Den Nachdenkseiten ist der am 05.07.2011 unterzeichnete Deal zwischen Maschmeyer & Co. und den NDR-Leuten zugespielt worden. Tage vorher beim Treffen von Netzwerk Recherche hatten sich der NDR-Justiziar und der Kollege Fricke für ihre heroische Arbeit feiern lassen, den Journalisten den Rücken zu stärken. Obwohl man große Aussichten hatte, die Rechtsstreite zu gewinnen, macht man plötzlich vor Maschi Männchen und teilt sich sogar die Prozesskosten.
Aufgrund der bekannten Vorwürfe jedenfalls ist nur sehr schwer nachzuvollziehen, weshalb der NDR Anlass sieht, sein Rückgrat einzurollen. Selbst, wenn einzelne Anträge etwa wegen der Bildnisse, die Maschi beim Überfallinterview zeigen, verschütt durchgegangen wären, so hätte der NDR den Gebührenzahlern Haltung demonstriert. Da es für die überwiegenden Anträge sehr gut aussah, ist es mehr als unverständlich, warum sich der NDR auf die hälftige Übernahme der Gerichtskosten eingelassen hat. Auch für den Verzicht auf den „Judge’s Cut“ ist schwerlich ein Anlass zu sehen.
Wie auch immer es der Hamburger Kollege geschafft haben mag, den NDR und die ebenfalls involvierten Rechercheure und den Präsentator Lütgert zur Unterschrift zu bewegen, das Ergebnis war wirklich mehr, als man erwarten konnte. Vermutlich kennen wir nicht die ganze Geschichte.
Fachlich interessant ist, dass der NDR in Köln in Anspruch genommen wurde, obwohl Maschis Kanzlei das Hamburger Medienrecht wie keine zweite geprägt hat. Aus dem angesprochenen Bestrafungsantrag darf man auf Rechtsunsicherheiten wegen der Verwendung von einstweilen verbotenen Bildnissen schließen, die sich Lütgert vor der Kamera erneut ansah. Mit den strafrechtlichen Drohungen scheint Maschi ernst gemacht zu haben, obwohl diese lächerlich sind.
Hatte sich der NDR durch seine Haltung gegenüber dem mächtigen Maschi über ein halbes Jahr hinweg profiliert, so dürfte er in der Achtung der Gebührenzahler aufgrund Feigheit vor dem Feind in gleicher Weise wieder gesunken sein.
Der Kollege Garcia (de legibus, de jure) nimmt ein Reiseverbot Russlands für Oppositionelle zum Anlass, die legendäre Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu besprechen – wie stets: lesenswert. Damals ging es um den CDU-Mitbegründer und Oberbürgermeister von Mönchengladbach Wilhelm Elfes, der sich in den 50ern mit Adenauers Politik der Westbindung nicht so recht identifizieren mochte und im Ausland bzw. der DDR „den Eindruck erweckte, als ob die Bundesrepublik den Krieg vorbereite usw. Die Bundesrepublik hatte ihm mit dieser Begründung die Ausreise zu einem „Friedenskongress“ verweigert.
Der Zufall will es, dass ich gerade ein Buch über die deutsch-deutsche Politik lese, die zum Mauerbau führte. Es stammt von den Zeitzeugen Heinz Kessler und Fritz Streletz, die aus ihrer Perspektive als späterer DDR-Verteidigungsminister bzw. NVA-Chef ihre Sicht darstellen. Normalerweise hätten mich ideologische Autoren eher nicht interessiert, aber die dümmliche Polemik, welche neulich die Qualitätskontrolle der Süddeutschen Zeitung passierte, kam mir verdächtig vor. Ich wollte schon genauer wissen, warum ich das Buch nicht lesen soll.
Was die beiden Autoren zu sagen haben, kommt keineswegs als „unverbesserlicher Betonkommunismus“ daher, vielmehr bemühen sich die Autoren um eine sachliche Argumentation und schildern etliche Tatsachen und Zusammenhänge, die mir so bisher noch nicht bekannt waren, zumal einiges damals ja auch geheim war.
Auch aus sonstiger historischer Perspektive muss man Elfes recht geben: Tatsächlich hatten ultrarechte westlichen Strategen in den 50ern einen Angriffskrieg vorbereitet; etliche westliche Militärs waren während der Berlin-Krise und der Kuba-Krise hierzu bereit. Gefährlich waren insbesondere Adenauer und Strauß, die ein bemerkenswert naives Verhältnis zu Nuklearwaffen pflegten und nicht realisierten, dass jeglicher Schlagabtausch beide Teile Deutschlands erneut ruiniert hätte. Auch Bundeswehrhistoriker weisen auf Adenauers aus heutiger Sicht schwer verständliche Mentalität hin, Atombomben als moderne Form der Artillerie zu betrachten. Strauß etwa hielt den Atomgranatwerfer für unverzichtbar.
Auch planten die westlichen Strategen, im Kriegsfall entlang der Ostgrenze einen Korridor nuklear zu verseuchen, wobei man in der eigenen Zivilbevölkerung Opfer in Millionenhöhe in kauf nahm. Das perfide Verbrechen, deutsche Landsleute aufeinander schießen zu lassen, wurde als das geringere Übel zum Kommunismus angesehen. Elfes war übrigens ja nicht einmal Kommunist, sondern wollte fernab ideologischer Scheuklappen schlicht und ergreifend Frieden. Nach solchen Leuten, die Rückgrat bewiesen und unbequeme Wege gingen, sollten Straßen und Plätze benannt werden.
Stock wird vorgeworfen, mit seinem Account – allerdings vor dem Wiki-Watch-Projekt – anrüchige PR-Schönungen für einen Konzern zu dessen Wikipedia-Artikel versucht zu haben. Wikipedanten ist es ähnlich wie Politikern zu eigen, bei unerwünschter Kritik Schwächen in der Person des Kritikers zu suchen, um diese mundtot zu machen. Hierzu bietet die „Vorratsdatenspeicherung“ von Wikipedia reichlich Gelegenheit, um Kompromat zu finden.
Praktisch alle professionellen Wikipedanten halten sich daher einen Schwarm an „Sockenpuppen“, um je nach Bedürfnis ihre Identität zu wechseln – so offenbar auch Stocks „Wiki-watch-de“, der allerdings mit dem Account „Diskriminierung“ Übereinstimmungen aufweist. Dieses Sockenpuppen-Mimikri hat längst zur Entwicklung einer Abteilung „Saatssicherheit“ geführt, die verdächtige Accounts in einem „CheckUser“ genannten Verfahren einer Rasterfahndung unterzieht und mit dem Instrumentarium von Kriminalisten und Geheimdienstlern gemeinsame Identitäten aufspürt.
Nach Beobachtung von Kritikern wird das CheckUser-Verfahren ähnlich willkürlich instrumentalisiert wie die Offline-StaSi. Manche sind eben „gleicher“.
In Mitleidenschaft von der Peinlichkeit wurden neben dem bekannten Berliner Medienanwalt Prof. Johannes Weberling auch Prof. Wolff Heintschel von Heinegg gezogen, an dessen Lehrstuhl Stocks Projekt angesiedelt ist. Das Projekt Wiki-Watch dürfte aufgrund des nun gegebenen Defizits an Glaubwürdigkeit erledigt sein, zumal Stock dem konservativen Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft nahe steht, wo man aufklärungsresistentes Gedankengut kultiviert wie die Schnappsidee, Homosexualität sei therapierbar. Da die Wikipedanten einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Homosexuellen aufweisen, dürften solche Positionen kaum auf Gegenliebe stoßen.
Eine Woche, nachdem Maschmeyer nicht, wie zwischenzeitlich abgekündigt, beim Jahrestreffen von Netzwerk Recherche aufgelaufen ist, wird nun bekannt, dass man sich zur „Nichtverfolgung“ der Rechtsstreite entschlossen hat.
Die Süddeutsche deutet an, es sei Maschmeyer gelungen, etliche Kräfte im NDR zu binden. Andere Vorteile aus dem Deal sind kaum erkennbar. So wird der Judge’s Cut entfernt und das Häuschen von Machmeyer darf nicht mehr gezeigt werden – was lächerlich ist, denn zum Protzen ist es doch wohl da. Wenigstens scheint seine Villa, in der unser Bundespräsident zu urlauben pflegte, falls dies nicht ebenfalls mit „Privathaus“ gemeint ist. Für einen öffentlich-rechtlichen Sender, der sich als eines der wenigen Medien einen solchen Rechtsstreit leisten könnte und die Aussichten günstig waren, ist das eher schwach.
Auch Maschmeyer selbst will nun – kein Witz – ins TV-Geschäft einsteigen: Papagei-TV.
UPDATE: Wer trotzdem sehen will, wie der Maschi schön wohnen tut, kann ja bei Google-Streetview die MaschmeyerRürup AG Independent International Consultancy, Hanebuthwinkel, Hannover suchen … :-P
Vor einigen Jahren brachte ein Anonymus unter dem Pseudonym „Till Freyberg“ den Schlüsselroman „Die Abzocker“ heraus, in welchem er offenbar autobiographisch seine Erfahrung als Drücker in einem Allfinanzvertrieb verarbeitete. Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte ich mein sarkastisches Pamphlet „Eine Beraterkarriere“, zu dem mich Informanten aus einem Finanzvertrieb inspiriert hatten. Nun erschien ein weiterer Schlüsselroman aus der finsteren Welt der Finanzstrukkibuden, das erneut von einem Anonymus verfasst wurde.
„Maximilian von Ah“ schildert den Aufstieg eines Finanzberaters, der einem Tycoon auf den Leim geht und Kritik wagt. Der Mann wird nach allen Regeln der Kunst fertig gemacht, auch ein Neustart in einem konkurrierenden Unternehmen wird durch Dienstleister fürs Grobe wie Detektive und gewisse Anwälte sabotiert und abserviert. Anders als die vorgenannten Werke spielt Ah’s Geschichte jedoch ein, zwei Stockwerk höher: Der Protagonist war mit der Leitung der Schweizer Dependance beauftragtund rollte einen größeren Ball. Der Schweizer Finanzjongleur, der am Schluss jedoch reichlich Finanzprobleme hat, erleidet zudem den Schicksalsschlag, dass seine Frau an einer Geisteskrankheit erkrankt und im Wahn die Kinder gefährdet. Eine Auswahl ausführlicherer Rezensionen findet man hier.
An dem Detailreichtum und der Sachkenntnis erkennt man schnell, dass man es weniger mit Fiktion zu tun hat, als vielmehr mit einer anonymisierten wie verfremdeten Autobiographie. Bei einem Bösewicht namens „Carl Meyer“ sowie anderen Hinweisen etwa in seinem Blog (den ich mit Rücksicht auf meine Freunde beim Landgericht Hamburg nicht verlinke) muss man auch nicht lange raten, wen der Autor da wohl aufs Korn genommen haben mag. Mich erinnerten die geschilderten Intrigen frappierend an Begebenheiten, die mir die beiden Whistleblower erzählt hatten, welche einen anderen Finanzvertrieb vor ein paar Jahren in Bedrängnis brachten. Die Methoden der Drecksarbeit sind die gleichen. Der Fischer-Verlag begibt sich auf eine juristische Gratwanderung, aber vielleicht hat der Betreffende ja inzwischen gelernt, wie das mit Frau Streisand so läuft …
Wer wissen will, mit welchen Ränkespielen gekränkte Finanzfalschspielerwelt an Abtrünnigen Exempel statuieren, für den bietet das Buch eine Fülle von Anekdoten. Für einen Romanleser jedoch ist die Detailverliebtheit auf die Dauer eher anstrengend. Zweifellos ist das Buch eher eine persönliche Aufarbeitung als ein fiktiver Kriminalroman mit Unterhaltungsambitionen. Aber für Kenner ist nichts spannender als die Wirklichkeit.
Einen Schwachpunkt möchte ich jedoch nicht verschweigen: Der Autor hält seine Künste, die Finanzberatung und den Aufbau von Strukturvertrieben, bei denen 80% der geworbenen Strukkis scheitern, anscheinend ernsthaft für eine sinnvolle Tätigkeit. Offenbar hat er zu seiner Branche an sich ein erstaunlich unkritisches Verhältnis. Finanzvertriebe benötigt die Menschheit jedoch nach meiner Auffassung so dringend wie die Nacktputzagentur.
Wie DER SPIEGEL meldet, möchte der Finanzmensch, der Google das Googlen verbieten wollte (und beim Landgericht Hamburg auch konnte) gegen das Berufungsurteil Revision einlegen. Besonders stört er sich an dem Textbaustein, das Urteil habe keine „grundsätzliche Bedeutung“, wobei ich jedoch ganz schwer hoffen will, dass dem so ist.
Also: Der unglaublich solide Kläger, gegen den wegen Immobiliengeschäften etc. während des Verfahrens mindestens 15 Zivilverfahren liefen und ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen Betruges in 13 Fällen gegen Zahlung einer Geldauflage von 300.000 EURO eingestellt wurde, will von Google nicht mit den Suchbegriffen „Schrottimmobilien“ und „Betrug“ gefunden werden. Nun ja, …
In dem Urteil 3 U 67/11 des Hanseatischen Oberlandesgerichts steht wörtlich:
„So würde über den Umweg der Inanspruchnahme des Suchmaschinenbetreibers eine „Zensur“ von Informationen stattfinden, die im Interesse eines freien Meinungsaustauschs, der durch den Einsatz der Suchmaschinen als Verzeichnis der im Netz stehenden Beiträge gewährleistet wird, nicht hinzunehmen ist.“
Schöner hätte ich das auch nicht sagen können. Für die Revision sehe ich schwarz, denn die Leute vom VI. Senat des BGH, die voraussichtlich zuständig sein werden, halten vom Grundrecht der Meinungsfreiheit erfahrungsgemäß eher viel. Und wenn schon das OLG Hamburg ein Einsehen hat …
Am 02.09. werden wir sehen, ob auch der Vorsitzende Richter der Hamburger Pressekammer in einem ähnlichen Verfahren das richtungsweisende Urteil vom Sievekingplatz 2 anerkennt oder als „Einzelfallentscheidung“ bewertet. In Hamburg weiß man nie …
Der FC Bayern hat ein Problem mit einer Meinungsäußerung von Ultra-Fans, die die den von Schalke gewechselten Torwart Manuel Neuer nicht akzeptieren. Grund soll dessen Bekenntnis zu den Schalker Ultras und sonstige starke Identifikation sein. Der vaterlandslose Geselle hat es auch auch nicht besser verdient.
Nun will der Verein das Präsentieren eines unangemeldeten Spruchbandes mit Strafen und Stadionverbot ahnden. Das können die Bayern natürlich kraft Hausrecht. Frau Streisand indes wird sich nicht aussperren lassen.
Einen Sieg für die Meinungsfreiheit konnte aktuell ein Basketballportal einfahren, das die Berichterstattung der Neuen Osnabrücker Zeitung kritisiert hatte, was diese erfolglos verbieten lassen wollte. Das Internetportal durfte die Frage aufwerfen, ob die Zeitung als werbender Medienpartner und Sponsor der Ballers aus wirtschaftlichem Eigeninteresse Informationen über Zahlungsrückstände verschwiegen habe, weil nach Meinung des Landgerichts Osnabrück entsprechende Verflechtungen erwiesen seien.
UPDATE: Der Kollege Stadler erinnert zu recht an die Einschränkungen des Hausrechts, bei dessen Ausübung die Grundrechte grundsätzlich zu beachten sind, wie der BGH für Fußballstadien entschied. Aber wenn schon, dann sollten wir in diesem Zusammenhang das halbwegs aktuelle BGH-Urteil zur Demonstrationsfreiheit am Frankfurter Flughafen erwähnen.
Zu meinen Twitter-Followern gesellte sich eine ihrem Avatar nach schnuckelige Blondine, die für einen Link http://www.dein-presseausweis.de/ wirbt. Dort wird ein „Presseausweis“ angeboten, der total legal sei und allerhand Vorteile böte. Die Website verspricht auch, dass man nicht prüft, ob der Besteller denn tatsächlich Journalist sei, der Ausweis würde aber genau das jedem bescheinigen – für nur 39,95 inkl. Versandkosten.
Erstaunlicherweise lässt der Ausweis nicht erkennen, wer ihn ausgestellt hat, was für eine Urkunde nun einmal konstituierend ist. Damit ist dieser „Ausweis“ so echt wie die Detektiv-Ausweise von YPS. Konventionelle Presseausweise werden von diversen Verbänden ausgestellt, und man muss wenigstens ein bisschen heucheln, dass man Journalist sei. Auch die etablierten Presseausweise begründen übrigens keine originären Rechte. Es bleibt jedem Veranstalter etc. selbst überlassen, ob er jemanden als Journalist anerkennt, oder eben nicht. Der Presseausweis ist nicht mehr als ein Indiz, wobei Aussteller wie der DJV, BDZV, ver.di usw. natürlich eine gewisse Autorität ausstrahlen – mehr nicht.
Der Websitebetreiber – offenbar männlich und nicht die süße Blondine – sieht übrigens schon Twittern als journalistische Tätigkeit an. Na denn …
Nach eineinhalb Jahren Stellungskrieg an den Hamburger Gerichten und etlichen Klagen und Verfügungen muss nun ein weiterer Gegner die Waffen strecken: Der eigenartige Sozialpädagoge, der einen offenbar „anthroposophischen“ Doktortitel führt und von der Evangelischen Hochschule Dresden aus dubiosen Gründen zum Honorarprofessor gemacht wurde, hat die längste Zeit eine Einrichtung für ehemalige Drogenkranke geleitet. Zwar hatte der gute Mann u.a. vor Gericht beteuert, alles sei 100% wissenschaftlich abgesichert, er arbeite nur nach anerkannten Therapien. Aber solch esoterische Methoden wie die „Energiefeldtherapie“ sind nun einmal definitiv keine vom wissenschaftlichen Rat nach § 11 PsychThG anerkannten Verfahren. Und der Rest, den er da veranstaltet hatte, entspricht wohl eher auch nicht dem Stand der Kunst, sondern erinnert an überkommene Konzepte aus den 70ern – und an Schwachsinn vom Feinsten.
Darüber, wie dieser unglaublich dreiste Hochstapler in die Position eines „Leiters eines Fachkrankenhauses“ gelangen und als vermeintlicher Halbgott in Weiß die Zivilkammer 25 des Landgerichts Hamburg und den 7. Senat des Hanseatischen Oberlandesgerichts so blenden konnte, dass sie meinten, Beweise gar nicht erst erheben zu müssen, könnte man getrost einen Schelmenroman schreiben. Der Mann hatte jedenfalls das Gesundheitssystem und den Umgang mit den Behörden perfekt verstanden. Nun aber musste der Professor das Energiefeld räumen.
Erstaunlich ist, dass
die sächsische Oberkirchenrätin Almut Klabunde sowie der Rektor der evangelischen Hochschule Dresden, Prof. Ralf Evers, kein Problem damit hatten, als Tendenzbetrieb einem Anthroposophen den Professorentitel zu gewähren, der sich zum Karma-Gedanken bekennt, diesen für Wissenschaft hält und eine mystische Verbindung der Sippe propagiert;
u.a. die Psychotherapeutenkammer Niedersachsen trotz unserer Eingaben keinen Anlass sah, dem wunderlichen Treiben des Quacksalbers, der offenbar keine Erlaubnis für Heilberufe hat, Einhalt zu gebieten;
im Ergebnis auch die evangelischen Sektenbeauftragten sowie die „Experten“ einer gewissen Rentenversicherung versagten.
Nun macht den Job dann hoffentlich wohl (endlich) der Staatsanwalt.
Zur Ehrenrettung des Landgerichts Hamburg sei gesagt, dass der seltsame Professor bei der inzwischen wieder für solche Fälle ausschließlich zuständigen Zivilkammer 24 dieses Jahr keinen Blumentopf mehr gewann. In einer Klageerwiderung, in der es um das geheimnisvolle Energiefeld ging, welches der Professor zu beschwören versprach, benannte ich spöttisch als sachverständige Zeugen die Herren Catweazle, Uri Geller und Mr. Spock. Eine Beweisaufnahme war jedoch entbehrlich.
Das Karma des Sozialpädagogen dürfte durch die mit unapetittlichen Methoden geführten Klagen nunmehr verunreinigt sein.
Zur Zeit kämpfe ich Seite an Seite mit den Google-Anwälten gegen einen gewissen Dr. Nikolaus Klehr, der sein Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, weil eine anonyme Website Unerfreuliches über ihn berichtet und Google entsprechende Kurztexte („Snippets“) der geheimnisvollen Seite wiedergibt. Dr. Nikolaus Klehr hat nicht nur meinen Mandanten verklagt, den er für den Betreiber der Website hält (Streitwert: 160.000,- Euro), sondern auch Google. Ähnliches hatte er in der Vergangenheit schon einmal erfolglos versucht (OLG Hamburg 7 U 111/09, aus Sicherheitsgründen hier nicht verklinkt).
Nun haben die Google-Anwälte stolz wie die Spanier der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg das nunmehr auch berichtete Urteil des OLG Hamburg 3 U 67/11 vom 26.05.2011 vorgelegt. Hatte die Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg vor fünf Jahren noch Google in der Haftung gesehen, so hat sich nunmehr eine Hausnummer weiter am Sievekingplatz 2 die Auffassung durchgesetzt, dass es einer Suchmaschine schlicht und ergreifend nicht zugemutet werden kann, die Ergebnisse redaktionell zu prüfen. Nun muss es der Vorsitzende mannhaft hinnehmen, dass einmal mehr eines seiner weltfremden Urteile den Weg alles irdischen gegangen ist. Vielleicht haben die Hamburger ja inzwischen ihren Internetführerschein gemacht … Weiterer Kommentar beim Kollegen Stadler.
In dem aktuellen Verfahren sollen meinem Mandanten und Google ca. zwei Dutzend Äußerungen und eine Fotomontage verboten werden. Für den Fall, dass die Zivilkammer 24 mal wieder eine ihrer esoterischen Haftungen konstruieren sollte, musste sicherheitshalber jede Äußerung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und entsprechender Beweis aufgeboten werden. Da weder mein Mandant, noch Google Urheber der Äußerungen ist, musste jede der beiden beklagten Parteien sämtliche behaupteten Sachverhalte selbst recherchieren, was überwiegend eine detektivische bzw. journalistische Tätigkeit ist. Die Schriftsätze sind jeweils so dick wie Telefonbücher.
Der zeitliche Aufwand, der zur Abwehr von solchen Klagen erforderlich ist, liegt jenseits von Gut und Böse. Betuchte Kläger können an-s-tändige Hamburger Kanzleien mit an-s-tändigen Stundensätzen beauftragen, wobei auf Klägerseite hier etliches zusammen kommen dürfte. Für private Blogger ist ein solcher Rechtsstreit eine unverhältnismäßige zeitliche wie finanzielle Belastung. Einer Suchmaschine mutet man diesen Aufwand nach dem neuen Urteil nunmehr nicht mehr zu, einem Privatmann, welcher der Urheberschaft anonymer Äußerungen bezichtigt wird, hingegen schon.
Erstaunlich an den Klehr-Verfahren ist, dass Dr. Nikolaus Klehr lauter Äußerungen verboten haben will, deren Wahrheitsgehalt nicht wirklich zweifelhaft ist. Allein die schiere Menge an angegriffenen Äußerungen jedoch birgt Risiken für Fehler und Angriffsfläche für Prozesstricks. Derartig absurde Zumutungen für Beklagte gibt es an genau einem Platz auf der Welt: dem Sievekingplatz 1.