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Rechtsanwalt Markus Kompa – Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Köln
Blog zum Medienrecht


Diekmanns Aschermittwoch

Fünf Jahre hatte die BILD-Zeitung das BILD-Blog eisern ignoriert. Unter den Spitzen-Managern in Deutschland gilt mediale Zurückhaltung als eine Tugend. Man rümpft in diesen Kreisen die Nase über Wirtschaftskapitäne, die Öffentlichkeit in Talkshows suchen, wahrt bewusst die Distanz.

Nachdem inzwischen die mediale Durchsetzungskraft des Internets der Gutenberg-Galaxis immer mehr Terrain abgerungen hat, betrat BILD-Chef Kai Diekmann für erklärte 100 Tage die Blogosphäre, wohl um in Stefan Niggemeiers angestammten Revier zu wildern und ihm die Deutungshoheit für seine Person streitig zu machen.

Über seine Motive zur inszenierten Selbstentblößung wird noch immer spekuliert. Nachdem er früher die deutsche Eiche gegeben hatte, der es egal ist, ob sich die W(B)ildsau an ihr reibt, verwandelte er sich nun selber in einen selbstironischen Medienkommentator, an dessen Fell Kritik abperlt wie Wasser an einer W(B)ildsau:

Nehmerqualitäten hat er sportlich bewiesen. Er hatte es zugelassen, dass ich ihm einen Link auf die unzensierte Version des Wallraff-Buchs in die Kommentare gelegt hatte, ertrug mannhaft selbst meinen bisweilen deftigen Senf zur Dödel-Affäre, für mein Spottgedicht gab es statt Schelte sogar eine großzügige Einladung.

Niggemeier tat ihm (und uns) nicht den Gefallen, sich auf eine Presse- bzw. Blogger-Fehde einzulassen. Erst heute zum Diekmann-Aschermittwoch kommentiert der Alpha-Blogger. Die nun mal existierende Spannung zwischen beiden Parteien klammert er vornehm aus. Hat der „Spaß-Buhmann“ Diekmann nun Boden in der Blogosphäre gut gemacht, oder war es nur ein selbstverliebter Ego-Tripp eines Selbstdarstellers?

Inwieweit der Ego-Trip Diekmanns Salonfähigkeit in den konservativeren Stockwerken des Axel Springer-Universums geschadet haben könnte, ist schwer zu sagen, zumal sich auch dort Generationswechsel vollziehen. Umgekehrt haben Leute wie Udo Lindenberg, Alice Schwarzer und etliche andere längst die Fronten gewechselt.

Diejenigen, die ihn früher hassten, werden es auch weiterhin tun. Es ist auch ebenso unwahrscheinlich, dass er mit der zielgruppenfernen Aktion die Auflage seiner Holzmedien steigert. Als ich vor zwei Wochen „meine“ BILD kaufte, kostete es mich große Disziplin, die mich nun mal nicht interessierenden Boulevard-Inhalte und Nachrichtenhülsen zu lesen. Was Diekmann vermutlich aber sehr wohl geändert hat, ist die Wahrnehmung seiner Person innerhalb des Raumschiffs Berlin, speziell in seinen Journalistenkreisen.

Finanziell profitiert hat vor allem der Presserechts-Kollege Rechtsanwalt E., der an den über 30.000,- Euro Rechtskosten, die mehr oder weniger das Blog verursachte, den Großteil eingesteckt hat. Respekt!

UPDATE:

Die FAZ, die ich für heuchlerischer als BILD halte, hat einen lesenswerten Kommentar. Ist Stefan Niggemeiers Autorität beschädigt, hat ihn der boulevardesque Diekmann PR-technisch in die Ecke des Moralisten verwiesen?

UPDATE:

Auch der Blogwart der TAZ kommentiert treffend:

(…) Verglichen mit derlei Scheußlichkeiten läßt sich ein gewisser zivilgesellschaftlicher Fortschritt der Springer-Humoristen also nicht abstreiten – und den in 100 Tagen Blog einmal aufgezeigt zu haben kann  Diekmann und seinem Team als Verdienst angerechnet werden. An dem unerträglich unterirdischen Niveau der vom Genossen Kai verantworteten “Bild” freilich hat der Ausflug in die Höhen der Blogoshäre nichts geändert.  “Krebs-Patientin Julia (23) – Ihre Brust bekommt Schweinehaut” heißt es z.B. heute in einem großzügig bebilderten Artikel. Schweineblatt bleibt  eben Schweineblatt…

UPDATE:

Weil das Diekmannblog heute vom Netz geht, habe ich noch mal schnell mein Gedicht konserviert:

Der Kai von BILD dacht, er sei cool,
und sprach: „Mein Freund, du, Ertugrul!
Es ist wohl bald vorbei,
mit Presse-Einerlei!
Die Zukunft liegt im Web Zwei Null!

Die Leser soll’n mir Content schreiben,
muss ich nicht mal die Hände reiben!
Verschönern werden sie mir ja
den Eintrag auf Wikipedia!
Kann sogar zu Hause bleiben!“

Statt sich für BILD noch zu verbiegen,
wollt Kai mal schnell in Urlaub fliegen,
packte seine Habseligkeiten,
Volksbibel, Gel und Kohl-Weisheiten,
um bald in der Sonne zu liegen!

Gern wäre er von Tempelhof geflogen,
doch die Berliner waren nicht gewogen
seiner Kampagne für den Airoport,
die Flieger sind von dort jetzt fort,
der Flughafen ist umgezogen.

Nachdem in Marrakesch er gelandet ist,
da sucht seine Koffer der Publizist,
Doch als er fragt nach seinem Gepäck,
wird er gewahr, dass es ist weg.
Er flucht laut: „So ein Mist!“

Der Kleidung mangelt es der Katja,
die ähnelt nunmehr so in etwa,
den Damen, die in BILD auf Seite Eins,
der Textilien haben eher keins.
Machen Diekmanns nun FKK?

Der Kai, der möchte nicht nackert sein,
nackert guckt er bei der TAZ darein,
die ihn dort zeigt, wenn auch nicht schlecht,
in voller Pracht, inklusive Gemächt,
das findet er gemein!

Die Kleidung, die Kai sich eingepackt,
die braucht er gar nicht, denn es sagt
der Wetterbericht: „Es gibt Regen!“
Das tut der Kai nun gar nicht mögen.
An der Hotelbar er versackt.

Blogger Kai wollt machen Urlaub von Print,
er sich nun doch noch auf sein Blatt besinnt:
Hier hätte die BILD-Zeitung mal einen Nutz,
als gefalteter Hut böte sie nämlich Schutz,
an der Kamera vorbei der Regen rinnt.

Doch um aus der Not eine Tugend zu machen,
lässt es der Kai dann doch noch krachen:
Er bittet die Leser um ein Gedicht.
Doch dabei bedenket er nicht:
Für BILD-Leser zu schwierige Sachen!

Mit Worten, so hat Kai nun erkannt,
sind BILD-Leser ja eher nicht so gewandt.
die kennen nur kurze Sätze,
schätzen eher pralle Möpse,
Gedichte sind denen unbekannt.

Wollte schon niemand die Wikipedia korrigieren,
so scheint auch kaum ein Dichterfürst zu brillieren.
Nur wenige haben sich gewagt,
doch Kai, der bleibet unverzagt,
die wenigen Leser nicht zu verlieren!

Ein Siegelring als Preis ist schlicht,
denn wahrscheinlich passt er nicht,
Drum packe er eine Tasse dazu,
dann kriegt er auch von mir im Nu
ein kleines Kai-Gedicht!

Beim Rückflug passiert das Malheur erneut:
Über den neuen Koffer sich jemand anderes freut!
Diesmal bleibt Kai gelassen,
doch bald muss er erfassen,
dass neues Unheil bläut:

Zurück in Deutschland gibt es vermutlich
Post von Anwalt Prinz, der stattlich,
fordert, dass BILD zahlen muss,
da sie wieder bringt Monaco Verdruss,
und verdient bald königlich.

Die Anwälte wollen immer mehr,
machen Kai gar das Leben schwer.
Vor Prinzen und vor Eisenbergen,
würde Kai sich doch gern verbergen.
Wenn’s doch so einfach wär!

Gelangweilt dreht er am Siegelring,
da macht es plötzlich ein lautes „Pling“!
Ein Geist erscheint, und spricht zu Kai:
„Ungläubiger, du hast drei Wünsche frei!“
Was ein Ding!

Der Kai, der kann sein Glück kaum fassen:
„Kannst du die Anwälte verschwinden lassen?“
„Das könnt’ ich schon,“ antwortet der Geist,
„aber wie du doch wohl sicher weißt,
bist ohne Anwälte du verlassen!“

Da ruft der Kai „Was für ein Mist!“
„Das also dein erster Wunsch ist?!“
Bevor der Kai die Lage peilt,
ihn eine Ladung Mist ereilt.
Der Geist ist Humorist.

„Weg mit dem Zeug!“ ruft verdrossen der Kai.
„Das also war Wunsch Nummer zwei!“
der Geist süffisant ihm verkündet,
im nächsten Moment der Mist verschwindet.
„Nur einen Wunsch hast du noch frei!“

In BILD empfiehlt Kai den Monegassen:
„Wollt ihr einander nicht verlassen,
so rat’ ich euch beiden, mit Verlaub,
macht doch in Marrakesch Urlaub!
Das dürft ihr nicht verpassen!“

Die von Hannovers fahren tatsächlich dorthin.
Darauf ruft Kai erneut seinen Gin:
„Lass den Regen dort nie mehr versiegen!
Das soll sein mein letztes Anliegen!“
„So also stehet dir der Sinn?!“

Der Geist macht nun in Marrakesch Regen,
doch fragt er dann: „Du, sag mal, hegen
bei euch in Berlin alle Leut solchen Groll?
Neulich kriegte ein Anwalt den Hals nicht voll!
Der war ganz verwegen!“

„Erzähl!“ fragt Kai, der gute Storys mochte.
„Da war ein Anwalt, der auf Ansprüche pochte.
Der wünschte sich von mir drei Sachen:
Auch für ihn sollt’ ich in Marrakesch Regen machen,
bis sein Gegner kochte.

Der Gegner wurde völlig nass!
War auch für mich ein Riesenspaß!
Noch weiter sollte ich den Gegner schinden,
und ließ noch seine Koffer verschwinden
– inklusive Pass!“

Wer des Anwalts Gegner wohl war,
das wird dem Kai nun langsam klar.
„Hör zu, du blöder Geister-Zwerg!
War dein voriger Meister ein Herr Eisenberg?“
Der Geist nickt, es ist wahr.

Kai wird nun auf einmal ganz klein
Was mag des Anwalts letzter Wunsch gewesen sein?
„Ich zauberte den Anwalt mit all seinen Sachen,
nach Mailand, dort wollte er Urlaub machen –
im Sonnenschein!“

« Nachschlag zum NDR-Hoax – Scientology-kritisches TV-Movie angekündigt »

Autor:
admin
Datum:
2. Februar 2010 um 11:58
Category:
Allgemein,Internet,Medienmanipulation,Meinungsfreiheit
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