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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


3. Juli 2012

Nachtrag zum „Speaker’s Corner“-Verein

Aufgrund von Rückmeldungen möchte ich folgendes klarstellen:

Wir verwalten einen Rechtshilfefonds, der für alle Blogger etc. da sein soll, um die Korrektur fragwürdiger Urteile und einstweiliger Verfügungen zu finanzieren. Wir wollen vernünftige und angstfreie Kommunikation im Internet sicherstellen.

In unserem Entscheidungsgremium sitzen zwar vier Anwälte, welche als Experten die Erfolgschancen beurteilen sollen. Diese Anwälte sollen die geförderten Fälle jedoch nicht selbst vertreten, sondern sind nur ehrenamtlich tätig. Wer von einem meinungsfeindlichen Richterspruch betroffen ist, wird meistens bereits einen Anwalt haben, andernfalls soll er sich den fähigsten Anwalt aussuchen, den er kriegen kann. Falls einer von uns vier Anwälten mit einem Fall auch professionell befasst sein sollte, dürfte er wegen Befangenheit nicht an der Entscheidung mitwirken, ob wir seinen Fall fördern oder nicht.

Wir werden nicht jeden fördern, der sich die Meinungsfreiheit auf die Fahnen schreibt. Religiöse Fanatiker, Rassisten usw. müssen sich vermutlich andere Partner suchen. Wir achten insbesondere auch die Persönlichkeitsrechte usw., allerdings orientieren wir uns an den Maßstäben von Karlsruhe, nicht an denen des Landgerichts Hamburg etc..

Damit wir Anwälte die eingereichten Fälle nicht nur nach juristischen Gesichtspunkten beurteilen, sitzen vier Nichtjuristen im Gremium, die uns Fachidioten ggf. wieder auf den Teppich zurück holen. Langfristig werden wir wohl das Entscheidungsgremium auf Leute ausdehnen, die nicht zufällig auch Piraten sind. Unsere Stärke ist die Vernetzung!

2. Juli 2012

Verein „Speaker’s Corner“ gegründet

Das obige Video (Urheber: Richard Gutjahr) zum Rechtsstreit zwischen dem Regensburger Bischof und Regensburg Digital verdeutlicht, wie schnell Blogger in die Mühlen der Justiz geraten, wenn der Gegner mit spezialiserten Anwälten anrückt. Der betroffene Stefan Aigner ließ sich nicht unterkriegen und ging erfolgreich in Berufung, was praktisch nur mit Spenden möglich war. Einige Blogger in vergleichbaren Situationen erfuhren ähnliche Solidarität. Ich kenne jedoch viele Fälle, in denen Blogger keine Möglichkeit sahen, die Abwehr von juristischen Eingriffen in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu finanzieren, obwohl sie wichtige Dinge zu sagen hatten. Im Gegenteil verblieben bei fehlender Finanzierung Urteile, die clevere Anwälte betuchter Kläger sogar benutzen, um anderen den Mund zu verbieten. Die Finanzierung entsprechender Rechtsstreite ist für Privatleute nahezu unmöglich. In diesem Bereich springt keine Rechtsschutzversicherung ein, auch Prozesskostenhilfe etwa gegen erlassene einstweilige Verfügungen wird praktisch nie gewährt.

Vor fünf Wochen hatte auch ich zur Finanzierung eines eigenen laufenden Prozesses in Sachen digitaler Meinungsfreiheit die „Aktion Klehranlage“ ins Leben gerufen. Jeder, dem es die Sache wert war, sollte einen 20er beisteuern. Soweit die Klage schließlich abgewehrt würde, bekäme jeder seinen Einsatz zurück oder könne ihn wahlweise in einem Rechtshilfefonds stehen lassen. Ich hatte auf die Deckung der laufenden Kosten gehofft, aber nicht Traum damit gerechnet, dass schon nach wenigen Tagen mehr als das Doppelte der im worst case benötigten Summe beisammen sein würde. Viele hatten im Überweisungszweck angegeben, dass die Einlage ggf. als Spende an einen entsprechenden Verein verbleiben solle. Den Auftrag, einen entsprechenden Fonds in die richtige Form zu bringen, habe ich klar vernommen und wollte ihn zeitnah umsetzen. Außerdem wollte ich steuerliche Nachteile möglichst vermeiden und auch kein „fremdes, herrenloses Geld“ auf meinem eigenem Konto herum liegen haben.

Für einen Verein benötigt man mindestens sieben glorreiche Gründungsmitglieder, die zum Zeitpunkt X an einem Ort Y versammelt sein müssen. Letzteres noch vor der Sommerpause zu organisieren wäre schwierig gewesen. Am Samstag fiel uns beim Landesparteitag der Piraten in NRW in Dortmund auf, dass etliche Aktivisten in Sachen Meinungsfreiheit ja ohnehin anwesend waren. Also machten wir Nägel mit Köpfen und gründeten am Sonntag am Rande des LPT.NRW12.3 im Schnelldurchlauf den benötigten Verein mit einem Gremium, das paritätisch mit Anwälten und mit Menschen besetzt ist:

Anwälte:

  • Udo Vetter (LawBlog)
  • Dominik Böcker (AK Zensur, Bundestagsexperte gegen Zensursula)
  • Christian Pentzek
  • Markus Kompa (Blog zum Medienrecht)

Menschen:

  • Marina Weisband, Piratenprinzessin
  • Johannes Ponader, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei
  • Dr. Joachim Paul, MdL, Fraktionsvorsitzender Piratenpartei
  • Nico Kern, MdL, Assessor jur.

Vereinszweck ist die Sicherstellung der Rechtsprechung in Sachen Meinungsfreiheit nach den Vorgaben von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, die häufig von den Instanzgerichten missachtet wird. Dies ist nur durch Finanzierung des Rechtswegs möglich, wobei in Bloggerfällen häufig asymmetrische „Kriegskassen“ gegenüberstehen. Meinungsfreiheit können sich derzeit praktisch nur große Verlage und sehr vermögende Privatleute leisten. Wir werden daher entsprechende Prozesse finanziell fördern, die wir für wichtig halten.

Derzeit dient der Verein in erster Linie zur Verwaltung des Rechtshilfefonds, wir streben also derzeit kein „Vereinsleben“ oder Wachstum zum Massenverein an. Natürlich aber freuen wir uns über Aktivisten und Fördermitglieder und möchten mit anderen Organisationen kooperieren.

Bedingt durch die Umstände sind die Gründungsmitglieder allesamt Piraten, der Verein selbst soll jedoch parteipolitisch neutral sein. Im Falle der Auflösung – am besten wegen Zielerreichung! – wird das Vereinsvermögen zu gleichen Teilen an den „Chaos Computer Club“, „Reporter ohne Grenzen“ und die „Gesellschaft für Medienkompetenz“ gehen.

In dieser Woche möchte ich die weiteren Fragen klären, etwa inwiefern für bereits überwiesene Beträge Spendenquittungen ausgestellt werden können usw. In der kommenden Woche werde ich den Klehranlegern, die unerwartet mehr als 20,- € beigesteuert haben, eine Reduktion der Einlage anbieten oder alternativ um eine Verfügung zugunsten des Rechtshilfefonds bitten, soweit noch nicht geschehen. (Bitte diese Woche noch nichts mailen, das muss noch vorbereitet werden!)

Zur „Aktion Klehranlage“ möchte ich noch folgende Eingänge nachtragen und mich herzlich dafür bedanken:

Felix Freiberger

Anonym

STB. W.Kreuz +

Anonym

Gerd Upper +

Thomas Maurer

Wolle

Martin Schnell +

Normann Rehbein

Sebastian Gründel

Anonym

David SVWZ

Ploenne

Matthias Schulz

Gender-Dingens in NRW klappt auch ohne Quote

Vor einiger Zeit wurde ich auf ein angeblich frauenfeindliches Klima in der Piratenpartei aufmerksam gemacht, das mir zuvor nicht in signifikantem Ausmaß bewusst gewesen wäre. Allerdings verfolge ich auch kaum Mailinglisten usw., habe also nur einen schwachen Überblick über die „Gefechtslage“. Daher habe ich mir dieses Wochenende die Vorstandswahlen in NRW etwas sensibler angeguckt.

Ich kann jetzt nur für meine Perspektive sprechen, aber ich habe keinen geschlechterspezifischen Umgang registriert. Weder in die eine, noch in die andere Richtung. Vom Wahlergebnis haben wir in den Ämtern beinahe eine paritätische Verteilung der biologischen Geschlechter.

Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter, weil wir mehr männliche Mitglieder haben und auch der Anteil der Bewerberinnen deutlich niedriger war, beim Häuptlingsamt sogar bei Null. Ich kann nicht beurteilen, ob es ein stillschweigendes Gentleman’s Agreement oder ähnliches zugunsten von Bewerberinnen gab, auch entsprechende Appelle sind mir nicht aufgefallen. Ich jedenfalls habe den Eindruck, dass nicht die Gender-Frage bei den Wahlen eine wesentliche Rolle gespielt hätte, sondern vielmehr die Qualifikation und der Eindruck der Bewerbung im Vordergrund stand.

Es scheint, als sei man/frau jedenfalls in NRW bei diesem Postgender-Dingens in etwa angekommen. Soweit dies eine klimatische Folge grüner Pioniertaten aus den 80er Jahren sein sollte: Danke dafür. Wir aber kommen heute zumindest im Bereich politischer Ämter auch ohne Eingriff in demokratische Prozesse aus.

1. Juli 2012

Parteitag ohne Medien im „Bindestrichland“

Auf dem Programmparteitag letzten November in Soest hieß es, dass es erst im Juni richtig spannend werde, denn dann gehe es um Personalien. Damals kurz nach der Berlinwahl waren wir schon mächtig von dem Ü-Wagen des WDR geschmeichelt. Als dann aber in NRW der Landtag implodierte, waren die Piraten DAS Riesenthema. Beim LPT.NRW12.1 in Münster waren alle wichtigen Medien vertreten, die meisten auch beim Wahlprogrammparteitag LPT.NRW 12.2 in Dortmund. Beim Bundesparteitag in Neumünster bestand ein gefühltes Fünftel der Teilnehmer aus TV-Teams. Nun aber beim LPT.NRW12.3 waren wir praktisch wieder unter uns. Fast 500 Piraten trafen sich in Dortmund, wobei die volle Halle bessere Bilder geboten hätte als beim LPT.NRW12.2. Aber irgendwie war es auch nahezu ohne Journalisten völlig okay, über Presseaufmerksamkeit mussten wir uns ja in den letzten Monaten nicht beklagen.

Auch diesmal machte es Spaß, den Enthusiasmus der Demokraten zu beobachten, die etwa Auszählungspausen dazu nutzten, über Programmanträge abzustimmen. Selbst als am Sonntagabend die Hallenbestuhlung schon nahezu abgebaut war ließen sich die Piraten es nicht nehmen, die ihnen wichtigen Punkte abzustimmen. Von Politikverdrossenheit keine Spur!

Mit den Personalentscheidungen in NRW bin ich hochzufrieden. Sven „Fizz“ Sladek macht einen sehr guten Eindruck und ist sicherlich jemand, auf den sich die unterschiedlichen Temperamente im künstlichen „Bindestrichland“ Nordhrein-Westfalen entspannt einigen können. Mag es auch punktuell hitzig zugegangen sein, so habe ich keinen Zweifel, dass die NRW-Piraten „Ruhe ins Spiel“ bringen werden und beweisen, dass sie mehr eint als entzweit. Neben Berlin wird man die Piraten vor allem an ihrer Leistung in NRW messen, wobei man sich in die Rolle einer im Parlament des bevölkerungsreichsten Bundeslandes noch gewöhnen muss. Wir wachsen mit unseren Aufgaben!

Auch ich möchte mich beim inzwischen eingespielten Team für die souveräne Leistung bedanken. Zwei tolle, sommerliche Tage liegen hinter uns. Einer der Höhepunkte war die Live-Schaltung nach Moskau zur Gründungsversammlung der dortigen Piratenpartei. Wer sich derzeit politisch engagieren will, hat meines Erachtens derzeit zu den Piraten keine Alternative. Mehr Spaß kann man an Politik schwerlich haben.

Ebenfalls dieses Wochenende tagten zwei andere Parteien, die in NRW schwach abgeschnitten hatten: Die CDU, sowie die Linkspartei, deren Personalproblem so krass zu sein scheint, dass sie den Geringsten der Keinen, Rüdiger Sagel zum Häuptling wählten. Damit dürfte dem Weg von der 2%-Partei zur 1%-Partei nichts mehr in Wege stehen.