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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


12. März 2012

Vortrag „Hanseatisches Persönlichkeitsrecht“

Hamburg verboten

Letztes Jahr hatte ich in Frankfurt auf dem LawCamp, dem Barcamp der IT-Juristen, einen Vortrag zum „Hanseatischen Persönlichkeitsrecht“ gehalten.

Das Hanseatische Persönlichkeitsrecht ist neben dem kodifizierten Persönlichkeitsrecht und neben der in Karlsruhe höchstrichterlich/verfassungsrechtlich gebildeten Rechtspraxis die dritte große Rechtsquelle des Persönlichkeitsrechts. Während aus Karlsruhe presserechtlich ganz überwiegend die Vernunft spricht, liegen am Sievekingplatz die Dinge ein bisschen anders. Für Praktiker ist das Hanseatische Persönlichkeitsrecht die einzig relevante Materie, denn solange das Landgericht Hamburg niemand an der rechtsirrigen Annahme eines „fliegenden Gerichtsstands“ hindert, sind wir alle Hamburger.

Ich bezweifle, dass es Frau Leutheuser-Schnarrenberger auf die Reihe bekommt, dieser Rechtsauslegung absehbar einen Riegel vorzuschieben. Der Piratenpartei jedenfalls ist die Abschaffung dieses unfassbaren Missstands so wichtig, dass dies sogar im Parteiprogramm als wesentliches politisches Ziel formuliert ist.

Kommenden Samstag werde ich beim LawCamp 2012 in Frankfurt meinen Vortrag erneut anbieten und um aktuellere Erfahrungen anreichern. Zuhörer mit starken Nerven sind klar im Vorteil.

Telecomix

Ansehen. Ist wichtig. Danke.

11. März 2012

Wann bekommt die ARD wieder eine Satire-Sendung?

Ich wurde gerade durch diesen Beitrag auf einen Rant von Dieter Nuhr über die ACTA-Proteste, die Piraten usw. aufmerksam. Als Nichtfernseher hatte ich gar nicht mitgekriegt, dass Nuhr inzwischen die Totgeburt Satiregipfel moderiert. Also beschloss ich, mir die Sendung im Stream anzusehen, zumal sich einer der Gäste dort als ein persönlicher Freund von mir herausstellte. Aber schon bei der Anmoderation von Nuhrs eitler One-Man-Show mit Gästen habe ich mich gefragt, welche Zielgruppe dieser unfassbar selbstverliebte „Kabarettist“ eigentlich bedient.

Politisches Kabarett darf vieles sein, aber eines nicht: langweilig. Mein Mitleid reichte nur für einen Schnellvorlauf.

7. März 2012

Euroweb hat Freunde!

Der Düsseldorfer Anbieter für sogenannte „Internetsystemverträge“ EUROWEB hat immer wieder mit unschöner Berichterstattung zu kämpfen und ist daher für die eifrige Pflege seines Unternehmenspersönlichkeitsrechts bekannt.

Euroweb werden in den Presse, TV und im Internet immer wieder häßliche Vorwürfe gemacht. Sogar auf Parodien hat es das Unternehmen gebracht. Sicher sind diese seit Jahren erhobenen Vorwürfe nur tausendfache Missverständnisse, oder es gibt ein „schwarzes Schaf“ im Vertrieb, die Leute müssen doch ihre Verträge  vor Unterschrift genau lesen, und überhaupt … Und weil die Leute nicht zahlen wollen, verklagt Euroweb dem Vernehmen nach bereits über 2.000 Kunden.

Während man also über die Firma so viel Negatives liest, so erfreut es doch das Auge, dass es in der Schar der juristischen Blogs offenbar eine mutige Stimme gibt, die dem anständigen deutschen Unternehmen das Wort redet. So bejubelt Gerichtsreporterin Gisela“ einen Prozess gegen den MDR, der EUROWEB angeblich „massiv verunglimpft“ habe! “ Hört, hört!

Der Knaller aber ist, dass es im berichteten Prozess gegen den MDR darum ging, dass die Kölner Pressekammer dem MDR das angebliche zu-Eigen-machen der Äußerungen einer verärgerten EUROWEB-Kundin feststellte und die Vorsitzende eine gebotene Distanz vermisste. „Gisela“ applaudiert der Entscheidung altklug, scheint jedoch selbst keine Distanz zu wahren …

Gisela aus Düsseldorf bloggt übrigens bislang ohne Impressum. ;-)

4. März 2012

Der Aufmarsch

Bis letzte Woche wusste ich gar nicht, dass das öde Wohnviertel, das an mein geliebtes Kreuzviertel anschließt, überhaupt einen Namen hatte. „Rumphorst-Viertel“ heißt die unbedeutende Gegend ohne Wiedererkennungswert. Gestern gab der Staat ca. 500.000,- Euro dafür aus, dass Personen dort ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen konnten, obwohl diese Leute nicht wirklich etwas zu sagen hatten. Zumindest hatte die Aktion den Sinn, dass über die Herrschaften hoffentlich Bildmaterial zu erkennungsdienstlichen Zwecken gesammelt werden konnte …

Gefilmt hat die Polizei eifrig jedenfalls die Gegendemonstranten und Anwohner bereits im Vorfeld. Die Anwohner hatten sich etliche Gäste eingeladen, die von Privatgrundstücken aus von ihrem eigenen Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch nahmen. Offenbar waren es gerade einmal 167 rechte Demonstranten, während die Anzahl der Gegendemonstranten inzwischen mit über 7.000 als sicher gilt. Zu den charmantesten Aktionen der Anwohner gehörte es, braune Hundehäufchen mit einen Fähnchen zu platzieren.

Rechtlich ist bemerkenswert, dass eine Bundestagsabgeordnete beim Schlichtungsversuch festgenommen wurde und sich auf der Polizeiwache ausziehen musste. Ähnliches war Alios 2009 in Berlin passiert. Auch scheint die Polizei das Demonstrationsrecht der Gegendemonstranten nicht durchgehend respektiert zu haben. Unklar ist der Fall eines von der Polizei Schwerverletzten Gegendemonstranten. (Man darf gespannt sein, ob die Polizei darüber Filmdokumente hat und rausrückt.) Gäste der Anwohner durften nicht die Gärten wechseln.

UPDATE: WN-Bericht mit weiteren Infos und einem Video.

 

Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (15)

Mein eifriger Blogleser Dr. Nikolaus Klehr hatte mir letztes Jahr durch die Hamburger Pressekammer unter dem damaligen Vorsitzenden das Einbinden eines auf Youtube gehosteten Beitrags auf WISO verbieten lassen, der ihm nicht gefallen hat. Das letzte Wort in der Sache ist indes noch lange nicht gesprochen. Um meine medizinisch interessierten Leser nicht darben zu lassen, mache ich solange Ersatzprogramm …

3. März 2012

Münster im Ausnahmezustand

Ca. 60 bis 200 freundliche Herren möchten am heutigen Samstag, den 03.03.2012, der an Femdenverkehr gewöhnten Stadt Münster einen Besuch abstatten und ihr grundgesetzlich geschütztes Demonstrationsrecht wahrnehmen, indem sie einen Aufmarsch veranstalten. Doch leider, leider, mussten die Herrschaften beim Anmelden ihrer Demo feststellen, dass an diesem Tage bereits etliche andere Demonstranten alle möglichen Routen in der Innenstadt für Demonstrationen in Beschlag genommen hatten, so dass nur noch das entlegene Rumphorst-Viertel zur Verfügung stand. Schade aber auch …

Westfalen sind bekanntermaßen ein stures Völkchen. So werden denn auch 130 Gruppierungen, darunter auch die lokale Piratenpartei, den Demonstranten unter dem Motto „Keinen Meter den Nazis“ Gesellschaft leisten. Die geplante Route soll zum Sperrgebiet erklärt werden, so dass in der fraglichen Zeit nur Anwohner und deren Gäste rein dürfen. Erstaunlicherweise werden an diesem Samstag wohl mehr „Parties“ mit Gästebeteiligung im Rumphorst-Viertel veranstaltet als am Altweiber-Donnerstag in ganz Münster, auch haben etliche ihren Glauben wieder entdeckt. Und gastfreundlich sind die Anwohner …! ;)

Die Stadt nimmt den Termin außerordentlich ernst. In städtischen Bussen etwa wurde diese Woche in Durchsagen auf mögliche Engpässe und Umleitungen hingewiesen. Der Kollege Hoffmann informiert über das Demonstrationsrecht. Zwischen allen Stühlen sitzt Münsters Polizeipräsident Hubert Wimber, der erste grüne Polizeipräsident Deutschlands überhaupt, der nun einmal dem geltenden Recht verpflichtet ist.

-> Live-Tweets

1. März 2012

Wikimedia e.V.: Achim Raschka macht den Wulff!

Der sich von der Presse bedroht fühlende Wikipedant Achim Raschka eiferte offenbar Präsident a.D. Wulff nach, der per Mailbox einen BILD-Artikel ver- oder behindern wollte. So versuchte Raschka, Einfluss auf SPIEGEL ONLINE zu nehmen, wo er einen neuen Artikel des investigativen Journalisten Marvin Oppong befürchtet.

Oppong hatte im Dezember 2010 für seine Recherche „Von Editierkriegen und Löschhöllen – Auftrags-PR in der deutschen Wikipedia“ über mangelnde PR-Hygiene einen mit 5.000,- Euro dotierten Preis der Otto Brenner-Stiftung erhalten. Nun hat der im Beitrag kritisierte Raschka offenbar Wind davon bekommen, dass Oppong an einem weiteren Artikel arbeiten soll. Der Fürst des „freien Wissens“ Raschka versuchte nun in schönster Wikipedanten-Manier, die Sache „hintenherum“ zu erledigen und postete auf die Vereinsliste:

(…) Ich möchte Meinungen und Ideen hören, wie wir ehrenamtliche Autoren vor dieser Situation schützen können – was wir und was WMDE machen kann, um einen erneuten Artikel dieser Art und vor allem dieser unterirdischen Qualität zu verhindern, der sich erneut auf einzelne Autoren einschiesst. Any ideas?

Darüber hinaus konkret die Frage an die Kurt und evtl. Michail: Habt ihr die Möglichkeit herauszufinden, ob Oppong wirklich im Auftrag von spon schreibt und habt ihr die Möglichkeit, die zuständige Redaktion auf dessen Arbeitsweise und seine Qualität hinzuweisen und damit für diesen Artikel auf die Bremse zu treten? (…)

Um diesen Optimismus des gekränkten Wikipedanten zu verstehen, muss man wissen, dass DER SPIEGEL seit Jahren in seiner Suchmaschine Wikipedia eingebunden hat und dort mit dem geschützten „Puzzleball“-Logo von Wikimedia werben darf. In zeitlich auffälliger Koinzidenz zum Beginn dieser mysteriösen Partnerschaft haben zwei Leute von Wikimedia e.V. Arbeitsplätze im Hause SPIEGEL erhalten, wobei unklar ist, was sie dort genau machen und für was sie insofern qualifiziert sein sollen. Es handelt sich um Herrn Kurt Jansson (vormals Vorsitzender von Wikimedia e.V.) und Herrn Michail Jungierek (vormals Beisitzer von Wikimedia e.V.).

Die Offenheit, in welcher Klüngeler Raschka seine Zensurwünsche anmeldet, ist schon bemerkenswert und lässt Rückschlüsse darauf zu, wie das wohl hinter den Kulissen abläuft. Mir sind da so einige Texte geleaket worden, über die wir mal lieber den Mantel des Schweigens legen …

Herr Kachelmann, Herr Schälike und die Chemtrailer

Die Verwirklichung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit setzt voraus, dass man auch die Freiheit hat, gelegentlich mal Unsinn zu reden. Ohne Freiheit zu Thesen, Modellvorstellungen, Irrtum und das Prinzip wissenschaftlichen Zweifels würde der wissenschaftliche Diskurs gefährdet. Gewisse Dinge muss man in einer Demokratie halt aushalten.

Am Landgericht Berlin fanden sich am 17.02.2012 drei Leute ein, die sowohl Spaß an Physik, Wetter als auch an Presserecht haben:

  • Der eine ist ein bekannter Meteorologe und war lediglich anwaltlich vertreten,
  • der andere ist nicht bekannt, befasst sich aber mit dem angeblichen Phänomen der Chemtrails,
  • der dritte ist ein Kernphysiker, der das Presserecht mit naturwissenschaftlicher Herangehensweise erforscht und Anwälte, Richter und Unterlassungskläger generell für bekloppt hält.

Herr Kachelmann fand es hilfreich, Vertreter zur Chemtrail-These, deren Auffassungen er nicht teilt, als „verrückt“ oder „Nazis“ zu diskreditieren. Das hatten sich die Chemtrailer nicht bieten lassen und erwirkten gegen den presserechtsgestählten Meteorologen eine einstweilige Verfügung.

Die lustige Widerspruchsverhandlung verlief leider ergebnislos, denn der Promi-Anwalt des Widerspruchsführers hatte keine Vollmachtsurkunde dabei … Dann gibt es wohl bald ein Nachtreffen!

Von den Äußerungen der Personen insbesondere im verlinkten Video sowie denen im verlinkten Bericht distanziere ich mich mal besser … ;)

Wilde Kerle: BVerfG hebt mal wieder Hamburg auf …

Die Kindlein eines bekannten Schauspielers, die selbst in einem Film mitwirkten und im TV präsent waren, ließen es 2008 krachen.

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2008, der in Bayern sogenannten „Freinacht“, waren die Kläger mit ca. acht weiteren Freunden in der Innenstadt von München unterwegs. Die Gruppe wurde dabei beobachtet, wie sie Fahrräder traktierte, Blumen aus einem Blumenbeet herausriss sowie den Telefonhörer in einer Telefonzelle abriss. Herr O. soll für den abgerissenen Telefonhörer verantwortlich sein, Herr O. für das Herausreißen einiger Tulpen aus einem Beet. Herr O. wurde von der Polizei aufgegriffen und auf die Wache mitgenommen, wohin ihn sein Bruder O. begleitete. Beide wurden nach Feststellung der Personalien entlassen. Gegen keinen von beiden wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber online, etliche Medien griffen die Posse auf, so auch die Sächsische Zeitung. Familienvater Buske zeigte Verständnis für das Persönlichkeitsrecht der beiden jungen Racker und verbot:

  • Polizei schnappt O.-Söhne,
  • er und sein Bruder haben Fahrräder traktiert, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle auseinandergenommen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten
  • er hat den Hörer aus der Telefonzelle gerissen.
  • im Zusammenhang mit dem Kläger über die Tatsache einer Sachbeschädigung in der Nacht zum 1. Mai 2008 in der Innenstadt von München zu berichten.

Die Pressekammer meinte,

das Gewicht des Informationsinteresses verringere sich dadurch, dass Gegenstand der Berichterstattung durchaus keine spektakulären Straftaten gewesen seien, die im Gegensatz zu Kapitalverbrechen nicht als solche von überwiegendem Allgemeininteresse seien. Die Berichterstattung über eine begangene Straftat unter Namensnennung des Täters stelle für diesen regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts dar, weil die Bekanntmachung seines Fehlverhaltens zu einer negativen Bewertung des Betroffenen in der Öffentlichkeit führe (BVerfGE 35, 202). In diesem Zusammenhang gewinne besondere Bedeutung, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Veröffentlichung erst 18 bzw. 16 Jahre alt gewesen seien, also junge Menschen bzw. Jugendliche, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen sei, und die ihren sozialen und beruflichen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden hätten. Ihr öffentliches Auftreten als Nachwuchskünstler schränke ihren Anonymitätsschutz gegen die beanstandete Berichterstattung aus einem von ihrer beruflichen Tätigkeit zu unterscheidenden persönlichen Lebensbereich nicht ein.

(Das Argument der Schwere oder Leichtigkeit eines Vorwurfs streitet allerdings nicht nur für ein Recht auf Anonymität, sondern relativiert in gleichem Maße den Eingriff bzw. steigert das öffentliche Berichtsinteresse. Darüber wurde in der Hamburger Pressekammer erst vorletzte Woche wieder eifrig diskutiert.)

Das Bundesverfassungsgericht kam – wie bei Beschwerden gegen Hamburger Presseurteile fast immer – zu anderen Ergebnissen und sprach von „Verkennung des durch die Meinungsfreiheit gewährten Schutzes“: (more…)