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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Gerichtsreporterin Sabine Rückert über die Kachelmann-Berichterstattung

Dieses Video mit dem wesentlichen Ausschnitt zum Kachelmann-Panel bei Netzwerk Recherche kann ich jedem Strafverteidiger empfehlen. Ab Minute 25 berichtet Gerichtsreporterin Sabine Rückert über die Einrichtung des Rechtsmediziners Prof. Püschel, der in Hamburg eine Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt leitet. Dorthin können sich Opfer begeben, um unabhängig von der Erstattung einer Strafanzeige die medizinischen Beweise zu sichern und Beratung zu erhalten.

Einen großen Teil seiner Fälle ordnet Püschel tatsächlichen Vergewaltigungen zu, bei einem anderen Teil kann er sich keine eindeutige Meinung bilden, aber bei 27 % der Fälle gelangt Püschel zu dem Schluss, dass entsprechende Spuren simuliert wurden. In einem Vier-Augen-Gespräch pflegen die vermeintlichen Opfer dies sogar häufig einzugestehen und die Einrichtung zu verlassen, als sei nichts gewesen.

Wer um diese bemerkenswert hohen Fälle weiß, der bewertet die Glaubhaftigkeit von Verdächtigen, welche die Tat abstreitet, durchaus etwas anders, als Frau Schwarzer das sieht.

Der Medienjournalist Stefan Niggemeier sieht Frau Rückert eher kritisch und verweist auf einen Beitrag des Kollegen Udo Vetter. Auch andere hatten einen anrüchigen Kontakt zwischen Rückert und Schwenn ausgemacht, die mal gemeinsam ein Buch geschrieben hatten. Anders als viele Kommentatoren war ich bei dem gesamten, hier im Video nur teilweise wiedergegeben Panel anwesend, wo Frau Rückert bekannt gab, dass sie von Schwenn überhaupt nichts bekommen hatte – sie hätte die Akte ja bereits von Birkenstock bekommen (was der bestreitet). Ich halte Frau Rückert für eine professionelle Gerichtsjournalistin (erheblich besser als Gisela Friedrichsen).

Ja, sie hat sich nicht nur auf die Beobachterrolle beschränkt hat, sondern Haltung gezeigt und sich eingemischt. Damit verstieß sie gegen ein unter anderem von den Netzwerk Recherche-Leuten gepriesenes Dogma, dass sich ein guter Journalist nicht mit einer Sache gemein macht, auch nicht mit einer guten. Aber mal Hand aufs Herz: Glaubt denn irgendjemand, dass es neutralen Journalismus gibt? Seit Heisenberg wissen wir, dass die Beobachtung das Objekt beeinflusst, eine Wechselwirkung unvermeidbar ist.

Ich kenne exzellente Journalisten, die durchaus ein Anliegen transportieren und andernfalls auch kaum das Vertrauen von Informanten gewonnen hätten – Recherche macht man nicht aus Leidenschaft um ihrer selbst Willen, sondern weil man ein Motiv hat. Demgegenüber beobachte ich jedoch etliche Schreiber, die PR transportieren. Warum hätte Frau Rückert Kachelmann, den sie beim falschen Anwalt wähnte, ins offene Messer rennen lassen sollen? Selbstverständlich tauschen sich recherchierende Journalisten mit Anwälten aus. Ich jedenfalls habe dabei sehr gute Erfahrungen gemacht.

(Ich halte allerdings den Kollegen Birkenstock durchaus für einen exzellenten Strafverteidiger, der offenbar die richtige Strategie gefahren hat und habe umgekehrt derzeit wenig Anlass, mich mit der gewiss professionellen Kanzlei Schwenn&Krüger zu identifizieren, die auch einen gewissen Herr Dr. Nikolaus Klehr vertritt. Ich kann und will mir aus der Distanz kein Urteil über Schwenns Künste erlauben; beeindruckt haben mich die Mätzchen fachlich jedenfalls nicht.)

« BGH zur vermeintlichen Veröffentlichungspflicht der Presse über Einstellung des Ermittlungsverfahrens bei Verdachtsberichterstattung – Dr. Nikolaus Klehr – Klagen, bis der Arzt kommt (7) »

Ein Kommentar

  1. Wochenspiegel für die 27. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand | Heymanns Strafrecht Online Blog

    […] ) über Kachelmann – die Nachlese-, und zwar lesenswert hier, aber auch noch […]

    #1 Pingback vom 10. Juli 2011 um 10:28

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