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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


31. Mai 2011

„Treffen sind keine Kontakte“

Die SPD in NRW scheint es mal wieder etwas an finanzieller Hygiene fehlen zu lassen. Eine mit öffentlichen Aufträgen bedachte Kanzlei soll um Parteispenden gebeten worden sein.

Auch Star-Journalist David Schraven, der inzwischen bei der WAZ den Leyendecker gibt, will wieder einen Scoop gelandet haben. Innenminister Ralf Jäger verstrickte sich in gewisse – sagen wir einmal – „Widersprüche“, die Schraven in DER WESTEN aufzeigte.

Der Enthüllungsjournalist scheint den Eiertanz, der Journalisten wie Bloggern bei Berichterstattung dieser Art zugemutet wird, nicht ganz ohne Blessuren gemeistert zu haben. Selbst für Kenner der fatalen Stolpe-Entscheidung ist die Logik, die der Jäger-Anwalt praktiziert, erstaunlich:

„Jägers Anwalt sagt, Treffen sind keine Kontakte.“

fasst Schraven zusammen. Jäger war gefragt worden, ob es außerhalb von Parteiveranstaltungen Treffen gegeben hatte, also „private Treffen“, was er verneinte. Später räumte er ein, es habe zwei Treffen in der Kanzlei gegeben. Das soll keine Korrektur gewesen sein. Der Fall bleibt spannend.

Weiteres Detail: Bei seiner Einlassung ließ Minister Jäger durchblicken, kostenfrei eine telefonische Erstberatung wegen Telefonoerens am Steuer erschl… erhalten zu haben. Auch das war kein Kontakt. Abgerechnet gehört die Erstberatung trotzdem … :-P

Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim zum Kachelmann-Freispruch

Das Landgericht Mannheim hat nach dem heutigen Freispruch eine lesenswerte Pressemitteilung herausgegeben. In ungewöhnlich ausführlicher Form geht das Landgericht auf die zweifelhafte Rolle der Medien in diesem Verfahren ein.

Der Kollege Udo Vetter, ein Fachanwalt für Strafrecht, hat einen ebenfalls lesenswerten Kommentar veröffentlicht. Den Vorwurf an das Gericht, dass es sich nicht in die Karten sehen lassen wollte, teile ich angesichts der zum Teil fragwürdigen wie provokanten Art der Verteidigung nicht. Angesichts des Medieninteresses dürften die Richter kaum eine andere Wahl gehabt haben, um nicht der Kumpanei geziehen zu werden.

Einen positiven Verdienst hatte das Verfahren. Wir wissen nun endlich, was wir von Alice Schwarzer zu halten haben, die ein eigenartiges Verständnis von Rechtsstaat und Gerichtsbarkeit bewies – in der BILD-Zeitung.

30. Mai 2011

Von Links und rechtsfreien Räumen

Zum Jubiläum von TELEPOLIS habe ich eine launige Rückschau auf 15 Jahre Rechtsgeschichte des Internets gehalten.

Teil 1: Das unentdeckte Land (1996 -1998)
Teil 2: Das Urheberrechts-Imperium schlägt zurück (1999-2001)
Teil 3: Schluss mit lustig! (2002 bis 2004)
Teil 4: Gefährliche Einrichtungen (2005 bis 2007)
Teil 5: Das Netz ergreift Partei (2008 bis 2010)

Es versteht sich von selbst, dass dieser kursorische Streifzug nur eine subjektive Auswahl darstellt.

Bei der TELEPOLIS-Party am Samstag in München erinnerte TAZ-Mitbegründer Matthias Bröckers daran, dass ihn die Mainstreampresse vor knapp einem Jahrzehnt mit dem Argument bashte, er nutze zum Recherchieren das Internet, ein damals pauschal als unseriös geltendes Medium. Sein Buchverleger hatte ihn seinerzeit aufgefordert, den Lesern zu erklären, was Google sei. Heute hingegen markiert das Internet die Minimal-Anforderung für einen Artikel. Mir gegenüber klagten Publizisten sogar, Journalisten würden heute keine Bücher mehr lesen – sie hätten doch Google …

Im Internet werden allerdings lieber Tweets als lange Texte konsumiert. Wie ich auf der Party feststellen musste, haben selbst treue Leser meiner Beiträge meine Lemnitzer-Bio nicht gelesen, weil sie so lang sei. Tragisch, denn ich betrachte sie als meine bisher anspruchsvollste Arbeit für Telepolis.

27. Mai 2011

BUNTE ./. STERN: Blatt wusste nicht von Paparazzi

Die BUNTE hatte Bilder bei der Agentur CMK bestellt, will jedoch nicht gewusst haben, mit welchen Methoden dort gearbeitet wird: Man stellte Politikern nach, etwa Franz Müntefering. Sie wehrte sich nun erfolgreich gegen die Darstellung des STERN, der nach Meinung des Landgerichts Hamburg den Eindruck erweckte, die BUNTE hätte doch Kenntnis gehabt. Der STERN denkt über eine Berufung nach.

Schon irgendwie seltsam, wenn sich die Medien gegenseitig die Pressefreiheit kaputtmachen. Zuletzt hatte das ebenfalls ein BURDA-Mann versucht, nämlich der damalige FOCUS-Chef Markwort, der jenseits von Hamburg in Karlsruhe kläglich verlor.

Der Kollege, der seit etlichen Jahren ca. jeden zweiten Freitag für den BURDA-Verlag in der Hamburger Pressekammer auf der linken Seite sitzt (da sitzen in Hamburg die Beklagten), durfte diesmal rechts sitzen.

Anonym im Netz

Letztes Jahr hatte mir Jens Kubiziel sein Buch „Anonym im Netz“ zwecks Rezension zugesandt. Ich hatte das Werk überflogen und einen sehr guten Eindruck gewonnen, den ich bei Gelegenheit und Rücksprache mit Hackern in eine vernünftige Rezension umsetzen wollte. Leider hatten über ein Jahr hinweg andere Sachen Priorität, und bis ich endlich zur Rezension Zeit finden werde, ist der Inhalt vielleicht schon überholt. Daher möchte ich meine Blogleser, die Kontakte mit Filesharing-Jägern, Geheimdiensten und sonstigen Schnüfflern vermeiden wollen, auf diesen praktischen Leitfaden hinweisen.

Anonymität im Internet ist prinzipiell legitim und wertvoll. Nicht von ungefähr betreue ich etliche Mandate im Dunstkreis von anonymen Websites, die über gesellschaftlich wichtige Themen informieren, ohne vom Landgericht Hamburg belästigt zu werden.

Derzeit allerdings macht die anonyme Website „isharegossip“ von sich reden, die internetfeindlichen Politikern wieder in die Hände spielt. (Damit nicht genug, hat sich gerade ein selten dämlicher Trittbrettfahrer im TV profiliert, dessen gelockerte Anonymität nicht überzeugte …) Anonymität verführt mangels sozialer Kontrolle zu Grenzüberschreitungen. Auch, wenn ich tendenziell für die Meinungsfreiheit eintrete und die juristische Ausuferung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nachhaltig kritisiere, verabscheue ich psychische Gewalt und Mobbing. Die zynische Website isharegossip halte ich nicht für einen gesellschaftlichen Fortschritt, sondern für kriminell.

26. Mai 2011

Kundgebung zu Bradley Manning

Seit einem Jahr wird Private Bradley Manning in Einzelhaft gehalten, offenbar, weil er aufgrund einer moralischen Entscheidungen versuchte, das Orwellsche Lügenkartell des Pentagons zu durchbrechen.

Es wird Zeit, dass er nicht nur aus der Netzgemeinde Anerkennung erfährt. Unsere Politiker, die sich „Humanität“ und ähnliches auf die Fahnen schreiben, aber auch die Medien, die von den WikiLeaks-Dokumenten profitierten, könnten sich ruhig einmal etwas lauter äußern.

Kundgebung: Samstag den 28.05.2011 in Berlin, Pariser Platz, 13 Uhr.

Amtsgericht Weißwasser stellt Fragen zu Thailandreisen unter Strafe

Sachsen muss über zwei Jahrzehnte nach dem Beitritt noch immer als Entwicklungsland in Sachen Pressefreiheit gelten. Während Journalisten in zivilisierten Bundesländern zivilrechtlich gegängelt werden, scheint es im Königreich Sachsen nunmehr Tradition geworden zu sein, Journalisten strafrechtlich einzuschüchtern, dieses bereits während der Recherche.

ZAPP berichtet über einen Journalisten, der beim Amtsgericht Weißwasser bzgl. der Nebentätigkeiten eines Richters anfragte, der offenbar Reisen nach Thailand organisierte. Die Frage nahm das Amtsgericht Weißwasser Weißwasser zum Anlass für einen Strafbefehl über 800,- Euro, denn Reisen nach Thailand enthielten die ehrverletzende Unterstellung, es handle sich um Sex-Reisen.

25. Mai 2011

„Naming Private Ryan“ – Ryann Giggs lernt den Streisand-Effekt

SPIEGEL online hat einen brauchbaren Bericht über den zensurfreudigen Balltreter, der verbieten will, was jeder weiß. Sein insoweit wohl ehrgeizigster deutscher Kollege dürfte wohl Oliver Kahn sein, dessen Liebeleien, Ableger und Abgelegte die Hamburger Pressekammer in Atem halten.

In obigem Video ist auch die zur Zensur hilfreiche Perücke abgebildet … ;-)

Nackerter filmt Nackerte

Die Süddeutsche berichtet über einen Naturfilmer, der textilfrei eine ebenso bekleidete Sonnenbaderin auf einer Kiesbank heimlich filmte, offensichtlich ohne deren Einverständnis. Die Zeitung zitiert die Rechtsmeinung eines Polizisten. Demnach

„ist derartiges Filmen nur strafbar, wenn sich die Frau belästigt fühlt.“

Eine Anwendung des „Spannerparagrafen“ 201a StGB scheidet bei Entblößung der Fotografierten in der Öffentlichkeit schon mal aus.

Liegt eine „exhibitionistische Handlung“ nach § 183 StGB vor? Der Fotofreund war lediglich mit seiner Kamera bekleidet, die er vermutlich oberhalb der Gürtellinie trug. Da er seine Pracht allerdings wohl eher nicht präsentierte, dürfte insoweit eher keine vorsätzliche Belästigung zu begründen sein.

Hat der Mann die sich in der Öffentlichkeit sonnende Frau beleidigt, § 185 StGB? Eine Kundgabe der Missachtung wird schwer zu begründen sein, denn er wollte ja nichts kundgeben. Im Gegenteil hat er faktisch zum Ausdruck gebracht, dass sie ihm gefällt …

Liegt ein Erregen öffentlichen Ärgernisses vor, § 183a StGB? Erregt wird er wohl gewesen sein, aber man wird sich streiten können, ob diskretes Filmen als sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit zu werten ist, zumal er ja nach Entdeckung sofort eingepackt hat, also keinen entsprechenden Vorsatz gehabt haben dürfte. Sicher hat der Ästhet die Frau auch nur aus künstlerischen Motiven gefilmt und wird sich auf die Kunstfreiheit berufen …

Bleibt noch die mögliche Ahndung durch Geldbuße wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ als Ordnungswidrigkeit, § 118 OWiG. Da an der Stelle ohnehin Nacktbadeverbot herrschte, wird die Öffentlichkeit dem Manne wohl insoweit die Vornahme einer „grob ungehörige Handlung“ zum Vorwurf machen können, nicht allerdings die gleichfalls nackte Geschädigte. Auch das unerwünschte Rumknipsen wird man unter diesen Umständen als „ungehörig“ ansehen dürfen.

Zivilrechtlich betrachtet sieht es ebenfalls weniger freizügig aus. Sofern das Gesicht der Frau gefilmt wurde, kann diese sich auf §§ 22ff KunstUrhG berufen und für den Rest ihres Körpers das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bemühen. Das schützt zwar nicht gegen das Filmen als solches, aber immerhin gegen die mögliche Verbreitung der Bilder. Vereinzelte Gerichte haben bereits die bloße Möglichkeit des Verbreitens als ausreichend angesehen, um die inflagranti erfolgte Vernichtung der Aufnahmen zu rechtfertigen. Das geht zwar über das geschriebene Gesetz hinaus, wäre aber auf der Wertungsebene für Fälle wie diesen nachvollziehbar.

Wenn Frau sich also gegen die Bilder zur Wehr setzen will, sollte sie den Lümmel vor Ort möglichst durch einen Ordnungshüter zur Löschung der Aufnahmen dringend veranlassen. Ob die Löschung zivilrechtlich und vor allen Dingen faktisch durchgesetzt werden kann, wenn der Täter die Gelegenheit zu Kopien hatte, ist im Ergebnis müßig.

24. Mai 2011

Der Anwalt, der über 75.000 Twitterer verklagen wollte

Die TAZ berichtet über die per Twitter ausgehebelte Super Injunction eines Fußballers.

Der Anwalt des superberühmten und zunehmend ungeheimen Mannes (ob er nun wirklich den ehelichen Treueschwur gebrochen hatte oder nicht, scheint nun nichts mehr zur Sache zu tun) wollte sowohl den Kurznachrichtendienst als auch alle User verklagen, die den Namen seines Mandanten nannten. Schließlich gab es ja die gerichtliche Anordnung, und diese verbat eben auch das digitale Lästern.

Das wären also über 75.000 einzelne Klagen. Der Mann hätte sich anschließend zur Ruhe setzen können … ;-)