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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


7. Oktober 2010

Miss Undercover 3: Frau Guttenberg

Frau von und zu und ab und davon Guttenberg inszeniert sich auf dem Softpornosender RTL2 als Kinderpornojägerin. Kein Kommentar.

ALDI-Pesiflage geSPIEGELT

Die derzeitig bedrohte ALDI-Persiflage wurde von der ALDI-Kundin Frau Steisand zu SPIEGEL online getragen, wo sie nun prominent zu sehen ist. ;-)

Stuttgart 21: Derselbe Planet, verschiedene Welten

Selbst Schuld, sagt Karin from Eddy Edwards on Vimeo.

6. Oktober 2010

Medienrechtler Prof. Weberling checkt die Wikipedia

Der bekannte Presseanwalt Prof. Weberling, der unter anderem etliche Verlage vertritt, startet an der Viadrina-Universität Frankfurt an der Oder das Projekt Wiki-Watch.de. Dort wird die Wikipedia als „die wichtigste Wissensressource weltweit“ bezeichnet.

Auch Telemedicus machte sich jüngst Gedanken über die Regelstrukturen, die schon aus verfahrensrechtlicher Sicht zu wünschen lassen.

Tatsächlich hat sich dort in innerhalb eines Jahrzehnts eine Oligarchie von Leuten gebildet, die sich persönlich von Wikipedia-Stammtischen und ähnlichen Veranstaltungen kennen und die Idee des Mitmach-Lexikons schlicht und ergreifend verraten. Statt Regeln gibt es dort Willkür, Konspiration und Herschaftswissen, was auf einem erstaunlich niedrigen Niveau praktiziert wird. Seit Jahren ist Wikipedia eine Wagenburg mit einem scheinbar akademischen Antlitz.

Morgen dazu mehr.

Astroturfing bei Stuttgart 21

Weil jemandem in Stuttgart langsam gedämmert sein muss, dass erblindete Rentner und arrogante Politiker keine sonderlich zielführende PR für verbuddelte Bahnhöfe sind, scheinen die jetzt Spin Doctors engagiert zu haben, um die Kritiker in Misskredit zu bringen. Was man früher „schwarze PR“ nannte, schimpft sich heute „Astroturfing“.

Solche Desinformationskampagnen hatte auch das Ministerium für Staatssicherheit unternommen, in dem die „Abteilung X“ gefälschte Dokumente u.a. an Zeitungen im Westen lancierte usw. Dies kann man heute gut nachhalten, denn zwei letztes Jahr verstorbene Offiziere der Abteilung X, die ihrem Dienstherren zunehmend kritisch gegenüberstanden, hatten 1993 in ihrem Buch „Auftrag Irreführung“ über ihre Desinformations-Operationen berichtet. Während man früher kunstvoll fälschen musste, erledigt man so etwas heute per Internet. Ein Problem ist jedoch nach wie vor das gleiche: Man fällt mit solchen Nummern leicht auf, oft genug geht der Schuss nach hinten los.

Lesenswerter Beitrag in der Süddeutschen.

5. Oktober 2010

Polizei in Stuttgart schoss Strafrichter a.D. mit Wasserwerfer ab

Der ehemalige Vorsitzende einer Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, Dieter Reicherter, hatte von den Protesten gegen Stuttgart 21 im Radio gehört und wollte sich das mal ansehen. Er sah keine Straftaten bei den Demonstranten. Dann wurde er, obwohl außenstehend, vom Wasserwerfer abgeschossen. Der Kollege reagierte professionell.

„Gestatten Sie mir den Schlusssatz, dass ich einen derartigen Polizeieinsatz gegen friedliche Bürger bislang nur durch Berichte aus China und andere Diktaturen kannte.“

59 Jahre Haft für einen Witz

This Prison Where I Live · Trailer from Robin Haefs on Vimeo.

Comedian Michael Mittermeier hat einen Film über seinen Kollegen in Birma gemacht, dessen Namen nicht einmal genannt werden darf. -> Süddeutsche

Kontextgerechtes Foto eines Begleiters

Findige Pressejuristen versuchen immer wieder, die Zensurbegehrlichkeiten ihrer Mandantschaft zu bedienen, in dem sie das Abweichen eines Textes von einem bei einem anderen Anlass aufgenommenen Foto ins Feld führen. Wird etwa eine Nachricht mit Archivmaterial illustriert, so ist man nur mit einem „kontextneutralen“ Foto auf der sicheren Seite, das die betreffende Person also ohne einen sonstigen Hintergrund zeigt, der das Geschehen verfälscht. Aber auch insoweit muss ein Interesse der Öffentlichkeit begründet werden.

Am Landgericht Berlin war ein Schauspieler zunächst erfolgreich gewesen, der als Begleiter und Partner einer anderen Schauspielerin abgebildet war. In dem Bericht ging es nämlich über die Probleme der Tochter der Schauspielerin, mit der Vergangenheit ihrer Eltern umzugehen. Der leibliche Vater, ebenfalls ein bekannter Schauspieler, bekannte sich dazu, in seiner Jugend angeschafft zu haben. Auch die Vergangenheit des Klägers, der nicht ganz so bekannt ist, darf als „bewegt“ gelten.

Der Kläger hatte die prominente Schauspielerin beim Bundesfilmball begleitet, wo das Paar gemeinsam abgelichtet worden war. Eine spätere Verwendung dieses Fotos im Zusammenhang mit der Sexbeichte des Ex-Freundes seiner Partnerin fand der Kläger nicht prickelnd. Die Berliner Pressekammer gab der Klage statt und argumentierte, der Kläger sei keine „absolute Person der Zeitgeschichte“ – eine Formulierung, die heute nur noch selten verwendet wird, weil es diese „Absolutheit“ wie früher nicht mehr gibt, vielmehr stets eine Interessenabwägung zwischen Interesse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht zu erfolgen hat.

Das Kammergericht wollte dem nicht folgen:

Nach der jüngsten Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann eine Bildberichterstattung auch dann zulässig sein, wenn einzelne Aussagen der Wortberichterstattung unzulässig sind, das streitgegenständliche Foto aber zumindest auch ein zeitgeschichtliches Ereignis bebildert (Urteil vom 13. April 2010 – VI ZR 125/08). Der Bundesgerichtshof differenziert dabei danach, ob sich die Berichterstattung auf eine zu untersagende Darstellung beschränkt, oder Gegenstand der Bildberichterstattung vielmehr auch ein zeitgeschichtliches Ereignis ist.

Und das war er in den Augen des Kammergerichts:

Mit dem Hinweis, dass es für die Tochter von Frau … nicht das erste Mal sei, dass sie mit „pikanten Details aus dem Liebesleben ihrer prominenten Eltern“ konfrontiert wird, wird eine Parallele zum Kläger und dessen „bewegter Vergangenheit“ hergestellt.

Die Ironie an der Sache ist, dass es der Zeitung beinahe zum Verhängnis geworden wäre, dass sie sich mit der Kolportage über den Kläger sogar noch zurückgehalten hatte. Denn hätte sie geschrieben, was sie nur andeutete, dann hätte man erst recht nicht bezweifeln können, dass der Kläger Interesse der Öffentlichkeit auf sich zieht – denn auch der Kläger war einmal jung und brauchte das Geld …

Könnte man diesen Beitrag süffisanter illustrieren als mit diesem Clip? ;-)

10 U 149/09 Kammergericht
27 O 523/09 Landgericht Berlin

DIE ZEIT erfindet Rad neu

DIE ZEIT hatte offenbar Zeit zu viel und nahm eine Internetpublikation ins Visier, welche eine Rubrik mit „Stimmt’s?“ betitelte – erfolgreich, wie der Kollege Graf berichtet, was möglicherweise mit der sachdienlichen Wahl des Gerichtsorts zusammenhängen könnte.

Es dürfte eine Frage der ZEIT sein, bis die PRAWDA mal bei der TAZ anklopft, weil es da eine (ziemlich abgefahrene) Seite „DIE WAHRHEIT“ gibt. Sowohl „Stimmt’s?“ als auch „die Wahrheit“ befassen sich ja mit dem journalistischen Selbstanspruch, authentisch zu berichten, so dass meinetwegen die PRAWDA ruhig auch gegen die Rubrik der ZEIT vorgehen kann.

EGMR zur Verdachtsberichterstattung

Der Kollege Lehofer aus Österreich weist auf eine interessante Entscheidung des EGMR hin, bei der es um den reklamierten Schutz des Privatlebens vor Verdachtsberichterstattung wegen einer behaupteten Schwarzgeldsache ging.

Der Artikel in El Mundo betraf eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses und nach Ansicht der Mehrheit des Gerichts wurde auch die erforderliche journalistische Sorgfalt eingehalten: auch das Dementi des betroffenen Unternehmens wurde wiedergegeben und die anonym zugespielten Daten waren durch ein Gespräch mit dem (allerdings entlassenen) Buchhalter des Unternehmens gegengeprüft worden. Damit hatte der Journalist nach Ansicht des EGMR alle effektiven Möglichkeiten ausgeschöpft, die Information zu verifizieren.

Der einzig abweichende Richter berief sich auf die Caroline-Entscheidung des EGMR. Damals hatten zwei Herschaften, die auf Kosten von Generationen von Menschen (Untertanen) unverdient zu exorbitantem Reichtum und Status gelangt sind, sich das Recht erstritten, nicht nur in ihren Privatschlössern und Ländereien ihre Privatsphäre ungestört ausleben zu dürfen (was Sie und ich heute nicht einmal mehr am heimischen Computer dürfen), sondern auch in der Öffentlichkeit bei öffentlichen Veranstaltungen etc. unsichtbar zu werden. Wenn die Frau C. ein Reittournier ihres hochwohlgeborenen Töchterleins besucht, darf Mami nicht abgebildet werden, weil das ja etwas sehr schreckliches wäre, wozu Durchlaucht den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bemühen geruhen.