31. Mai 2013
Das mit den USA traditionell eng verbundene Königreich Saudi-Arabien verbietet Guy Fawkes-Masken. Gegen das Anonymisieren von Frauen, denen man die Burka zumutet, haben die Wüstensöhne nichts einzuwenden, aber mit den systemkritischen Masken mögen sich die Scheichs nicht so recht anfreunden.
Anonymität ist wichtig, der Verzicht hierauf („Ich habe nichts zu verbergen“) ist unsolidarisch. Viele Menschen haben sehr legitime Gründe, etwas zu verbergen. So sind etwa je nach Quelle der Statistik sind zwischen 6% und 10% aller Menschen eindeutig homosexuell, viele jedoch möchten durch ein offenes Ausleben die hiermit verbundenen sozialen Nachteile nicht inkauf nehmen. Ein bemerkenswert hoher Prozentsatz von Menschen fragt regelmäßig pornographische Inhalte nach, möchte jedoch nicht schief angesehen werden (häufig wohl gegenseitig). Viele Menschen haben private Probleme, Suizidversuche sind häufiger, als man denkt. Unter jedem Dach ein „Ach“. Und wer jemals in der Branche der Hundertausend Sexarbeiter tätig war, typischerweise nur einen befristeten Zeitraum, muss das nicht jedem auf die Nase binden.
Auch den Staat geht etliches einfach nichts an. Was das religiöse Bekenntnis in etlichen Dokumenten zu suchen hat, ist nur schwer nachvollziehbar. In den 1970er Jahren reichte eine kritische Einstellung zu Atomenergie aus, um einen Eintrag in die INPOL-Datei zu erhalten, was den Zugang zum Beamtenverhältnis behinderte. Und ganz verschissen hatte man, wenn man kummunistisches Gedankengut wie Antimilitarismus und gleiche Teilhabe pflegte. Wer sein Sex-Spielzeug über das Internet kauft, muss sich dabei nicht über die Schulter sehen lassen. Und auch im Gerichtssaal ist es eine Zumutung, wenn Menschen aufgrund filegesharter Pornofilme Aufschluss über ihre sexuellen Präferenzen geben müssen.
Wie es im Film „V for Vendetta“, der die Guy Fawkes-Masken populär gemacht hat, so schön heißt:
„Nicht die Bürger sollten sich vor dem Staat fürchten, der Staat sollte sich vor seinen Bürgern fürchten.“
30. Mai 2013
In Luxemburg stehen in einem inzwischen 39 Prozesstage währenden Verfahren zwei Polizisten auf der Anklagebank, denen das Vortäuschen der Bombenserie zwischen 1984 und 1986 zur Last gelegt wird. Schlagende Beweise für die Täterschaft gibt es nicht, jedoch zeichnet sich ein deutliches Bild, dass die Aktionen mit erheblichem Insiderwissen durchgeführt worden sein müssen und bei der Aufklärung massiv vertuscht wurde.
Eine derartig langfristige Täuschungskampagne zugunsten besserer Polizeiausstattung wäre jedoch ohne Beispiel. Die Anwälte der beiden angeklagten Polizisten sehen denn auch in den Attentaten eine militärische Handschrift. Inszenierte Attentate zur psychologischen Beeinflussung der öffentlichen Meinung gehören zum Standardrepertoire von Militär und Geheimdiensten. So fanden etwa der US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger und sein schwedischer Kollege Anfang der 1980er Jahre nichts dabei, die Bevölkerung vor vermeintlich russischen U-Booten zu verängstigen, die in schwedischen Hoheitsgewässern herumschnorchelten. Tatsächlich waren es U-Boote der NATO.
Was mich an dem Fall am meisten fasziniert: Die deutschen Medien berichten so gut wie gar nicht darüber, obwohl die Angelegenheit politisches und historisches Gewicht hat. Lediglich dem skurrilen „Zeugen“ Andreas Kramer war für kurze Zeit Aufmerksamkeit vergönnt, jedoch diente er publizistisch in erster Linie dazu, die Untersuchung lächerlich zu machen. Wenn ich mir ansehe, mit welch dürftigen Storys politische Journalisten dieser Tage Zeilen verschwenden, kann ich nur darüber staunen, wie man sich die wirklich starken Themen entgehen lassen kann.
28. Mai 2013
Wäre es nicht toll, wenn Öffentlichkeit und Politik realisieren würden, was da für eine Welt bereits Realität ist und was da noch auf uns zu rollt? (Via)
24. Mai 2013
Wie schon in den vergangenen Wahlkämpfen wird auch der um den Bundestag partiell schmutzig geführt werden. Einen Vorgeschmack bietet eine Aktion der Berliner Grünen, die es offenbar schaffen, Nicht-Storys in den ihnen gefälligen Medien zu platzieren, um den politischen Gegner lächerlich erscheinen zu lassen. Nachdem mich bei gewissen Publikationen ja inzwischen gar nichts mehr wundert, tut es schon ein bisschen weh, dass sich ausgerechnet die TAZ für derartige PR-Aktionen instrumentalisieren lässt.
Wir haben gerade gewaltige Probleme in Deutschland, die thematisiert gehören. Petitessen wie die, ob ein Grünling im Fraktionsbereich der Piraten Anspruch auf unbeaufsichtigtes Gastrecht hat, haben eigentlich keinen messbaren Nachrichtenwert. An solch journalistischen Fehlgewichtungen sieht man sehr schön, was uns diesen Sommer noch so alles erwartet und welcher Journalist wohl mit wem in Berlin mal nett essen war.
Wenn die Grünen solche Nicht-Nachrichten lancieren, sollte man sie vielleicht einmal daran erinnern, dass sie mit ihrem eigenen Personal genügend Stress haben. So wurde vor einem halben Jahr der vormalige Grünen-Schatzmeister von Brandenburg für dreieinhalb Jahre ins Loch geschickt (aktuell nicht rechtskräftig), weil er vorher 270.000,- € abzweigte. Inzwischen genießt er Haftverschonung, könnte sich also ebenfalls in Fraktionsräume der Berliner Piraten begeben und dort etwa für die Dienste für bulgarische Prostituierten werben. DAS würde ich einen Skandal mit Nachrichtenwert nennen.
23. Mai 2013
Während sich heute die SPD zum 150. Geburtstag gratuliert, gratuliere ich zur deren Abkehr vom mit ihren Stimmen zuvor vor vier Jahren beschlossenen Zugangserschwerungsgesetz. Der zur Umkehr erforderliche Wille reifte trotz gegenteiliger Erkenntnisse erst nach der letzten Bundestagswahl, bei denen den etablierten Parteien plötzlich 2% der Wählerstimmen durch eine bis dato unbekannte Partei streitig gemacht wurden.
Die Schweiz hatte leider weniger Glück. Unter dem Vorwand der – nach allen Expertenmeinungen in dieser Form sinnlosen – Eindämmung von Kinderpornographie richteten die Eidgenossen Netzsperren ein. Und wie nicht anders zu erwarten, will man nun auch Urheberrecht mit der Zensurinfrastruktur durchsetzen. Ein Schelm, der Böses hierbei denkt.
Da Filesharing mit urheberrechtlich geschützten Inhalten bislang in der Schweiz legal ist, hat fast jeder Dritte Schweizer schon heruntergeladen. Wenn die Ausübung dieser Freiheit demnächst bedroht wird, darf sich die Schweizer Piratenpartei auf einen massiven Anstieg der Mitglieder gefasst machen.
Egal, was die dann doch etwas seltsam gewichtenden Medien der deutschen Piratenpartei derzeit am Zeug flicken: Sie ist und bleibt die Partei, die den demokratiefeindlichen Irrsinn der Internetzensur verhindert hat. Mit Blick auf den Polizeistaat Russland oder die angeblich so freien USA, wo man heute in Bibliotheken nicht WikiLeaks aufrufen kann, kann man dieses historische Verdienst gar nicht hoch genug einschätzen.
22. Mai 2013
Im „BESCHLUSS DER PG URHEBERRECHT VOM 21.2.2013 – BAUSTEINE FÜR EIN MODERNES UND FAIRES URHEBERRECHT“ (ABSCHLUSSBERICHT DER PG URHEBERRECHT) der Bündisgrünen findet sich zum Sätzlein
Hier zeigt sich auch, dass klassische Unterscheidungen zwischen privat und öffentlich wie zwischen privat und gewerblich/geschäftlich, wie sie im Urheberrecht maßgeblich sind, mit zunehmender Vernetzung der BürgerInnen neu bestimmt werden müssen1.
in Fußnote 1 ein aufschlussreiches Sondervotum:
Sondervotum Agnes Krumwiede, an dieser Stelle Folgendes zu ergänzen: „Jede/r NutzerIn, die/der Werke öffentlich verbreitet, handelt potenziell kommerziell. Aufmerksamkeit für Angebote ist das Kapital im digitalen Raum. Aufmerksamkeit für ein Angebot im Netz, das auf Werken von UrheberInnen basiert, bedeutet einen mittelbaren oder unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil, an welchem die UrheberInnen beteiligt werden müssen.“.
Was könnte Agnes damit gemeint haben?
„Öffentliches Verbreiten“ liegt bereits dann vor, wenn man Filesharing macht, denn während des Downloads stellt man gleichzeitig auch einen Upload zur Verfügung – so das technische Prinzip des dezentralen Tauschens. Nach Meinung von Gerichten kann dies als „kommerziell“ zu werten sein, wenn etwa ein ganzes Album betroffen ist. Ein einziges Liedchen ist noch kein Indiz. Was genau Agnes jetzt mit „potentiell kommerziell“ meinen könnte, ist schwierig zu erraten. „Potentiell“ ist eine Nullaussage, potentiell jedenfalls …
Weitaus ärgerlicher ist, dass Agnes von „UrheberInnen“ spricht, die „beteiligt werden müssen“. Von den Verwertungseinnahmen, die Agnes im Sinn hat, geht nämlich gerade einmal ein Bruchteil an die Urheber, der Löwenanteil bleibt bei den unkreativen Verwertern hängen. Im Übrigen bedeutet der Genuss eines Werks nicht zwingend einen „wirtschaftlichen Vorteil“. Von einem „Vermögensschaden“ (das scheint Agnes zu meinen) kann man eigentlich nur dann sprechen, wenn denn ein Werk tatsächlich ohne Filesharing gekauft worden wäre. Wie es neulich eine EU-Studie gezeigt hat, sind wirtschaftliche Einbußen durch Filesharing nicht festzustellen. Was Agnes mit „mittelbarem“ und „unmittelbarem“ wirtschaftlichen Vorteil meinen könnte, übersteigt auch meine juristische Fantasie.
Die vormalige Profipianistin, im Bundestag zuständig für die bündnisgrüne Kulturpolitik, gilt als GEMA-freundlich.
19. Mai 2013
Bei Patenten auf Saatgut und Eigentum am Wasserkreislauf hört bei mir der Spaß auf. Daher wäre es wichtig, wenn sich die Politik konsequent gegen diese unsoziale Perversion von Gewinnstreben stellen würde. Daher habe ich gerade eine Petition des Piraten Bernd Schreiner unterzeichnet, die den freien Handel, Tausch und Anbau von Saatgut fordert.
Der Partei, die vor drei Jahrzehnten angetreten war, sich um den Erhalt unserer Umwelt zu kümmern, würde ich ein solches Mandat allerdings nicht anvertrauen wollen: Etliche grüne Spitzenpolitiker sind heute Lobbyisten in Konzernen.
18. Mai 2013
Ich bin schwer dafür, dass sich Redaktionen, die für Talkrunden und Podien häufig reine Männerrunden ausgucken, auch mal Gedanken machen, ob sie vielleicht Frauen mit gleicher Qualifikation übersehen haben. Frauen müssen etwa im Beruf bekanntlich mehr leisten, um die gleiche Anerkennung wie Männer zu erfahren. Das sollten qualifizierte Redakteure im Hinterkopf und im Blick haben.
Wenn man jedoch allen Ernstes eine Frauenquote für Talkshows fordert, also das Geschlecht als Selbstzweck über eine Qualifikation stellt, dann ist ein solch ideologischer Eingriff in die redaktionelle Autonomie schwerlich mit der grundgesetzlich garantierten Meinungs-, Informations- und Rundfunkfreiheit zu vereinbaren.
Prof. Dr. Gesche Joost, die eben genau dies fordert, liefert selbst das beste Beispiel, wie gefährlich unqualifiziertes Personal ist:
„Eine generelle Vorratsdatenspeicherung ist kritisch – Ausnahmen kann es nur bei schwersten Straftaten und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geben.“
Hallo? Bei Speicherung auf Vorrat weiß man nicht, welche Daten „schwerste Straftaten“ betreffen. So schwer isses nicht. Und ausgerechnet diese „Expertin“ hat sich „Kanzlerkandidat“ Steinbrück als „Netzexpertin“ ins Team geholt. Dass es sich dann auch noch um eine Telekom-Lobbyistin handelt, braucht niemanden zu stören, schließlich leisten sich die GRÜNEN ja mit Kulturpolitikerin Agnes Krumwide eine GEMA-Lobbyistin.
16. Mai 2013
Als am Sonntag große Teile bereits abgereist waren, um ihre Beerdigungsreden über die Piratenpartei zu wegen der so nicht beschlossenen „Ständigen Mitgliederversammlung“ zu tippern, wurde das neue Abstimmungstool der Piratenpartei beschlossen, den „Basisentscheid Online – BEO“. Erstaunlicherweise haben unsere Qualitätsjournalisten das selbst drei Tage später noch nicht auf dem Schirm …
13. Mai 2013
Der vormalige Gag-Schreiber der Harald-Schmidt-Show Ralf Kabelka, der sich in der Rolle des konservativ-peinlichen CDU-Kandidaten „Dr. Udo Brömme“ unsterblich machte und auch in der Heute-Show beachtliche Leistungen vorgelegt hatte, stromerte am Samstag auf dem Parteitag der Piraten in Neumarkt herum. Das war insofern schade, als dass sich die stärksten und witzigsten Momente bereits am Freitag ereignet hatten.
Der Heute-Show, die bei den Piraten Kult-Status genießt, scheint sich allerdings aktuell erstaunlich weit unter ihr Niveau zu begeben. So spielten die mäßig inspirierten Komödianten auf das bereits 2011 in Offenbach widerlegte Klischee der Männer- bzw. Nerdpartei an und brachten ein adrettes Modell mit, um die Piraten mit dem unbekannten Wesen zu konfrontieren. Auch pubertär-anzügliche Anspielungen auf Joysticks (gibt es solche eigentlich noch?) blieben nicht aus. Sogar auf der Herrentoilette wurde gefilmt, ebenfalls eine uralte Provokationsidee, die etwa Stefan Raab vor knapp 20 Jahren testete. Schade, wenn ausgerechnet Gag-Genie Ralf Kabelka so flache Witze macht, bei denen man die Füße heben muss, denn PR-technisch gibt es nichts Besseres, als von einem guten Kabarettist auf die Schippe genommen zu werden.
Ob diese müden Gags tatsächlich gesendet werden, ist zweifelhaft, denn eigentlich dürfte es sich herumgesprochen haben, dass der Frauenanteil bei den Piraten schon längst kaum noch von dem konventioneller Parteien abweicht. Im Fall eines Bundestagseinzugs werden mindestens neun der Kandidaten Frauen sein, davon etliche als Spitzenkandidatinnen ihrer Landesverbände. Bereits in der Partei-Orga konnte man zeitweise den Eindruck gewinnen, als hätten die Frauen den Laden übernommen. Das taten sie in gewisser Weise auch in Gestalt von Katharina Nocun, der neuen politischen Geschäftsführerin. Ich kenne keine Partei – inklusive Grüne – bei denen Frauen derart rasante Parteikarrieren geglückt sind, wie es bei den Piraten möglich ist.