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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Wie tragisch war das Löschen der WikiLeaks-Dateien wirklich?

Derzeit überbieten sich die Kommentatoren mit Verwünschungen, weil Daniel Domscheit-Berg (DDB) und die anonymen OpenLeaks-Leute das im Submissionsystem damals festgeklemmte Material gelöscht haben.

Auch mir behagt der Gedanke nicht, dass hierdurch der Welt wichtige und ggf. unwiederbringliche Informationen verloren gegangen sein könnten oder gar Whistleblower vergeblich Lebensgefahr eingegangen wären. Aber ist es wirklich so dramatisch?

Im Februar hat DDB auf der oben im Video verlinkten Pressekonferenz vom Februar 2011 bekannt gegeben, dass das fragliche Material nur einen Bruchteil der von WikiLeaks veröffentlichten Datenmenge ausmacht, vermutlich über 3.000 Dateien. Alleine am heutigen Tag veröffentlicht WikiLeaks 35.000 Cables, also 10 x mehr Dateien. (Ich füge hinzu, dass ein Großteil der bisherigen WL-Veröffentlichungen ungehört verpufft ist und damit publizistisch verschenkt wurde – ein leider ungleich größerer Skandal.)

Ein Großteil der Einsendungen, wenn auch nicht alles, kann erneut eingesandt werden, ggf. im großen braunen Umschlag per Schneckenpost oder übers Internetcafé. Und dann wissen die Whistleblower hoffentlich, welche Risiken sie eingehen und wem sie das Material tatsächlich anvertrauen.

Bislang sieht es nicht danach aus, als wäre da wirklich ein großer Wurf verloren gegangen: Z.B. die Veröffentlichung von 60.000 E-Mails der NPD wäre von fragwürdigem Nutzen, zumal auch für NPD-Parteigänger das Fernmeldegeheimnis und Persönlichkeitsrechte gelten, ob wir diese Leute jetzt mögen oder nicht. Die Veröffentlichung privater E-Mails wäre auch ein klarer Verstoß gegen die Hacker-Ethik etwa des CCC gewesen. Den Leak bzgl. der Bank of America hatte Assange schon 2009 angekündigt, damit also bevor es das Submissionsystem gab, weshalb sehr zweifelhaft ist, ob das angebliche Material wirklich in diesen „gestohlenen“ Daten enthalten war.

Interessant ist ferner, dass Assange sich drei Wochen lang im September 2010 nicht um das Angebot zur Rückgabe gekümmert hatte, fünf Monate später dann aber, als „Inside WikiLeaks“ erschien, diese Dateien angeblich so wichtig wurden, dass öffentlich Krawall geschlagen wurde. Nachdem die Rückgabe von der Gewährleistung der Sicherheit der Whistleblower abhängig gemacht wurde, scheint es außer trotzigen Forderungen kein überzeugendes Angebot gegeben zu haben. Im Gegenteil haben die Assange-Advokaten alles getan, um Öl ins Feuer zu kippen, das daraufhin nun endgültig „gelöscht“ wurde.

DDB berichtet, einige Einsender hätten sich bei ihm sogar gemeldet und ihren einstigen Willen zur Veröffentlichung zurückgezogen. Mit Blick auf Bradley Mannings Schicksal und zwei vor Jahren in Afrika getötete WikiLeaks-Informanten wäre dies mehr als nachvollziehbar. Die Whistleblower, mit denen ich zu tun hatte, sind übrigens keine sonderlich glücklichen Leute, nebenbei bemerkt. WikiLeaks hatte sich den Whistleblowern gegenüber als personalstarke Gruppe inszeniert, bestand aber praktisch nur aus zwei zur Auswertung relevanten Personen, die beide mit der Masse der Einsendungen sowie in journalistischer Kompetenz überfordert waren. Was die neuen Mitarbeiter von WikiLeaks betrifft, so befinden sich hierunter auch u.a. fragwürdige Figuren wie dieser hier, denen ich jedenfalls meine Sicherheit definitiv nicht anvertrauen würde.

Gegenüber Heise sagte DDB nun:

„Ich übergebe keine Daten an Menschen, die nun mehrfach unter Beweis gestellt haben, dass sie solche Daten nicht sauber handhaben können“, erklärte der Aktivist. „Solche Fehler dürfen nicht passieren. Es scheint, als würden alle nur ihre eigene Agenda verfolgen in der Sache – niemand aber die Interessen der Quellen. Solchen Leuten vertraue ich auch nicht noch weiteres Material an, das Menschen in Schwierigkeiten bringen könnte. Da bin ich lieber der Buhmann für alle.“

Wer lieber heroisch bei den Heißspornen als bei den Buhmännern sein will, meinetwegen. Was den Whistleblowern damit geholfen sein könnte, das Projekt OpenLeaks zu dämonisieren oder PR-technisch zu sabotieren, vermag ich nicht zu erkennen. Forken wäre eine konstruktivere Maßnahme gewesen, wie es Gnome-Erfinder Seif Lotfy ankündigt.

Noch kurz ein Wort zu der von Assange ausgegebenen Verschwörungstheorie, die CIA hätte DDBs heutige Frau geschickt, um WikiLeaks zu unterwandern: Wäre dies der Fall gewesen, dann hätte die CIA zweifellos darauf bestanden, WikiLeaks solange wie möglich aus der Nähe zu beobachten oder dazu aufgefordert, die Verbreitung der Cables zu sabotieren. Im Gegenteil hatten DDB & Co. WikiLeaks jedoch verlassen. Die für seine Klientel attraktive Story mit Sex-Agentinnen hatte Assange bereits bei den Schwedinnen aufgetischt – da mag es zwar bei der Strafverfolgung Druck aus Washington gegeben haben, aber es sieht nicht danach aus, als hätten die Schwedinnen Assange auf Geheiß der CIA missbraucht. Was für ein Shice …

Hier ist übrigens die „CIA-Agentin“ (die dann die Netteste wäre, die ich kennengelernt habe):

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Ein Kommentar

  1. Vorschlag zur Güte | Christiane Schulzki-Haddouti

    […] Update: Hier ein Kommentar des Anwalts von Domscheit-Berg: Wie tragisch war das Löschen der WikiLeaks-Dateien wirklich? […]

    #1 Pingback vom 24. August 2011 um 13:25

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