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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


30. November 2014

Friendly Fire in der Vorderstraße

Diesen Monat ist medienrechtlich viel passiert, was ich normalerweise berichtet oder kommentiert hätte, allerdings musste ich gesundheitsbedingt eine gewisse Auszeit nehmen. Etwa zeitgleich fing sich auch meine Website etwas ein, nämlich DDoS-Angriffe eines Unbekannten, der sich an einem kritischen Beitrag über den CC-Lizenz-Eintreiber Dirk Vorderstraße stört. Die Website wurde inzwischen gegen DDoS gehärtet.

Das eigentlich ärgerliche an DDoS-Angriffen ist, dass diese unbeteiligte Dritte in Mitleidenschaft ziehen. So etwa meinen Provider, der bis zu einer Milliarde Abrufe täglich auffangen musste, was den Betrieb des Rechenzentrums gefährdete. Ich kam allerdings nicht mehr aus dem Lachen heraus, als ich herausfand, dass Herr Vorderstraße seine Website beim gleichen Provider hostete. Da ist Herr Vorderstraße also unter friendly fire geraten …

Die DDoS-Angriffe, die zeitgleich auch gegen eine speziell Herrn Vorderstraße gewidmete Website erfolgten, setzten kurz nach Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die dortige Domain ein. Vorderstraße-Anwalt Herr Arno Lampmann war sich nicht dafür zu schade, die DDoS-Angriffe juristisch zu instrumentalisieren. So argumentiert der Kollege in seiner sofortigen Beschwerde, die Website hätte infolge zeitweisen Contentausfalls keinen Inhalt, mit dem die Domain gerechtfertigt wurde.

Der Kollege Lampmann war diese Woche auch für einen anderen CC-Lizenzeintreiber gescheitert. So wollte sich ein unverschämter Fotograf am Deutschlandradio gesundstoßen, weil dieses ein unter CC BY-NC 2.0 lizensiertes Lichtbild verwendete. Die Lizenz schließt ihrem Wortlauf nach kommerzielle Verwendung aus. Das OLG Köln, Urteil v. 31.10.2014, Az. 6 U 60/14, erklärte dem Kollegen Herrn Arno Lampmann jedoch, dass das Deutschlandradio eher nicht kommerziell ist und Unklarheiten in CC-Verträgen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen. Zwar kann der Fotolizenz-Tretminenausleger wegen Eingriff in das Bearbeitungsrecht Unterlassung fordern, aber die Lizenforderungen darf er sich abschminken. Außer Spesen nichts gewesen …

11. November 2014

DDoS-Angriffe in der Vorderstraße

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Foto: „Kater Isi“, Urheber: Dirk Vorderstraße. Lizenz: CC BY 3.0

Letzte Woche wurden mein Beitrag Die Wikipedia-Abmahnungen des Dirk Vorderstraße sowie das Blog Foto Abzocker Dirk Vorderstraße gleichzeitig Ziel von distributed denial of service-Attacken. Bevor die Websites per DDoS angegriffen wurden, waren sie vergeblich von Herrn Dirk Vorderstraße und seinem Rechtsbeistand Herrn Arno Lampmann juristisch angegriffen worden.

Herr Vorderstraße ließ durch seinen Anwalt Herrn Arno Lampmann ausrichten, er habe mit den DDoS-Angriffen nichts zu tun. Wollen wir es ihm mal glauben! Offenbar versucht irgendein Unbekannter, Herrn Vorderstraße in Misskredit zu bringen, denn anhand der zeitlichen Koinzidenz zu den juristischen Rückschlägen liegt ein Anfangsverdacht gegen Herrn Vorderstraße nun einmal sehr nahe.

Jedenfalls aber scheint der Unbekannte, der sich auf strafrechtlich relevantem Terrain bewegt, nicht zu wissen, dass DDoS eine Waffe vergangener Tage ist. Die Websites werden inzwischen von soliden Firewalls geschützt, die nur noch echte Anfragen durchlassen. Der Schuss in die Vorderstraße ging nach hinten los.

10. November 2014

Hedy Lamarrs 100. Geburtstag

 

Gestern jährte sich der Geburtstag von Hedy Lamarr (1914-2009) zum 100. Mal.

Lamarr machte unter ihrem bürgerlichen Namen Hedwig Eva Maria Kiesler zunächst eine Karriere beim deutschsprachigen Film, wobei sie im Streifen „Ekstase“ 1933 einen Skandal wegen der darin enthaltenen Freizügigkeit verursachte. Eine keuschere Schnittfassung wurde in Berlin 1935 unter dem Titel „Synphonie der Liebe“ aufgeführt.

1937 verließ die Jüdin ihren ersten Ehemann, der als Waffenfabrikant mit den Nazis und Mussolini Geschäfte machte und emigrierte in die USA. Dort setzte sie nicht nur ihre Filmkarriere fort, sondern entwickelte wie ihr Ex-Mann die Waffentechnologie weiter, um sie gegen die Nazis einzusetzen. So erwarb sie 1942 ein US-Patent für ein Verfahren, bei dem ferngesteuerte Torpedos ihre Frequenz wechseln, um die gegnerische Funkpeilung zu erschweren. Das System basierte auf synchronisierten Lochstreifen, wie man sie beim automatischen Klavier verwendete. Die Idee überzeugte das Militär damals jedoch nicht. Eine elektronische Variante der Synchronisation wurde von der US-Marine während der Kubakrise eingesetzt.

Update: Allerdings war das Prinzip des Frequenzsprungs, anders als für ein Patent erforderlich, nicht wirklich neu, sondern seit den 1930ern bekannt. Kritiker argwöhnen, Lamarr hätte sich des Wissens ihres Ex-Mannes bedient.

Das technische Prinzip Frequency Hopping wird heute im Mobilfunk und bei Bluetooth eingesetzt. 1997 erhielt sie den Electronic Frontier Foundation’s Pioneer Award.

Medienrechtlich von Interesse ist Lamarrs 10 Millionen $-Klage gegen Mel Brooks, der in „Der wilde wilde Westen“ (1974) eine Figur „Hedley Lamarr“ verwendete, die irrtümlich stets als Hedy Lamarr angeredet wird. Die Parteien einigten sich außergerichtlich.

5. November 2014

Soll der Lokführerstreik über die Medien gewonnen werden?

Ich werde gleich Bahn fahren und mich vermutlich wie letzte Woche wieder aufregen. Natürlich bin ich auch nicht begeistert, dass meine Rückfahrt wieder durch den Lokführerstreik unsicher geworden ist. Aber was ich achte das Streikrecht von Personen, die möglicherweise nicht fair bezahlt werden.

In den Medien wird eine sehr durchsichtige Kampagne gegen die GdL gefahren. So bezeichnete SPON sie als „Deutschlands dümmste Gewerkschaft“ und ist damit wohl endgültig bei der BILD-Zeitung angekommen. Inzwischen hetzen Medien in der Weise, dass das Klingelschild des Gewerkschafters fotografiert wird. Der Deutsche Journalistenverband kommentiert zutreffend:

Der Deutsche Journalisten-Verband hat die Medien aus Anlass des angekündigten Bahnstreiks zu fairer Berichterstattung aufgefordert.

Selbstverständlich müsse über den Arbeitskampf, seine Ursachen und die Auswirkungen auf Reisende und die Wirtschaft ausführlich informiert werden, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Zugleich appellierte er an die Medien, nicht tendenziös zu berichten. Kein Streik sei beliebt, aber Stimmungsmache für oder gegen eine Partei des Tarifkonflikts oder ihre Funktionsträger sei nicht Aufgabe der Medien. „Man muss den Streik der GDL nicht mögen, aber an dem im Grundgesetz geschützten Recht zum Arbeitskampf darf nicht gerüttelt werden.“

Der DJV-Vorsitzende wandte sich in dem Zusammenhang gegen vereinzelt festzustellende Tendenzen, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer als Privatperson an den Pranger zu stellen. „Wie Klaus Weselsky wohnt ist ebenso irrelevant für die Meinungsbildung wie das Foto von seinem Klingelschild“, betonte Konken. „Wer den Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn AG auf das Niveau von ,Staatsfeind Nummer eins‘ herunter zieht, verletzt die journalistischen Spielregeln und spielt zudem den Gegnern der Tarifpluralität in die Hände.“

2. November 2014

Kohl ./. Heyne

 

Inzwischen ist in Sachen Kohl ./. Heyne-Verlag die Begründung zum Abweisungsbeschluss (28 O 433/14) des Landgerichts Köln veröffentlicht worden. Anders als beim Herausgabebeschluss zu den Kohl-Tonbändern, den die 14. Zivilkammer (Urheberrecht) verhandelt hatte, war die einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung des gesamten Buches in der „Pressekammer“ verhandelt worden.

Kohl berief sich hinsichtlich der Tonbandaufzeichnungen auf Urheberrecht, doch ohne Bezug auf den konkreten Inhalt des Buchs war der Antrag nun einmnal unschlüssig. Insoweit verweise ich auf meinen Beitrag in der Legal Tribune Online (Heribert Schwans Ko(h)lportage).

Soweit Kohl den Antrag eines Totalverbots auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung stützte, urteilte das Gericht:

Zwar beeinträchtigt die Veröffentlichung eines vertraulich gesprochenen Wortes den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Diese Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ist jedoch nicht per se rechtswidrig. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich vielmehr um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Insoweit stehen sich hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) des Antragstellers und das Recht der Antragsgegnerin auf Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gegenüber.

Diese Abwägung kann jedoch nicht allgemein getroffen werden. Ein absolutes Veröffentlichungsverbot – wie es mit dem Antrag begehrt wird – kann nicht beansprucht werden. Dies könnte allenfalls der Fall sein, soweit die absolut geschützte Intimsphäre betroffen ist. Dieser hat sich der Antragsteller jedoch bereits grundsätzlich begeben, indem er sich dem Antragsgegner im Parallelverfahren geöffnet hat.

Außerhalb dieses Bereiches gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht allenfalls Schutz gegen einzelne konkrete Äußerungen, die vorliegend jedoch nicht streitgegenständlich sind. Diese wären dann daraufhin zu überprüfen, ob an ihnen  unter Berücksichtigung des Kontextes, in den sie eingebettet sind, ein Berichterstattungsinteresse besteht, das das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt. Bei dieser Abwägung wiederum ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass wahre Tatsachenbehauptungen, die den Betroffenen nicht in der besonders geschützten Intimsphäre treffen, grundsätzlich hingenommen werden müssen, wenn ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen der eigenen Entscheidungen und Verhaltensweisen gehören deshalb auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung wahrer Tatsachen ergeben, solange sie sich im Rahmen der üblichen Grenzen seiner Entfaltungschancen halten. Die Grenze zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung wahrer Tatsachen regelmäßig erst dann überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. BVerfGE 97/391; BGH, NJW 2011, 47).

Ob eine solche Situation bei der bevorstehenden Veröffentlichung zu bejahen ist, kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern bedarf der Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes. Das erstrebte allgemeine und absolute Verbot lässt sich danach aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht herleiten.

Diese Woche wurde in Köln der neue Antrag verhandelt, der auf das Verbot von 115 einzelnen Äußerungen gerichtet ist, und damit zumindest zulässig sein dürfte. Diesmal entscheidet wieder die Kölner Urheberrechtskammer, die immer mal wieder für eine Überraschung gut ist. So hatte die Zivilkammer 14 gerade der Bundeswehr ein Urheberrecht an Verschlusssache-Berichten zugebilligt, die kaum als Werke der Literatur intendiert sind. Auch in der inzwischen aufgehobenen Pixelio-Entscheidung hat die Kammer die Rechte des Urhebers sehr weitgehend interpretiert.

Noch sind die genauen Äußerungen, gegen die sich Kohl wehrt, unbekannt, so dass die Erfolgsaussichten nicht beurteilt werden können. Das Verfahren bleibt also spannend. Der Rummel um das Buch hat sich jedenfalls für den Verlag ausgezahlt: So sind bislang über 100.000 Exemplare des Werks abgesetzt worden.

1. November 2014

Landgericht Köln hält Bundeswehrberichte für Kunst

 

Letztes Jahr hatte die Bundeswehr die WAZ verklagt, weil diese eigenmächtig von als Verschlusssache gekennzeichneten Dokumenten veröffentlichte. Diese waren zur Unterrichtung des Parlaments (Bundestag) angefertigt worden. Der Barras sah darin eine Urheberrechtsverletzung. Meine Rechtsauffassung hierzu hatte ich bei TELEPOLIS dargelegt (Die Künstler-Kompanie).

Nunmehr hat das Landgericht Köln tatsächlich entschieden, dass die Variationen, welche die Berichterstatter in ihren genormten Dokumenten machen, ein Urheberrecht im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG begründen können, weil eine persönlich geistige Schöpfung vorliege (Künstler-Kompanie gewinnt erstes Gefecht). Ich vermute mal stark, dass der Feind in Berufung gehen wird.

Doch auch ein anderer Gegner stünde bereit: Aus Solidarität hatte die Piratenfraktion im NRW-Landtag den Leak gespiegelt, den auch im größen Länderparlament interessiert man sich dafür, wenn eine Behörde – wie in diesem Fall wohl geschehen – einem Parlament eine manipulierte Sachlage unterschieben will. Mit Anti-Piraten-Einsätzen hat die Bundesmarine ja inzwischen Erfahrung gesammelt …