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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Sozialkunde in der Pressekammer

Eine Schulklasse fand ihren Weg in den Zuschauerraum der Hamburger Pressekammer. In dieser Funktion sind die Schüler „Gerichtsöffentlichkeit“ nach § 169 GVG. In einer Pause zwischen Terminen war das Gericht bereit, der Schulklasse zu erzählen, wie die Dinge hier so laufen. Der nicht ganz unbekannte Vorsitzende hieß jedoch den „Gerichtsschreiber“ Rolf Schälike, solange den Raum zu verlassen, denn es handele sich nicht (mehr) um eine Verhandlung.

Rechtsreferendaren wäre es gestattet, etwa am Beratungsgespräch der Richter teilzunehmen. Insoweit können Richter den Gerichtssaal außerhalb eines Termins zum Verhandlungszimmer erklären. Auch können Gerichtssäle ad hoc zu Unterrichtssälen erklärt werden. Hier aber waren es bloß konventionelle, also nicht privilegierte Schüler, so dass es quasi eine Privatsache war, ob der Richter diesen etwas erzählen wollte, oder nicht. Durfte der Vorsitzende spezifisch Vertreter der Öffentlichkeit rauswerfen, solange keine Verhandlung läuft (jedoch am Richtertisch Roben getragen werden)?

Der Gerichtsblogger weigerte sich, den Saal zu verlassen und beantragte eine Entscheidung analog § 174 GVG. Der Vorsitzende lehnte ab und drohte mit der Sitzungspolizei. Da der Gerichtsblogger jedoch sowohl in der DDR als auch in Hamburg für seine Bürgerrechte in den Knast gegangen war, vermochte die Drohung keine Wirkung zu erzielen.

Schließlich bot der Vorsitzende an, Schälike dürfe in seiner Abwesenheit fünf Minuten vor den Schülern sprechen, was allerdings dem zuständigen Pädagogen missfiel. Daraufhin verkündete der Blogger, er werde nun herausgehen, denn er habe sein Ziel, nämlich die Verhandlungsbereitschaft des Vorsitzenden, erreicht:

Gut. Herr Buske, Sie haben einen Vorschlag gemacht. Was war, das genügt. Ich denke, die Schüler haben mitbekommen, dass in diesem Saal Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Die Schüler haben mitbekommen, wie die Würde gewahrt werden, wie Widerstand gegen die Staatsmacht geleistet werden kann. Sie haben mitbekommen, dass man sich wehren muss, gegen den Abbau der inneren Freiheit, der in der Schule beginnt da k solcher Lehrer, wie der Herr hinter mir. Hier im Gerichtssaal wird die menschliche Würde, das Persönlichkeitsrecht missachtet. Ich brauchen keine Vortrag mehr zu halten. Die Schüler haben das in der Praxis erlebt, wie man als Persönlichkeit, von der Staatsmacht unterdrückt, trotzdem bestehen kann. Ich werde jetzt den Saal verlassen.

Den pädagogisch wertvollen passiven Widerstand, den Schälike da leistet, nannte ein bekannter indischer Rechtsanwalt Satyagraha. Mit Beharrlichkeit kennt Schälike sich definitiv aus.

Foto: Zwei Sturköppe (via Schälike.de).

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Autor:
admin
Datum:
17. Oktober 2010 um 12:10
Category:
Allgemein,Internet,Landgericht Hamburg,Medienrecht,Meinungsfreiheit,Persönlichkeitsrecht,Pressekammer,Zensur
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