Bauprozess im Landgericht. 10 Parteien, vertreten durch 10 Anwälte, sowie ein Handwerker, der sich temperamentvoll gegen Vorwürfe wehrt. Man streitet darüber, ob es ein Planungs-, Überwachungs- oder Ausführungsfehler war, der das Bauprojekt zur Havarie werden ließ.
Zeugentermin. Man hatte mir gesagt, das Architekturbüro sei bekannt dafür, Architektinnen nach Optik einzustellen. Ich hatte das für Gerede gehalten.
Die Zeugin tritt ein. Im Gerichtssaal wird es geradezu andächtig still. Den zehn männlichen Anwälten und den drei männlichen Richtern wird schlagartig klar, was auf der Baustelle los gewesen sein muss. Der Charme der jungen, platinblonden Architektin konkurriert nur noch mit ihrer eleganten, schwarzen Kleidung, die ihren zierlichen, wie eine griechische Statue geformten Körper perfekt betont. Schon nach ihren ersten sanften Worten denke ich über eine Familiengründung nach. Vermutlich alle anderen auch.
Doch daraus wird wohl nichts: Die Zeugin sagt aus, sie sei während ihrer Bauaufsicht schwanger gewesen, habe sich bereits innerlich auf ihre Mutterrolle vorbereitet und sei mit dem Umzug zum Vater in eine andere Stadt befasst gewesen. Sie hätte inzwischen den Beruf aufgegeben. An die Situation hat sie keine konkrete Erinnerung. Trotzdem war der Zeugentermin ergiebig. Auf dieser Baustelle hat sich garantiert niemand auf seine Arbeit konzentriert.
Der Ausgang des Prozesses ist weniger spannend: Alle Beteiligten hatten die gleiche Rechtsschutzversicherung.