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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Hausbesuch bei der Telekom

Nachdem wir Piraten neulich bei der Aktionärsversammlung der Telekom der Drossel die Meise gezeigt hatten, fanden wir uns gestern auf dem T-Campus in Bonn ein, um eine Mahnwache zu halten. Weil über den Campus ein öffentlicher Durchgang verläuft, war das demonstrationsrechtlich problemlos möglich. ;)

Schon nach kurzer Zeit ließ sich Niek Jan van Damme, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG, Sprecher der Geschäftsführung Telekom Deutschland GmbH und Doppelgänger von Robert T. Online (der mal für schnelles T-Internet warb) bei uns sehen, wo er mit uns diskutierte.  Von den anderen T-Offiziellen nahm sich einer sportlich sogar zwei Stunden Zeit, was ihm wohl einen Sonnenbrand eingebracht haben dürfte …

Das Thema „Netzneutralität“ beschäftigte mich in gewisser Weise schon vor 15 Jahren, als ich während der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte eine Seminararbeit über die „Die Zusammenschaltungsbestimmungen im neuen Telekommunikationsgesetz“ schrieb. Eine EU-Richtline und damit das TKG sahen vor, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen – damals klar die Telekom – seinen Mitbewerbern Zugang zu den Netzen gewähren muss, und zwar möglichst effizient und diskriminierungsfrei. Dabei ging es vor allem um „die letzte Meile“, also die Leitung vom Hausanschluss bis zum nächsten Netzanschlusspunkt, die nach wie vor meistens im Besitz bzw. unter Verwaltung der Telekom steht.

Bereits damals beschwerte sich der damalige Telekom-Konkurrent Mannesmann über die Diskriminierung, und das scheint bis heute angehalten zu haben. Als ich letztes Jahr einen merkwürdigen Wechsel von „Vodafone zu Vodafone“ hatte (lange Geschichte), war der Wiederanschluss nur möglich, wenn hier vor Ort ein Techniker von der Telekom aufkreuzte, was der nur einmal die Woche macht, wobei das Vereinbaren eines genauen Termins oder das direkte Erreichen des Technikers nicht gewährt wird (es sei denn, man ist T-Kunde, dann gibt es ggf. sogar die Handynummer des Technikers). Im Endeffekt war ich (ICH!) zwei Monate ohne Festnetz … Nach wie vor fährt die Telekom einen knallharten Wettbewerb, baut ihre Angebote in strukturschwachen Gegenden etwa erst dann aus, wenn dort Mitbewerber den Marktzutritt beginnen.

Was mich an den Gesprächen mit der Telekom gestern faszinierte, war deren unverblümtes Selbstverständnis als Konzern, der jederzeit das Recht hätte, den Netzausbau von heute auf morgen einzustellen. Für ein Unternehmen, das zu 32% in Staatsbesitz ist, sein „Kapital“ (Festnetz, Kundenkontakte und Immobilien) vom Staat geerbt hat und sich über die einst als Volksaktie kommunizierte T-Aktie über die Bevölkerung finanzierte, ist diese Haltung ein bisschen hemdsärmlich.

Was offenbar auch nicht so recht verinnerlicht wurde, war die politische Dimension des Internets. Wenn ich heute erfahren will, was tatsächlich in der Türkei abgeht, dann bemühe ich nicht den Fernseher (den ich übrigens gar nicht habe), sondern will sehen, welche Videos die Menschen in der Türkei auf YouTube gestellt haben. Dafür braucht man Bandbreite, die nicht plötzlich in der Monatsmitte abraucht. Heute informieren sich die Leute anspruchsvoller, wir sind gewissermaßen süchtig nach einem echten Netz gemacht worden, und zwar dem Netz, dass uns die Telkos verkauft haben. Pacta sunt servanda.

Die Begründungen, die uns gestern für das künstliche Drosseln geboten wurden, haben uns nicht überzeugt. Es handelt sich um eine Marketing-Strategie, nicht um eine betriebswirtschaftlich notwendige Verteuerung. Wie von mir neulich ohne allzu seherische Kräfte vorhergesagt, haben gestern nun auch die Mitbewerber die künstliche Abzocke begrüßt. Das Drosseln, für das keine technische Notwendigkeit besteht, erinnert mich an die Strategie einiger Druckerhersteller, die baugleiche Drucker unterschiedlichen Nutzergruppen einmal in „teuer“ und einmal in „billig“ anboten, wobei sie letztere einfach durch einen geänderten Chip künstlich verlangsamten. Zynisches Marktwirtschaften halt.

Nachdem in den Niederlanden bereits die Netzneutralität festgeschrieben ist, sendet inzwischen nun auch das benachbarte „Brüssel“ Signale. Wie schon vor 15 Jahren, als man den damals verschnarchten deutschen TK-Markt Wettbewerb und Verbraucherschutz aufzwang, muss es dann wohl die EU richten.

« Was man über Urheberrecht wissen sollte, wenn man mitreden will – Geheime Vorratsdatenspeicherung der NSA »

Autor:
admin
Datum:
6. Juni 2013 um 09:39
Category:
Allgemein,Internet,Medienrecht,Politik
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