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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


21. April 2012

Eine verstörende Jugenderinnerung

Aufgrund des parteiinternen Streits mit problematischen Piraten und der durchsichtigen Instrumentalisierung durch politische Mitbewerber habe ich in den letzten Tagen viel nachgedacht. Dabei ist mir eine bizarre Episode aus meiner Schulzeit in Erinnerung gekommen, die ich kurz schildern möchte.

Ende der 80er Jahre glühte mein Herz für unsere Schülerzeitung am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Kaiserslautern. (Ein Redaktionskollege war damals übrigens der spätere Journalist Arno Frank.) In diese Zeit fiel eine Affäre, die auf das Klima unseres Gymnasiums eine nachhaltige Auswirkung haben sollte. Damals wirkte dort ein sehr ambitionierter Deutsch- und Religionslehrer, den ich im katholischen Religionsunterricht hatte. Der Pädagoge war sehr bemüht, uns auch die anderen Weltreligionen zu vermitteln. Noch heute denke ich gerne an das mir zugefallene Referat über Gandhi zurück, meine erste Recherche überhaupt. Doch das mit dem Ahimsa oder dem Hinhalten der anderen Wange blieb auch bei diesem Lehrer letztlich Theorie, wie wir bald erfahren sollten.

Das große Thema des Religionslehrers war das Judentum, das ihn auf vielerlei Weise faszinierte. Sein Einsatz für die Aussöhnung sowie seine private Forschung wurde von vielen hoch respektiert, auch wenn der Mann selber manchmal einen eher weltfremden Eindruck machte und uns Schülern dadurch natürlich Angriffsflächen bot. Selbst aus dem Lehrerkollegium hörte man Stimmen, dass es der Lehrer mit seinem Enthusiasmus für das Judentum ein bisschen übertrieb und das Interesse seiner Schüler auf die Dauer strapazierte.

In einer fatalen Religionsstunde erklärte er den historischen Ursprung der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Hetzparole „Judensau“. Einige Tage später fand man auf einen Tisch geschmiert den Namen des Lehrers, gefolgt von den Worten „du Judensau“. Diese Schmähung traf den Lehrer tief – sehr tief. Sein Umgang mit dieser Provokation entwickelte eine Eigendynamik. In einer – wenn man so will – „Rasterfahndung“ wurden die Schüler eingegrenzt, die in der fraglichen Zeit an dem Tisch Platz genommen hatten und Verhöre durchgeführt. Besonders rigoros tat sich der Vizedirektor hervor, der bei der Befragung sogar „Stasi-Methoden“ angewandt haben soll wie etwa die Behauptung, man wisse schon alles durch Zeugen, man wolle es nur noch mal von ihm hören. Der schließlich ermittelte Täter erwies sich als Schüler mit Migrationshintergrund, der um seine Versetzung gefürchtet hatte. In einem Moment von Frust und Langeweile hatte er etwas Saudummes auf den Tisch gekritzelt, wie es nun einmal etliche Pennäler – leider – tun. Er selbst machte eher einen politisch desinteressierten Eindruck, der Religionslehrer war ihm mit seinem Thema schlichtweg auf die Nerven gegangen und er wollte nur den Lehrer persönlich treffen.

Der Schüler wurde aus dem Unterricht entfernt und musste auch langfristig die Schule verlassen. Der Fall belastete das Klima an der Schule nachhaltig. Darüber, ob das Ausmaß der Fahndungsaktion und die Strafe für den Schüler in einem Verhältnis zum Anlass standen, kann man geteilter Meinung sein. Die Aktion gab jedoch über die Mentalität unserer Lehrer Aufschluss, die sich zu Polizisten aufspielten und offensichtlich bereit zur Anwendung unappetitlicher Methoden waren. Definitiv hatte sich der Lehrer mit der Eskalation der Ereignisse keinen Gefallen getan. Zum Ritual beim Religionsunterricht gehörte es etwa seither, scheinheilig zu fragen, wo denn der fragliche Schüler sei.

Natürlich diskutierten wir den Fall auch in der Redaktion unserer Schülerzeitung. Zu der Hysterie schrieb auch ein Mitschüler, der die Beteiligten gut kannte und wusste, dass der betreffende Schüler apolitisch war. Der Artikel trug natürlich kaum zur Entspannung der Situation bei, vielmehr kam es später zu einem Streit zwischen dem rebellischen Autor, der den Lehrer schließlich in anderer Sache einer Unterstellung zieh und rhetorisch fragte, ob man den Lehrer „Lügner“ nennen dürfe, was den wiederum zur Weißglut brachte. (Ähnlich erging es mir gestern auf Twitter mit Volker Beck, der mich der Lüge zieh …)

Die Atmosphäre war vergiftet und blieb es. Dies hatte man geschafft, obwohl weder tatsächliche Juden oder Nazis beteiligt waren. Nicht einmal Provokateure wie Broder & Co. waren nötig gewesen, um die Akademiker aufzustacheln, zudem ging es ja nicht um originären Antisemitismus, vielmehr hatte der Schüler spöttisch einen Unterrichtsinhalt aufgegriffen. Alles in allem hatte der Umgang der Betroffenen mit dem Problem für wirklich alle Beteiligten (und sogar Nichtbeteiligten) den Ärger maximiert, das pädagogische Ziel jedoch vermutlich nicht erreicht. Respekt und Liebe hatte er sich durch die repressive Aktion nicht erworben. Augenmaß wäre vermutlich die bessere Lektion gewesen.

Ich zog es im Folgejahr vor, vom Religionsunterricht zum Fach Ethik zu wechseln – das allerdings ebenfalls der betreffende Lehrer unterrichtete. In der mündlichen Abi-Prüfung trafen wir nochmals aufeinander. Mein Thema war Sokrates, jener ungeliebte Kritiker, dem man den Schierlingsbecher reichte.

19. April 2012

Berufspolitiker Volker Beck startet einen schmutzigen NRW-Wahlkampf

Der GRÜNEN-„Rechtsexperte“ (kein Jurist) und Berufspolitiker Volker Beck behauptete gestern im ZDF, das Programm der NRW-Piraten sei noch nicht im Internet gewesen. Erstaunlicherweise hatte er es aber bereits gelesen. Nun ja, es war ja im Internet, übrigens genauso wir zuvor die Anträge. Der Parteitag wurde gestreamt. UPDATE: Hier wurden laufend die Antragsnummern eingepflegt.

Beck wirft den Piraten vor, bei etlichen Demonstrationen keine Piratenflagge gesehen zu haben und nennt namentlich die Demos für Schwule. Die Piraten waren jedoch beim CSD sehr präsent, ebenso bei Anti-Nazi-Demos.

Beck behauptet, das Bundesschiedsgericht der Piraten hätte gesagt, alles sei durch Meinungsfreiheit gedeckt. Hat es nicht.

Beck behauptet, es sei eine der leichtesten Übungen, ein Parteimitglied aus der Partei zu werfen. Das ist den GRÜNEN aber oft genug nicht gelungen. Übrigens: Wer hatte denn den Jamal Karsli in den Düsseldorfer Landtag gebracht? Richtig: Die NRW-GRÜNEN.

Ich hatte vorgestern Beck auf Twitter die Sache erklärt. Aber Beck ist sich nicht zu schade, einen Schwätzer von 25.000 Mitgliedern als repräsentativ hinzustellen und gegen die Piraten zu instrumentalisieren.

Beck steht genau für die politische Kultur des Parteiensystems und der Berufspolitiker, welche die Piraten und ihre Wähler satt haben. Agitiert lieber, als den Leuten zuzuhören. Streitet euch doch über politische inhalte, statt mit Schmutz zu werfen!

Lieber Volker Beck, ich hoffe, dass die Piraten dir nicht den Gefallen tun, in gleicher Münze zurück zu zahlen. Aber ich für meinen Teil werde mir erlauben, deine Hinterlassenschaften, die in den kommenden drei Wochen folgen werden, hier in meinem Blog transparent zu machen.

Siehe auch Michael Hanfeld (FAZ).

UPDATE: Video von Ankündigung gegen Mitschnitt ausgetauscht.

UPDATE: Auf Twitter sagt Beck heute:

Sorry CSD/LGBT sagte Lauer glaube ich, ich sprach von Westsahara, russ. Botschaft, waren Menschenrechtsdemos

Doch, du hast von Schwulen- und Lesben-Demos gesprochen und uns nur bei ACTA und Internet gesehen.

UPDATE: Beck räumt Versehen ein und will seine Äußerung nur auf Demos bezogen wissen, an denen er zugegen war. Sie jedoch auch hier.

UPDATE: Beck wulfft weiter rum und will jetzt anscheinend den CSD nicht als Schwulen- und Lesben-Demo werten. m( Außerdem hat er den Blödsinn von sich gegeben:

.@KompaLaw Du lügst ohne die Unwahrheit zu sagen. Ist das die neue politische Kultur, die die Piraten einfordern?

Und da das noch nicht genug gepöbelt war, kam dann noch

@KompaLaw EOD hat offensichtlich keinen Sinn #rightorwrongmyparty

Wenn das der Netzexperte und rechtspolitische Sprecher der GRÜNEN ist, dann sind deren Personalprobleme offenbar größer, als angenommen.

18. April 2012

WWF läßt „Der Pakt mit dem Panda“ zensieren (WDR) – UPDATE

Das Landgericht Köln hat heute laut WWF gegen den WDR eine einstweilige Verfügung erlassen, welche das Wiederholen bestimmter Tatsachenbehauptungen über die konservative, bisweilen schillernde Umweltschutzorganisation in der Doku „Der Pakt mit dem Panda“ vorläufig verbietet.

Offensichtlich wurden einige Anträge abgelehnt, denn der WWF jammert rum, dass einige Behauptungen so formuliert seien, dass sie juristisch als Meinungen formuliert“ gelten. Gemein! Unklar ist, warum erst jetzt – 10 Monate nach Erstausstrahlung – eine einstweilige Verfügung erging, denn für die erforderliche Dringlichkeit dürfte es ein bisschen spät sein. UPDATE: Es ging wohl um drohende Wiederholung der Ausstrahlung.

Wie hier im Blog berichtet, war der WWF bereits im Juni 2011 im Vorfeld der Sendung gegen den WDR vorgegangen. So ambitioniert die Kritik am seltsamen WWF auch sein man, so sind Beiträge von WDR-Journalist Wilfried Huismann mit Vorsicht zu genießen. Schon deshalb, liebe Vorsitzende Frau Reske und liebe Vorsitzende Frau Käfer, distanziere ich mich von sämtlichen Behauptungen des verlinkten Videos.

Vor drei Tagen wurde übrigens bekannt, dass König Juan Carlos, einer der Adeligen, die sich als WWF-Gönner feiern lassen, neulich nicht einfach so gestürzt ist, sondern sich bei * Trommelwirbel * der Elefantenjagd verletzt hat …

UPDATE:

Der WWF hat zu zwei Behauptungen ausführlich Stellung genommen, FAQ ins Netz gestellt und eine Krisen-PR-Seite eingerichtet. Das finde ich vorbildlich. Aber wenn das alles so töfte ist, warum hat der WDR sich nicht außergerichtlich überzeugen lassen? Und welche Äußerungen wollte der geschätzt Kollege Herr Prof. Dr. Schertz verboten haben, die das LG Köln nicht mitgemacht hat?

17. April 2012

Auch Piraten haben kein Scherbengericht – ein Scheißfall

Nach nunmehr fast drei Jahren ist ein lähmendes Parteiausschlussverfahren zu ende.

Der Fall

Ein Pirat, Gründungsmitglied eines Landesverbands, hatte sich 2008 (also zwei Jahre nach Parteigründung von 2006) zu denkbar sensiblen historischen Themen in unqualifizierter Weise geäußert und sich dabei auf einen der Fälschung überführten Geschichtsrevisionisten bezogen. Hierfür wurde vom Bundesvorstand 2008 eine Verwarnung ausgesprochen, die der Pirat akzeptierte. Diese wurde also rechtskräftig.

2009 wurde der Pirat trotz seines Fehltritts zum Ersatzrichter des Bundesschiedsgerichts der Piraten gewählt. Als daraufhin seine unqualifizierten Äußerungen Medienaufmerksamkeit erfuhren und das öffentliche Ansehen der Piraten belasteten, forderte der Bundesvorstand eine deutliche Distanzierung, welcher der Pirat auf seine Weise nach kam. Nachdem sein Landesverband den Piraten 2009 für die Landesliste zur Bundestagswahl aufstellte, nahm der Bundesvorstand eine Neubewertung vor, enthob den Piraten einstimmig seiner Funktion, erkannte ihm für ein Jahr das passive Wahlrecht ab und beantragte am Landesschiedsgericht den Parteiausschluss wegen vorsätzlich parteischädigenden und satzungswidrigen Verhaltens.

§ 6 Abs. 2 der Piratensatzung (aktuelle Fassung):

Ein Pirat kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn er vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Piratenpartei Deutschland verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.

Das Landesschiedsgericht wies den Antrag nach der bemerkenswerten Dauer von zweieinhalb Jahren in einem erbärmlich laienhaft formulierten Urteil zurück. Das vom Bundesvorstand angerufene Bundesschiedsgericht bestätigte nun die Abweisung, allerdings mit anderer Begründung. Derzeit überbieten sich die Kommentatoren mit ihrer Entrüstung, einige suchen einen Schuldigen für dieses offensichtlich unpopuläre Ergebnis. Ist dem Bundesschiedsgericht ein Vorwurf zu machen?

Verfahrenes Verfahren …

Hätten die Piraten ein Scherbengericht, bei dem demokratisch darüber abgestimmt wird, ob ein nicht genehmes Mitglied in die Wüste geschickt werden soll, wäre vermutlich längst Rechtsfrieden eingekehrt. Ein solches Scherbengericht ist in der Satzung aber nicht vorgesehen. Es würde sich auch nicht mit dem Parteiengesetz in Einklang bringen lassen:

§ 10 Abs. 4 ParteienG

Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.

§ 10 Abs. 5 ParteienG

Über den Ausschluss entscheidet das nach der Schiedsgerichtsordnung zuständige Schiedsgericht. Die Berufung an ein Schiedsgericht höherer Stufe ist zu gewährleisten. Die Entscheidungen sind schriftlich zu begründen.

§ 14 Abs. 4 ParteienG

Für die Tätigkeit des Schiedsgerichts ist eine Schiedsgerichtsordnung zu erlassen, die den Beteiligten rechtliches Gehör, ein gerechtes Verfahren und die Ablehnung eines Mitglieds des Schiedsgerichts wegen Befangenheit gewährleistet.

Stattdessen verlangt die Satzung also vielmehr eine politische Entscheidung des Bundesvorstands, den Ausschluss zu beantragen, sowie eine juristische Prüfung durch das Schiedsgericht, ob die Ausschlussvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 der Satzung vorliegen.

Ob die Voraussetzungen eines parteischädigenden Verhaltens erfüllt sind, lassen wir mal dahin gestellt, denn vorliegend scheitert der Ausschluss bereits an einem verfahrensrechtlichen Hindernis. Die Anwendung von Vereins- bzw. Parteienstrafen ist nämlich ihrer Natur nach Strafrecht, sodass gewisse rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze zu beachten sind („gerechtes Verfahren“). Einer dieser Verfahrensgrundsätze, die rechtsstaatliche Verfahren von polizeistaatlicher Willkür unterscheiden, heißt unter Adligen „ne bis in idem“: Wenn über einen Sachverhalt geurteilt wurde und die Entscheidung rechtskräftig ist, ist das Verfahren nun einmal abgeschlossen. Andernfalls nämlich könnte man sich nie auf den Bestand von Entscheidungen verlassen. (Es hat also schon seinen Grund, warum an entsprechende Verfahren von vorne herein hohe Sorgfaltsanforderungen gestellt werden. Das Landesschiedsgericht hatte übrigens nicht einmal dieses Problem gesehen …)

Vorliegend wurde das Verhalten des Piraten 2008 durch die Verwarnung des Bundesvorstands sanktioniert. Der damalige Bundesvorstand hatte von einem Ausschlussverfahren abgesehen und sich mit einer Verwarnung begnügt. Der Umstand, dass der Vorstand diese Bewertung später änderte, weil er das Ausmaß des (damals potentiellen) Schadens falsch eingeschätzt hatte, beeinflusst nicht den Bestand der Entscheidung.

Das spätere Verhalten des Piraten, nämlich die Kandidatur für Parteiämter und Landesliste, obwohl sein Ruf lädiert war, mag zwar wegen der hierdurch verursachten Presseaufmerksamkeit faktisch die Partei in Verruf gebracht und ihr dadurch geschadet haben. Die Kandidatur als solche ist jedoch ein demokratisch verbrieftes Recht eines Parteimitglieds und daher schwerlich als Satzungsverstoß vorwerfbar. Zwar gab es später noch weitere Vorwürfe wegen anderen fragwürdigen Äußerungen des Hobby-Historikers, diese reichten jedoch nicht an die Entgleisungen von 2008 heran.

Eine Partei, die für den Rechtsstaat eintritt, wird daran gemessen werden, ob sie die geforderten Standards für ein faires Verfahren auch an sich selbst anlegt. Hätte das Bundesschiedsgericht den fundamentalen Verfahrensgrundsatz des „ne bis in idem“ missachtet und nach Gutsherrenart geurteilt, hätte es sich nicht nur fachlich berechtigter Kritik der Willkür ausgesetzt, vielmehr hätte der betroffene Pirat auch vor einem konventionellen Gericht Klage erheben können, was in der Praxis durchaus vorkommt. Dann hätte das Verfahren noch eine Ehrenrunde gedreht.

Gewinner:

  • Der (aktuelle) Bundesvorstand: Auch, wenn das Parteiausschlussverfahren von Anfang an wegen der bereits rechtskräftigen Verwarnung eine Totgeburt war, konnte der Bundesvorstand durch Betreiben des Verfahrens Haltung zeigen und signalisieren, dass die Partei sich künftig solches Verhalten nicht bieten lassen wird.
  • Das Bundesschiedsgericht: Es hat demonstriert, dass es die rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze achtet und diese nicht einer möglicherweise populäreren Entscheidung opfert. (Die Mitglieder des Schiedsgerichts müssen nun ggf. einen Shistorm aushalten.)
  • Die Piratenpartei: Sie hat eine Kinderkrankheit aus ihrer Frühzeit nun endlich hinter sich gebracht, wird sich künftig Bewerber für Parteiämter wohl genauer ansehen und eine Parteikultur etablieren, in der sich gewisse Personen nicht wohlfühlen.

Verlierer:

  • Das betreffende Landesschiedsgericht: Wie auch immer sich das Verfahren gestaltet haben mag, aber wenn man zweieinhalb Jahre lang nicht zu Potte kommt, dann ist das Ergebnis für alle Beteiligten ein klarer fail. Rechtsstaatlichkeit bedeutet auch, dass Verfahren effizient betrieben werden müssen. Die unbrauchbar laienhafte Fassung des „Urteils“ lässt vermuten, dass die Beteiligten mit ihrer Aufgabe überfordert waren. Die Schlagzeilen, mit denen wir jetzt leben müssen, hätten der Partei 2010 weniger geschadet, zumal ein Parteiausschlussverfahren als Dauerbrenner einfach nicht sonderlich prickelnd ist. UPDATE: Das LSG hatte im Laufe des Verfahrens das untätige Personal ausgewechselt.
  • Die Piratenpartei: U.a. dem GRÜNEN-Taktierer Volker Beck (selbst eigentlich Jurist, Rechtsexperte seiner Partei, der es besser wissen müsste) ist es gelungen, aus dem gescheiterten Parteiausschlussverfahren populistisch Kapital zu schlagen.
  • Der betroffene Pirat. Er weiß es vielleicht noch nicht.

Die politische Geschäftsführerin ließ ihrem Temperament freien Lauf:

„Ich kotze im Strahl!“

16. April 2012

Anwaltsname in Scripted Reality-TV

Ein TV-Sender hatte für ein kontroverses TV-Format über die Inkasso-Branche die angeblich fiktive Figur eines „Rechtsanwalts Heinemann“ kreiert. Die Kanzlei Heinemann & Partner ließ dies durch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Essen untersagen. Der Kollege Hoesmann berichtet:

Die Verwendung des Charakters stellt nach Ansicht der Essener Richter einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Kanzlei Heinemann & Partner dar. Durch die Verwendung des Namens wird suggeriert, dass es einen Rechtsanwalt dieses Namens in Essen tatsächlich gibt. Dies ist für die bestehende Kanzlei Heinemann verunglimpfend und herabwürdigend, da dies dem Ansehen und in der Folge dem Gewerbe der Kanzlei schade (LG Essen, Beschlüsse vom 29.03.2012 – 4 O 93/12 – und vom 30.03.2012 – 4 O 94/12).

Vor einem Jahrzehnt hatte ich mit dem inzwischen verstorbenen Münchner Bankenrechtler Dr. Alexander von Martius zu tun. Dem Kollegen wurde die Ehre zu Teil, das in der Serie „Kir Royal“ ein Anwalt „Dr. von Martius“ vorkam, wobei er selbst diese Folge leider nie gesehen hatte. Einen Anlass, gegen die Verwendung seines guten Namens vorzugehen, sah er ebenfalls nicht. :)

15. April 2012

Journalistischer Interessenkonflikt

Im Dezember hatte mich TELEPOLIS gebeten, über den Bundesparteitag der Piraten in Offenbach zu berichten, da ich ohnehin vor Ort war. Dies hatte ich zunächst unter Hinweis auf mein Partei-E-Book abgelehnt, da insoweit die journalistische Distanz fehlte. Allerdings fand es TELEPOLIS reizvoll, auch Meinung zu bringen, die wir natürlich als nicht neutral kennzeichneten. Aufgrund des Leserzuspruchs wiederholten wir die Aktion mit dem „embedded journalist/pirate“ auch beim ad-hoc-Landesparteitag in Münster, was insofern in Ordnung war, weil ich in erster Linie vom Hochsitz aus beobachtete, wie sich die „Partei in progress“ entwickelte.

Inzwischen sind die Piraten aber nicht nur eine bessere Bürgerrechtsbewegung unterhalb der 5%-Hürde, in der man Haltung zeigen kann, sondern fährt als Partei in Umfragen nunmehr zweistellige Werte ein, sitzt nun sogar in zwei Landesparlamenten und steuert zwei weitere selbstbewusst an. Zudem berichten die konventionellen Medien häufiger und kompetenter von unseren Parteitagen. Außerdem berate ich die Partei beim Presserecht und kandidiere für das Bundesschiedsgericht. Meine Doppelrolle als Journalist und Parteigänger hatte zudem den kuriosen Effekt, dass ich ausgerechnet die Person nach Möglichkeit ausklammerte, an der die Medien das größte Interesse hatten, nämlich die politische Geschäftsführerin jener Partei, die laut Umfragen nunmehr die drittstärkste politische Kraft im Bund sein soll. Da ich jedoch mit Marina Weisband nun einmal gut befreundet bin, wie man neulich – leider etwas peinlich – in der Heute-Show sehen konnte, sind es dann doch ein bisschen viel Interessenkonflikte.

Daher werde ich bei TELEPOLIS, wo ich selbst häufig Medienkritik äußere und Propaganda kritisiere, nicht mehr von Parteiveranstaltungen der Piraten berichten, sondern vorzugsweise hier im Blog oder auf Twitter. ;)

Plakate mit Köpfen!

Die erste Serie der Piraten-Plakate in NRW verzichtete wieder auf Politikerfotos, sondern beschränkte sich auf Slogans (und QR-Code ….). Nach Berlin und Schleswig-Holstein wird es in einem zweiten Schwung Plakate mit Menschen drauf geben. Allerdings handelt es sich in NRW nicht um Landtagskandidaten, sondern Basispiraten. Auch hier wurde alles demokratisch abgestimmt, Werbeagenturen halten die Piraten für entbehrlich. Das wird die Medienvertreter vermutlich überfordern, aber das sind wir ohnehin nicht anders gewohnt. ;)

Überhaupt ist bemerkenswert, wie viele Medienvertreter die Dinge nicht checken. Noch krasser scheint der Informationsrest zu sein, der dann tatsächlich bei den Leuten ankommt. So vermeldet SPIEGEL ONLINE, jeder Dritte Deutsche erwäge, die Piraten zu wählen. Aber offenbar sind viele Botschaften noch nicht angekommen:

Personal und politische Inhalte spielen für den Erfolg der Piraten offenbar eine eher untergeordnete Rolle. Marina Weisband, Politische Geschäftsführerin der Piraten und häufiger Talkshow-Gast, halten gerade mal 29 Prozent der Deutschen für eine Piratin. Der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz ist nur 28 Prozent ein Begriff.

Dagegen halten sogar 23 Prozent den Ex-Sprecher von Christian Wulff, Olaf Glaeseker, für einen Piraten, bei dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sind es 19 Prozent. Piraten-Vize Bernd Schlömer hingegen, der auf dem Bundesparteitag Ende April für den Vorsitz kandidiert, ordnen nur 16 Prozent der Partei zu.

Es gibt also noch viel zu tun.

Auch die politischen Mitbewerber bieten interessante Deutungen: Für die FDP sind die Piraten eine „Linkspartei mit Internetnschluss„, die LINKE sieht uns immer wieder als „Nachfolger der FDP“.

14. April 2012

Programmparteitag der Piraten in Dortmund

Anfang 2010 trafen sich die NRW-Piraten, um ein Programm für die Landtagswahl 2010 auszuknobeln. Ein Sympathisant hatte kostenfrei einen Raum im „Wuppertaler Dart-Center“ zur Verfügung gestellt. Mir fiel damals die Aufgabe zu, die zum Teil enthusiastischen Vorschläge rechtlich ein bisschen in Form zu bringen. Während damals die Anzahl der Teilnehmer überschaubar war, hat sich die Piratenpartei seither „ein bisschen“ vergrößert, so dass auch der an diesem Wochenende stattfindende Programmparteitag eine Nummer größer ausfällt.

Etliche der Programmanträge wurden durch Arbeitskreise vorbereitet; in einer basisdemokratischen Partei – also ohne Delegiertensystem – kann natürlich jeder seine Anträge einbringen oder sich Gehör verschaffen. Am meisten Stimmung gibt es naturgemäß bei „trolligen“ Anträgen. Bisweilen schaukeln auch die Emotionen hoch, etwa bei polizeirechtlichen Themen, bei denen mich der Verdacht beschleicht, dass viele vom Polizeirecht der Gegenwart nur eine überschaubare Vorstellung haben. Basisdemokratie fehlt nun einmal konstruktionsbedingt die Expertise und ist strukturell anfällig für Demagogen – die heute allerdings noch nicht gesehen wurden, wenn man vereinzelte Hitzköpfe nicht dazu zählen möchte. Einige der Personen, die sich beim Aufstellungsparteitag für die Spitzenkandidatur empfahlen und offensichtlich chancenlos waren, glänzen durch Abwesenheit.

Bislang scheint der Versuch zu gelingen, auch in einer aus vielen Individualisten bestehenden Basisdemokratie vernünftige Beschlüsse zu fassen. Der Parteitag läuft erstaunlich routiniert und unaufgeregt ab. Die NRW-Piraten bereiten sich auf ihre Rolle als ernst zu nehmende Parlamentarier vor.

Hier sind alle vorgestellten Anträge.

Hier ist die ständig aktualisierte Übersicht über die beschlossenen bzw. abgelehnten Anträge.

Politische Plakate in NRW

Das Plakatieren in NRW ist im Straßen- und WegeG NRW sowie in den örtlichen Satzungen geregelt. Während des Wahlkampfes dürfen etliche Masten von Laternen und Nicht-Verkehrsschildern oberhalb einer Mindesthöhe von 2,50 m, jedoch nicht im Bereich von Kreuzungen usw. benutzt werden. Die Piraten haben das Plakatieren mit einer App EDVisiert: Bei jedem Aufhängen wurde es per GPS getagt, so dass die unterschiedlichen Teams sehen konnten, wo schon „gepflastert“ wurde. Dies erleichtert später auch wieder das Auffinden zwecks Abbau. Außerdem kann ein Plakat, das als beschädigt oder verschwunden erkannt wird, sofort auf der App markiert werden.

Die sechs Plakat-Motive der Piraten darf man wohl als gelungen ansehen. Plakativer Text, pfiffig, optisch angenehm. Ob das Portrait von Lindner, das NRW flächendeckend ziert, in vier Wochen noch jemand sehen möchte, wage ich zu bezweifeln. Für die Plakate „Keine neuen Schulden“ hatte die FDP extra einen Kredit aufgenommen … ;)

9. April 2012

Iron Sky ist der absolute Knaller!

Nach Jahren des Wartens habe ich gestern endlich Iron Sky sehen können. In den Kritiken hatte es immer wieder geheißen, der Film nehme nach der ersten halben Stunde ab, die Charaktere seien hölzern, das Werk würde der Erwartungshaltung, welche die Trailer aufgebaut hätten, nicht gerecht.

Ich wurde angenehm überrascht und bestens unterhalten! Wie jeder gute Science Fiction ist auch Iron Sky ein Spiegel unserer gegenwärtigen Gesellschaft, insbesondere der US-amerikanischen.

Richtig ist, dass sich der Film nicht mit schauspielerischem Kammerspiel aufhält und einzig die Rolle der „Renate Richter“ einen inneren Erkenntnis- und Änderungsprozess durchläuft. Alle anderen bleiben halt, was sie sind, und müssen es auch. Wer erwartet von einer Sarah Pallin oder von strammen Nazis einen Sinneswandel irgendwelcher Art? Bei den Ereignissen auf der Erde geht alles vielleicht ein bisschen schneller, als es glaubhafter wäre, aber ein Film, der bereits mit Nazis auf dem Mond anfängt, ist kein Phantasy-Melodram, sondern eine abgefahrene Polit-Komödie – und zwar eine überfällige. Das rasante Timing ist genau richtig, die Wendungen des Drehbuchs sind nicht voraussagbar, vor allem nicht der Schluss mit seiner grotesken Optik.

Der Film hat nicht ganz den Biss etwa von „Wag the Dog“, was für ein Kinodebut von Autodidakten auch ein bisschen viel gewesen wäre. Die Special Effects allerdings sind Weltklasse. Hieß es bislang in Hollywood, CGI mache die Filme teuer, so geraten durch diese finnische Independent-Produktion, die tutto completto gerade einmal 7, nochwas Millionen gekostet hat, einige Anbieter wohl in Rechtfertigungsdruck. Einzig das Design der Kommandobrücke der „George W. Bush“ hätte optimiert werden können.

Regisseur Timo Vuorensola hatte mir zur Uraufführung ein Interview gegeben. Am meisten beeindruckt mich, dass es ein Haufen enthusiastischer Finnen geschafft hat, aus dem Nichts mit Support aus dem Internet diesen abgefahrenen Film zu realisieren. Ich werde mir diese Woche den Streifen noch einmal in der Originalfassung ansehen.