parkett eines privaten Lobbyvereins mit Gentlemen’s Agreements entgegenwirken soll.

Als man dann Ende der 1980er Jahre den privaten Rundfunk zuließ, baute man nach dem Vorbild der angeblich staatsfernen Rundfunkräte die Landesmedienanstalten auf, um die Medienlandschaft auf mögliche politische Einseitigkeit und Meinungsmonopole zu überprüfen.

Die junge Generation unserer Tage allerdings kauft keine gedruckten Zeitungen mehr und sieht auch kaum noch lineares Fernsehen. Dass Influencer Einfluss auf das Wahlverhalten ausüben, bewies 2019 eindrucksvoll das Rezo-Video (Die Rezo-zialisierung der CDU).

Im Super-Wahljahr 2021 sowie im Streit über die Deutungshoheit über COVID-19-Themen rasseln die Landesmedienanstalten nun mit den Ketten, an die sie die Blogger legen wollen. Das Wahlvolk soll sich gefälligst an den konventionellen Medien orientieren – die den Klimawandel vier Jahrzehnte krass unterberichteten, weder den Brexit noch eine Trump-Regierung für realistisch hielten und Kriegsverbrechern Kränze flechten (Auf den Hund gekommen).

Wie sich § 19 MStV mit dem Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG in Einklang bringen lassen soll, sowie mit dem Verbot willkürlicher Ungleichbehandlung aus Art. 3 GG, wird eine spannende Frage. Insbesondere also haben diese öffentlich-rechtlichen Organisationen nicht nur die Macht, einzelne Beiträge nachträglich zu beschneiden, sondern sie können per § 109 MStV die gesamten Websites und Kanäle sperren. Befremdlich ist das Verlangen nach Quellenangaben, denn konventionelle Journalisten beanspruchen Quellenschutz und dürfen sogar vor Gericht das Zeugnis verweigern.

Die Medienaufseher jedoch fordern in ihren Schreiben sogar das Einhalten von journalistischen Sorgfaltspflichten ein, insbesondere die Prüfung der Aussagen mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit. Das Einhalten journalistischer Sorgfaltspflichten müssen konventionelle Medien allerdings nur nachweisen, wenn ein konkret Betroffener sie wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch unwahre Verdachtsberichtserstattung verklagt. Nunmehr also maßen sich die Landesmedienanstalten die Rolle einer allzuständigen Spanischen Inquisition wegen aller möglichen Themen an und legen an Privatleute Maßstäbe an, denen häufig selbst professionelle Journalisten nicht genügen.

Medienjuristen haben erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit von § 19 MStV mit Europa- und Verfassungsrecht. Mit der Aufforderung zur Angabe von Quellen für offenbar unerwünschte Information begeben sich die Landesmedienanstalten in das Zeitalter vor dem Reichspreßgesetz von 1874, das die Presse vor der Polizei schützte. Stattdessen maßen sich die Medienaufseher die Rolle eines Orwellschen Wahrheitsministerium an.

Ob ausgerechnet die Landesmedienanstalten als Politkommissare fachlich taugen oder wenigstens Kompetenz für rechtsstaatliche Verfahren erwarten lassen, darf man mit Blick auf deren Personal herzlich bezweifeln. Nur einige der Landesmediendirektoren verfügen über die Befähigung zum Richteramt, durchweg allerdings beweisen sie ideologisches und machtpolitisches Talent. In Rheinland-Pfalz konnte sich ein strafrechtlich aufgefallener Politiker mit drittklassig überstandenem Doktortitelaberkennungsverfahren ins Amt klüngeln (Der Fall Marc Jan Euman). Der Landesmediendirektor von NRW fiel mit einem spannenden Verhältnis zur Meinungsfreiheit auf (Rezo-Fallout: „Wir brauchen Regeln gegen Desinformation“). Etliche Landesmediendirektoren sind Ex-Politiker und daher nicht wirklich unabhängig.

Wer sich dem Zugriff der forschen Medienaufseher entziehen möchte, muss entweder seinen Sitz ins Ausland verlegen oder sich, wie es § 19 MStV als Ausweg vorsieht, dem Pressekodex des Deutschen Presserats unterwerfen. Wer eine solche Selbstverpflichtungserklärung abgibt und vom Presserat akzeptiert wird, kann sich mit einem nach Reichweite gestaffelten „Jahresentgelt“ zwischen 100,- € und 100.000,- € aus der Zuständigkeit der Landesmedienanstalten freikaufen.

Zu einem solchen Ablaßhandel wäre Bloggern dringend zu raten, denn anders als die Landesmedienanstalten verfügt der Presserat nicht über scharfe Waffen, sondern kann bei Verstößen gegen den Pressekodex gerade einmal Flüche ausstoßen wie „Beanstandungen“ und „Rügen“. Im noblen Presserat sitzen außerdem nur Gesandte von Verlagshäusern und Journalistenvereinigungen, die sich einander nur selten ein Auge aushacken. Der Deutsche Presserat ist ein schlechter Witz und spielt im realen Medienrecht keine messbare Rolle.

Dennoch ist es ein fragwürdiger Eingriff in die Medienfreiheit, wenn der Staat Blogger quasi zum Coteau gegenüber dem Presserat nötigt und ihnen eine indirekte Abgabe auferlegt. Mit der Unterwerfung unter den Pressekodex ist übrigens keine Vereinsmitgliedschaft im Presserat mit irgendwelchen Mitspracherechten verbunden. Mitglied im Presserat sind nur große Verlagshäuser und gesalbte Journalisten. Und die verwalten dann demnächst ein Monopol – also genau das, was mit Konzept der Medienvielfalt vermieden werden sollte.

Theoretisch sieht § 19 MStV auch die Möglichkeit vor, sich alternativen „freiwilligen“ Selbstkontrollorganisationen anzuschließen, wenn es solche eines Tages geben sollte. Die allerdings müssten von den Landesmedienanstalten anerkannt werden – die damit ihre seltsamen Auffassungen von Anfang an induziert. Spannend wäre es ja schon, wenn sich der Papiertiger „Deutscher Presserat“ einer Konkurrenz stellen müsste, die das Thema Qualitätsjournalismus zur Abwechslung mal ernst nähme. Wenn sich alternative Presseräte formieren, besteht allerdings das Risiko, als Medium zweiter Klasse eingestuft zu werden, oder gar einer Stigmatisierung durch Assoziation mit „Schmuddelkindern“.

Ob die Medienregulierung des § 19 MStV wirklich überzeugend ist, darf man unterschiedlich bewerten. Langfristig wird sich das Bundesverfassungsgericht mit diesen Konstrukten beschäftigen. Die ersten Blogger und YouTuber stehen bereits in den Startlöchern nach Karlsruhe. Für das Superwahljahr 2021 jedoch wird § 19 MStV voraussichtlich halten.