9. April 2014
Kommenden Samstag treffen sich verantwortungsvolle Menschen in Köln, um zu demonstrieren, dass es sich auch unter Freunden nicht gehört, sich uneingeladen in fremden Rechnern und Telefonen herumzutreiben. Wem die Unschuldsvermutung und Privatsphäre etwas bedeuten, der findet sich um 14 Uhr am Heumarkt zur Demo #StopWatchingUs ein. Abends gibt es eine Party, am Sonntag ein Barcamp.
8. April 2014
Inzwischen ist das von der Lokalpresse berichtete Urteil des Amtsgerichts Bonn online, das einem selbsternannten Umweltschützer verboten hatte, (heimlich) den Halter eines unangeleinten Hundes im Naturschutzgebiet zu fotogragieren, um ihn an die Behörden zu verpetzen. Die Bilder wurden nicht veröffentlicht, sondern für einen Rechtsstreit verwendet.
Das in den §§ 22 ff. KunstUrhG geregelte „Recht am eigenen Bild“ regelt zwar, ob man angefertigte Fotos von Personen auch veröffentlichen darf, nicht aber verbietet das KunstUrhG das Fotografieren (andere Ansicht: RA’in Janina Ruland). Grundsätzlich ist allerdings das Anfertigen von Fotografien in der Öffentlichkeit erlaubt, solange man nicht gerade ein militärisches Sperrgebiet ablichtet oder die „Öffentlichkeit“ zufällig eine öffentliche Sauna oder ähnliches ist. Juristisch ist Fotografieren von der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.
Vereinzelt gibt es Entscheidungen, die etwa fotografierten Polizisten vor Ort das Löschen von Fotos erlaubten, da diesen nicht zumutbar sei, eine drohende Veröffentlichung abzuwarten. Das Abfilmen von öffentlichem Raum mit Überwachungskameras kann gegen Datenschutzbestimmungen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen, etwa dann, wenn die Kamera auf den Hauseingang des Nachbarn gerichtet ist. Ggf. ist auch Haus- und Urheberrecht ist zu beachten.
Vorliegend aber war der Fotograf alles andere als aufdringlich, sondern fotografierte sogar heimlich. Die Bilder waren nicht zur Veröffentlichung oder zu einem Missbrauch bestimmt, sondern gingen ausschließlich an die Behörden, die sogar nach § 24 KunstUrhG und § 45 UhrG privilegiert sind. Angeblich hatte sie der Fotograf sogar anschließend gelöscht. Sie kamen dem Hundehalter erstmals im Wege einer Akteneinsicht zur Kenntnis:
(…) mit 18 dokumentierten und fotografierten Verstößen an dem streitursächlichen Tag und gut 35 mögliche Verstößen in einer Woche zielgerichtet letztlich an behördenstatt Ordnungswidrigkeiten festhält und die Personen während ihres Aufenthaltes systematisch überwacht ohne dass dies dem Kläger als Betroffenen zuvor bekannt gemacht worden wäre. (…)
Das Amtsgericht bewertete die Fotonachstellungen als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Hundehalters, der nicht gerechtfertigt gewesen sei. Der selbsternannte Hilfssherrif hätte sich durch Notieren des Autokennzeichens behelfen und die Behörden ihren Job machen lassen können. Daher verurteilte es den Fotofreund zur Unterlassung und erkannte auf einen für Persönlichkeitsrechtsstreitigkeiten sensationell niedrigen Streitwert von 500,- €.
Unabhängig von der Frage, ob man das Gestalke von solch selbsternannten Wildhütern nun schätzt oder nicht: Juristisch ist das Urteil nicht ganz so überzeugend. Die vom Amtsgericht angeführten Urteile befassen sich nicht mit gezielter detektivischer Dokumentation von Hundeunrecht, sondern mit penetranter dauerhafter Videoüberwachung und betreffen überwiegend schon nicht den Unterlassungsanspruch.
1. Eingriff in allgemeines Persönlichkeitsrecht?
Während das Amtsgericht Bonn sich ausgiebig damit befasste, dass der Eingriff nicht gerechtfertigt gewesen sei, hielt es sich bei der Begründung, ob überhaupt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorläge, nicht allzu lange auf. Ein allgemeines „Recht aufs Nichtfotografiertwerden“ im öffentlichen Raum gibt es aber derzeit nicht. Soweit in jenem Nachbarschaftsfall von 1995 die Kameraüberwachung verboten wurde, ging es um einen Überwachungsdruck, der massiv in das Persönlichkeitsrecht eingriff.
2. Güter- und Interessenabwägung
Im bezogenen Urteil machte der BGH eine in derartigen Fällen nun einmal gebotene Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Eingriff ins allgemeine Persönlichkeitsrecht (grundrechtlich geschützt aus Art.. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) und dem Interesse des Filmers, der seinerzeit das Abladen von Unrat auf seinem Grundstück dokumentieren wollte (grundrechtlich ebenfalls geschützt, nämlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG). Letzteres sah der BGH in diesem konkreten Fall als weniger gewichtig an.
Beweisverwertung
Das Amtsgericht Bonn bezog sich auf zwei weitere Zivilurteile, in denen es allerdings nicht um Unterlassung ging. So hatte das OLG Köln die Beweisverwertung von Videoaufnahmen in einer Waschküche abgelehnt, weil diese heimlich angefertigt worden waren, was als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bewertet wurde. Ebenso erkannte als OLG Karlsruhe, als jemand sein Auto gegen Vandalismus verdeckt überwachen wollte. Ggf. wäre es sinnvoll gewesen, mit der gleichen Argumentation auch im Bonner Hunde-Fall einer Verwertung der Bilder durch die Behörden zu widersprechen.
Unterlassungsanspruch?
Ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch gegen das Anfertigen von Fotos ist außer in § 201a StGB nicht vorgesehen. Einem Richter ist es auch nicht ohne weiteres gestattet, selbst Gesetze zu erfinden oder nicht anzuwenden, vgl. Art. 100 GG. Wenn nunmehr ein Richter unter extensivem Heranziehen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Dokumentieren von Rechtsverstößen verbietet und damit Fotografen eine Rechtfertigung für seine Fotos aufbürdet, dann steht künftig jeder Fotograf mit einem Bein mindestens im Gerichtssaal. Wenn etwa heimliches Fotografieren verboten ist, werden darüber vermutlich Privatdetektive nicht allzu glücklich sein. Betroffen wären jedenfalls definitiv die Dashcams, die ja derzeit auch datenschutzrechtlich in der Kritik stehen. Teleobjektive werden demnächst dann wohl waffenscheinpflichtig.
Wie gesagt, dem Denunziantentum gilt grundsätzlich nicht meine Sympathie. Aber solange sich ein Umweltfreund rechtstreu verhält und die Behörden unterstützen möchte, kann man dem Leinenmuffel durchaus zumuten, als Fotomotiv herzuhalten, wenn dies nur den dargestellten Zweck betrifft. Es wäre Sache des Gesetzgebers, hier Änderungen ausgestalten.
Jedenfalls der Hund hat ganz sicher keinen Anspruch auf Unterlassung, vgl. § 1 BGB.
5. April 2014
Wie ich hörte, ist diese Woche meine Grundschullehrerin Carola Kohlmeyer in hohem Alter verstorben. Frau Kohlmeyer war eine resolute Persönlichkeit, die man so heute wohl nicht mehr in der Schule antreffen wird. Erwartet man von Lehrkörpern dieser Tage ein perfektes Hochdeutsch, so unterrichtete Frau Kohlmeyer sogar in Deutsch grundsätzlich auf pfälzisch. Moderne Pädagogik bewertete die dreifache Mutter und damals schon Großmutter überwiegend als weltfremd, machte sich etwa lustig über Eltern, deren Kinder ja so sensibel seien. Und wer „fresch“ wurde, der fing sich auch schon mal „äni“. Einen beträchtlichen Teil des Unterrichts verbrachte sie mit Erzählungen aus ihrem Leben, das man bewegt nennen darf.
Frau Kohlmeyer war die Ehefrau des 1974 verstorbenen Nationalspielers Werner Kohlmeyer gewesen, der 1954 mit Fritz Walter in Bern den Weltmeistertitel holte. Damals gab es noch nicht den Beruf der Spielerfrau, die Nationalspieler erhielten nicht einmal ein Honorar, Werbeverträge gab es offenbar auch nicht. Die Mitglieder der „Walter Elf“ wurden in Kaiserslautern immerhin mit einem Autokorso empfangen.
Doch weitaus häufiger als von „Müller-Bomben“ berichtete Frau Kohlmeyer von echten, die sie in ihrer Kindheit und Jugend erlebt hatte. Im Krieg war sie bei den „Blitzmädeln“ gewesen, die bei Luftangriffen auf die Pfalz der Flak die US-Bomber mit Suchscheinwerfern anzeigten. Im ersten Moment hatten sich die Blitzmädel gefreut, wenn insbesondere das Leitflugzeug eines Bomberverbands getroffen wurde, und dann geschämt, wenn Piloten an brennenden Fallschirmen in den Tod stürzten. In den Kriegswirren kam sie weit herum und kehrte in tagelangen Fußmärschen in die Heimat zurück. Die Kriegserlebnisse hörte ich so oft, dass sie schon beinahe zu meinen eigenen Kindheitserinnerungen wurden.
Noch im vorgerückten Alter präsentierte uns Frau Kohlmeyer im Sportunterricht immerhin den Kopfstand. Die temperamentvolle Lehrerin war streng, schimpfte und schrie häufig. „Wann eier Eltre eisch so siehe kennt, die würde weine!“ und „Uff’m Gymnasium werd‘ ihr oigäh‘ wie ä Priemel!“, was bei uns zur stehenden Redewendung wurde. Lob war eher selten angesagt, allerdings scheine ich sie im Aufsatz beeindruckt zu haben. Ich sei der „geborene Geschichtenerzähler“. Die Geschichte der Carola Kohlmeyer sei hiermit nun auch erzählt.
3. April 2014
Nachdem Constantin Film, die etwa die pädagogisch wertvollen Resident Evil-Filme produzieren, nun auf juristischem Wege beim EuGH Netzsperren durchgesetzt haben, habe ich die mal gefragt, ob das wirklich so alles Sinn macht. Die hatten aber keine Zeit für mich und verwiesen mich an die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU). Die waren so sportlich und haben mir zumindest einen Teil meiner Fragen beantwortet.
-> TELEPOLIS
2. April 2014
Schöne Entscheidungen der Amtsgerichte Bielefeld und Köln.
In Bielefeld schloss sich das Amtsgericht dem Trend an, Abmahnopfern mit Familie bei der Störerhaftung keine überspannten Überwachungspflichten aufzuerlegen. Der Bielefelder Kollege Ralf Petring kommentiert.
Den Vogel ab schoss aber das Amtsgericht Köln, das selbst bei einem aktuellen Musikalbum die heiße Luft aus den grotesk überhöhten Forderungen und Streitwerten ließ.
Der Psychologe Linus Neumann, Doyen der deutschen Trollforschung, stellte für eine Studie vor Jahren eine Trollfalle auf. Als Honeypot für die Krakeler richtete er einen Feed der Inhalte von Fefes Blog ein. Fefe betreibt als Ästhet sein Blog als kommentarfreie Verkündungsplattform, sodass Linus den hierdurch aufgestauten Mitteilungsdruck auf sein Studienblog re Fefes Blog ausleiten konnte, wo das Material eifrig beforscht wurde. Nachdem die Trollkommentar-Datenbank bemerkenswerte Ausmaße annahm und damit repräsentative Auswertung erlaubte, war es an der Zeit, das re Fefe-Blog würdig zu beenden.
Ein bloßes Abschalten hätten jedoch die Trolle nicht verstanden und als Zensur bewertet. Zudem konnte niemand voraussagen, wie die Trolle auf einen kalten Entzug reagieren würden. Um sich aus der Schusslinie zu nehmen, bat mich Linus um einen anwaltlichen False Flag-Angriff in Form einer 1.April-Abmahnung, die gegenüber den Trollen das Abschalten „erklärte“. Fefe war natürlich eingeweiht und einverstanden.
Die Empörungswelle begann in den frühen Morgenstunden und beinhaltete definitiv abmahnfähige Äußerungen … ;) Einige durchschauten den Aprilscherz, andere solidarisierten sich mit Linus. Der lässigste Kommentar lautete
Chuck Norris kommentiert bei Fefe.
Hier ein paar Reaktionen ;) :
1. April 2014