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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Piraten: Parteigerichtsbarkeit oder Peergroup-Tentakel?

Während ihres Bundesparteitags in Würzburg am 25./26.07. wählen die Piraten neben dem Vorstand auch ihr neues Bundesschiedsgericht. Für die acht Sitze kandidieren bislang nur neun Piraten, darunter vier nicht durchgehend überzeugende Amtsinhaber und ein weiterer Pirat, den man in einer solchen Position eher nicht sehen möchte.

Das Parteiengesetz verlangt die Einrichtung solcher Schiedsgerichte mit mindestens einer Berufungsinstanz, sowie Gewährleistung eines gerechten Verfahrens und der Ablehnung befangener Richter. Aufgabe der Parteischiedsgerichte ist die Durchsetzung (und eigene Beachtung) der Satzung. Die Satzung soll die Parteimitglieder vor Eigenmächtigkeiten von Amtsträgern schützen. Gerichte sind juristische Gremien, keine politischen – theoretisch.

Eigentlich würde ich es vorziehen, zum Thema Missbrauch des BSG lieber in Scham zu schweigen. Denn im Prinzip wurde der Peergroup-Kraken, der die Piraten mit unappetitlichen Methoden steuern wollte, bereits vor einem Jahr demokratisch aus dem Planschbecken geschickt. Damals wurde allerdings das gleichfalls fehlbesetzte BSG belassen. Da einige der aktuellen BSG-Richter sich trotzigerweise zur Wiederwahl empfehlen, ist es nun an der Zeit für ein bisschen Transparenz:

2012 wurde ich selbst für eineinhalb Jahre in dieses Gericht gewählt, wo ich mich als einziger praktizierender Jurist unter Piraten vor allem aus dem Landesverband Berlin wieder fand. Gerichtsbarkeit durch überwiegend Rechtslaien ist sicherlich suboptimal, aber ich habe mich bemüht, mit den Kollegen juristisch vertretbare Ergebnisse zu fördern. Die Parteistreitigkeiten interessierten mich bestenfalls am Rande, ich lese nicht einmal Mailinglisten.

Mir war vor allem die Gewährleistung eines gerechten Verfahrens wichtig (§ 14 Abs. 4 PartG). Als Rechtsanwalt, der seinem Ruf verpflichtet ist, war es mir jedenfalls nicht möglich, mich an Gesinnungsjustiz und Mauscheleien irgendwelcher Art zu beteiligen. Das scheinen insbesondere BSG-Kollegen aus dem ideologisch aufgeladenen Landesverband Berlin, wo man zur Demokratie ein eher subjektives Verhältnis pflegt, nie so ganz verstanden zu haben. Zwei Berliner BSG-Richter schieden dann auch vorzeitig aus, weil sie wohl lieber Landesverbände gegenüber dem BSG vertreten wollten, was sie in ihrer Eigenschaft als Richter so jedenfalls nicht in meiner Anwesenheit konnten.

Beim Parteitag in Bremen 2013 traten nur Mitglieder und Mitläufer der „Peergroup“ an und wurden alle gewählt. Während einige Landesschiedsgerichte hervorragende Arbeit leisten und mit professionellen, geradezu mustergültigen Urteilen beeindrucken, lag die Arbeit des mit selbstbewussten Rechtslaien und Intriganten besetzten BSG in den letzten eineinhalb Jahren zweifellos nicht mehr im Spektrum dessen, was man juristisch irgendwie vertreten könnte. Man ist dort schlicht und ergreifend zu primitiver Mauschelei übergegangen: Ergebnisse standen von Anfang an im Sinne der „Peergroup“ fest, man hielt die Antragsteller manchemal sechs Monate lang zum Narren und garnierte die Urteile mit pseudojuristischem Käse.

Dabei machen sich diese „Richter“ nicht einmal mehr die Mühe, ihre Parteilichkeit zu verschleiern:

  • In einem Urteil äußerte sich das Gericht despektierlich über eine Partei.
  • Ein identischer Prozessantrag einer unerwünschten Partei wurde monatelang trotz vehementer Wiederholung ignoriert, jedoch bei Antragstellung durch eine respektierte Gegenpartei sofort akzeptiert.
  • Eilanträge wurden entweder verschleppt oder komplett ignoriert.
  • In einem Fall wurde eine favorisierte Partei (kBuVo) heimlich vorab informiert, um ein Verfahren eine Minute nach Antragsabweisung mit einem neu vorbereiteten Antrag pro forma wieder zu starten.
  • Unerwünschte Parteien wurden laufend mit erfundenen Verfahrenserfordernissen usw. ausgebremst, das Gericht meldete sich meist nur im Wochenrhythmus.
  • Ein einfaches Verfahren dauert dank BSG-Trödelei bislang seit August 2014 noch immer an.
  • Mündliche Verhandlungen wurden trotz satzungswidriger Ladung und Bahnstreik durchgeführt (konventionelle Gerichte sagten damals wegen Bahnstreik die Termine ab).
  • Unerwünschten Parteien wurden Informationen vorenthalten.
  • Wesentlicher Vortrag und sogar Prozessanträge wurden in Urteilen standardmäßig unterschlagen, wenn es nicht zur Entscheidung „passte“, was die Antragsteller wie Idioten und die Richter wie weise Leute aussehen ließ.

Ausgerechnet der Datenschutz scherte die Piratenrichter nicht, vielmehr fand man „Leaks“ witzig. Der „Vorsitzende Richter“ schnüffelte sogar in E-Mails von Verfahren, in denen er ausgeschlossen war – und kommentierte diese auch noch … Während dieser Richter hierfür Zeit hatte, weigerte er sich, das in der Satzung vorgeschriebene Anfertigen eines Sitzungsprotokolls zu leisten, weil er keine Zeit dazu hätte – seit über einem Jahr.

Um diese rustikalen Zustände zu verstehen, muss man wissen, dass die meisten der in Bremen gewählten BSG-Richter zufällig dem Landesverband Berlin angehörten oder politisch zuzurechnen waren. Drei der Richter waren privat mit aktiven Piraten liiert. Auch ein ehemaliger JuPi-Vorsitzender, der sogar in seiner Eigenschaft als Richter sektiererische Gender-Sternchen benutzt, wollte bei Parteiausschlussverfahren gegen Piraten eines konkurrierenden Flügels helfen. Der „Vorsitzende Richter“ (der diese selbstgeschaffene Bezeichnung nicht seiner Kompetenz, sondern seiner Bereitschaft zur Gerichtsverwaltung verdankt) pflegt Verhaltensweisen, die man höflich als „nicht altersgemäß“ bezeichnen möchte.

Das BSG sollte eigentlich so etwas wie das Bundesverfassungsgericht der Piratenpartei sein, das neutral über die Einhaltung der Satzung wacht. Ausgerechnet in der schwärzesten Stunde der Parteiengeschichte verweigerte es diese Aufgabe. So hätte das BSG z.B. bei Handlungsunfähigkeit des BuVo auf Antrag dafür sorgen müssen, dass

  • die Piratenpartei satzungsgemäß vertreten wird,
  • eine einzusetzende kommissarische Vertretung der Partei „unverzüglich“ einen außerordentlichen Parteitag einberuft,
  • niemand ohne satzungsgemäße Legitimation im Namen der Partei Verträge schließt, Freunde einstellt, Gegner mit Parteiausschlussverfahren behindert, die Transparenz abschafft und Geld verschwendet oder verschiebt.

Als sich 2014 ausgerechnet entmachtete Vorstände selbst (!) zum „kommissarischen BuVo“ ernannten, hat das BSG trotz Anrufung und evidenter Satzungswidrigkeit praktisch alles gebilligt. In der Satzung steht nichts von „kommissarischem BuVo“, der die Partei gestaltend führt und einen Tag länger als unbedingt notwenig vertritt. Diese Leute hatten aber gar nicht die Absicht, satzungsgemäß „schnellstmöglich“ einen aBPT zu ermöglichen, sondern verfolgten eine eigene Agenda.

Dieser Anmaßung von durch nichts legitimierten „Piraten“ wäre kaum vorstellbar gewesen, wenn diese ernsthaft mit einem BSG gerechnet hätten, das sich um die Satzung schert. Da war es offenbar nicht von Schaden, dass die BuVo/kBuVo-Intrigantin Gefion Thürmer die jahrelange Lebensgefährtin des „Vorsitzenden Richters“ ist und sein Spezi der kBuVo-„Justiziar“ war. Der „Vorsitzende Richter“ stellte dann auch in seiner Eigenschaft als Basispirat bei seiner Freundin einen fragwürdigen Finanzantrag.

Die Berechnung dieser Leute, welche die Partei subversiv übernehmen wollten, ging allerdings nicht auf, da die Partei 2014 von der Peergroup genug gesehen hatte und in Halle und den Berliner Trittbrettfahrern die Grenzen der Gastfreundschaft aufzeigte. Dennoch trollte das Peergroup-BSG noch ein geschlagenes Jahr weiter.

Wem diese Kritik zu politisch ist, dem präsentierte ich hier juristische Details:

Um Amtsmissbrauch durch Schiedsgerichte und politische Säuberungsaktionen zu vermeiden, sehen Satzung, Schiedsgerichtsordnung und Parteiengesetz eigentlich Mindesstandards vor:

1. Gebot gerechten Verfahrens (§ 14 Abs. 4 PartG):

Juristisches Arbeiten ist derzeit am BSG schon nicht wahrnehmbar.
Die Verfahren dauern unfassbar lange und die Korrespondenz wird wegen Vorliebe für textbasiertes Streiten sinnlos aufgebläht, und auch deshalb, weil die Richter nicht systematisch arbeiten und weder die Rechtsfragen noch ihre Rolle etwa als Berufungsgericht verstanden haben. Die meisten Verfahren sind von vorne herein aussichtslos und ließen sich mit einem richterlichen Hinweis an die Parteien oder einer mündlichen Verhandlung leicht abkürzen. Statt effizient zu arbeiten, haben die ernsthaft ein Ticketsystem(!) eingeführt – in einem Gericht. Regelmäßig werden die Verfahren durch Entscheidungen beendet, von denen sich die meisten durch sinnvolle Verhandlungsführen einsparen ließen.

2. Gebot rechtlichen Gehörs:

Das Parteiengesetz verlangt, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewährleisten (§ 14 Abs. 4 PartG).

Das BSG benötigte in einem (einfachen) Fall fünf Monate, um eine offensichtlich begründete Berufung an das Ausgangsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. (Fünf Minuten Lektüre der Berufungsschrift hätten gereicht, um den Fall u.a. wegen Unzuständigkeit von Antragsteller und Erstgericht komplett abzuweisen.)
Das BSG entscheidet fast immer im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung und gibt nur selten vorab eine Rechtsauffassung bekannt, zu der sich ein Beteiligter einlassen kann. Die – häufigen – Rechtsanwendungsfehler des BSG, die erst im Urteil auffallen, können dann nicht mehr korrigiert werden.
In einem Eilverfahren (!) ordnete das BSG ein „Ruhen des Verfahrens“ an, und begründete dies mit den lästigen Eingaben des Antragstellers.

3. Gebot der Unparteilichkeit:

Das Parteiengesetz schreibt insbesondere vor, dass die Ablehnung eines Mitglieds des Schiedsgerichts wegen Befangenheit zu gewährleisten ist (§ 14 Abs. 4 PartG). Spannend sind insoweit die Selbsteinschätzungen bzw. vom BSG abgelehnten Befangenheitsgesuche:

  • Ein „Vorsitzender Richter“ hielt sich für unbefangen, obwohl er mit einer Partei seit Jahren in Lebensgemeinschaft Tisch und Bett teilt.
  • Ein „Vorsitzender Richter“ beriet als „Jurist vom Dienst“ Parteitage, über deren Rechtmäßigkeit er später als Richter befinden soll.
  • Ein „Vorsitzender Richter“ missbrauchte den BSG-Twitter-Account für Pöbeleien.
  • Ein Richter, der vormals JuPi-Vorsitzender war, im JuPi-BSG sitzt und in Piraten-BSG-Schreiben Gender-Sternchen benutzt, hält sich in einem Verfahren gegen einen bei JuPis verhassten Piraten für unbefangen. Dieser Richter hielt sich für unbefangen, obwohl er persönlich Partei in einem anderen Verfahren ist, das der betroffene Pirat initiiert hat.

4. Fachkompetenz (nicht vorgeschrieben, aber für ein gerechtes Verfahren sinnvoll):

Die Arbeitsweise des BSG ist erschreckend unsystematisch, ineffizient und inkompetent. Fehlende Argumente gleicht man mit Arroganz aus.
Da das BSG etwa bei Parteiausschlussverfahren nicht unvoreingenommen und systematisch das Vorliegen von Vorraussetzungen prüfte, hat es jahrelang nicht erkannt, dass alle von Klaus Peukert betreuten PAVs der letzten Jahre ohne erforderlichen BuVo-Beschluss eingeleitet wurden, sondern satzungswidrig an LVs delegiert waren.
Zwar besitzen die BSG-Richter keine Kenntnisse im BGB usw., davon aber jede Menge und machen fröhlichen Gebrauch von juristischen Fachausdrücken und altklugen Rechtsbelehrungen.
Spannend ist auch die Begründungstechnik, unhaltbare Rechtsauffassung durch Berufen auf frühere Fehlentscheidungen zu stützen.

5. Sachliches Verhalten (nicht vorgeschrieben, aber für ein gerechtes Verfahren erforderlich):

Mit dem in der SGO verankerten Gebot zur Verschwiegenheit und mit dem Datenschutz haben einige Richter offenbar strukturelle Probleme. Im Dunstkreis des in Bremen gewählten BSG kam es immer wieder zu Leaks und Durchstechereien an die favorisierte Seite – zum Teil sogar öffentlich durch BSG-Richter auf Twitter. Was man hier nachlesen kann, erscheint ganz überwiegend plausibel.

Wenn in Würzburg keine anderen Piraten für das BSG antreten, beschwert euch bitte nicht, wenn ihr wieder politische Justiz von Peergroup-Tentakeln bekommt.

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Autor:
admin
Datum:
19. Juli 2015 um 00:06
Category:
Allgemein,Politik
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